MKL1888:Arbeiterschutzkonferenz

Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Arbeiterschutzkonferenz“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 18 (Supplement, 1891), Seite 3244
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Arbeiterschutzkonferenz. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 18, Seite 32–44. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Arbeiterschutzkonferenz (Version vom 12.06.2024)

[32] Arbeiterschutzkonferenz in Berlin. Die internationale A., welche im März 1890 in Berlin stattfand, ist für Europa vielleicht das wichtigste Ereignis in der Geschichte der Sozialpolitik der neuesten Zeit. Die Notwendigkeit, durch internationale Verhandlungen der Staaten auf eine Gleichmäßigkeit in der Arbeiterschutzgesetzgebung der miteinander auf dem Weltmarkt konkurrierenden industriellen Staaten hinzuwirken, um ohne Schädigung der Industrie eine den berechtigten Interessen und Ansprüchen der industriellen Arbeiter entsprechende Schutzgesetzgebung in den Kulturstaaten durchführen zu können, wurde zuerst von dem elsässischen Fabrikanten Daniel le Grand (schon 1841) ausgesprochen und von diesem in den 50er Jahren durch eine an verschiedene europäische Regierungen versandte Denkschrift näher begründet. Als nun seit dem Ende der 60er Jahre in Deutschland gegenüber der einseitigen, individualistischen, die Politik des laisser faire und laisser aller verteidigenden Manchesterdoktrin (deutsche Freihandelsschule) eine neue Richtung in der Nationalökonomie die herrschende wurde und diese ihre sozialreformatorischen Anschauungen und Forderungen in der Arbeiterfrage entwickelte, wurde gegenüber ihren Forderungen des größern gesetzlichen Schutzes der Arbeiter, insbesondere der Kinder, jugendlichen und weiblichen Arbeiter, die gleichmäßige Durchführung desselben in den industriellen Staaten von größerer praktischer Bedeutung für die internationale Konkurrenzfähigkeit der einzelnen Staaten. Die Notwendigkeit solcher internationalen Verhandlungen wurde auch von Vertretern der Wissenschaft und dieser neuen Richtung (Schönberg, Ad. Wagner, Neumann u. a.) energisch betont, von andern Vertretern derselben (G. Cohn, Brentano u. a.) freilich ebenso entschieden bestritten.

Vorgehen der Schweiz.

Von den Staaten war es die Schweiz, welche zuerst für eine internationale Fabrikgesetzgebung eintrat und diese anzubahnen suchte, nachdem sie im J. 1877 das den industriellen Arbeitern einen sehr weitgehenden Schutz gewährende Fabrikgesetz erlassen hatte und die schweizerischen Fabrikanten durch die ausländische Konkurrenz der andern Staaten, deren Gesetzgebung die Arbeitgeber in der Beschäftigung der Arbeitskräfte weniger einschränkte, geschädigt wurden.

Infolge einer Motion des Nationalrats Frey (9. Dez. 1880), welche 30. April 1881 im schweizerischen Nationalrat zur Verhandlung kam, beschloß der Nationalrat: „Der Bundesrat wird eingeladen, mit den hauptsächlichsten Industriestaaten zu geeignetem Zeitpunkt Verhandlungen anzuknüpfen behufs Anbahnung einer internationalen Fabrikgesetzgebung.“ Der Bundesrat wies sofort die diplomatischen [33] Vertreter der Schweiz in Paris, Berlin, Wien, Rom, London und Brüssel an, bei den betreffenden Regierungen sich darüber zu unterrichten, ob und inwieweit Geneigtheit zu einem internationalen Übereinkommen, betreffend die Arbeit in den Fabriken, vorhanden sei. Das Resultat dieses ersten Schrittes war sehr wenig erfreulich und aufmunternd. Die belgische Regierung gab auf wiederholte Anfragen gar keine Antwort, die deutsche Regierung erklärte, daß „sie sich nicht in der Lage sehen würde, zur Anbahnung einer internationalen Fabrikgesetzgebung mitzuwirken, weil sie es überhaupt nicht für thunlich erachtet, ihrerseits die gesetzliche Regelung dieser Materie durch Vertrag zu vinkulieren“; die englische Regierung meinte, da die Arbeitsbedingungen in den verschiedenen Ländern voneinander so sehr verschieden seien, erscheine es unausführbar, ein befriedigendes internationales Übereinkommen in Bezug auf die Fabrikgesetzgebung zu treffen; die französische Regierung vertrat den Standpunkt, daß sie in Übereinstimmung mit der öffentlichen Meinung des Landes wenig geneigt sei, die Freiheit der Arbeit durch gesetzliche Bestimmungen einzuschränken und noch weniger sich in dieser Gesetzgebung durch internationale Verhandlungen die Hände binden lassen wolle. Nur die Regierungen von Italien und Österreich wiesen den Gedanken einer internationalen Konferenz nicht ohne weiteres zurück, beide verlangten aber, ehe sie sich über ihre Beteiligung an einer solchen äußern könnten, eine genaue Angabe des Programms der Verhandlungen; Österreich machte überdies eine eventuelle Zusage von der Gewißheit der Teilnahme aller großen Industriestaaten abhängig. Infolge dieses Verhaltens der auswärtigen Regierungen unterließ der Bundesrat weitere Schritte.

Aber in der Schweiz fand in den folgenden Jahren der Gedanke einer internationalen Regelung des Arbeitsverhältnisses und der sanitären Einrichtung der Fabriken in immer weitern Kreisen Anhänger. Auch in andern Staaten war inzwischen die Frage der staatlichen Fürsorge für die Verbesserung der Lage der arbeitenden Klassen in den Vordergrund des öffentlichen Interesses getreten, und der Nationalrat beschloß 27. Juni 1887 wiederum eine Motion (der Nationalräte Decurtius und Favon), welche den Bundesrat einlud, sich mit andern Staaten zur Erzielung gleichartiger gesetzlicher Vorschriften über den Schutz minderjähriger Personen, Beschränkung der Frauenarbeit, Sonntagsruhe und den Normalarbeitstag in Verbindung zu setzen. Der Bundesrat ließ durch den Antragsteller Decurtius über die Frage ein besonderes Memorial (datiert vom 12. Febr. 1889): „La question de la protection ouvrière internationale“, ausarbeiten und lud mittels Rundschreibens vom 15. März 1889 an sämtliche europäische Industriestaaten (Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Luxemburg, Niederlande, Österreich-Ungarn, Portugal, Rußland, Schweden und Norwegen, Spanien) diese ein, im September 1889 eine in Bern abzuhaltende, keinen diplomatischen Charakter tragende Konferenz durch Delegierte zu beschicken, um folgende Gegenstände zu beraten: 1) Verbot der Sonntagsarbeit, 2) Festsetzung eines Minimalalters für die Zulassung von Kindern in fabrikmäßigen Betrieben, 3) Festsetzung eines Maximalarbeitstags für jugendliche Arbeiter, 4) Verbot der Beschäftigung von jugendlichen und weiblichen Personen in besonders gesundheitsschädlichen und gefährlichen Betrieben, 5) Beschränkung der Nachtarbeit für jugendliche und weibliche Personen, 6) Art und Weise der Ausführung allfällig abgeschlossener Verträge, und diejenigen Punkte festzusetzen, deren Ausführung durch internationales Übereinkommen als wünschenswert zu bezeichnen wäre. Es wurde in dem Rundschreiben ausdrücklich bemerkt: Wenn sich die Konferenz über diese Punkte oder einzelne derselben geeinigt hätte, so würden die Resultate den Regierungen als unverbindliche Vorschläge zu unterbreiten sein. Falls der einen oder andern Regierung nur ein Teil dieser Vorschläge genehm wäre, könnten besondere internationale Übereinkommen, betreffend einzelne Fragen, jeweilen von denjenigen Staaten in Aussicht genommen werden, welche hinsichtlich deren Lösung übereinstimmen. Die Vereinbarungen würden nicht den Sinn haben, die nationalen Gesetze zu ersetzen, sondern die kontrahierenden Teile verpflichten, in ihrer einheimischen Gesetzgebung gewisse Minimalforderungen durchzuführen; denjenigen Staaten, welche weiter gehen wollten, bliebe dies selbstverständlich unbenommen. Die Aufgabe der ersten Konferenz sollte aber nur sein, durch Verhandlungen der Delegierten festzustellen, ob es möglich sei, zu internationalen Vereinbarungen auf dem Gebiet der Arbeiterschutzgesetzgebung zu gelangen. Wenn sich diese Möglichkeit ergebe, sollte es die Aufgabe späterer diplomatischer Konferenzen sein, solche Vereinbarungen zu beraten und abzuschließen. Das Vorgehen der Schweiz hatte diesmal einen günstigern Erfolg als 1881. Belgien, Frankreich, Luxemburg, die Niederlande und Österreich-Ungarn nahmen die Einladung ohne Vorbehalt an. Großbritannien und Italien erklärten, die Konferenz beschicken zu wollen, machten aber bezüglich des Programms, resp. (Italien) bezüglich der über die bestehende Gesetzgebung hinaus zu übernehmenden Verpflichtungen Vorbehalte. Rußland gab einen ablehnenden Bescheid. Spanien bestätigte nur den Empfang des Rundschreibens, Dänemark, Deutschland, Schweden und Norwegen zögerten mit ihrer Antwort. Die Annahme der Einladung durch einen Teil der Staaten sicherte das Zustandekommen einer Konferenz, aber es traten dann politische Ereignisse (der Konflikt der Schweiz mit Deutschland wegen des Falles Wohlgemuth[WS 1]) ein, welche den schweizerischen Bundesrat veranlaßten, von der Veranstaltung der Konferenz im September 1889 abzusehen und die Konferenz auf das Frühjahr 1890 zu verschieben. Der Aufschub wurde in einem besondern Rundschreiben vom 12. Juli 1889 noch damit motiviert, daß es wünschenswert sei, der Konferenz ein detaillierteres Programm vorzulegen, um ein besseres Resultat der Verhandlungen zu ermöglichen. Nachdem der Konflikt mit Deutschland beigelegt und das detailliertere Diskussionsprogramm entworfen war, erging an die vorgenannten Staaten (außer Rußland) durch Rundschreiben vom 28. Jan. 1890 die Einladung zu einer 5. Mai d. J. in Bern zu eröffnenden Konferenz. Das dem Rundschreiben beigelegte Diskussionsprogramm enthielt folgende Fragen:

I. Verbot der Sonntagsarbeit. 1) In welchem Umfang ist die Sonntagsarbeit zu beschränken? 2) Welches sind die Betriebe oder Betriebsprozesse, bei welchen ihrer Natur nach ein Unterbruch oder Aufschub der Arbeit unzulässig und daher die Sonntagsarbeit zu gestatten ist? 3) Sind in diesen Betrieben in Bezug auf die Sonntagsruhe der einzelnen Arbeiter Maßnahmen zu treffen?

II. Festsetzung eines Minimalalters für die Kinder in fabrikmäßigen Betrieben. 1) Ist für die Zulassung von Kindern in fabrikmäßigen Betrieben [34] ein Minimalalter festzusetzen? 2) Soll das Minimalalter für alle Staaten das gleiche sein oder mit Rücksicht auf die in den einzelnen Staaten je nach Verschiedenheit der klimatischen Verhältnisse früher oder später eintretende körperliche Entwickelung der Kinder festgestellt werden? 3) Welches Minimalalter ist in jedem dieser Fälle festzusetzen? 4) Dürfen Abweichungen vom festgesetzten Minimalalter bei Verminderung der Arbeitstage oder der täglichen Arbeitszeit zugelassen werden?

III. Festsetzung eines Maximalarbeitstags für jugendliche Arbeiter. 1) Ist für jugendliche Arbeiter ein Maximalarbeitstag festzusetzen? Sind in denselben die Stunden des obligatorischen Schulunterrichts einzurechnen? 2) Ist dieser Maximalarbeitstag nach verschiedenen Altersklassen abzustufen? 3) Wie viele Arbeitsstunden (exklusive oder inklusive die effektiv stattfindenden Pausen) soll der Maximalarbeitstag im einen oder andern Falle (Ziffer 1 und 2) umfassen? 4) Zwischen welche Stunden des Tages darf diese Arbeitszeit fallen?

IV. Verbot der Beschäftigung der jugendlichen und weiblichen Personen in besonders gesundheitsschädlichen oder gefährlichen Betrieben. 1) Ist eine Einschränkung der Verwendung von jugendlichen und weiblichen Personen in besonders gesundheitsschädlichen oder gefährlichen Betrieben geboten? 2) Sind die genannten Personen von diesen Betrieben gänzlich (die jugendlichen bis zu welchem Altersjahr?) oder teilweise (die jugendlichen bis zu einem gewissen Alter? die weiblichen zu gewissen Zeiten?) auszuschließen? oder ist die Arbeitszeit der jugendlichen und weiblichen Personen in solchen Betrieben zu verkürzen? Welche Minimalforderungen sind in den beiden letztern Fällen aufzustellen? 3) Welches sind die gesundheitsschädlichen und gefährlichen Betriebe, auf welche obige Bestimmungen (Ziffer 1 und 2) anzuwenden sind?

V. Beschränkung der Nachtarbeit für jugendliche und weibliche Personen. 1) Sind jugendliche Personen von der Nachtarbeit ganz oder teilweise auszuschließen? Bis zu welchem Altersjahr gilt das Verbot? Welches sind die Verhältnisse, unter denen die teilweise Zulassung stattfinden darf? 2) Sind weibliche Personen ohne Rücksicht auf ihr Alter von der Nachtarbeit auszuschließen? Sind im Falle der Zulassung gewisse Beschränkungen aufzustellen? 3) Welche Stunden der Arbeitszeit fallen unter den Begriff Nachtarbeit, resp. wann beginnt und endet die letztere?

VI. Ausführung der vereinbarten Bestimmungen. 1) Auf welche Art der Arbeitsbetriebe (Bergwerke, Fabriken, Werkstätten etc.) finden die vereinbarten Bestimmungen Anwendung? 2) Ist für die Vollziehung der vereinbarten Bestimmungen eine Frist festzusetzen? 3) Welche Maßnahmen sind zu treffen, um die Vollziehung der vereinbarten Bestimmungen zu sichern? 4) Sind periodisch sich wiederholende Konferenzen von Delegierten der beteiligten Staaten vorzusehen? 5) Welche Aufgaben sind für solche Konferenzen in Aussicht zu nehmen?

Die Berliner Konferenz.

Inzwischen hatte aber auch Kaiser Wilhelm II. beschlossen, zu gleichem Zwecke eine internationale Konferenz in Berlin zu veranlassen, und an demselben Tage, an welchem jenes Rundschreiben, von dem der Kaiser keine Kenntnis hatte, von Bern expediert wurde, erschienen in Berlin im „Reichsanzeiger“ die denkwürdigen Kabinettsorders vom 4. Febr. 1890 an den Reichskanzler und an die Minister der öffentlichen Arbeiten und für Handel und Gewerbe, in welchen der Kaiser in feierlicher Verkündigung, daß er zur Verbesserung der Lage der deutschen Arbeiter die Hand bieten, zugleich aber die deutsche Industrie auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig erhalten wolle, und unter Hinweis auf die Bestrebungen der Schweiz dem Reichskanzler auftrug, zunächst bei den Regierungen von Frankreich, England, Belgien und der Schweiz anzufragen, ob sie geneigt seien, mit Deutschland „in Unterhandlungen zu treten behufs einer internationalen Verständigung über die Möglichkeit, denjenigen Bedürfnissen und Wünschen der Arbeiter entgegenzukommen, welche in den Ausständen der letzten Jahre und anderweit zu Tage getreten sind“ und, sobald die Zustimmung derselben im Prinzip gewonnen sei, die Kabinette aller der Regierungen, welche an der Arbeiterfrage den gleichen Anteil nehmen, zu einer Konferenz behufs Beratung über die einschlägigen Fragen einzuladen und eine Einberufung des preußischen Staatsrats befahl, um den weitern Ausbau der deutschen Gesetzgebung über die Verhältnisse der Fabrikarbeiter einer Prüfung zu unterziehen. Da die genannten Staaten umgehend ihre Bereitwilligkeit zu den Unterhandlungen erklärten, wurde die Konferenz auf den 15. März 1890 festgesetzt und zugleich der schweizerische Bundesrat ersucht, seine Einladung zur Berner Konferenz rückgängig zu machen. Dieser zog seine Einladungen zurück. Die Berliner Konferenz wurde 15. März 1890 eröffnet.

Auf der Konferenz waren 15 Staaten vertreten: Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Holland, Italien, Luxemburg, Norwegen, Österreich, Portugal, Schweden, Schweiz, Spanien, Ungarn. Die Delegierten der Staaten waren hervorragende Sachverständige in den der Beratung zu unterstellenden Fragen. Der Konferenz wurde folgendes Programm der Beratungen zur Regelung der Arbeit in den gewerblichen Anlagen und Bergwerken vorgelegt und von ihr acceptiert:

I. Regelung der Arbeiten in den Bergwerken. 1) Soll die unterirdische Arbeit verboten sein: a) Kindern unter einem gewissen Alter? b) Personen weiblichen Geschlechts? 2) Soll der Arbeitstag in besonders gesundheitsgefährlichen Bergwerken Beschränkungen unterliegen? 3) Kann man die Arbeit in den Bergwerken im öffentlichen Interesse einer internationalen Regelung unterwerfen, um eine ununterbrochene Kohlenförderung zu sichern?

II. Regelung der Sonntagsarbeit. 1) Soll das Verbot der Sonntagsarbeit, unbeschadet der notwendigen Ausnahmefälle, die Regel bilden? 2) Wenn über das Verbot der Sonntagsarbeit ein Einvernehmen erzielt werden sollte, welches würden die zulässigen Ausnahmen sein? 3) Auf welche Weise wäre über diese Ausnahmefälle zu entscheiden: durch eine internationale Vereinbarung, durch Gesetze oder auf dem Wege der Verwaltung?

III. Regelung der Kinderarbeit. 1) Sollen die Kinder, welche ein bestimmtes Alter noch nicht erreicht haben, von der Arbeit in gewerblichen Anlagen ausgeschlossen werden? 2) Welches Alter soll die Grenze bilden für den Ausschluß der Kinderarbeit? Soll diese Altersgrenze für alle Betriebe dieselbe sein, oder sollen in dieser Hinsicht Unterschiede gemacht werden? 3) Welche Beschränkungen rücksichtlich der Dauer des Arbeitstags sowie in der Art der Beschäftigung sollen in Bezug auf die zur Arbeit in gewerblichen Anlagen zugelassenen Kinder vorgesehen werden?

[35] IV. Regelung der Arbeit jugendlicher Arbeiter. 1) Soll die Arbeit jugendlicher Arbeiter, welche die Kinderjahre (III, 2) bereits überschritten haben, in gewerblichen Anlagen gewissen Beschränkungen unterworfen sein? 2) Bis zu welcher Altersgrenze sollen diese Beschränkungen stattfinden? 3) Welche Beschränkungen würden vorzuschreiben sein? 4) Sollen für gewisse Kategorien der Betriebe Ausnahmen von der allgemeinen Regel vorgesehen werden?

V. Regelung der Frauenarbeit. 1) Soll die Tag- oder Nachtarbeit der verheirateten Frauen gewissen Beschränkungen unterworfen werden? 2) Soll die Arbeit in Fabriken für alle Frauen und Mädchen gewissen Beschränkungen unterworfen werden? 3) Welche Beschränkungen wären in diesem Falle zu empfehlen? 4) Sollen für gewisse Kategorien der Betriebe Ausnahmen von der allgemeinen Regel vorgesehen werden, und welches wären im vorliegenden Falle diese Kategorien?

VI. Ausführung der von der Konferenz angenommenen Bestimmungen. 1) Sollen Maßregeln hinsichtlich der Ausführung der von der Konferenz anzunehmenden Bestimmungen und hinsichtlich der Überwachung dieser Maßregeln getroffen werden? 2) Empfiehlt es sich, Delegierte der beteiligten Regierungen von Zeit zu Zeit zu einer Konferenz einzuberufen, und welche Punkte sollen ihre Beratungen umfassen?

Die Konferenz hatte den Charakter einer freien Konferenz, ihre Beschlüsse sind für die beteiligten Regierungen nicht bindend. Das in der ersten Sitzung (15. März) angenommene Geschäftsreglement bestimmte, daß das Ergebnis der Beratungen einer Schlußredaktion unterzogen und in einem Protokoll festgestellt werden sollte, welches im übrigen der Prüfung der beteiligten Regierungen unterworfen bleibt. Die Beschlüsse wurden deshalb in der Form von Wünschen gefaßt.

Was die Behandlung der Fragen betrifft, so sah zwar der Art. 2 des Geschäftsreglements eine allgemeine Diskussion über die einzelnen Fragen vor, aber jeder Delegierte hatte eine gewisse Scheu, eine solche Diskussion zu veranlassen, weil zu befürchten war, daß die Delegierten aller Staaten eingehend ihre Instruktionen und die vielfach divergierenden Gesichtspunkte auseinandersetzen würden und dadurch ein erwünschtes Ergebnis der Beratungen in Frage gestellt werden könnte. Man einigte sich daher in der zweiten Sitzung (17. März) auf den Vorschlag von Deutschland dahin, sofort drei Kommissionen zu ernennen, eine für die Arbeit in Bergwerken, eine für die Sonntagsruhe und eine für die Arbeit der Kinder, jugendlichen Arbeiter und Frauen, welche die einzelnen Fragen des Programms beraten und das Ergebnis der Beratung der Konferenz vorlegen sollten. In der dritten Sitzung (22. März) wurde dieser Beschluß noch dahin ergänzt, daß die zweite Kommission (die für die Sonntagsruhe) auch Punkt VI des Programms, d. h. die Frage untersuchen solle, in welcher Weise die von der Konferenz gefaßten Beschlüsse in Ausführung gesetzt werden sollen. Den Delegierten wurde eine ausführliche, von dem deutschen Geheimen Oberregierungsrat Lohmann verfaßte Zusammenstellung der Gesetzgebung der beteiligten Staaten, betreffend die Regelung der Sonntagsarbeit und der Arbeit der Kinder, jugendlichen und weiblichen Arbeiter, übergeben.

Der Schwerpunkt der Verhandlungen lag in den Kommissionssitzungen, dort wurden die einzelnen Gegenstände eingehend besprochen. Die Kommissionsberichte wurden in der vierten Sitzung (26. März) verlesen, die Beratung und Beschlußfassung über dieselben im Plenum erfolgte in zwei weitern Sitzungen der Konferenz (27. und 28. März). Eine eigentliche Debatte über die Anträge der Kommissionen fand nicht mehr statt, es wurden im wesentlichen nur kurze Erklärungen der Delegierten über die Stellung ihrer Regierungen zu den einzelnen Anträgen abgegeben, die zumeist auch schon in der Kommissionsberatung vorgebracht worden waren, und alle Anträge der Kommissionen genehmigt. In der letzten, siebenten Sitzung (29. März) wurde das Schlußprotokoll mit dem Wortlaut der von der Konferenz ausgesprochenen Wünsche festgestellt.

Wir geben nachstehend einen Bericht über die Verhandlungen bezüglich der einzelnen Gegenstände des Programms und den Wortlaut der Konferenzbeschlüsse.

I. Die Regelung der Arbeiten in den Bergwerken.

In der Kommission, in welcher Dänemark, Portugal, Schweden und die Schweiz nicht vertreten waren, wurden bei der Beratung der einzelnen Fragen von den Delegierten die gegenwärtigen Zustände und die gesetzlichen Bestimmungen in ihren Ländern geschildert.

1) Die erste Frage betraf die Frage des Verbots der unterirdischen Arbeit für Kinder unter einem gewissen Alter und für Personen weiblichen Geschlechts.

Bezüglich der Kinderarbeit in Bergwerken zeigen die Gesetzgebungen sehr große Unterschiede. In Österreich beträgt für die Arbeit über Tage das Altersminimum der Zulassung des Kindes 12 Jahre, mit Beschränkungen, welche seine physische Entwickelung und die Erfüllung der staatlichen Schulpflicht sicherstellen. Für die Arbeit unter Tage ist diese Grenze auf 14 Jahre erhöht. In Ungarn ist das Zulassungsalter für die Bergwerke dasselbe wie für alle Industrien (10 Jahre); ein Unterschied zwischen Arbeit über und unter Tage wird nicht gemacht. Aber die Fabrikinspektoren sind bemüht, die Zulassung der Kinder unter 14 Jahren in den Bergwerken zu beschränken. Thatsächlich arbeiteten in den Bergwerken im J. 1889 nur 9 Kinder von 12 Jahren und 780 von 12–14 Jahren. In Belgien beträgt das Altersminimum seit 1884 für die Tagesarbeit 12 Jahre (bis 1884 nur 10 Jahre), für die Nachtarbeit kann der König die Zulassung vom 14. Jahre an gestatten. Unter den in Erzgruben unterirdisch beschäftigten Arbeitern (1070) gibt es keine einzige weibliche Person und nur 15 jugendliche Arbeiter unter 18 Jahren. Dagegen sind in den Kohlenbergwerken 2747 Kinder von 12–14 Jahren und 4792 jugendliche Arbeiter von 14–16 Jahren beschäftigt; die Verwendung derselben wird als unumgänglich notwendig bezeichnet, da ihnen bei dünnern Schichten das Zuschütten zur Sicherung der gesundheitlichen Verhältnisse, des Aufenthalts im Bergwerk sowie der Befestigung der Abbausohlen obliegt. In Frankreich dürfen Kinder unter 12 Jahren und Mädchen bei unterirdischen Arbeiten nicht verwendet werden. Knaben von 12 bis 16 Jahren dürfen nur 8 von 24 Stunden arbeiten, mit einer Ruhepause von mindestens 1 Stunde; jede anstrengende Arbeit, wie Häuern, Bohren, Ausfüttern etc., ist ihnen untersagt; wenn sie bei den Wettermaschinen beschäftigt sind, dürfen sie nur 4 Stunden, mit einer halbstündigen Unterbrechung, beschäftigt werden. Nach einem neuen Gesetzentwurf, dessen Annahme wahrscheinlich ist, soll das Eintrittsalter auf 13 Jahre erhöht werden und eine Zulassung von [36] Zwölfjährigen ausnahmsweise nur dann statthaft sein, wenn sie vorschriftsmäßige Zeugnisse über Schulkenntnisse und physische Befähigung beibringen. Im J. 1887 betrug in Frankreich und Algerien die Zahl der Kinder und jugendlichen Arbeiter von 12–16 Jahren in den Kohlenbergwerken: unter Tage 4462, über Tage 3243, in andern Bergwerken: unter Tage 42, über Tage 239. Von den Delegierten wurde bemerkt, daß die Erhöhung der Altersgrenze auf 14 Jahre unter Beibehaltung einer Altersgrenze von 13 Jahren für die andern Industrien die Rekrutierung der Bergarbeiter in den Gegenden, wo die Arbeitskräfte wenig zahlreich sind, und wo folglich die Rekrutierung schwierig ist, sehr erschweren würde. In Großbritannien ist den Knaben unter 12 Jahren und den Mädchen unter 16 Jahren die unterirdische Arbeit verboten, Knaben unter 16 Jahren dürfen nicht mehr als 54 Stunden wöchentlich und täglich nicht mehr als 10 Stunden unter Tage arbeiten. In den Kohlenbergwerken arbeiteten im J. 1888 unter Tage: Knaben von 12–16 Jahren 42,046, Knaben von 12 Jahren vorübergehend 127, über Tage: Knaben von 12–13 Jahren 228, von 13–16 Jahren 8729, Mädchen von 12–13 Jahren 2, von 13–16 Jahren 303. In Italien ist für unterirdische Arbeit das Zulassungsalter 10 Jahre. Kinder von 10–12 Jahren dürfen höchstens 8 Stunden täglich arbeiten, die Nachtarbeit derselben ist verboten. Knaben von 12–15 Jahren dürfen nachts nicht länger als 6 Stunden arbeiten. Im J. 1888 wurden beschäftigt in den sizilischen Schwefelbergwerken (Kinder unter 14 Jahren): Knaben 5966, Mädchen 20, in den Schwefelbergwerken der Romagna und der Marken: 50 Kinder, in den Bergwerken auf Sardinien: 499 Knaben, 218 Mädchen. In Spanien gibt es hinsichtlich der Kinderarbeit keine allgemeinen Bestimmungen, nur bei den Quecksilberminen von Almaden ist die Arbeit Beschränkungen unterworfen; ein in Vorbereitung befindlicher Gesetzentwurf normiert das Minimalalter für die Arbeit unter Tage auf 9 Jahre. In Luxemburg darf vor vollendetem 16. Jahre keine Person bei unterirdischen Arbeiten verwendet werden. Ein neuer Gesetzentwurf schützt auch die Jünglinge von 16–18 Jahren; er bestimmt, daß sie beim unterirdischen Bergbau nur zu leichten Arbeiten herangezogen werden dürfen. In Holland gibt es nur einige Erzgruben und ein Kohlenbergwerk. Beschränkende Bestimmungen existieren nicht, können aber vom König erlassen werden. Thatsächlich ist kein Arbeiter unter 18 Jahren unter Tage beschäftigt. Auch in Norwegen fehlen gesetzliche Bestimmungen, thatsächlich arbeiten aber weder weibliche Personen noch Kinder in den Bergwerken. Nach einem Gesetzentwurf sollen Kinder von 13–14 Jahren und weibliche Personen unter 18 Jahren nicht unter Tage arbeiten dürfen. In Deutschland ist die Beschäftigung von Kindern unter 12 Jahren unbedingt und die Beschäftigung unter Tage vor vollendetem 14. Jahre verboten. Im J. 1888 arbeiteten unter 295,824 Arbeitern 286 Kinder von 12–14 Jahren über Tage und 9548 jugendliche Arbeiter von 14–16 Jahren, von welchen 882 unter Tage und 8666 über Tage beschäftigt waren. Hiernach schwankt in den Staaten die untere Altersgrenze für die Arbeit unter Tage zwischen 9 und 16 Jahren. Dem Antrag Deutschlands, eine solche von 14 Jahren zu befürworten, widersprachen die Delegierten von Italien und Spanien für ihre Länder, weil das Jünglingsalter in denselben früher heranreife; sie acceptierten nur eine Altersgrenze von 12 Jahren. Mit Rücksicht auf die Erklärung der Delegierten von Belgien und Frankreich, daß eine Änderung ihrer Gesetzgebung über die bisherige, resp. beabsichtigte Grenze jedenfalls zur Zeit nicht möglich sei, wurde einstimmig von der Kommission beschlossen: „Es ist wünschenswert, daß die untere Grenze des Alters, innerhalb welcher Kinder bei unterirdischen Arbeiten beschäftigt werden dürfen, allmählich auf volle 14 Jahre erhöht werde, je nachdem die Erfahrung die Möglichkeit der Erhöhung dargethan haben wird.“ Und mit neun Stimmen, unter Stimmenthaltung von Großbritannien und Frankreich, wurde hinzugefügt: „Für die südlichen Länder jedoch würde diese Altersgrenze die von 12 Jahren sein.“ Frankreich enthielt sich der Abstimmung; nicht weil es Einwendungen zu erheben hatte, sondern weil es in dieser Frage nicht interessiert sei, beschränke es sich darauf, von dem durch die südlichen Länder ausgesprochenen Wunsch Akt zu nehmen. Großbritannien gab die Erklärung ab, daß es die Verantwortung nicht auf sich nehmen könne, den Kindern in den südlichen Staaten die Wohlthat der Erhöhung der Altersgrenze auf 14 Jahre vorzuenthalten. Im Plenum wurde der erste Satz mit 13 Stimmen (Stimmenthaltung von Dänemark, weil es keine Bergwerke hat, und Spanien), der Zusatz mit 10 Stimmen gegen 1 (Großbritannien) und 4 Stimmenthaltungen (Belgien, Dänemark, Frankreich, Schweiz) angenommen. Aus eine Untersuchung der Beschränkungen, welche die Arbeit der jugendlichen Arbeiter von 14–16 Jahren erfordern möchte, beschloß die Kommission nicht einzugehen; die Regelung dieses Punktes sei jedem einzelnen Staate zu überlassen.

Die Arbeit weiblicher Personen unter Tage war in Belgien vor Erlaß der Bergwerksordnung vom 24. April 1884 schon vom 12. Jahre ab gestattet. Der Artikel 69 dieser Ordnung schloß Mädchen unter 14 Jahren von dieser Arbeit aus. Ende 1887 beschäftigten die Kohlenbergwerke 77,490 Arbeiter, darunter 3961 Frauen und Mädchen unter Tage, aber nur ausnahmsweise verheiratete Frauen. Das neue Gesetz vom 13. Dez. 1889 verbietet vom 1. Jan. 1892 ab Mädchen und Frauen unter 21 Jahren die Arbeit unter Tage. In Spanien dürfen nach dem Gesetz von 1873 Frauen in den Bergwerken arbeiten, der Fall kommt aber nur selten vor. In Frankreich, Deutschland, Großbritannien, Österreich ist jede unterirdische Arbeit weiblicher Personen verboten. In Italien und Holland besteht kein gesetzliches Verbot, aber weibliche Personen arbeiten nicht in den Bergwerken. In Holland kann nach einem kürzlich erlassenen Gesetz ein solches Verbot für Frauen und Mädchen jeden Alters vom König erlassen werden. In Luxemburg dürfen nach einem Gesetzentwurf Frauen und Mädchen jeden Alters nicht zur Arbeit unter Tage zugelassen werden. Schweden und Norwegen haben keine gesetzlichen Bestimmungen. Das Verbot der Arbeit weiblicher Personen unter Tage wurde in der Kommission einstimmig, ebenso im Plenum, hier mit Stimmenthaltung von Dänemark, angenommen.

2) Der zweite Gegenstand der Beratung war die Frage, ob der Arbeitstag in besonders gesundheitsgefährlichen Bergwerken Beschränkungen unterliegen solle. Einstimmig wurde in der Kommission und ebenso im Plenum, hier mit Stimmenthaltung von Dänemark, angenommen: „Es ist wünschenswert, daß in den Fällen, wo die Bergbaukunst nicht ausreichen würde, um alle Gefahren für die Gesundheit [37] zu beseitigen, welche durch die natürlichen oder zufälligen Bedingungen des Betriebes gewisser Bergwerke oder gewisser Bergwerksanlagen entstehen, die Dauer der Arbeit eingeschränkt werde. Es wird jedem Lande überlassen, dieses Resultat auf dem Wege der Gesetzgebung oder der Verwaltung oder durch Übereinkunft zwischen den Bergwerksunternehmern und den Arbeitern oder auf eine andre, den Grundsätzen und Gewohnheiten einer jeden Nation entsprechende Weise herbeizuführen.“ Aus den Kommissionsverhandlungen ist erwähnenswert: In einem Teil der Staaten besteht bereits neben Vorschriften zur Verhinderung der Gefahr für Gesundheit und Leben der Bergarbeiter die Möglichkeit einer obrigkeitlichen Einschränkung der Arbeitszeit in besonders gesundheitsgefährlichen Bergwerken. In Westfalen z. B. dürfen die Arbeiter nicht länger als 6 Stunden im Schacht arbeiten, wenn die Temperatur 29° erreicht; in Spanien bestehen Beschränkungen der Arbeitszeit für die Arbeit in den Bergwerken von Almaden wegen der Quecksilberausdünstungen (höchstens 6 Stunden) und in den an silberhaltigen Bleierzen reichen Bergwerken der Sierra Almagrera wegen der hohen Temperatur; ein in Vorbereitung befindliches Gesetz ermächtigt die Regierung, auch für die andern Bergwerke einschränkende Bestimmungen zu erlassen. In Frankreich können die Aufsichtsbehörden sowohl bezüglich der Sicherheit des Betriebs als in sanitärer Hinsicht eingreifen, und die französischen Gesetze gestatten in dem Falle, daß Unternehmer sich weigern, gewisse ihnen auferlegte Arbeiten auszuführen, dieselben von Amts wegen vollziehen zu lassen; versteht sich der Unternehmer nicht zur Zahlung der entstandenen Kosten, so wird das Bergwerk als verlassen angesehen, worauf eine gerichtliche Versteigerung desselben zu erfolgen hat.

3) Die dritte Frage betraf die Sicherung einer ununterbrochenen Kohlenförderung durch eine internationale Regelung der Arbeit. Die Delegierten äußerten sich in der Kommission vorzugsweise über die Lage der Arbeiter in ihren Ländern und über die Maßnahmen, durch welche man die Ausstände der Arbeiter verhindern könne, resp. in ihren Ländern zu verhindern suche. Allseitig herrschte Übereinstimmung, daß neben sanitären Einrichtungen der Arbeitgeber, sachverständiger Direktion der Betriebe, obrigkeitlicher Fürsorge zur Verhinderung gesundheitsschädlicher und lebensgefährlicher Arbeiten und der Organisation der Krankheits-, Unfall-, Invaliditäts-, Alters- und Lebensversicherung die Einrichtung von Einigungsämtern (Schiedsgerichten) das beste Mittel sei, Ausstände zu verhindern. Von besonderm Interesse sind die Äußerungen des englischen Delegierten Dale über die Art und Weise, wie in Nordengland Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Bergleuten durch gütliches Abkommen beigelegt werden, die sich dort seit 20 Jahren sehr bewährt hat. Im Revier haben sich Arbeitgeber und Arbeiter je zu einem Verband vereinigt, für alle Streitfragen erkennen sie das Prinzip des schiedsrichterlichen Spruches an. Bei Streitigkeiten ernennt jede Partei eine gleiche Anzahl Schiedsrichter, gewöhnlich zwei, und diese erwählen einen Obmann; dies Amt wird von hochstehenden Persönlichkeiten gern angenommen. Da die Frage, welche dem Spruch dieser Schiedsgerichte unterbreitet wurde, am häufigsten das Verhältnis der Lohnsätze zu den Verkaufspreisen der Kohlen betraf, so wurde man zur Entscheidung solcher Fragen dahin gebracht, letztere aus den Büchern der Unternehmer durch einen gerichtlichen Bücherrevisor ermitteln zu lassen. Das wichtigste Mittel, welches zur Regulierung des Verhältnisses zwischen den Lohnsätzen und den Verkaufspreisen angewendet wurde, war die Einführung einer sliding scale, einer gleitenden Skala. Die sliding scale bezweckt die Herstellung eines numerischen Verhältnisses zwischen den Lohnsätzen und den Preisen der Kohle. Zur Bestimmung der Skala wurde in der Regel folgendes Verfahren angewendet: Es werden fünf aufeinander folgende Betriebsjahre herausgenommen, in deren Verlauf bedeutende Verschiebungen der Verkaufspreise wie der Löhne (letztere durch Ausstände, Vergleiche, Schiedsspruch zu stande gekommen) stattfanden; diese fünf Jahre werden in 20 Vierteljahre eingeteilt; für jedes Vierteljahr wird der Durchschnitt der Kohlenpreise wie der Löhne ermittelt, worauf das numerische Verhältnis beider Zahlen zu einander festgestellt wird; der Durchschnitt dieses numerischen Verhältnisses wird als Ausdruck des Normalverhältnisses, welches zwischen den Löhnen und dem Verkaufspreis der Kohle bestehen muß, angesehen. Nachdem die Skala so bestimmt ist, wird der Durchschnittsverkaufspreis für alle Betriebe des Reviers zum Kurse des letztverflossenen Vierteljahrs ausgerechnet. Dieser Basis wird nun das vorbestimmte numerische Normalverhältnis zu Grunde gelegt, und so werden die Lohnsätze für das laufende Vierteljahr ermittelt. Dieselbe Berechnung findet für jedes weitere Vierteljahr statt. Diese Berechnungen erfolgen durch zwei gerichtliche Bücherrevisoren, welche von dem Arbeiterverband und von dem Verband der Arbeitgeber ernannt werden. Diese Sachverständigen lassen sich in allen Betrieben die Bücher vorlegen, bewahren aber strenges Stillschweigen über ihre Wahrnehmungen. Sie beschränken sich darauf, zu bescheinigen: 1) daß der Durchschnittspreis für Kohle im Revier während des letztverflossenen Vierteljahrs auf den und den Preis festgesetzt ist; 2) daß sich die und die Lohnsätze daraus ergeben. Auf diese Weise erlangen die Arbeiter ohne Unterhandlungen, ohne Ausstände, ohne Schiedsspruch dieselben Löhne, die zu bekommen sie nicht anders als durch mannigfaltige Anstrengungen hoffen können. Das numerische Gesetz, welches die Löhne mit den Verkaufspreisen verbindet, wird im allgemeinen auf zwei Jahre festgesetzt. Von diesem Zeitpunkt an steht jeder Partei eine halbjährige Kündigungsfrist zu; aber seit 6 Jahren hat die erste gleitende Skala nur wenige Veränderungen erfahren. Sie wurde kürzlich von den Unternehmern der Grafschaft Northumberland sowie von den Arbeitern der Grafschaft Durham gekündigt. Aber diese Kündigungen haben nach der Ansicht der Delegierten nur die Bedeutung, daß eine Revision der bestehenden Skala, nicht die Abschaffung des Systems bezweckt wird. In den Revieren, wo die sliding scale augenblicklich aufgehoben ist, sucht man anstatt der Preise des vorigen Vierteljahrs möglichst die mutmaßlichen Preise für das laufende Vierteljahr als Grundlage zu nehmen. So erhalten die Arbeiter offiziell von den Verkaufspreisen des Tages Kunde, und das ist ein Vorteil; denn die Arbeitseinstellungen entstanden öfter aus der Unkenntnis des Arbeiters über die wirkliche Lage des Kohlenhandels. Was die Lokalfragen betrifft, welche nicht das ganze Revier angehen, so werden sie von sogen. joint committees oder gemischten Ausschüssen, welche zu gleichen Teilen aus Arbeitern und Arbeitgebern gebildet sind, erledigt; zum Vorsitzenden wird entweder der Präsident des [38] Gerichtshofs der Grafschaft oder eine andre hohe Persönlichkeit gewählt. Diese Ausschüsse treten ungefähr alle 14 Tage zusammen, ihre Entscheidungen gelten vom Tage der Reklamation an. Nach der Angabe des Delegierten Dale werden die von den schiedsrichterlichen Ausschüssen wie den joint committees getroffenen Entscheidungen gewöhnlich anerkannt. Der österreichische Delegierte Haberer wies noch besonders darauf hin, daß es nicht nur darauf ankomme, Ausstände zu vermeiden, sondern auch deren Wirkungen zu paralysieren und zu diesem Zweck namentlich die Ansammlung bedeutender Vorräte vorgesehen werden müsse. Man einigte sich in der Kommission zu einer längern, einstimmig angenommenen Resolution, die den vorerwähnten Ansichten der Kommission Ausdruck gab, dann auch im Plenum einstimmig (Stimmenthaltung von Dänemark) angenommen wurde, und deren Wortlaut am Schluß dieses Artikels angegeben ist.

II. Die Regelung der Sonntagsarbeit.

In der Kommission waren alle Staaten außer Spanien und Norwegen vertreten. Auch hier wurden Mitteilungen der Delegierten über den Stand der gegenwärtigen Gesetzgebung in den verschiedenen Staaten gemacht. Keine gesetzlichen Beschränkungen bestehen in Italien, Spanien, Portugal, Luxemburg. In Belgien dürfen Kinder, jugendliche Arbeiter unter 16 Jahren und weibliche Arbeiter unter 21 Jahren nicht mehr als 6 Tage in der Woche beschäftigt werden. Artikel 45 der Verfassung bestimmt, daß niemand gezwungen werden kann, die Ruhetage irgend eines Kultus zu feiern. Ein gesetzliches Verbot der Sonntagsarbeit, aber nur für einzelne auch sonst geschützte Arbeiterkategorien, besteht in vier Staaten: in Dänemark für Kinder, in Ungarn für Kinder und jugendliche Arbeiter unter 16 Jahren, in Frankreich für Kinder, jugendliche Arbeiter unter 16 Jahren und weibliche Personen unter 21 Jahren, in Holland für Kinder, jugendliche Arbeiter unter 16 Jahren und Frauen. In Deutschland besteht reichsgesetzlich das Verbot der Sonntagsarbeit für Kinder und jugendliche Arbeiter unter 16 Jahren. Im übrigen bestimmt die Gewerbeordnung (§ 105) nur: „Zum Arbeiten an Sonn- und Feiertagen können die Gewerbtreibenden die Arbeiter nicht verpflichten (gleiche Bestimmung in Ungarn). Arbeiten, welche nach der Natur des Gewerbebetriebs einen Aufschub oder eine Unterbrechung nicht gestatten, fallen unter die vorstehende Bestimmung nicht.“ Aber die Einzelstaaten haben, im einzelnen freilich sehr verschiedene, teils gesetzliche, teils administrativ-polizeiliche weitere Beschränkungen der Sonntagsarbeit. Ein dem Reichstag vorliegender Gesetzentwurf enthält das Verbot der Sonntagsarbeit mit bestimmten Ausnahmen für die Fälle, in denen sie absolut unentbehrlich ist. In der Schweiz ist die Sonntagsarbeit, Notfälle vorbehalten, untersagt, ausgenommen unter Bewilligung des Bundesrats in solchen Etablissements, welche ihrer Natur nach ununterbrochenen Betrieb erfordern; in diesen muß für die Sonntags beschäftigten Arbeiter jeder zweite Sonntag frei bleiben. Ebenso ist in Österreich jede gewerbliche Arbeit an Sonntagen (ausgenommen Säuberungs- und Instandhaltungsarbeiten an Gewerbelokalen und Werksvorrichtungen) verboten, aber die Regierung darf Ausnahmen gestatten bei Gewerben, bei denen eine Unterbrechung des Betriebs unthunlich, oder bei denen der ununterbrochene Betrieb im Hinblick auf die Bedürfnisse der Konsumenten oder des öffentlichen Verkehrs erforderlich ist. In Großbritannien besteht ein Spezialverbot der Sonntagsarbeit durch das Fabriken- und Werkstättengesetz für Kinder, jugendliche Arbeiter unter 18 Jahren und weibliche Arbeiter, aber außerdem ist schon nach gemeinem Recht und insbesondere nach einem Gesetz Karls I. von 1649 die Sonntagsarbeit allgemein untersagt, ausgenommen in Fällen der absoluten Notwendigkeit und bei Werken der Barmherzigkeit. In Schweden und Norwegen verbietet das allgemeine Strafgesetzbuch die Sonntagsarbeit, Notfälle ausgenommen, sofern die Arbeit zu andrer Zeit verrichtet werden kann.

1) Bezüglich der ersten Frage, welche die Kommission beschäftigte, ob das Verbot der Sonntagsarbeit, unbeschadet der notwendigen Ausnahmefälle, die Regel bilden soll, war man einstimmig der Ansicht, daß die Bewilligung eines wöchentlichen Ruhetags als eine Notwendigkeit anzuerkennen sei, aber ein starker Gegensatz trat hervor hinsichtlich der Frage, ob man sich begnügen solle, nur einen wöchentlichen Ruhetag zu fordern, oder ob man den Sonntag direkt als diesen Ruhetag bezeichnen solle, ebenso hinsichtlich der Frage, ob für die erwachsenen männlichen Arbeiter der Staat gesetzlich hier einschreiten solle. Die Vertreter der Schweiz und von Deutschland, Österreich, Ungarn, Großbritannien, Dänemark, Schweden sprachen sich für das generelle Verbot der Sonntagsarbeit, ausgenommen die Fälle der Notwendigkeit, aus. Die Vertreter von Belgien, Luxemburg, Holland, Italien und Portugal wollten mit Rücksicht auf ihre Verfassungs-, resp. Gesetzesbestimmungen, daß die Kommission sich nur für die Notwendigkeit eines wöchentlichen Ruhetags ausspräche, und daß die Forderung einer gesetzlichen Regelung sich nur auf die Minderjährigen und Frauen beschränke; sie einigten sich auf folgende Resolution: „Solange die Grundsätze des öffentlichen Rechts, welche die Gesetzgebung gewisser Länder bestimmen, denselben nicht gestatten, allen in gewerblichen Anlagen beschäftigten Arbeitern wöchentlich einen Ruhetag und mit Bevorzugung des Sonntags zu sichern, erklärt die Konferenz, daß der fragliche Ruhetag den unter dem Schutz der Gesetze stehenden Kindern, jugendlichen Arbeitern und Frauen gesichert sein soll.“ Der Vertreter von Frankreich (Tolain) stand mit seinen Anschauungen, resp. den erhaltenen Instruktionen ebenfalls auf dem Boden dieser zweiten Gruppe; er stellte indes einen besondern Antrag: „Es ist wünschenswert, daß allen Arbeitern ein wöchentlicher Ruhetag gesichert werde; für Kinder und Frauen, welche unter dem Schutz des Gesetzes stehen, wird der Ruhetag auf den Sonntag festgesetzt.“ Die Diskussion schien einige Zeit die Anschauungen immer mehr auseinander zu führen. Die Verteidiger eines strengen Sonntagsverbots betonten wiederholt, daß ihre Forderung nichts enthielte, was nicht jeder Staat dem Arbeiter gewähren könne und solle; wem es mit den Zwecken und Zielen der Konferenz Ernst sei, der könne und dürfe in dieser einfachen, die Industrie in keiner Weise schädigenden Frage nicht vor einer ganzen Lösung zurückschrecken; es wäre geradezu beschämend, wenn man sich nicht einmal über die Ruhe am Sonntag, welche schon in den Gesetzen der Natur begründet sei, einigen könnte. Anderseits machten die Gegner darauf aufmerksam, daß sie das Bestreben nach einem Verbote der Sonntagsarbeit persönlich vollkommen billigten, daß sie sich aber nicht gegen Verfassungsbestimmungen und Volksanschauungen auflehnen könnten, welche nun einmal gegen Aufstellung des Sonntags als allgemeinen Ruhetags gerichtet seien. Mit besonderm [39] Nachdruck machte namentlich der belgische Vertreter geltend, daß in dieser Sache Mehrheitsbeschlüsse wenig Wert haben; die Minderheit brauche sich ja nicht zu fügen und werde sich nicht fügen. Schließlich einigte sich die Kommission, um ein einstimmiges Resultat zu erzielen, auf einen Vermittelungsvorschlag des Vorsitzenden (Fürstbischof Dr. Kopp), der noch durch die Vertreter von Belgien, Italien und Holland dadurch abgeschwächt wurde, daß im ersten Satze die ursprünglich zugefügten Worte: „durch das Gesetz“ gestrichen und dagegen im Anhang die Worte „vorbehaltlich der in jedem Land notwendigen Ausnahmen und Fristen“ zugefügt wurden. Der Kommissionsbeschluß lautete: „Es ist wünschenswert, vorbehaltlich der in jedem Land notwendigen Ausnahmen und Fristen: a) daß den geschützten Personen ein Ruhetag wöchentlich gesichert werde; b) daß allen Industriearbeitern ein Ruhetag gesichert werde; c) daß dieser Ruhetag für die geschützten Personen auf den Sonntag festgesetzt werde; d) daß dieser Ruhetag für alle Industriearbeiter auf den Sonntag festgesetzt werde.“

2) Leichter war die Einigung über die zweite Frage, betreffend die zulässigen Ausnahmen von einem Verbote der Sonntagsarbeit. Einstimmig wurde in der Kommission (ebenso später im Plenum) der Antrag der deutschen und schweizerischen Delegierten angenommen, daß Ausnahmen zulässig seien hinsichtlich solcher Betriebe, welche a) aus technischen Gründen eine ununterbrochene Produktion erheischen oder das Publikum mit unentbehrlichen, täglich anzufertigenden Lebensbedarfsmitteln versorgen, b) ihrer Natur nach nur in bestimmten Jahreszeiten arbeiten können oder von der unregelmäßigen Thätigkeit elementarer Betriebskräfte abhängig sind, daß aber selbst in den Anlagen dieser Kategorie jeder Arbeiter auf zwei Sonntage einen frei haben sollte (s. den Wortlaut am Schluß des Artikels).

3) Ein harter Kampf entstand aber noch wieder bezüglich der dritten Frage, in welcher Weise über diese Ausnahmen zu entscheiden sei, ob durch internationale Vereinbarung oder durch Gesetze, resp. administrative Vorschriften des einzelnen Staats. Die in der allgemeinen Diskussion hervorgetretenen divergierenden Gesichtspunkte wurden von neuem vorgeführt. Die schweizerische Delegation zog infolge der Beschlußfassung zur ersten Frage ihre zuerst vorgeschlagene positive Fassung („die Ausnahmen sollen nicht näher bezeichnet werden; die allgemeinen Bedingungen aber, unter welchen die Ausnahmen statthaft sind, sollen im Prinzip in der internationalen Vereinbarung enthalten sein, deren Ausführung durch Maßregeln der Gesetzgebung und Verwaltung stattfinden wird“) zurück und schloß sich, gemeinsam mit Deutschland, dem Antrag Luxemburgs an: „Es ist wünschenswert, a) daß die in jedem Land einzuführenden Ausnahmen gleichartig seien, b) daß die Bestimmung der Mittel zur Erreichung dieses Ziels einer Verständigung zwischen den verschiedenen Regierungen überlassen bleibe.“ Der belgische Vertreter bestritt aufs lebhafteste die Übereinstimmung dieses Antrags mit dem Beschluß zur ersten Frage, der durch die Beseitigung der Worte „durch das Gesetz“ die Bestimmung der Mittel, durch welche die Verwirklichung der auf die Sonntagsruhe bezüglichen Wünsche erreicht werden soll, dem Ermessen eines jeden Staats überlassen habe. Es sei natürlich, daß der Spielraum, welcher der Verwirklichung der Wünsche gelassen sei, auch für die Bestimmung der Ausnahmen von den Regeln, welche Gegenstand dieser Wünsche sind, gewährt werden müsse. Er schlug vor: „Es ist gegenwärtig nicht möglich, das Verfahren zu bestimmen, nach welchem über die Ausnahmefälle entschieden werden soll.“ Dieser Vorschlag wurde mit 10 Stimmen abgelehnt und schließlich der Antrag Luxemburgs mit einer von Deutschland beantragten Modifikation, daß die in jedem Land einzuführenden Ausnahmen nach gleichartigen Gesichtspunkten festgesetzt werden, in folgender Fassung: „Zu dem Zweck, die Ausnahmen nach gleichartigen Gesichtspunkten festzusetzen, ist es wünschenswert, daß ihre Bestimmung auf Grund einer Verständigung zwischen den verschiedenen Regierungen erfolge“, mit 9 Stimmen (Deutschland, Österreich, Ungarn, Dänemark, Luxemburg, Holland, Portugal, Schweden, Schweiz) gegen 3 Stimmen (Frankreich, Belgien, Großbritannien) und Stimmenthaltung Italiens angenommen. Im Plenum enthielt sich Frankreich der Abstimmung, Belgien, Spanien, Großbritannien, Italien stimmten dagegen, die übrigen 10 Staaten dafür.

III. Die Regelung der Kinderarbeit.

Die Kommission, entschlossen, den wohlbegründeten Wünschen der arbeitenden Klassen innerhalb der Grenzen des Möglichen Genüge zu leisten, aber zugleich die Rechte aller, Staaten wie Personen, zu achten, sah ein, daß es nicht leicht sein würde, die Resolutionen, welche zu fassen sie berufen war, sofort und überall in Anwendung zu bringen. Sie beschränkte sich darauf, ein „System reglementärer Grundsätze über die Arbeit der Kinder und jugendlichen Arbeiter anzunehmen, von welchen es wünschenswert wäre, daß sie in allmählichem Fortschritt in die verschiedenen Gewerbegesetzgebungen aufgenommen würden, soweit es die nationalen Gewohnheiten und die örtlichen Verhältnisse zulassen“.

1) Die erste Frage, ob Kinder bis zu einem bestimmten Alter von der industriellen Arbeit ausgeschlossen werden sollen, wurde ohne weitere Diskussion einstimmig (ebenso im Plenum) bejaht (s. den Wortlaut am Schluß des Artikels).

2) Die zulässige Altersgrenze bildete den Hauptpunkt der Diskussion, die Ansichten gingen auseinander. Der Antrag der Schweiz auf 14 Jahre (d. h. das Verbot der Kinderarbeit überhaupt, wie es bereits in der Schweiz seit 1877 und in Österreich seit 1885 besteht) wurde mit 13 Stimmen gegen 2 (Schweiz, Österreich) abgelehnt, ebenso ein eventueller Antrag der Schweiz auf 13 Jahre mit 12 Stimmen gegen 2 (Schweiz, Österreich) und Stimmenthaltung Dänemarks. Der deutsche Delegierte (Landmann) erklärte, daß er nicht für diesen Antrag gestimmt habe, da für Deutschland diese Frage gegenstandslos sei, weil nach den schulgesetzlichen Bestimmungen in Deutschland überall bis zum 13. Jahre der obligatorische Schulunterricht bestehe. Der Vorsitzende (Jules Simon) beantragte die Altersgrenze von 12 Jahren. Der Delegierte von Großbritannien (Scott), wo noch die Altersgrenze 10 Jahre beträgt, erklärte, daß, wie er glaube, die öffentliche Meinung seines Landes der Altersgrenze von 12 Jahren im allgemeinen nicht ungünstig sein würde, daß er aber nach dem gegenwärtigen Stande der englischen Gesetzgebung, welche unter bestimmten Vorbehalten die Arbeit der Kinder von 10–12 Jahren zulasse, dem Antrag nur ad referendum zustimmen könne. Die Vertreter von Italien und Spanien verwarfen diese Altersgrenze als für ihre Länder zu hoch; in Italien ist das gesetzliche Minimalalter (erst seit dem Gesetz vom 11. Febr. 1888) 9 Jahre, resp. 10 Jahre für unterirdische Arbeit, in Spanien (Gesetz vom 24. Juli [40] 1873) 10 Jahre, hier liegt aber den Cortes ein Gesetzentwurf vor, der das Alter auf 9 Jahre herabsetzt. Der italienische Delegierte (Boccardo) führte aus, daß die Altersgrenze nicht für alle Staaten die gleiche sein könne. Italien habe 1886 den ersten Versuch mit der Regelung auf diesem Gebiet gemacht, das damals erlassene Gesetz habe aber mit Rücksicht auf die besondere Lage der Seidenspinnereien und -Zwirnereien nur teilweise durchgeführt werden können. Es sei augenblicklich nicht in der Lage, noch weiter in der Beschränkung zu gehen. Für Italien müsse mit Rücksicht darauf, daß seine Großindustrie erst im Entstehen sei und gegenüber den vorgeschrittenern Industrieländern eine geringere Konkurrenzfähigkeit habe, überdies seine Seidenindustrie die Konkurrenz asiatischer Länder (China, Japan), wo die Arbeitskräfte außergewöhnlich billig seien, zu bestehen habe, die Altersgrenze mindestens 2 Jahre niedriger sein als in andern Staaten. Die niedrigere Altersgrenze rechtfertige sich auch in sanitärer und humanitärer Hinsicht durch die Frühreife der südländischen Rassen, klimatische Verhältnisse etc. Die Kommission nahm einstimmig den Antrag Frankreichs an, daß die Altersgrenze auf 12 Jahre festgesetzt werde mit Ausnahme der südlichen Länder, für welche sie auf 10 Jahre herabzusetzen sei (bei der Abstimmung über die Ausnahme enthielten sich die Schweiz und Großbritannien der Stimmabgabe). Im Plenum stimmten für die Ausnahme 8 Staaten, dagegen 2 (Großbritannien, Schweiz), 5 (Belgien, Dänemark, Frankreich, Schweden, Norwegen) enthielten sich der Abstimmung, die übrigen Teile des Antrags wurden einstimmig mit Stimmenthaltung von Dänemark, Spanien, der Schweiz angenommen.

3) Einstimmig wurde in der Kommission und im Plenum angenommen: daß es wünschenswert sei, daß die für den Eintritt von Kindern in gewerbliche Anlagen beschlossene Altersgrenze für alle diese Anlagen die nämliche sei, und daß in dieser Beziehung eine Unterscheidung nicht zugelassen werde.

4) Ein weiterer Antrag Deutschlands: „Es ist wünschenswert, daß die in gewerblichen Anlagen zugelassenen Kinder den Vorschriften über den Elementarunterricht vorher Genüge geleistet haben“, wurde in der Kommission und im Plenum mit 11 Stimmen gegen 2 (Dänemark, Großbritannien) und Stimmenthaltung von Belgien und Holland angenommen. Großbritannien stimmte nur deshalb dagegen, weil eine solche Bestimmung in ein Schulgesetz, nicht in ein Gewerbegesetz gehöre, und Dänemark, weil dadurch seine Halbtagsschulen für in Fabriken beschäftigte Kinder von 12–14 Jahren, welche sich bewährt haben, gefährdet würden. (In Dänemark ist der Elementarunterricht bis zum 13. Jahre obligatorisch und selbst bis zum 14., wenn das Kind die vorgeschriebene Prüfung nicht bestanden hat. Der dänische Delegierte erklärte, daß die Annahme des deutschen Antrags für Dänemark die Wirkung haben würde, das Minimum des Alters der Zulassung in Fabriken auf 13–14 Jahre zu erhöhen, während der Unterricht in Elementarschulen so geregelt ist, daß den Kindern für die Dauer eines halben Tags der Besuch der gewerblichen Anlagen gestattet ist, ohne die Erfüllung der Schulpflicht zu hemmen.)

5) Bezüglich der Sonntags- und Nachtarbeit wurde in der Kommission und im Plenum einstimmig mit Vorbehalten Hollands, Belgiens und Luxemburgs angenommen: daß Kinder, welche das 14. Jahr noch nicht vollendet haben, weder nachts noch Sonntags arbeiten dürfen.

6) Über die gesetzliche Maximalarbeitszeit der Kinder gingen die Ansichten auseinander. Gegen den Antrag Deutschlands, dieselbe auf 6 Stunden zu bestimmen mit mindestens einer halbstündigen Pause, erklärten sich Ungarn, Italien, Belgien und Holland. (In Ungarn und Italien beträgt die Maximalarbeitszeit für Kinder unter 14 Jahren 8 Stunden, in Holland 11, in Belgien 12.) Gegen diese Stimmen wurde in der Kommission der Antrag angenommen: daß die effektive Arbeit der Kinder die Dauer von 6 Stunden nicht überschreite und durch eine Pause von mindestens einer halben Stunde unterbrochen werde. Im Plenum stimmten dafür 11 Staaten, dagegen 3 (Belgien, Italien, Holland); Ungarn enthielt sich der Abstimmung.

7) Einstimmig, ohne Diskussion, wurde in der Kommission und im Plenum der Antrag angenommen: daß Kinder unter 14 Jahren von ungesunden oder gefährlichen Beschäftigungen ausgeschlossen oder mindestens nur unter gewissen schützenden Bedingungen dabei zugelassen werden.

IV. Die Regelung der Arbeit jugendlicher Arbeiter.

Die Kommission unterschied zwei Grade des Schutzes, je nachdem es sich um jugendliche Arbeiter beiderlei Geschlechts von 14–16 Jahren oder um jugendliche männliche Arbeiter von 16–18 Jahren handelt, und beschloß, die Schutzbestimmungen der jugendlichen weiblichen Arbeiter von 16–18 Jahren bei der Erörterung der Arbeit der Frauen mitzuberaten.

I. Bezüglich der jugendlichen Arbeiter beiderlei Geschlechts von 14–16 Jahren wurden folgende, von Deutschland ausgegangene Anträge angenommen: Es ist wünschenswert, 1) daß die jugendlichen Arbeiter beiderlei Geschlechts von 14 bis 16 Jahren weder nachts noch am Sonntag arbeiten; 2) daß ihre effektive Arbeit 10 Stunden täglich nicht überschreite und durch Ruhepausen in einer Gesamtdauer von mindestens anderthalb Stunden unterbrochen werde; 3) daß für einzelne Industrien Ausnahmen zugelassen werden; 4) daß für besonders ungesunde oder gefährliche Arbeiten Beschränkungen vorgesehen werden.

Der Antrag 1 wurde in der Kommission einstimmig angenommen mit Vorbehalten Luxemburgs und Belgiens wegen der Sonntagsruhe und der Erklärung Italiens wegen des Altersunterschieds von zwei Jahren für die südlichen Länder. Im Plenum stimmten 14 Staaten dafür, Italien dagegen.

Der Antrag 2 wurde in der Kommission mit 10 Stimmen gegen 2 (Belgien, Holland) und 3 Stimmenthaltungen (Österreich, Spanien, Italien), im Plenum mit 10 Stimmen gegen 3 (Belgien, Holland, Italien) und 2 Stimmenthaltungen (Österreich, Ungarn) angenommen. Österreich enthielt sich aus folgenden Gründen der Abstimmung: „In Österreich verbietet das Gesetz jedem minderjährigen oder erwachsenen Arbeiter, länger als 11 Stunden in gewerblichen Anlagen zu arbeiten. Es scheint ihm nicht zulässig, daß der jugendliche Arbeiter verpflichtet werde, kürzere Zeit als der erwachsene zu arbeiten, weil seiner Ansicht nach eine so enge Verbindung zwischen der Arbeit des jugendlichen Arbeiters und der des erwachsenen besteht, daß der eine wie der andre notwendigerweise in der nämlichen Stunde anfangen und aufhören müsse zu arbeiten. Die österreichische Delegation könne daher keinen Unterschied zwischen jugendlichen und erwachsenen Arbeitern zulassen.“ Belgien und Holland erklärten, nur für einen Arbeitstag von 12, bez. 11 Stunden stimmen zu können. [41] Was die Ruhepausen betrifft, so hatte Deutschland zuerst zwei Stunden beantragt, dafür stimmten nur 5 Staaten (Deutschland, Dänemark, Spanien, Luxemburg, Schweden), für 11/2 Stunde stimmten 7 (Österreich, Ungarn, Belgien, Frankreich, Großbritannien, Norwegen, Portugal), für eine Stunde stimmten 2 (Italien, Holland). Die Schweiz enthielt sich der Abstimmung.

Der Antrag 3 wurde in der Kommission und im Plenum einstimmig mit Stimmenthaltung der Schweiz, welche keine Ausnahme gestatten wollte, angenommen.

Der Antrag 4 fand in der Kommission und im Plenum einstimmige Annahme.

II. Bezüglich der Arbeit der jugendlichen männlichen Arbeiter von 16–18 Jahren wünschten mehrere Staaten (Belgien, Italien, Luxemburg, Holland, auch Österreich und Ungarn) keine besondern Schutzbestimmungen, weil die Industrie dadurch geschädigt würde und die Arbeiterfamilien eine Einkommensverringerung erleiden würden. Eventuell sollte man diese auf gefährliche und gesundheitsschädliche Betriebe beschränken. Aber der Grundsatz des Schutzes auch dieser Arbeiter wurde von 8 Staaten (Deutschland, Schweiz, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Portugal, Schweden, Norwegen) angenommen, Spanien enthielt sich der Abstimmung. Deutschland wollte aber den Schutz auf das unbedingt Erforderliche, besonders auf das Verbot der Sonntags- und Nachtarbeit und auf Bestimmungen bei gefährlichen und gesundheitsschädlichen Betrieben, beschränken. Die Schweiz insbesondere vertrat jedoch den Standpunkt, daß außerdem auch noch eine Maximalarbeitszeit fixiert und demgemäß der Antrag angenommen würde: daß den jungen Männern von 16–18 Jahren Schutz gewährt werde in Betreff eines Maximalarbeitstags, der Nacht- und Sonntagsarbeit und ihrer Verwendung bei besonders ungesunden oder gefährlichen Arbeiten. Für den Maximalarbeitstag stimmten in der Kommission 9 Staaten gegen 6 (Deutschland, Belgien, Italien, Luxemburg, Holland, Portugal). Im Plenum war das Stimmenverhältnis 12 gegen 3 (Belgien, Italien, Holland). Deutschland stimmte dafür mit dem Vorbehalt, daß die Beschränkung des Arbeitstags nur aus gesundheitlichen Rücksichten geschehe und diese Beschränkung diejenige nicht überschreite, welche bereits für den Arbeitstag der Frauen und Mädchen über 21 Jahre vorgesehen wurde (s. unten). Das Verbot der Nachtarbeit wurde in der Kommission mit 10 Stimmen gegen 5 (Österreich, Ungarn, Belgien, Italien, Holland), im Plenum mit 10 Stimmen gegen 3 (Belgien, Italien, Holland) und Stimmenthaltung von Österreich und Ungarn angenommen. Das Verbot der Sonntagsarbeit wurde in der Kommission mit 11 Stimmen gegen 4 (Belgien, Italien, Luxemburg, Holland), im Plenum mit 12 Stimmen gegen 3 (Belgien, Luxemburg, Holland) angenommen. Holland erklärte sein verneinendes Votum damit, daß die niederländischen Arbeitsgesetze männlichen Personen über 16 Jahre die Sonntagsarbeit nicht verbieten, dagegen das Gesetz über die Sonntagsruhe die öffentliche Arbeit an Sonntagen mit einigen Ausnahmen im allgemeinen untersagt. Der Schutz gegen besonders ungesunde oder gefährliche Arbeiten wurde in der Kommission und im Plenum mit 14 Stimmen gegen 1 (Holland) angenommen.

V. Die Regelung der Frauenarbeit.

Die schweizerische Delegation stellte, sich an das vorgelegte Programm haltend, folgende Anträge: 1) die Arbeit der verheirateten Frauen muß gewissen Beschränkungen unterworfen werden; 2) die Arbeit aller Frauen und Mädchen in Fabriken muß gewissen Beschränkungen unterworfen werden; 3) die zu empfehlenden Beschränkungen sind: eine Maximalarbeitszeit, Verbot von Nacht- und Sonntagsarbeit, Verbot oder Beschränkung von Arbeiten, welche gesundheitsschädlich oder gefährlich sind; 4) es ist kein Grund vorhanden, für gewisse Kategorien von Betrieben Ausnahmen von den allgemeinen Regeln zuzulassen.

Die deutsche Delegation stellte dagegen folgende Anträge: Es ist wünschenswert, 1) daß Frauen jeden Alters weder nachts noch am Sonntag arbeiten; 2) daß ihre effektive Arbeit 11 Stunden täglich nicht überschreite und durch Pausen in einer Gesamtdauer von mindestens 2 Stunden unterbrochen werde; 3) daß Wöchnerinnen erst 4 Wochen nach ihrer Entbindung wieder zur Arbeit zugelassen werden; 4) daß für die besonders ungesunden oder gefährlichen Industrien weitere Beschränkungen vorgesehen werden; 5) daß für die Industrien, in welchen die Nachtarbeit der Frauen nicht zu entbehren ist, Ausnahmebestimmungen zulässig seien.

Die schweizerische Delegation zog zu gunsten der deutschen Anträge 1–4 ihre Anträge 1–3 zurück und hielt nur gegenüber dem deutschen Antrag 5 ihren Antrag 4 aufrecht. Die deutschen Anträge wurden der Beratung zu Grunde gelegt.

Gegen das Prinzip der Beschränkung der Frauenarbeit erhob sich kein Widerspruch. Nur der Vertreter von Italien glaubte, warnend vor zu weit gehenden Beschlüssen, auf die ausnahmsweisen Verhältnisse seines Landes aufmerksam machen zu sollen, in welchem regelmäßig eine bedeutende vorübergehende Auswanderung von Männern, welche in das Ausland ziehen und dort einen Teil des Jahres arbeiten, stattfinde, während dieser Zeit aber die Frauen im wesentlichen die Familie erhalten müssen.

Dem Antrag 1 von Deutschland wurde folgende Fassung gegeben: Es ist wünschenswert, daß Mädchen und Frauen in einem Alter von mehr als 16 Jahren weder nachts noch Sonntags arbeiten. Auf den Wunsch Belgiens wurde in der Kommission (und ebenso später im Plenum) gesondert darüber abgestimmt, ob diese Bestimmung nur weibliche Personen unter 21 Jahren oder alle betreffen solle, indem seitens mehrerer Staaten die Einwendungen gegen eine Gesetzgebung über die Arbeitszeit der Erwachsenen geltend gemacht wurden. Die vorerwähnte Bestimmung wurde in der Kommission wie im Plenum für die Altersgrenze von 21 Jahren einstimmig mit Stimmenthaltung von Spanien, welche damit motiviert wurde, daß in Spanien die weiblichen Personen nicht mit 21 Jahren, sondern erst mit 23 Jahren mündig werden und in der Resolution nur das Prinzip des Schutzes für die Minderjährigen aufgestellt, nicht aber ein bestimmtes Alter angegeben werden sollte, angenommen. Es siegte aber dann die Ausdehnung der Schutzbestimmung auf alle weiblichen Arbeiter in der Kommission mit 7 gegen 5 Stimmen (Belgien, Spanien, Ungarn, Italien, Portugal); 3 Staaten (Dänemark, Frankreich, Norwegen) enthielten sich der Abstimmung. Im Plenum stimmten 8 gegen 5 (Belgien, Spanien, Frankreich, Italien, Portugal) für die Ausdehnung, Dänemark und Schweden enthielten sich der Abstimmung.

Den Antrag 2 von Deutschland wollte Belgien auf eine 12stündige Arbeitszeit abschwächen, während anderseits Großbritannien und Ungarn vorschlugen, [42] auf 10 Stunden herabzugehen. Der belgische Vorschlag fand von keiner Seite eine Unterstützung. Die deutschen Delegierten führten den Nachweis, daß es in Deutschland bei den gegenwärtigen Zuständen der Industrie und der sozialen Verhältnisse unmöglich sei, auf die Zahl von 10 Stunden herabzugehen, daß man aber in der Folge vielleicht dazu gelangen könne. Für 10 Stunden stimmten in der Kommission Ungarn, Frankreich, Großbritannien, Portugal, für 11 Stunden votierten 8 Staaten, 3 (Belgien, Spanien, Schweiz) enthielten sich der Abstimmung. Bei der Abstimmung, ob diese Schutzbestimmung sich nur auf die weiblichen Personen unter 21 Jahren oder auf alle erstrecken solle, stimmten für die Ausdehnung 7 Staaten (Deutschland, Österreich, Ungarn, Großbritannien, Luxemburg, Holland, Schweiz), gegen dieselbe 4 (Belgien, Spanien, Italien, Portugal), und 4 (Frankreich, Dänemark, Schweden, Norwegen) enthielten sich der Abstimmung. Die Dauer der Ruhepausen hatte Deutschland in seinem Antrag auf 11/2 Stunden ermäßigt. Der Beschluß der Kommission zu 2 lautete: daß die effektive Arbeitszeit der weiblichen Arbeiter 11 Stunden täglich nicht überschreite und durch Ruhepausen in einer Gesamtdauer von mindestens 11/2 Stunden unterbrochen werde. Dieser Antrag wurde im Plenum mit 9 Stimmen gegen 2 (Belgien, Italien) angenommen, 4 (Dänemark, Spanien, Ungarn, Portugal) enthielten sich der Abstimmung. Frankreich, Schweden, Norwegen stimmten zu mit einigen Vorbehalten bezüglich der weiblichen Arbeiter über 21 Jahre.

Die Anträge 3 und 4 von Deutschland wurden in der Kommission (ohne Diskussion) und im Plenum einstimmig angenommen.

Bei dem Antrag 5 erneuerte die Schweiz ihren entgegenstehenden Antrag 4, aber derselbe wurde in der Kommission mit allen Stimmen gegen die der Schweiz und im Plenum einstimmig in allgemeinerer Fassung dahin angenommen: daß für gewisse Industrien Ausnahmen zugelassen werden. In der Schlußredaktion erfolgte die Umstellung der Anträge 3–5 (s. den Wortlaut unten).

VI. Ausführung der Bestimmungen.

Der Kommission wurden zwei Entwürfe einer Beantwortung der Programmfragen (s. oben) als Anträge eingereicht von Deutschland und der Schweiz.

Der Antrag Deutschlands war: I. Für den Fall, daß die Regierungen den Vorschlägen der Kommission Folge leisten sollten, würden sich die nachstehenden Maßregeln als unerläßlich empfehlen: 1) Die Ausführung der Grundsätze, über welche eine Einigung erzielt würde, soll von einer genügenden Zahl von ad hoc ernannten sachverständigen Beamten beaufsichtigt werden. Die Stellung derselben muß eine derartige sein, daß sie ihnen sowohl den Arbeitgebern als den Arbeitern gegenüber vollständige Unabhängigkeit sichert. 2) Die Beobachtungen dieser Beamten bezüglich der Ausführung der in Rede stehenden Grundsätze werden in jährlichen Berichten niedergelegt, welche für den Druck bestimmt sind. 3) Alle beteiligten Staaten sollen unter Beobachtung gewisser Regeln, hinsichtlich deren ein Einvernehmen begründet werden soll, periodische statistische Erhebungen in Bezug auf die in den Vorschlägen der Konferenz berührten Fragen veranlassen. 4) Die beteiligten Staaten werden regelmäßig untereinander austauschen: a) die von ihnen auf dem Wege der Gesetzgebung oder Verwaltung erlassenen Vorschriften hinsichtlich der Ausführung der angenommenen Grundsätze; b) die jährlichen Berichte der sachverständigen Beamten (s. Nr. 2); c) die statistischen Erhebungen (s. Nr. 3). II. Es ist wünschenswert, daß die Delegierten der beteiligten Staaten von Zeit zu Zeit in Zwischenräumen, deren Festsetzung einem besondern Beschluß vorbehalten bleibt, zu einer Konferenz zusammentreten, um die Beobachtungen, welche sie bei der Ausführung der angenommenen Grundsätze gemacht haben, einander mitzuteilen sowie über die Zweckmäßigkeit einer Abänderung oder Ergänzung dieser Grundsätze zu beraten.

Der Antrag der Schweiz lautete: 1) Es sollen Maßregeln hinsichtlich der Ausführung der Konferenzbeschlüsse getroffen werden. 2) Es ist Anlaß vorhanden, zu diesem Behuf zu bestimmen, daß die Staaten, welche über gewisse Bestimmungen einig geworden sind, obligatorische Bestimmungen treffen; daß die Ausführung solcher Abmachungen durch die nationale Gesetzgebung erfolgen soll, und daß diese letztere, wenn sie nicht ausreichend sein sollte, die notwendigen Ergänzungen erhalten soll. 3) Es ist ferner Anlaß vorhanden, die Gründung eines besondern Organs für die Zentralisierung der mitzuteilenden Auskünfte, die regelmäßige Veröffentlichung statistischer Daten und die Ausführung der vorbereitenden Maßregeln für die in Nr. 2 des Programms vorgesehenen Konferenzen vorzusehen. 4) Es ist Anlaß vorhanden, periodisch wiederkehrende Konferenzen von Delegierten der Staaten vorzusehen; der Hauptzweck dieser Konferenzen würde darin bestehen, die getroffenen Abmachungen weiter zu entwickeln und die Fragen zu lösen, welche Schwierigkeiten oder Streitigkeiten hervorgerufen haben.

Die Schweizer Delegierten betonten namentlich die Notwendigkeit des von ihnen (unter 3) vorgeschlagenen internationalen Organs und machten gegen den deutschen Vorschlag unter II insbesondere geltend, daß derselbe zu unbestimmt sei, da er nicht sage, zu welchem Zeitpunkt und in welchen Zwischenräumen die neuen Konferenzen stattfinden sollten, noch die Bedingungen festsetze, unter welchen es nötig sein würde, Konferenzen abzuhalten, noch bestimme, von wem dieselben einberufen werden sollten. Aber der schweizerische Antrag fand keine Unterstützung, dagegen von Großbritannien und Belgien eine energische Bekämpfung. Die großbritannischen Delegierten erklärten, daß eine internationale Vereinbarung über die Regelung der Fabrikarbeit nicht an die Stelle der besondern Gesetzgebung eines jeden Landes treten könne. Großbritannien habe nur unter der Bedingung, daß eine solche Eventualität fern gehalten werde, eingewilligt, an der Konferenz teilzunehmen. Von seiten Großbritanniens, Belgiens, Italiens und Hollands wurden die deutschen Anträge noch in einigen Punkten abzuschwächen gesucht, aber es herrschte allseitige Geneigtheit, dieselben in ihrem wesentlichen Inhalt anzunehmen. Einen besondern Standpunkt nahm Frankreich ein. Die Delegierten dieses Landes erklärten, von ihrer Regierung die bestimmte Weisung erhalten zu haben, sich bei allen Vorschlägen über die Ausführung der Konferenzbeschlüsse der Stimmabgabe zu enthalten. Unter Stimmenthaltung Frankreichs stimmten 13 Staaten (Norwegen war nicht in der Kommission vertreten) für die deutschen Anträge, die eine etwas veränderte Fassung bekamen (s. den Wortlaut unten unter Nr. VI). Der Kommissionsantrag wurde im Plenum einstimmig mit Stimmenthaltung von Frankreich angenommen, nachdem Belgien und Spanien erklärt hatten, daß die Zustimmung keineswegs die Einwilligung bedeute, auf diplomatischem Weg eine Verbindlichkeit [43] einzugehen, und der schwedische Delegierte den Vorbehalt gemacht hatte, daß die Überwachung der zur Verwirklichung der Wünsche der Konferenz getroffenen Maßregeln ausschließlich den Regierungen der einzelnen Staaten überlassen bleibe und keine Einmischung von irgend einer fremden Macht zulässig sei.

Auf dem Programm der Konferenz stand nicht die Frage des gesetzlichen Maximalarbeitstags für erwachsene männliche Arbeiter. Aber die schweizerische Delegation erachtete es für angezeigt, „die fortschrittliche Stellung der Schweiz (wenn auch nur als Markstein für die Zukunft) zu dokumentieren. Es schien ihr für ihr Land geradezu eine Ehrensache zu sein, schon in der ersten internationalen Arbeiterschutzkonferenz auch diejenigen großen Zielpunkte angedeutet zu haben, deren Lösung noch anzustreben sei, und hierzu gehöre gewiß vor allem der Maximalarbeitstag.“ Sie gab in der vierten Sitzung (27. März) am Schluß der Generaldiskussion folgende Erklärung ab, über die aber nicht weiter verhandelt wurde: „Der eidgenössische Bundesrat hätte gern die Frage des Maximalarbeitstags in den ursprünglichen Programmentwurf, den er für die Berner Konferenz ausgearbeitet hatte, aufgenommen. Wenn dies nicht geschehen ist, so ist es darum, weil er besorgte, daß einige Regierungen, an deren Zusage ihm viel gelegen war, dieses Punktes wegen die Einladung zur Konferenz ablehnen würden. Um so glücklicher war er, konstatieren zu können, daß Seine Majestät der deutsche Kaiser in seinen Erlassen vom 4. Febr. gerade diesen Punkt als einen derjenigen bezeichnet hatte, die durch internationales Abkommen zu regeln seien. Der Bundesrat hat demnach bedauert, im definitiven Programm der kaiserlichen Regierung diesen Punkt nicht wiederzufinden. Mit Rücksicht auf die Beweggründe, welche nach Kenntnis der schweizerischen Delegation eine Verzichtleistung auf diesen Teil des Programms herbeiführten, hat dieselbe über diesen Punkt in keiner Kommission einen Antrag gestellt, da ein solcher gegenwärtig keine Aussicht auf Erfolg gehabt hätte. Da sie aber von der Wichtigkeit und Zweckmäßigkeit einer internationalen Vereinbarung über den Normalarbeitstag fest überzeugt ist, so legt sie Wert auf die Erklärung, daß sie nur für den Augenblick und widerwillig davon Abstand genommen hat, eine Erörterung dieser Frage zu beantragen.“

In dem in der letzten Sitzung (29. März) genehmigten Schlußprotokoll wurden als Ergebnis der Beratung die Wünsche der Konferenz, von denen die Mehrzahl einstimmig, die andern fast sämtlich mit großer Stimmenmehrheit ausgesprochen wurden, nach einigen redaktionellen Änderungen in folgendem Wortlaut zusammengestellt:

I. Regelung der Arbeit in Bergwerken. Es ist wünschenswert, 1) a) daß die untere Altersgrenze, innerhalb welcher die Kinder zu den unterirdischen Arbeiten in Bergwerken zugelassen werden können, allmählich auf volle 14 Jahre erhöht werde, je nachdem die Möglichkeit der Erhöhung durch die Erfahrung erwiesen sein wird; für die südlichen Länder würde diese Altersgrenze die von 12 Jahren sein; b) daß die Arbeit unter Tage Personen weiblichen Geschlechts verboten werde.

2) Daß in Fällen, in welchen die Bergbaukunst nicht hinreichen würde, um alle Gefahren für die Gesundheit zu beseitigen, welche durch die natürlichen oder zufälligen Bedingungen des Betriebes gewisser Bergwerke oder Betriebspunkte entstehen, die Dauer der Arbeit eingeschränkt werde. Es wird jedem Lande überlassen, dieses Resultat auf dem Wege der Gesetzgebung oder der Verwaltung oder durch Übereinkunft zwischen den Bergwerksunternehmern und den Arbeitern oder auf eine andre, den Grundsätzen und Gewohnheiten einer jeder Nation entsprechende Weise herbeizuführen.

3) a) Daß die Sicherheit des Arbeiters und die Gesundheitlichkeit der Arbeit durch alle Mittel, über welche die Wissenschaft verfügt, gesichert und unter Oberaufsicht des Staates gestellt werden; b) daß die mit der Leitung des Betriebs beauftragten Ingenieure ausschließlich Männer von Erfahrung und von einer gehörig beurkundeten technischen Befähigung seien; c) daß die Beziehungen zwischen den Bergarbeitern und den Betriebsingenieuren so unmittelbar wie möglich seien, um den Charakter des Vertrauens und gegenseitiger Achtung zu haben; d) daß die Institutionen der Vorsorge und der Hilfe, welche im Einklang mit den Gewohnheiten eines jeden Landes organisiert und dazu bestimmt sind, den Bergarbeiter und seine Familie gegen die Folgen von Krankheiten, Unfällen, vorzeitiger Arbeitsunfähigkeit, Alter und Tod zu sichern, Institutionen, welche geeignet sind, die Lage des Bergarbeiters zu verbessern und ihn an seinen Beruf anhänglich zu machen, mehr und mehr ausgebaut werden sollen; e) daß zu dem Zweck, eine ununterbrochene Kohlenförderung zu sichern, man sich bemühen solle, Ausständen vorzubeugen. Die Erfahrung scheint zu bestätigen, daß das beste Verhütungsmittel darin besteht, daß Arbeitgeber und Bergarbeiter sich freiwillig verpflichten, in allen Fällen, wo ihre Streitigkeiten nicht durch direkte Einigung beigelegt werden können, die Vermittelung eines Schiedsgerichts anzurufen.

II. Regelung der Sonntagsarbeit. 1) Es ist wünschenswert, vorbehaltlich der in jedem einzelnen Staate notwendigen Ausnahmen und Fristen: a) daß den geschützten Personen wöchentlich ein Ruhetag gesichert werde; b) daß allen Industriearbeitern ein Ruhetag gesichert werde; c) daß dieser Ruhetag für die geschützten Personen auf den Sonntag festgesetzt werde; d) daß dieser Ruhetag für alle Industriearbeiter auf den Sonntag festgesetzt werde.

2) Ausnahmen sind zulässig: a) hinsichtlich der Betriebe, welche aus technischen Rücksichten eine ununterbrochene Produktion erheischen, oder welche das Publikum mit unentbehrlichen Lebensbedürfnissen, deren Fabrikation eine tägliche sein muß, versorgen; b) hinsichtlich der Betriebe, welche ihrer Natur nach nur in bestimmten Jahreszeiten arbeiten können, oder von der unregelmäßigen Thätigkeit elementarer Betriebskräfte abhängig sind. Es ist wünschenswert, daß selbst in den Anlagen dieser Kategorie jeder Arbeiter auf zwei Sonntage einen frei habe.

3) Zu dem Zwecke, die Ausnahmen nach gleichartigen Gesichtspunkten festzusetzen, ist es wünschenswert, daß ihre Bestimmung auf Grund einer Verständigung zwischen den verschiedenen Staaten erfolge.

III. Regelung der Kinderarbeit. Es ist wünschenswert: 1) daß Kinder beiderlei Geschlechts, welche ein bestimmtes Alter noch nicht erreicht haben, von der Arbeit in gewerblichen Betrieben ausgeschlossen seien; 2) daß diese Altersgrenze auf 12 Jahre festgesetzt werde, mit Ausnahme der südlichen Länder, wo sie auf 10 Jahre herabgesetzt werden soll; 3) daß diese Altersgrenzen für alle gewerblichen Anlagen die nämlichen seien und in dieser Beziehung keine Unterscheidung gemacht werde; 4) daß die Kinder den Vorschriften über den Elementarunterricht vorher [44] genügt haben; 5) daß die Kinder, welche das 14. Jahr noch nicht vollendet haben, weder nachts noch Sonntags arbeiten dürfen; 6) daß ihre effektive Arbeit die Dauer von 6 Stunden nicht überschreite und durch eine Pause von mindestens 1/2 Stunde unterbrochen werde; 7) daß diese Kinder von ungesunden oder gefährlichen Beschäftigungen ausgeschlossen bleiben oder nur unter gewissen schützenden Bestimmungen dabei zugelassen werden.

IV. Regelung der Arbeit jugendlicher Arbeiter. Es ist wünschenswert: 1) daß die jugendlichen Arbeiter beiderlei Geschlechts von 14–16 Jahren weder nachts noch Sonntags arbeiten; 2) daß ihre effektive Arbeit 10 Stunden täglich nicht überschreite und durch Ruhepausen in einer Gesamtdauer von mindestens 11/2 Stunden unterbrochen werde; 3) daß für einzelne Industrien Ausnahmen zugelassen werden; 4) daß für besonders ungesunde oder gefährliche Arbeiten Beschränkungen vorgesehen werden; 5) daß den jungen Männern von 16–18 Jahren Schutz gewährt werde in betreff: a) eines Maximalarbeitstags, b) der Nachtarbeit, c) der Sonntagsarbeit, d) ihrer Verwendung bei besonders ungesunden oder gefährlichen Arbeiten.

V. Regelung der Frauenarbeit. Es ist wünschenswert: 1) a) daß Mädchen und Frauen von 16–21 Jahren nachts nicht arbeiten; b) daß Mädchen und Frauen in einem Alter von über 21 Jahren nachts nicht arbeiten; 2) daß ihre effektive Arbeit 11 Stunden täglich nicht überschreite und durch Ruhepausen in einer Gesamtdauer von mindestens 11/2 Stunden unterbrochen werde; 3) daß für gewisse Industrien Ausnahmen zugelassen werden; 4) daß für besonders ungesunde oder gefährliche Beschäftigungen Beschränkungen vorgesehen werden; 5) daß Wöchnerinnen erst 4 Wochen nach ihrer Entbindung zur Arbeit zugelassen werden.

VI. Ausführung der Konferenzbeschlüsse. 1) Für den Fall, daß die Regierungen den Arbeiten der Konferenz Folge leisten sollten, würden sich folgende Bestimmungen empfehlen: a) die Ausführung der in jedem Staate getroffenen Maßregeln wird überwacht durch eine genügende Anzahl von besonders qualifizierten Beamten, welche von der Landesregierung ernannt werden und sowohl von den Arbeitgebern als den Arbeitern unabhängig sind; b) die Jahresberichte dieser Beamten, welche von den Regierungen der verschiedenen Länder veröffentlicht werden, sind von jeder derselben den andern Regierungen mitzuteilen; c) jeder dieser Staaten wird von Zeit zu Zeit und in einer möglichst ähnlichen Form statistische Erhebungen hinsichtlich der in den Beschlüssen der Konferenz vorgesehenen Fragen aufstellen lassen; d) die beteiligten Staaten werden diese statistischen Erhebungen sowie den Text der auf dem Wege der Gesetzgebung oder Verwaltung erlassenen Vorschriften, welche sich auf die in den Konferenzbeschlüssen enthaltenen Fragen beziehen, untereinander austauschen.

2) Es ist wünschenswert, daß die Beratungen der beteiligten Staaten erneuert werden, um sich gegenseitig die Beobachtungen mitzuteilen, welche sich bei Prüfung der Konferenzbeschlüsse ergeben haben, und um zu prüfen, ob es angemessen sei, jene Beschlüsse abzuändern oder zu ergänzen.

Welche Wirkung diese Wünsche auf die Gesetzgebung derjenigen Staaten haben werden, in denen sie noch nicht erfüllt sind, läßt sich schwer voraussagen. Jedenfalls haben die Konferenzbeschlüsse, die das Minimum der berechtigten Forderungen der Arbeiterklasse präzisieren, die Bedeutung, daß sie arbeiterfreundlichen Regierungen gegen Parteien, welche dem weitern Ausbau der Arbeiterschutzgesetzgebung mißgünstig gesinnt sind, eine gewichtige Waffe in die Hand geben und die Agitationskraft der Arbeiter für die Verwirklichung der von der Konferenz befürworteten Maßregeln stärken. Die Konferenz hat aber auch gezeigt, daß über Fragen der Sozialpolitik und insbesondere der Arbeiterschutzgesetzgebung eine internationale Verständigung in gewissen Grenzen möglich ist; die von der Konferenz empfohlenen Maßnahmen zur Ausführung ihrer Beschlüsse zeigen den Weg, auf dem diese in einem immer höhern Grade angebahnt werden kann. Und so ist zu hoffen, daß die Konferenz dazu beitragen wird, die Schwierigkeiten, welche sich für den einzelnen Staat in der Durchführung der wünschenswerten Arbeiterschutzgesetzgebung durch die Verschiedenheit der wirtschaftlichen und sozialen Zustände in den einzelnen Ländern, durch die Wirtschafts- und Sozialpolitik andrer Staaten und durch die daraus hervorgehenden internationalen Konkurrenzverhältnisse ergeben, wenn auch nicht vollständig zu heben, doch zu verringern.

Vgl. „Die amtlichen Protokolle der internationalen A.“ (Leipz. 1890, auch in französischer Sprache erschienen); „Bericht des Bundesrats an die Bundesversammlung, betreffend die Frage internationaler Regelung des Arbeiterschutzes und die Berliner Konferenz. Vom 9. Juni 1890“ (Bern 1890); G. Adler, Der internationale Schutz der Arbeiter (in den „Annalen des Deutschen Reichs“ von Hirth und Seydel, 1888; auch im Sonderdruck erschienen); A. Braun, Die Arbeiterschutzgesetze der europäischen Staaten (Bd. 1: Deutsches Reich, Tübing. 1890).

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Siehe Art. Wohlgemuth (Band 17).