Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Arbeitsbücher“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 1 (1885), Seite 757
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Arbeitsbücher. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 1, Seite 757. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Arbeitsb%C3%BCcher (Version vom 15.06.2024)

[757] Arbeitsbücher (in Frankreich Livrets d’ouvriers), von der Polizeibehörde auf die Person eines Arbeiters ausgestellte Bücher, in welche der Arbeitgeber die Zeit des Ein- und Austritts des Arbeiters sowie die Art der Beschäftigung desselben einzutragen hat. Das Arbeitsbuch ist eine Legitimationsurkunde des Arbeiters zur Bezeugung seiner Identität, dann zur Konstatierung des Bestands wie der Dauer seines Arbeitsvertrags. Über die Zweckmäßigkeit obligatorischer A. herrscht Streit. Unzweifelhaft haben A. wichtige Vorteile. Der Arbeitgeber wird durch das Arbeitsbuch über die Persönlichkeit und die bisherigen Arbeitsverhältnisse des Arbeiters informiert und kann auf Grund desselben eventuell weitere Erkundigungen einziehen. Dieser Vorteil ist besonders wertvoll für Handwerksmeister, welche Arbeiter in ihr Haus nehmen. A. erleichtern ferner bei wandernden Arbeitern die Unterscheidung zwischen ordentlichen und unordentlichen. Sie erschweren endlich den Kontraktbruch. Gegen A. wird geltend gemacht, daß in dieser Kontrolle der Beschäftigung der Arbeiter eine Kränkung der persönlichen Ehre der erwachsenen Arbeiter liege, daß die Abhängigkeit der Arbeiter von den Arbeitgebern befördert werde, und daß unter Umständen Arbeiter unverdient materiellen Schaden erleiden könnten. Es wird insbesondere auch auf den Mißbrauch hingewiesen, der mit Arbeitsbüchern durch Zeichenvermerke in denselben von den Arbeitgebern getrieben werden könne und der sich kaum vermeiden lasse. Obgleich an sich die Gründe für obligatorische A. schwerer wiegen dürften und ordentliche, solide Arbeiter bei dieser Einrichtung den schlechten gegenüber besser situiert sein würden, als wenn keine A. bestehen, wird für die Frage der Einführung derselben doch den Ausschlag geben müssen, ob der bessere Teil der Arbeiterklasse dagegen ist oder nicht. Jedenfalls aber ist es zweckmäßig, dem Arbeiter das Recht zu geben, ein solches Arbeitsbuch zu besitzen und von seinem Arbeitgeber die Einträge über Ein- und Austritt zu verlangen (fakultatives Arbeitsbuch). Obligatorische A. bestehen in Österreich und bestanden bis vor kurzem in Frankreich und Belgien. In Frankreich wurden die Livrets 1791 aufgehoben, aber durch das Gesetz vom 22. Germinal XI (12. April 1803), vervollständigt durch die Arrêtés vom 9. Frimaire XII (1. Dez. 1803) und vom 10. Ventôse XII, für alle Arbeiter wieder eingeführt und, nach einigen Modifikationen durch die Gesetze vom 25. April, 8. und 14. Mai 1851, neu geregelt durch das Gesetz vom 22. Juni 1854 und Dekret vom 30. April 1855. Das Gesetz kam aber wenig zur Ausführung. Im J. 1869 beantragte die Regierung auf Grund einer Enquete die Abschaffung der obligatorischen Livrets, durch den Krieg von 1870 blieb die Sache unerledigt. Nach langen Verhandlungen (1881 bis 1883) wurden durch das Gesetz vom 22. Nov. 1883 die obligatorischen Livrets abgeschafft, aber fakultative eingeführt. Jeder Arbeiter, der den Besitz eines Arbeitsbuchs seinen Interessen dienlich erachtet, kann vom Maire der Gemeinde seines Wohnorts ein solches verlangen. Dieses Arbeitsbuch, frei von Stempel- und Enregistrementsgebühren, darf nichts andres enthalten als Namen, Vornamen, Wohnort, Geburtsort und Beruf des Besitzers und wird vom Maire unterschrieben (Art. 3). Jeder Arbeitgeber ist angewiesen, dem Arbeiter auf dessen Verlangen in diesem Buch Datum des Ein- und Austritts in sein Geschäft zu bescheinigen. Das Buch darf keine andern Nachweisungen enthalten (Art. 4). Ähnlich ist der Gegenstand in Belgien geregelt worden. (Vgl. V. Stieda, Das Arbeitsbuch in Frankreich, in „Preußische Jahrbücher“, Bd. 53, S. 159 ff.; dort auch weitere Litteratur; ferner den Art. „Livrets“ in Blocks „Dictionnaire de l’administration française“, 2. Aufl., S. 1201 ff.; „Enquête sur les conseils de prud’hommes et les livrets d’ouvriers“, Par. 1869.) In Deutschland hatte die Gewerbeordnung von 1869 obligatorische A. nur für jugendliche Arbeiter beibehalten. Die Novelle zur Gewerbeordnung vom 17. Juli 1878 führte dagegen obligatorische A. für alle Arbeiter unter 21 Jahren ein (ausgenommen im Haus ihrer Eltern beschäftigte Kinder und hausindustrielle Arbeiter, § 107–112). Für Kinder von 12 bis 14 Jahren, welche in Fabriken beschäftigt werden, ist statt des Arbeitsbuchs eine Arbeitskarte vorgeschrieben (§ 137). Im J. 1883 wurde im Reichstag ein Antrag der Konservativen, die A. allgemein einzuführen, in der Sitzung vom 14. April abgelehnt.[WS 1]

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Siehe noch Arbeitsbuch in Band 19.