Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Fabrikordnung“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 5 (1886), Seite 1005
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Fabrikordnung. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 5, Seite 1005. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Fabrikordnung (Version vom 31.05.2024)

[1005] Fabrikordnung. In jeder Fabrik ist es im Interesse der Arbeiter wie der Arbeitgeber dringend wünschenswert, daß in einer sogen. F. über die Arbeitsordnung (Beginn und Ende der Arbeitszeit, Arbeitspreise, Kündigungsfristen, sonstige Auflösung des Arbeitsverhältnisses, Zeit der Abrechnung und Auszahlung der Arbeitslöhne, Rechte und Pflichten der Arbeiter bei Erkrankung oder Unglücksfällen, Befugnisse und Obliegenheiten des Aufsichtspersonals, Strafen bei Übertretung der Arbeitsordnung, sonstige Lohnabzüge etc.) allgemeine, für beide Teile, Arbeitgeber und Arbeiter, bindende Vorschriften bestehen und diese dem Arbeiter bei Antritt des Arbeitsverhältnisses bekannt gemacht werden. Die F. weist dem Arbeiter seine Verbindlichkeiten, aber auch seine Rechte zu; in ihr wird vertragsmäßig geregelt, was sonst innerhalb des Rahmens der Gesetzgebung der Wille des Arbeitgebers entscheidet. Fabrikordnungen sind in der Regel vorhanden, aber sie sollten überall existieren, und es rechtfertigt sich daher, den Erlaß derselben gesetzlich vorzuschreiben. (Bisher nur in der Schweiz durch das Fabrikgesetz von 1877 und in Österreich früher durch die Gewerbeordnung von 1859, jetzt durch die Novelle vom 8. März 1885 geschehen, während die deutsche Gesetzgebung eine obligatorische F. nicht kennt und nur in § 138 der Gewerbeordnung verlangt, daß ein Verzeichnis der jugendlichen Arbeiter mit Angabe der Arbeitszeit etc. in den Räumen, in welchen dieselben beschäftigt sind, aufgehängt werde.) Um aber zu verhindern, daß durch die F. eine unwürdige Stellung der Lohnarbeiter herbeigeführt oder sonst Bestimmungen getroffen werden, welche berechtigte Ansprüche der Arbeiter verletzen und diese notwendig erbittern müssen, ist es zweckmäßig, für die F. zugleich obrigkeitliche Genehmigung vorzuschreiben (wie früher in Preußen, Sachsen, Württemberg, jetzt in der Schweiz). Es muß natürlich der Staatsverwaltung überlassen bleiben, dafür zu sorgen, daß bei dieser ihr übertragenen Genehmigung die berechtigten Ansprüche beider Parteien gewahrt werden; aber zwei Punkte sollte doch noch der Gesetzgeber allgemein normieren. Er sollte für die Geldstrafen Maximalsätze bestimmen und anordnen, daß die Geldstrafen nur im Interesse der Arbeiter verwendet werden dürfen. Dies ist der Standpunkt, aber bisher auch nur, des eidgenössischen Fabrikgesetzes.