M–h–s–nsche Geschichten

Textdaten
Autor: unbekannt
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Titel: M–h–s–nsche Geschichten
Untertitel:
aus: Vade Mecum für lustige Leute, Theil 8 (1781), Nr. 175, S. 92-101 und Theil 9 (1783), Nr. 106, S. 76–79
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1781, 1783
Verlag: [August Mylius]
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Erscheinungsort: Berlin
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Quelle: Djvu auf Commons
Kurzbeschreibung: Zur Publikationsgeschichte siehe Des Freyherrn von Münchhausen Wunderbare Reisen
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[92]
175.
M–h–s–nsche Geschichten.

Es lebt ein sehr witziger Kopf, Herr von M–h–s–n im H–schen, der eine eigne Art sinnreicher Geschichten aufgebracht hat, die nach seinem Namen benannt wird, obgleich nicht alle einzelne Geschichten von ihm seyn mögen. Es sind Erzählungen voll der unglaublichsten Uebertreibungen, dabey aber so komisch und launigt, daß man, ohne sich um die Möglichkeit zu bekümmern, von ganzem Herzen lachen muß; in ihrer Art wahre hogarthsche Karrikaturen. Unsere Leser, denen aber vielleicht schon manche davon durch mündliche Ueberlieferung [93] bekannt sind, sollen hier einige der vorzüglichsten davon finden. – Das Komische wird sehr erhöht, wenn der Erzähler alles als selbst gesehn oder selbst gethan vorträgt. Also:


1) Ich hatte einst eine weite und unbequeme Reise im strengen Winter zu machen. Ich war zu Pferde, und eben nicht sehr warm gekleidet. Am Wege sah ich einen armen Kranken, der fast ganz nackt war; mein Herz blutete mir, ich warf ihm, trotz meines eignen Frostes, meinen Mantel hin. Und eine Stimme ließ sich vom Himmel hören: „M–n, M–n, daß soll dir, hol mich der Teufel, nicht unbelohnet bleiben!“


2) Ich ritt weiter, es ward Nacht, und noch war kein Dorf zu sehen. Alles war voll geschneyt, und ich kannte den Weg nicht. Ich stieg also ab, fand einen kleinen spitzigen Pfahl, woran ich mein Pferd band, nahm meine Pistolen zu mir, legte mich nicht weit von meinem Pferde hin, und schlief ein, so fest daß ich erst des andern Morgens wieder erwachte. Mit großem Erstaunen fand ich mich itzt mitten in einem Dorfe, und zwar auf dem Kirchhofe; mein Pferd aber war nicht zu sehn. Endlich hör ich es wie in der Luft wiehern; ich blicke herauf, und sehe es oben am Kirchthurm angebunden hängen. Nun konnt’ ich mir alles erklären: Gestern war das Dorf zugeschneyt gewesen, die Nacht war alles aufgethaut; ich war im Schlaf, wie der Schnee weggesunken, immer unmerklich mit herabgekommen; und was ich für einen spitzen Pfahl gehalten, [94] war die nur ein wenig aus dem Schnee hervorstehende Kirchthurmsspitze gewesen, woran ich also mein Pferd gebunden hatte. – Ich nahm itzt meine Pistole, schoß den Halfter des Pferdes entzwey, wodurch es herunter auf die Erde fiel; und ritt weiter.


3) Nahe vor Petersburg nahm ich einen Schlitten. In den finnischen Wäldern sah ich einen entsetzlichen Wolf, der mir sehr hungrig schien, hinter mir hertraben; er holte mich leicht ein, und ich sah bald, daß ich ihm nicht entfliehn konnte. Ich legte mich also platt im Schlitten nieder, und ließ mein Pferd gerade aus laufen; es geschah, was ich vermuthet und gehoft hatte: Das Unthier setzte über meinen Kopf weg, gerade auf mein Pferd zu, und fing an, es von hinten aufzufressen. Ich richtete mich in meinem Schlitten auf, und sah diesem Gräuel zu. Endlich, wie der Wolf schon an der Brust des Pferdes war, und sich auf die Art in das Seilenzeug hineingefressen hatte, schlug ich mit aller Kraft die ich hatte, auf den Wolf mit der umgekehrten Peitsche zu; er erschrak, und sprang vorwärts; der Rest des Pferdes stürzte hin, der Wolf war in den Seilen, und konnte nicht zurük, ich peitschte immer stärker, er lief wie rasend fort, und so fuhr ich in Petersburg hinein.


4) Aus meinem Zimmer sah ich einmal eine Menge wilder Enten auf dem See. Schnell grif ich zu meiner in der Ecke stehenden Flinte, lief eilig heraus, aber so unvorsichtig, daß ich das Gesicht an den [95] Thürpfosten dermaßen stieß, daß mir das Feuer aus den Augen flog. Doch das hielt mich nicht ab, ich kam heraus; allein beym Aufspannen merkte ich, daß durch diesen Stoß auch der Stein vom Hahn abgefallen war. Was war zu thun? Ich erinnerte mich, was beym Stoße an den Thürpfosten geschehen war; legte an, zielte, öfnete die Pfanne, und schlug nun mit gebalter Faust ins Auge. Es flog abermal Feuer heraus, der Schuß gelang, und ich hatte 10 Enten.


5) Auf der Jagd in Rußland stieß ich einst auf einen schönen schwarzen Fuchs, dessen Balg ich gern so unbeschädigt als möglich gehabt hätte. Er stand nah an einem Baum; ich lud also statt der Kugel einen spitzigen Nagel, und schoß, und traf so glüklich, daß ich seinen Schwanz an diesen Baum nagelte. Nun, wie er fest saß, lief ich auf ihn zu, machte mit meinem Jagdmesser ihm einen Kreuzschnitt auf der Stirne, nahm dann meine Peitsche zur Hand, und prügelte ihn so durch die Oefnung am Kopf zum Fell hinnaus.


6) Auch begegnet’ ich einst zwey wilden Schweinen auf der Jagd, die dicht hinter einander gingen; ich schoß mit Fleiß mitten zwischen ihnen durch: und siehe! das vorderste lief fort, und das hinterste blieb stehen. Bey genauerer Untersuchung war dieß eine alte blinde Sau, die den Schwanz des vorangehenden Schweines, ohne Zweifel ihres Jungen, in den Mund genommen, und sich so hatte leiten lassen; ich hatte den Schwanz abgeschossen, und die [96] Sau hatte noch ein Endchen davon im Munde. Itzt da ihr Führer sie nicht mehr fortzog, stand sie still. Ich hatte gar nichts bey mir, um sie niederzumachen, nahm also das Restchen Schwanz, und zog sie so gemächlich in meinen Hof, wohin sie mir auch geduldig folgte.


7) Einmal auf der Jagd hatt’ ich mich an Schroot schon ganz verschossen; und da find ich noch einen stattlichen Hirschen, der so still mir gerade gegenüber steht, als wenn er meinen Mangel wüßte. Ich lade geschwinde mit Pulver, und setze eine Menge Kirschkerne, wovon ich schnell das Fleisch absauge, droben auf, und schieße den Hirschen gerade vor die Stirne. Er prellt zurük, aber entkömmt mir bald. Ein Jahr nachher geh’ ich im selben Walde, und da kömmt mir ein Hirsch entgegen, aus dessen Stirne ein Kirschbaum mit Blättern und schöner Blüthe hervorsteht. Ich erkenne sogleich mein Eigenthum; und dießmal entkam er mir nicht mehr.


8) Wie ich noch als Husarenoffizier diente, war ich eins Tages in einem hitzigen Treffen. Nach dessen Ende ritt ich nach einem Dorfe zu, und kam an einen kleinen Fluß. Ich wollte durchreiten, allein mein Pferd zeigte Lust zum Trinken, und ich ließ ihm seinen Willen. Nach langer Zeit, binnen welcher ich in Gedanken gewesen war, wollt ich weiter reiten, und sah mit Erstaunen den Fluß vor mir verschwunden. Ich sah auf ein Geräusch mich um, und fand das Wasser itzt hinter mir; und sah zugleich, daß [97] mein Pferd in der Schlacht war mitten von einander geschossen worden, und daß itzt beym Saufen alles Wasser hinten wieder von ihm ausgeloffen war. Mein Pferd hatte seine Wunde in der Hitze selbst nicht gemerkt; ich kehrte nun schnell zurük, um es nicht ganz kalt werden zu lassen, und fand auch bald die andere dazu gehörige Hälfte. Junge Weidenbäume, die ich ausriß, halfen mir beide Theile gut zusammenfügen; einige Zweige davon verwuchsen mit dem Pferde, die andern schossen in die Höhe, und krümten sich von selbst oben zusammen, und machten eine Laube, die mir beym Reiten hernach immer Bedeckung und Schatten gab. Das Pferd ist itzt gestorben.


9) Nie hatt ich einen besern Windhund, als einen, der sehr alt bey mir ward, und eben nicht groß war. Er lief ganz bewundernswürdig, und zuletzt, weil ich ihn so sehr viel brauchte, lief er sich ordentlich die Beine weg, daß sie um ein gut Theil kürzer wurden. Seit der Zeit gebraucht’ ich ihn, wie Teckel (Dachshund), und hatt’ ihn so noch eine ganze Zeit.


10) Derselbe als er noch Windhund war, – es war eine Hündinn – lief einst ganz allein hinter einen Hasen, der mir sehr groß vorkam. Mein armes Thier jammerte mich, weil es schwanger war; doch ließ sie nichts im Laufen nach. Ich folgte zu Pferde nur langsam. Plötzlich hör’ ich ein Geklaff, wie von mehrern Hunden, aber so fein und schwach, daß ich nicht weiß, was ich draus machen soll. [98] Beym Näherreiten entdeck ich, daß der Hase auch ein schwangeres Weibchen gewesen ist, und im Laufen gesetzet hat; dasselbe ist meiner Hündin begegnet; es waren gerade gleich viel junge Hasen und junge Hunde geworfen. Der Instinkt lehrte jene laufen, und diese verfolgen; und wie ich herankam, hatt ich sechs Hasen von sechs Hunden gehalten.


11) Ich saß eines Nachmittags auf dem Gute des Herrn von ***, mit lauter Damen am Theetisch im Sale. Die Herren waren auf dem Hofe, um ein neues Pferd reiten zu sehen. Bald entstand draußen ein Lerm; ich lief hin, und fand das Pferd so unbändig, daß jeder den Hals zu brechen fürchtete, der sich ihm nur näherte, geschweige der drauf säße. Wie alle verzagten, war ich mit einem Satze dem Pferde auf den Rücken, und nun tummelte ichs so lange, bis ichs ganz müde und geschmeidig kriegte. Um dieß völlig zu zeigen und um die Damen nicht herunter zu bemühen, setzte ich damit durchs offne Fenster in den Saal hinein, und wie es zahm genug war, und ich ihm Geschicklichkeit genug zutraute, ließ ichs an meinem leergelassenen Stuhl auf den Theetisch steigen, und ritt so vor allen Damen herum, wobey das Pferd so zierlich die Füße setzte, daß es auch nicht eine Tasse zerbrach.


12) Auf der Jagd hab’ ich immer die mehrsten sonderbaren Geschichten gehabt. Einst in Polen kam, wie ich mich schon ganz verschossen hatt, ein Bär mit aufgesperrtem Rachen auf mich zu; ich greife [99] schnell in die Tasche, und finde nichts als ein paar große Feuersteine. Einen davon schleudere ich mit aller Kraft dem Thier in den offenen Schlund hinab; es empfindet Schmerz davon, wendet sich schnell um. Durch die sonderbare Gestalt des andern Feuersteines komm’ ich auf die Idee, diesen in die andre mir itzt zugewandte Oefnung des Bären zu schleudern; es gelingt mir; der keilförmige Stein geht herein und dringt weiter, und o Wunder! trift jenen ersten Stein im Magen, schlägt mit ihm Feuer, und macht den Bären jämmerlich bey lebendigem Leibe verbrennen.


13) Ein andermal – immer als wenn die wildesten Thiere wüßten, wenn ich kein Schießgewehr hätte – springt ein schrecklicher Wolf auf mich zu. Er ist mir schon ganz nahe, und maschinenmäßig stoß ich meine Hand in seinen aufgesperrten Rachen, drucke nun meiner Sicherheit wegen immer tiefer hinein, und behalte so meinen Arm in seinem Leibe. In dieser Stellung war ich freylich sicher; aber wie nun loszukommen? Immer so zu stehn hatt ich nicht Lust; und zog ich den Arm heraus, so fiel das wütend gemachte Thier mich an. Kurz und gut entschloß ich mich; ich grif inwendig fest an ein Stück des Leibes, zog den Wolf um, wie einen Handschuh, und ließ ihn so liegen.


14) Von Rußland ging ich weiter nach der Türkey. Durch mancherley abentheuerliche Schicksale ward ich da gefangen, und zum Sklaven gemacht. Mein Amt war, in diesem an Natur und Sitten so [100] sehr von uns verschiedenen Lande, die Bienen des Großsultans des Tags auf die Weide zu treiben, und Abends sie in ihre Körbe zu fangen. Eines Abends vermißte ich eine Biene, und bald sah ich, daß zwey Bären sie unter sich hatten und an ihr, die so voll Honig war, fraßen. Ich warf ein silbernes Beil, das ich grade in der Hand hielt, nach den Bären, um ihnen den Raub abzujagen; aber ich mußte die Hand wunderlich gedreht haben; genug es flog himmelwärts, und immer weiter, und zuletzt in den Mond. Wie sollte ich das Beil[1] wiederschaffen? Ich besann mich schnell, pflanzte eine türkische Bohne, die bekanntlich so hoch und so schnell wachsen; sie schoß empor, und ringelte sich wirklich um den Mond. Nun stieg ich mit Behendigkeit daran herauf, und kam glücklich oben an. Aber ich mußte lange suchen, ehe ich mein Beil in einer Heckselkammer fand. Ich wollte zurück kehren; allein, es war schon voller Mittag, die Sonne hatte die Bohne verwelken machen, und verdort war sie zur Erde niedergefallen. Wie nun herunter? Ich ging zurück, flocht mir aus dem Hecksel einen Strick so lang als möglich, knüpfete ihn oben recht fest an, und ließ mich, ob ich gleich sah, daß er kaum halb hinlänglich lang sey, getrost daran herunter. Wie ich ans Ende kam, hielt ich mich mit einer Hand fest, hieb mit der andern oben ein Stück ab, knüpfte das unten an, und rutschte nun weiter. Und so trieb ich es immer fort. Endlich aber riß der so oft geflickte Heckselstrick völlig, ich fiel zur Erde nieder, und zwar mit solcher Heftigkeit, daß ich ein Loch neun Klafter tief hinein schlug und darin stecken blieb. Nun war kein andrer [101] Rath, als zu Hause zu gehn, einen Spaten zu holen, und mich herauszugraben. Auch gings recht gut damit.


15) Bey einen Winterspatziergang kam, nah an meinem Hause ein toller Hund auf mich zu. Um schneller zu entkommen, warf ich meinen Pelz ab; und war mit zwey Sprüngen in meiner Thüre. Hernach ließ ich den Pelz holen, und der Bediente hängte ihn zu den andern Kleidern. Am andern Morgen rief mich des Kerls Geschrey herbey: „Ach, sehn Sie mal, was der Pelz macht!“ Ich kam, und fand fast alle meine Kleider herumgeworfen und zerrissen, und sah den Pelz über ein neues Kleid hergefallen, das er jämmerlich zerzauste. – Es war also offenbar, daß der Hund, dem ich gestern entging, in den Pelz mußte gebissen haben, und daß der Pelz davon toll geworden war.


16) Sie kennen die große Sängerin Gabrielle. Ich hörte sie in Petersburg; und ward äußerst entzückt von ihr. Kurz vor meiner Abreise lief ich zu ihr, bat und flehte und warf mich vor ihr auf die Knie, und bot ihr 100 Luisdor (mein damaliges ganzes Vermögen), bis sie endlich in das willigte, was ich mir von ihr wünschte. Sie gab mir einen ihrer schönsten Triller, der mich vorzüglich immer entzückt hatte; ich machte ihn in Spiritus ein, und bewahre ihn auf die Art noch. Ach, es ist ein Triller! –


[76]
106.
Noch zwey M–Lügen.

Herr von M..n, von dem schon im vorigen Theile einige Geschichten erzählt sind, hatte auch einmal folgende Begebenheit (er soll selbst reden.)


Ich ging einmal durch den Wald, und hatte gar nichts von Gewehr bey mir. Ehe ich es mich versehe, läuft ein grimmiger Eber auf mich zu, und macht Mine, mich durch und durch zu bohren. Da war guter Rath theuer. In der Noth [77] entschloß ich mich gleich, hinter einen Baum zu springen, und da in Geduld mein Schicksal abzuwarten. Der Eber läuft nun wirklich auf den Baum los, hinter dem ich stehe, und zwar mit solcher Wuth, daß die Zähne in den Baum fahren, und auf der andern Seite wieder heraus kommen. Hoho! dachte ich; nun will ich dich schon kriegen. Gleich nahm ich einen Stein auf, der neben mir lag, hämmerte damit die Hauer krumm, daß der Eber nicht wieder weg konnte, und ging nun nach dem nächsten Dorf, um einen Wagen und Stricke zu holen. Ich band ihn, lud ihn auf und brachte ihn glücklicherweise lebendig nach Hause.


Ferner:

Als im Jahre 1740 der harte Winter war, nöthigten mich einmal meine Geschäfte zu einer Reise. Ich nahm Extrapost, und hielt, um nicht zu spät zu kommen, in den Wirthshäusern auf meinem Wege kaum an. Gegen Abend kam ich in einen hohlen Weg; er war so enge, daß gerade nur ein einziger Wagen darinn fahren konnte. Schwager, sagte ich zu meinem Postillon, wenn uns hier ein anderer Wagen begegnet, so geht das unmöglich gut; wir können einander gar nicht ausweichen. Blase Du einmal, damit man uns hört, und noch zu rechter Zeit auf die Seite fahren kann, bis wir vorbey sind. Gut, sagte er, setzte sein Horn an den Mund, und bließ beyde Backen so sehr auf, daß sie hätten zerspringen mögen. Aber umsonst; er konnte nicht einen einzigen [78] Ton herausbringen. Erst schimpfte ich auf ihn; da er aber versicherte, er könne sonst sehr gut blasen, und er wisse gar nicht, woran es liege, daß es heute nicht gehn wolle; so ward ich wieder ruhig, und sagte: Laß Er es nur gut seyn, Schwager; vielleicht kömmt uns auch gar kein Wagen entgegen, bis wir aus diesem verwünschten Wege heraus sind. Aber nicht lange, so war diese Hofnung im Brunnen. Ehe wir es uns versahen, stand, als wir um eine Ecke herumfahren wollten, ein Wagen vor uns. Was nun zu thun? Es blieb uns kein anderes Mittel übrig, als, die Wagen abzuladen, sie auseinander zu nehmen, einen, nebst dem, was darauf gewesen war, um den andern herum zu tragen, sie dann auf der andern Seite von neuem aufzuladen, und dann in des Himmels Namen weiter zu fahren. Dies geschah auch alles richtig. Nun währete es eine ziemliche Zeit lang, ehe wir in ein Wirthshaus kamen, wornach wir uns so sehr sehnten. Endlich erreichten wir es spät am Abend wirklich. – Schwager, sagte ich zu meinem Postillon, nun thu’ Dir auf Dein Frieren etwas zu gute; da hast Du ein Trinkgeld, laß Dir geben, wozu Du Appetit hast. Das ließ er sich nicht umsonst gesagt seyn, hing gleich seinen Mantel und sein Posthorn nicht weit vom Ofen auf, forderte sich zu essen und zu trinken, und aß frisch darauf los, so wie auch ich an einem andern Tische. Mit einemmale ging es: terengtengteng! Wir sahen uns um, und sieh' da! es war das Posthorn am Ofen. Nun [79] begriff ich, warum der Postillon den Nachmittag nicht hatte blasen können; die Töne waren eingefroren, und thauten nun endlich wieder auf.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Biel