Gründliche und allgemein faßliche Darlegung der Glaubenslehre der evangelisch-lutherischen Kirche/16. Kapitel

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Das sechszehnte Kapitel.
Damit nun durch den Sohn Gottes alles das verrichtet würde, was das menschliche Geschlecht zur Seligkeit zu bringen, nothwendig sein wollte, so hat er zuvörderst für die Menschen dem göttlichen Gerichte genug gethan, und hat sie allerdings mit Gott versöhnt.

 406. Dreierlei Verrichtungen haben dem Herrn Christo obgelegen, durch welche er die Menschen zur Seligkeit brächte: daß er sie mit Gott versöhne, daß er sie von der Versöhnung belehre und also Gott zuführe, und daß er sie regiere, d. i. mit Ordnung und Befehl führe, wider ihre Feinde beschütze, und dann wegen ihres Gehorsams oder Ungehorsams richte und einem Jeden gäbe, wie er verdient hat, es sei gut oder böse. Daher stehen ihm drei Aemter zu: das Versöhn- oder hohepriesterliche Amt, das Lehr- oder prophetische Amt, das Regier- oder königliche Amt. In diesem Kapitel ist allein von dem ersten Amte zu handeln.

 407. Mit dem hohenpriesterlichen und Versöhn-Amte verhält es sich also: Zwar ist §. 276. berichtet worden, daß alle Menschen Gott, weil sie von ihm geschaffen sind, einen völligen Gehorsam zu leisten schuldig sind, welche Schuld aber kein Mensch in diesem Leben nach dem Fall bezahlen kann, weil keiner ist, der Gutes thue und nicht sündige. Weil aber nichts desto weniger Gottes Gerechtigkeit Abbezahlung dieser Schuld fordert, und sie mit ihren Schuldhaufen anders nicht zufrieden sein kann: so hat Christus an unsrer Statt solche Schuld völlig| bezahlt, damit dießfalls keiner an seiner Wohlfahrt gehindert werde.

 408. Christus hat uns also vor dem göttlichen Gerichte von dieser Schuldforderung mit seinem heiligen, unsträflichen und vollkommenen Wandel befreit. Solches bezeugt der Sohn Gottes selbst Matth. 5, 17. „Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen bin, das Gesetz oder die Propheten aufzulösen; ich bin nicht gekommen aufzulösen, sondern zu erfüllen.“ Gal. 4, 4. 5. „Da die Zeit erfüllet war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einem Weibe und unter das Gesetz gethan, auf daß er die, so unter dem Gesetz waren, erlösete, damit wir die Kindschaft empfingen.“ Röm. 5, 18. 19. „Wie durch Eines Sünde die Verdammniß über alle Menschen kommen ist, also ist auch durch Eines Gerechtigkeit die Rechtfertigung des Lebens über alle Menschen kommen. Denn gleichwie durch eines Ungehorsam viel Sünder worden sind, also auch durch eines Gehorsam werden viel Gerechte.“

 409. Ob nun gleich alle Menschen gesündigt haben und die göttliche Gerechtigkeit von ihnen entweder die ewige Strafe oder eine genugsame Bezahlung dafür fordert, kein Mensch aber weder sich selbst noch andern zu rathen wußte, wie es Ps. 49, 8. 9. heißt: „Kann doch ein Bruder Niemanden erlösen, noch Gott Jemanden versöhnen: denn es kostet zu viel, ihre Seele zu erlösen, daß er es muß lassen anstehen ewiglich,“ so hat abermals der Sohn Gottes das Beste gethan,| zwischen Gott und Menschen sich in das Mittel gestellt, mit Leiden und Sterben für ihre Schuld Gott genug gethan, indem er die Strafen der Sünden auf sich genommen und an ihrer Statt getragen hat, damit die sündigen Menschen Gott seinem Vater wieder versöhnt, und sich ihrer Sünde halben keines Anspruchs an sie vor dem göttlichen Gerichte zu befürchten haben.

 410. Dieses nun recht einzusehen, müssen wir auf folgende drei Fragen genau achten: Ob der Sohn Gottes mit seinem Leiden und Tod für der Menschen Sünde dem Gerichte Gottes ein Genüge gethan und bezahlt habe? ob solche Bezahlung für alle Menschen geschehen sei? und ob diese Bezahlung alle Schuld oder Sünde gänzlich hinwegnehme?

 411. Ob der Sohn Gottes mit seinem Leiden und Tod für die Sünde der Menschen dem Gerichte Gottes ein Genüge gethan und bezahlt habe? Daß dem also sei, bezeugt alles dasjenige, was vielfach von diesem Werke im göttlichen Worte gelesen wird; um dieses aber ordentlich zu fassen, meldet die Schrift viererlei, wovon uns Christus mit seinem Leiden erlöset hatte: von der Sünde, von dem Zorne Gottes, von dem Fluche des Gesetzes, vom Teufel und von der Hölle.

 412. Von der Sünde hat er uns erlöset, a) weil er sich dazu gegeben hat, daß er uns von der Sünde erlösete. Röm. 4, 25. „Christus ist um unsrer Sünde willen dahingegeben und um unsrer Gerechtigkeit willen auferwecket.“ Gal. 1, 4. „Jesus Christus hat sich selbst für unsere Sünde| gegeben.“ Tit. 2, 14. „Christus hat sich selbst für mich gegeben, auf daß er uns erlösete von aller Ungerechtigkeit;“

 413. b) weil er unsere Sünden getragen hat. Jes. 53, 3. „Fürwahr, er trug unsere Krankheit und lud auf sich unsere Schmerzen.“ V. 6. „Der Herr warf alle unsere Sünde auf ihn.“ Joh. 1, 29. „Siehe, das ist Gottes Lamm, welches der Welt Sünde trägt.“ 2 Corinth. 5, 21. „Gott hat den, der von keiner Sünde wußte, für uns zur Sünde gemacht, auf daß wir würden in ihm die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt.“ Hierinnen ist ein schönes Vorbild des Herrn Christi gewesen der Versöhn-Bock, dem der Hohepriester seine Hand auf das Haupt legte und auf ihm bekannte alle Missethat der Kinder Israel, und alle ihre Uebertretung und Sünde dem Bock auf das Haupt legte und sandte ihn durch einen Mann in die Wüste, so daß also der Bock alle Missethat des Volks in die Wüste tragen und von den wilden Thieren zerrissen werden mußte. 3 Mos. 16, 20. ff.;

 414. c) weil er die Strafen der Sünden auf sich genommen und sie ausgestanden hat. Jes. 53, 6. „Er ist um unsrer Missethat willen verwundet und um unsrer Sünde willen zerschlagen, die Strafe liegt auf Ihm, auf daß wir Friede hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilet.“ Diese Weissagung führt St. Petrus 1 Epist. 2, 24. an und legt sie aus: „Welcher unsre Sünde selbst geopfert hat an seinem Leibe auf dem Holz, auf daß wir der Sünden abgestorben, der Gerechtigkeit leben, durch welches Wunden ihr seid heil worden;“

|  415. d) weil er uns durch sein Blut von Sünden geheiligt und gereinigt hat. 1 Joh. 1, 7. „Das Blut Jesu Christi, des Sohnes Gottes, macht uns rein von aller Sünde.“ Hebr. 13, 12. „Darum auch Jesus, daß er heilige das Volk durch sein eigen Blut, hat er gelitten außen vor dem Thor“;

 416. e) weil er für unsere Sünde gestorben ist. 1 Corinth. 15, 3. „Christus ist gestorben für unsere Sünde nach der Schrift.“ Hebr. 9, 15. „Darum ist er auch ein Mittler worden des Neuen Testamentes, auf daß durch den Tod, so geschehen ist zur Erlösung von den Uebertretungen, die, so berufen sind, das verheissene ewige Erbe empfahen.“

 417. Aus diesem Allen wird geschlossen: Wer sich selbst dahin giebt für anderer Leute Sünde, derselben Sünde an seinem Leibe trägt, der Sünder Strafe selbst aussteht, für fremde Sünde stirbt, und sie davon durch sein Blut heiliget, der thut damit Gottes Gerichte für solche fremde Sünde genug; der Herr Christus hat sich für unsere Sünde dahin gegeben, sie an seinem Leibe getragen u. s. w., also hat Christus für unsere Sünde dem göttlichen Gerichte genug gethan.

 418. Christus hat uns auch erlöset von Gottes Zorn und Gericht, welches geschehen,

 a) weil er die Menschen mit Gott versöhnt hat, 1) indem er Gott das Versöhnopfer seines Leibes zum süßen Geruch geopfert hat, Ephes. 5, 2. „Christus hat uns geliebet, und sich selbst dargegeben für uns, zur Gabe und Opfer, Gott zu einem süßen Geruch“; 2) indem er die Versöhnung für unsre Sünde geworden ist, 1 Joh. 2, 2. „Christus ist die Versöhnung| für unsre und für der ganzen Welt Sünde.“ Kap. 4, 10. „Darin stehet die Liebe, daß uns Gott geliebet hat, und gesandt seinen Sohn zur Versöhnung für unsere Sünde“; 3) indem er durch sein Blut zwischen Gott und den Menschen Friede gemacht hat, Coloss. 1, 20. „Es ist das Wohlgefallen gewesen, daß alles durch ihn versöhnet würde zu ihm selbst; 4) indem er uns durch seinen Tod versöhnet hat, Röm. 5, 10. „Wir sind Gott versöhnet durch den Tod seines Sohnes, da wir noch Feinde waren.“ Coloss. 1, 22. „Christus hat euch versöhnet mit dem Leibe seines Fleisches durch den Tod, auf daß er euch darstellete heilig und unsträflich und ohne Tadel vor ihm selbst“; 5) indem er uns durch sein Blut zu Gnaden gebracht hat, Röm. 3, 25. „Gott hat Christum vorgestellt zu einem Gnadenstuhl durch den Glauben in seinem Blut“; 6) indem er sich Gott dem Vater für uns dargegeben zu einem Versöhnopfer, 1 Corinth. 5, 7. „Wir haben auch ein Osterlamm, das ist Christus, für uns geopfert.“ Denn gleichwie Gott die Opfer für die Sünde aufgenommen und (im Vorbilde) um derselben willen die Sünde vergeben hat (3 Mos. 4, 21. 26. 31. 35.), so hat der himmlische Vater seines lieben Sohnes Opfer aufgenommen und um desselben willen unsre Sünden vergeben; 7) indem er uns durch sein Blut Vergebung der Sünden erworben hat, Matth. 26, 28. „Das ist mein Blut des Neuen Testamentes, welches vergossen wird für Viele zur Vergebung der Sünden“;
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 419. b) weil er uns von dem göttlichen Zorn errettet hat, indem er nicht allein sich für alle gegeben hat zur Erlösung (1 Timoth. 2, 6.), sondern auch, indem er uns von dem zukünftigen Zorn erlöset| hat, 1 Thess. 1, 10. und solches durch Dienstordnung seines Lebens, Matth. 20, 28. „Des Menschen Sohn ist nicht kommen, daß er ihm dienen lasse, sondern daß er diene und gebe sein Leben zur Erlösung für Viele,“ und durch Vergießung seines Bluts: „An Christo haben wir die Erlösung durch sein Blut, nämlich die Vergebung der Sünden.“ Ephes. 1, 7. Coloss. 1, 14.;

 420. c) weil er uns von dem göttlichen Gerichte losgekauft und ihm zu eigen gemacht hat. Apostelgesch. 20, 28. „Die Gemeinde Gottes hat er durch sein eigen Blut erworben,“ 1 Petr. 1, 19. „Ihr seid erlöset von eurem eiteln Wandel mit dem theuren Blute Christi, als eines unschuldigen und unbefleckten Lammes,“ Offenb. 5, 9. „Das Lamm hat uns erkauft mit seinem Blut.“ 1 Corinth. 6, 20. Ihr seid theuer erkauft“;

 421. d) weil er uns durch sein Blut gerechtfertigt hat. Wer gerechtfertigt wird, der ist damit von dem Gerichte und Zorne des Richters befreit. Wenn daher der Herr Christus uns mit seinem Blute gerechtfertigt hat, (Röm. 5, 9.), so hat er uns ja mit seinem Blut von dem Gerichte und Zorne Gottes befreit.

 422. Hieraus folgt dieser Schluß: Wer sich selbst Gott zum Versöhnopfer für der Menschen Sünde dargiebt durch sein Blut zwischen Gott und ihnen Friede macht, durch seinen Tod Gott versöhnet, sie durch sein Blut zu Gnaden bringt, mit seinem Blut Vergebung der Sünden erwirbt, sein Leben für sie zur Erlösung giebt, durch sein Blut vom göttlichen Gerichte loskauft, und durch sein Blut rechtfertigt, der errettet die Menschen| von Gottes Gericht durch Bezahlung und Genugthuung für ihre Sünde. Christus hat sich Gott zum Versöhnopfer für der Menschen Sünde dargegeben u. s. w., also hat er die Menschen von Gottes Gerichte durch Bezahlung und Genugthuung für ihre Sünde errettet.

 423. Christus hat uns erlöset vom Fluche des Gesetzes und hat dieß damit gethan, daß er sich selber dem Fluche des Gesetzes unterworfen hat, Gal. 3, 13 ff. „Christus hat uns erlöset von dem Fluche des Gesetzes, da er ward ein Fluch für uns (denn es stehet geschrieben, verflucht ist Jedermann, der an dem Holz hänget), auf daß der Segen Abrahams unter die Heiden komme in Christo Jesu.“

 424. Dieses giebt nun folgenden Schluß: Wer einen Andern von des Gesetzes Fluch damit erlöset, daß er für ihn ein Fluch wird, der thut für demselben bei dem Richter genug und bezahlt für ihn seine Schuld. Der Herr Christus hat uns von des Gesetzes Fluch damit erlöset, daß er für uns ein Fluch geworden ist, darum hat er für uns bei Gott dem Vater genug gethan, und unsere Schuld für uns bezahlt.

 425. Christus hat uns erlöset vom Teufel und Hölle, und solches durch seinen Tod, Hebr. 2, 14. „Er hat durch den Tod die Macht genommen dem, der des Todes Gewalt hatte, das ist, dem Teufel.“ Der Teufel ist bei dem göttlichen Gerichte (wie in weltlichen Gerichten ein Scharfrichter) der Executor, der die Strafe, welche dem Sünder zuerkannt worden ist, an ihm vollstreckt. Wer demnach dem Teufel seine Macht über einen Andern nimmt, der macht diesen los vom göttlichen Gerichte, denn so lange es darauf stehet, daß die Strafe am Sünder vollstreckt werden soll,| hat und behält der Teufel seine Macht über ihn. Und wer durch seinen Tod dem Teufel, als Executoren des göttlichen Gerichts, seine Macht nimmt, der hat durch seinen eigenen Tod dem Sünder so viel erhalten, daß die gerichtlich erkannte Strafe an ihm nicht vollstreckt werden solle. Welches anders nicht geschehen kann, als daß Er an des Sünders Statt sterbe, und mit seinem Tode für ihn dem Gericht genug thue. Weil dann der Herr Christus mit seinem Tode uns aus des Teufels Gewalt errettet hat, so folgt, daß Er mit seinem Tode für uns dem göttlichen Gerichte genug gethan habe.

 426. Die andere Frage ist: Ob solche Bezahlung für alle und jeden Menschen geschehen sei? Diese Frage ist gleichfalls mit Ja zu beantworten, weil solches vielfältig gelehrt wird, wo die Schrift des Leidens und Todes Christi gedenkt. Folgendes sind die Beweise dafür:

 427. a) weil Gott seinen Sohn allen Menschen zum Heiland verheißen hat. 1 Mos. 3, 15. „Des Weibes Same wird der Schlange den Kopf zertreten.“ Kap. 22, 18. „Durch deinen Samen sollen alle Völker auf Erden gesegnet werden.“ Diese Verheißungen gehen alle Völker auf Erden an, davon kein Mensch auf Erden ausgeschlossen wird. So ist die erste Verheißung, dem Adam geschehen, nicht seiner Person allein zu gute geschehen, sondern dem ganzen menschlichen Geschlechte, das in Adam gesündigt hat, daß davon kein Mensch (außer Christus) ausgeschlossen ist, und an dessen Statt Adam diese sowohl vorgehende als nachfolgende Rede angehört hat;

 428. b) weil Gott seinen Sohn allen Menschen zum Heil und zur Wohlfahrt| gesandt hat, Joh. 3, 17.: „Gott hat seinen Sohn gesandt in die Welt, daß die Welt durch ihn selig werde.“ 1 Joh. 4, 14.: „Wir haben gesehen und zeugen, daß der Vater den Sohn gesandt hat zum Heiland der Welt.“ Römer 8, 32.: „Gott hat seines eigenen Sohnes nicht verschonet, sondern hat ihn für uns alle dahingegeben.“ Gal. 4, 4.: „Gott sandte seinen Sohn, auf daß er die, so unter dem Gesetze waren, erlösete.“ Es sind aber alle Menschen unter dem Gesetze, wie Römer 3, 19. geschrieben steht: „Was das Gesetz sagt, das saget es denen, die unter dem Gesetze sind, auf daß aller Mund verstopfet werde, und alle Welt Gott schuldig sei.“ Darum ist der Sohn Gottes allen Menschen gesandt. Titum 2, 11.: „ Es ist erschienen die heilsame Gnade Gottes allen Menschen.“ Luc. 2, 10.: „Ich verkündige euch große Freude, die allem Volke widerfahren wird“;

 429. c) weil dem Herrn Christo aller Menschen Sünden sind auferlegt worden. Jes. 53, 7.: „Der Herr warf unser aller Sünde auf ihn.“ Joh. 1, 29.: „Siehe, das ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt“;

 430. d) weil der Herr Christus für alle Menschen gestorben ist. 2 Corinther 5, 14. 15.: „Wir halten, daß so einer für alle gestorben ist, so sind sie alle gestorben, und er ist darum für alle gestorben u. s. w. “ Hebr. 2, 9.: „Er hat für alle den Tod geschmecket.“ Coloss. 1, 19. 20.: „Es ist das Wohlgefallen gewesen, daß in ihm alle Fülle wohnen sollte, und alles durch ihn versöhnt würde, zu ihm selbst, es sei auf Erden, oder im Himmel“;

|  431. e. weil der Sohn Gottes alle Menschen, so viel deren Adam verderbet hatte, wieder zurecht gebracht hat. Matth. 18, 11.: „Des Menschen Sohn ist kommen, selig zu machen, das verloren ist.“ Röm. 5, 18.: „Wie durch Eines Sünde die Verdammniß über alle Menschen kommen ist, also ist auch durch Eines Gerechtigkeit die Rechtfertigung des Lebens über alle Menschen kommen.“ 1 Cor. 15, 22.: „Gleichwie in Adam alle sterben, also werden sie in Christo alle lebendig gemacht werden“;

 432. f. weil alle Menschen berufen werden, des Herrn Christi Wohlthaten zu genießen. So viele von Gott berufen werden, daß sie des Herrn Christi Wohlthaten genießen sollen, für so viele hat Christus genug gethan. Nun berufet Gott zu Christo alle Menschen, Matth. 11, 28.: „Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken.“ Apostelgesch. 17, 30.: „Gott gebeut allen Menschen an allen Enden, Buße zu thun.“ (Davon aber wird das Lehr- oder prophetische Amt näher berichten.) Es wird demnach geschlossen: Darum hat Christus für alle Menschen genug gethan;

 433. g. weil die Ungläubigen darum mit ewiger Verdammniß gestraft werden sollen, weil sie nicht haben glauben wollen, daß Christus für sie gestorben sei. Marc. 16, 16. „Wer da glaubet und getauft wird, der wird selig werden, wer aber nicht glaubet, der wird verdammt.“ Joh. 16, 8. 9. „Wenn der heil. Geist kommt, der wird die Welt strafen um die Sünde,| daß sie nicht glauben an mich.“ Cap. 3, 18. „Wer an den Sohn nicht glaubet, der ist schon gerichtet, denn er glaubet nicht an den Namen des eingebornen Sohnes Gottes.“ Was haben nun die, welche verdammt werden, glauben sollen? Eben das, was St. Paulus glaubte, „Christus hat Mich geliebet, und sich selbst für Mich dargegeben,“ Gal. 2, 20. Wer das nicht glaubt, der wird um solches Unglaubens willen verdammt. Z. E. Judas ist darum verdammt, weil er nicht geglaubt hat, Christus habe sich für ihn dahingegeben. Caiphas ist verdammt, denn er hat nicht geglaubt, daß Christus sich für ihn dargegeben. Nun verdammt Gott keinen darum, daß er nicht glaubet, es sei wahr, was doch nicht wahr ist, darum folgt, dieß sei wahrhaftig wahr, Christus habe sich für Judam, Caipham, auch alle andere Ungläubige, folglich für alle Menschen dahingegeben;

 434. h. weil auch die von Christo erlöset sind, welche umkommen und ewiglich verderben. Es sind zwei Haufen der Menschen, einer der Gläubigen, von denen kein Streit ist, Christus sei gewiß für sie gestorben; der andere der Ungläubigen. Wenn nun der Sohn Gottes auch für diese gestorben ist, so folgt, er sei für alle Menschen gestorben, weil keiner ist, der nicht unter einen dieser Haufen gezählt werden müßte.

 Daß aber Christus auch für die Ungläubigen gestorben ist, ist aus folgenden Zeugnissen klar: Röm. 14, 15. „Lieber, verderbe den nicht mit deiner Speise, um welches willen Christus gestorben ist.“ 1 Corinth. 8, 11. „Es wird über deinem Erkenntniß der schwache| Bruder umkommen, um welches willen doch Christus gestorben ist.“ 2 Petr. 2, 1. „Falsche Lehrer verläugnen den Herrn, der sie erkauft hat, und werden über sich selbst führen ein schnell Verdammniß.“ Hebr. 10, 29. „Wie viel ärger Strafe wird der verdienen, der den Sohn Gottes mit Füßen tritt, und das Blut des Testaments unrein achtet, durch welches er geheiliget ist.“ Darum ist Christus gewißlich für alle gestorben;

 435. i) weil uns aller Trost entfallen würde, wenn der Herr Christus allein für etliche wenige gestorben wäre, weil niemand daraus gewiß sein könnte, daß er auch für ihn gestorben sei, hingegen alle zweifeln müßten, ob sie unter der Zahl solcher wenigen wären. Da dagegen der christliche Trost fest und stark genug ist, wenn wir wissen, der Herr habe alle mit seinem Tode erlöset, weil gewiß folgt, Christus ist für alle Menschen gestorben, ich bin ein Mensch, folglich ist er auch für mich gestorben.

 436. Die dritte Frage ist: Ob diese Bezahlung alle Schuld oder Sünde der Menschen hinwegnehme? Diese ist gleichfalls mit Ja zu beantworten und wird mit Folgendem bekräftigt:

 a) weil uns Christus von der Sünde erlöset, mit Gott versöhnet, Vergebung und Gerechtigkeit erlangt hat. Hier ist zu wiederholen, was von der Erlösung, Versöhnung mit Gott, Vergebung der Sünden und Rechtfertigung gesagt worden ist. Denn daraus folgt: Wer nicht aller Banden frei ist, der ist aus seinem Gefängnisse noch nicht erlöset; welcher allein etlicher, aber nicht aller Schuld und Verbrechen halben mit dem Richter verglichen| ist, der ist noch nicht mit ihm versöhnt; welchem nur etliche Sünden erlassen sind, der hat noch nicht Vergebung der Sünden; der ist nicht gerechtfertigt, welcher nicht aller Sünden frei ist, darum, wenn uns Christus erlöset, versöhnet, der Sünden Vergebung und Gerechtigkeit erlangt hat, so hat er uns von allen Sünden gereinigt und befreit;

 437. b) weil Gott denen, welchen er gnädig ist, alle Sünde vergibt. Daß Gottes Gnade alle Sünde hinwegnehme, wird bezeugt: Jes. 38, 17. „Du wirfst alle meine Sünde hinter dich zurück.“ Micha 7, 19. „Er wird sich unsrer erbarmen, unsere Missethat dämpfen, und alle unsere Sünde in die Tiefe des Meeres werfen.“ Daß solches durch Christum geschehen ist, lesen wir Joh. 1, 17. „Gnade und Wahrheit ist durch Jesum Christum worden.“ Apostelgesch. 4, 12. „Es ist in keinem Andern Heil u. s. w.“ Hieraus folgt: Welche Sünde Gott den Menschen erlässet, für dieselbe hat Christus bezahlet, Gott erläßt den Menschen alle Sünde, darum hat Christus für alle Sünde bezahlt;

 438. c) weil die Schrift klar sagt, Christus habe uns von aller Sünde erledigt, 1 Joh. 1, 7. „Das Blut Jesu Christi, des Sohnes Gottes, macht uns rein von aller Sünde.“ Joh. 1, 29. „Das ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt.“ Zachar. 3, 8. 9. „Ich will meinen Knecht Zemah kommen lassen, denn siehe, ich will ihn aushauen, spricht der Herr Zebaoth, und will die Sünde desselbigen Landes wegnehmen auf einen Tag.“





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