Gründliche und allgemein faßliche Darlegung der Glaubenslehre der evangelisch-lutherischen Kirche/15. Kapitel

« 14. Kapitel Nikolaus Hunnius
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Das fünfzehnte Kapitel.
Diesen seinen Willen in’s Werk zu setzen, hat Gott seinen Sohn gesandt, der menschliche Natur an sich genommen hat, damit er in derselben verrichtete, was nöthig ist, das menschliche Geschlecht zur Seligkeit zu bringen.

 329. Damit der gegen uns Menschen gefaßte gnädige Wille Gottes nicht vergeblich wäre, hat Gott in der Zeit und nachdem die Menschen gesündigt hatten, dasjenige, was er von Ewigkeit gewollt, in’s Werk zu setzen angefangen, und zwar mit der Sendung seines Sohnes und dessen Amts-Verrichtungen, welches unter allen Gnaden-Werken Gottes das allererste und der Grund ist, auf welchem einzig und allein das ganze Werk unsrer Seligkeit beruht. Damit solches genugsam und deutlich vorgetragen werde, ist zu handeln

 von der Person und vom Amt des Herrn Christi.

 Die Person wird betrachtet in folgenden sieben Stücken: des Herrn Messias Ankunft, Name, Person, Naturen, Mittheilung der Eigenschaften, die zwei unterschiedenen Stände der Erniedrigung und Erhöhung.

 330. Von der Ankunft des Messias. Von diesem Punkt sind 2 Fragen zu erörtern: Erstlich: ob der Messias oder der Heiland, welchen Gott durch die Propheten verkündigt hat, nunmehr gekommen sei? Daß ein Heiland vor Zeiten von Gott versprochen worden, der die Menschen von allen geistlichen Feinden erlösen| und die Beschwerung ihrer Seelen abnehmen soll, ist bekannt aus 1 Mos. 3, 15. 12, 3. 5 Mos. 18, 15. Jesaias 35, 5. 53, 4. 5. 6. 59, 20. Micha 5, 1. Hagg. 2, 8. Zachar. 9, 9. Maleach. 3, 1 ff. Daß nun diese Verheißungen erfüllt und der Heiland gekommen sei, ist daher zu erweisen, weil ein gut Theil der Zeichen, daraus man diesen Heiland hat erkennen sollen, nunmehr also untergegangen sind, daß durch sie der Messias forthin nicht mehr bezeichnet, noch erkannt werden kann. Daraus ist also zu schließen: Zu der Zeit, wenn die Zeichen, welche Gott gesetzt hat, den Messias daraus zu erkennen, untergegangen sind, (weil sie sich alsdann selten sehen haben lassen, wenn der Heiland kommen würde), nämlich vor 1800 Jahren, so muß der Heiland zu dieser Zeit, und wohl vor 1800 Jahren, gekommen sein.

 331. Was von den Zeichen des Messias gesagt ist, kann mit vieren derselben wahr gemacht werden, als

 α. daß der Heiland kommen sollte zur Zeit, wenn das Regiment von Israel hinweggenommen sein würde. 1 Mos. 49, 10. „Es wird das Scepter von Juda nicht entwendet werden, noch ein Meister von seinen Füßen, bis daß der Held komme.“ Nun ist bekannt, daß das jüdische Volk vor mehr als 1800 Jahren sein Regiment verloren, unter Herodis Regierung gekommen ist, und dem römischen Kaiser Augusts im Jahre der Geburt Christi die erste Schätzung hat erlegen müssen (Luc. 2, 2.). Wenn demnach in selbigem Jahre der Messias kommen sollte, so ist nicht zu verkennen, daß vor so viel hundert Jahren das jüdische Regiment seine Endschaft erreicht habe. So| fällt also dieses erste Kennzeichen des Messias gänzlich dahin (d. h. kann nur auf Christum und sonst keinen passen;)

 332. β. daß der Heiland kommen sollte, wenn der Tempel noch stünde, den Zerobabel zur Zeit der Propheten, Haggai, Zacharias und Maleachi, nach der babylonischen Gefangenschaft erbaut hat, und wovon Haggai 2, 7 ff. geweissagt worden ist: „Es ist noch ein Kleines dahin, daß der Heiden Trost kommen soll, und ich will dieß Haus voll Herrlichkeit machen, es soll die Herrlichkeit dieses letzten Hauses größer werden, denn des ersten gewesen ist.“ Maleachi 3, 1.: „Siehe, ich will meinen Engel senden, der vor mir her den Weg bereiten soll, und bald wird kommen zu seinem Tempel der Herr, den ihr suchet, und der Engel des Bundes, des ihr begehret.“ Dieß Zeichen ist auch verfallen, denn der andere Tempel ist so vor 1700 Jahren gänzlich zerstört worden, daß nicht das Wenigste mehr davon vorhanden; und darum könnte der Messias, wenn er auch noch kommen sollte, dadurch nicht erkannt werden;

 333. γ. daß die levitischen Opfer nicht haben aufhören sollen, bis der Heiland käme. Jer. 3, 15. 16. 17. „Ich will euch Hirten geben nach meinem Herzen, die euch weiden sollen mit Lehre und Weisheit, und soll geschehen, wenn ihr gewachsen und euer viel worden ist im Lande, so soll man zur selbigen Zeit nicht mehr sagen von der Bundeslade des Herrn, auch denselben nicht mehr gedenken, noch davon predigen, noch sie besuchen, noch daselbst mehr opfern, sondern zu derselbigen Zeit wird man Jerusalem heißen des Herrn| Thron, und werden sich dahin sammeln alle Heiden, um des Herrn Namen willen,“ u. s. w. Daniel 9, 25. 27. „Bis auf Christum den Fürsten sind sieben Wochen und zwei und sechszig Wochen, und mitten in der Wochen wird das Opfer und Speiß-Opfer aufhören.“ Sollte demnach der Messias alsdann vorhanden, wenn die Opfer aufhören würden, und haben diese vor mehr als 1700 Jahren aufgehört, so ist gewiß zu derselben Zeit der Heiland gekommen und dieses Kennzeichen nunmehr auch dahin gefallen;

 334. δ. daß der Heiland hat entsprießen sollen aus dem Geschlechte Abraham, aus dem Stamm Juda, und von Davids Nachkommen. Dem gläubigen Abraham wurde die Verheißung gethan, 1 Mos. 22, 18. „Durch deinen Samen sollen alle Völker auf Erden gesegnet werden.“ Vom Stamme Juda hatte Jacob geweissagt, 1 Mos. 49, 10. Dem David war dieser Sohn verheißen, 2 Sam. 7, 12. 13. „Wenn nun deine Zeit hin ist, daß du mit deinen Vätern schlafen liegst, will ich deinen Samen nach dir erwecken, der von deinem Leibe kommen soll, dem will ich sein Reich bestätigen“ u. s. w. Es sollte also der Messias daran erkannt werden, daß er vom Geschlechte Abrahams, vom Stamme Juda, und von Davids Nachkommen entspringe. Dieses Alles aber ist jetzt ganz unbekannt, nachdem die Geschlechtsregister verloren und keiner unter allen Juden gewiß sein kann, ob er von Abraham, Ismael, Esau, Ruben, Naphthali, Juda, David, oder jemandem andern herkomme. Darum ist dieses Zeichen zu unsern Zeiten nichtig, und wird daraus geschlossen, daß der Messias gewißlich gekommen sei.

|  335. Die andere Frage: Wer derselbe Heiland sei, der Jesus von Nazareth oder jemand anders? wird also beantwortet: Außerdem Jesu von Nazareth kann kein anderer Heiland genannt werden, theils weil alle Andern, die sich dafür ausgegeben haben, sammt ihrem Anhange schändlich umgekommen und verdorben sind, als Theudas und Judas aus Galiläa (Apostelgesch. 5, 36. 37.), desgleichen Barcochba, der sich zu den Zeiten Kaisers Hadrian für den Messias aufgeworfen hat, aber von demselben gänzlich ausgerottet und vertilgt worden ist. Es bleibt also gewiß, weil der Heiland gewiß gekommen ist, weil aber keiner, wer derselbe sein sollte, außer dem Herrn Christo von Nazareth genannt werden kann, so ist er ohne allen Zweifel der Heiland.
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 336. Theils, weil sich an dem Herrn Jesu alle Kennzeichen des Messias finden, aus denen zu schließen ist, an welchen sich alle von Gott gegebenen Zeichen, aus denen der Heiland erkannt werden soll, klar und genugsam finden, daß von diesen nicht eines fehlet, der ist gewiß der von Gott verheißene und bezeichnete Heiland. An dem Herrn Jesu finden sich nun alle von Gott gegebenen Zeichen, aus welchen der Heiland erkannt werden soll, klar und genugsam, daß von diesen nicht eines fehlet, folglich ist der Herr Jesus gewiß der von Gott verheißene und bezeichnete Heiland. Dieß Alles ist wohl und leicht zu verstehen, wenn die Kennzeichen angegeben und auf den Herrn Jesum angewendet werden, als: daß er von einer Jungfrau aus dem Samen Abraham, dem Stamme Juda und dem Geschlechte David hergekommen, genau zu der Zeit, da das Regiment vom jüdischen Volke| genommen war, der andere Tempel nicht stand, und die Opfer nun bald aufhören sollten; ferner, daß er gewaltig gelehrt, viele Wunder und Zeichen gethan, von seinem Volke verspottet, verachtet, um dreißig Silberlinge verkauft, an’s Kreuz geschlagen und getödtet worden ist, von den Todten am dritten Tage wieder auferstanden und gen Himmel gefahren ist. Alles nach Inhalt der prophetischen Weissagungen.

 337. Die Juden geben nun zwar vor, es seien zu den Zeiten des Jesu von Nazareth die Schwerdter nicht zu Pflugschaaren, noch die Spiese zu Sicheln gemacht, Jes. 2, 4. Die Wölfe haben nicht bei den Lämmern gewohnt, noch die Pardel und Böcke sich zusammengesellet, Jes. 11, 6. Die Berge haben nicht vom süßen Weine getriefet, noch die Hügel von Milch geflossen, Joel 3, 18. Amos 9, 13. Dieß alles aber ist damit beantwortet, daß das Messias Reich nicht von dieser Welt sei, vielmehr habe er arm, verachtet, unwerth und verspottet sein sollen. Zach. 9, 9. Jes. 53, 2. 3. So sollen auch diese Altväter, die vor seiner Zukunft bereits gestorben waren, seines Reiches und seiner Wohlthaten genießen, darum hat dieses nicht leiblich noch irdisch, sondern geistlich und himmlisch sein müssen.

 338. Deßwegen pflegen die Propheten von des Messias geistlichen Wohlthaten in Gleichnissen der weltlichen und irdischen Dinge zu handeln, was daraus abzunehmen ist, daß nicht Alles, was sie von Christi Reich verkündigt haben, nach dem irdischen Verstande wahr sein kann, als Jes. 55, 12. „Ihr sollt in Freuden ausziehen und im Frieden geleitet werden. Berge und Hügel sollen vor euch her frohlocken mit Ruhm, und alle Bäume auf dem Felde mit den Händen klappen.“ Auch stimmen| nicht alle mit der Art des Reiches Christi überein. Z. B.

 339. Daß kein weltlicher Krieg mehr sein solle, lauft wider Daniel’s Weissagung, Kap. 7, 18. 21. 22. „Die Heiligen des Höchsten werden das Reich einnehmen, und werden’s immer und ewig besitzen. Und ich sahe das Horn streiten wider die Heiligen, und behielt den Sieg wider sie, bis der Alte kam und Gericht hielt, für die Heiligen des Höchsten, und die Zeit kam, daß die Heiligen das Reich einnahmen.“ Ferner: daß lauter Weltfreude und Wollust im Reiche des Messias sein würde, ist entgegen dem, was von dem trübseligsten Zustand des Messias und seiner Heiligen verkündigt ist, als, daß er arm sei. Zach. 9, 9.; daß der Hirt geschlagen und die Schafe der Heerde zerstreuet werden. Zach. 13, 7.; er werde sein wie ein Wurm, ein Spott der Leute und Verachtung des Volks, Hunde haben ihn umgeben, seine Hände und Füße durchgraben, daß man ihm alle Gebeine zählen könne, Ps. 22, 7. 17. 18.; er werde sein voller Schmerzen und Krankheiten, verwundet und zerschlagen, Jes.53, 4. 5. Dieses Alles hätte nicht geschehen können, wenn eine solche Weltfreude in seinem Reiche hätte angerichtet werden sollen, wie die Juden sich träumen ließen.

 340. Wie demnach diese prophetischen Weissagungen nach Art des Reiches des Messias geistlich verstanden werden müssen, so sind sie auch geistlich erfüllet; was vom Frieden verkündigt worden, ist von dem geistlichen Frieden und die Zusammenwohnung der Juden und Heiden; was von Wein und Milch geweissagt worden, ist an den lieblichen geistlichen Gaben der Gnade Gottes, welche die Seele nicht anders nähret| und erfreut, denn Wein und Milch den Leib zu nähren und zu erfreuen pflegen u. s. w., erfüllet.

 341. b) Die Namen des Sohnes Gottes. Deren sind in der h. Schrift viele zu finden, und werden dem Herrn Jesu gegeben entweder wegen seinen Naturen oder wegen seines Amts.

 Wegen der göttlichen Natur heißt er der Sohn Gottes, Matth. 16, 16.; das Ebenbild des unsichtbaren Gottes, Coloss. 1, 15.; der Glanz der Herrlichkeit Gottes und das Ebenbild seines Wesens, Hebr. 1, 3.

 Wegen der menschlichen Natur heißt er des Weibes Samen, 1 Mos. 3, 15. Abrahams Samen, Hebr. 2, 16. Davids Sohn, Matth. 22, 42.; des Menschen Sohn, Matth. 26, 24.

 Wegen seines Amtes wird er genannt Christus, welches ein gemischtes Wort und mit dem hebräischen Messias übereinkommt, und ein Gesalbter heißt, denn er ist gesalbet mit dem h. Geist, Ps. 45, 8. Apost. Gesch. 10, 38. Wie nun vor Zeiten gesalbt wurden die Hohenpriester, 2 Mos.28, 41.; die Propheten, 1 Könige 19, 16. und die Könige, 1 Sam. 10, 1. 16, 12. 13., so ist der Herr Jesus gesalbt worden als unser Hohepriester, Prophet und König, daß er billig der Messias, Christus, der Gesalbte heißt.

 Er wird wegen seines Amtes genannt Jesus, das einen Helfer oder Seligmacher bedeutet, welches Namens Ursache der Engel anzeigt, Matth. 1, 21. „Maria wird einen Sohn gebären, des Namen sollst du Jesus heißen, denn er wird sein Volk selig machen von ihren Sünden.“ Er heißt Herr, der unsere Gerechtigkeit ist, Jerem. 23, 6., weil allein durch ihn| die verlorne Gerechtigkeit wieder gebracht werden sollte. Daniel 9, 24. Es wird genannt Immanuel, Gott mit uns, Jes. 8, 10., weil er als ein Mittler Gott und die Menschen miteinander vereinigt und zusammengebracht hat.

 342. c) Die Person des Sohnes Gottes. Er ist die andere Person der h. Dreieinigkeit, vom Vater in Ewigkeit geboren und demnach der wahrhaftige, wesentliche und ewige Gott, eines Wesens mit dem Vater und h. Geist, wie oben erwiesen worden ist.

 343. d) Die Naturen in Christo. Es sind zwei Naturen in dieser einigen Person, die göttliche und die menschliche. Die göttliche ist in dem fünften Kapitel zur Genüge erwiesen.

 Von der menschlichen Natur ist zu merken, daß der Herr Jesus andern Menschen zum Theil gleich, zum Theil ungleich geworden ist.

 344. Die Gleichheit besteht in dem Wesen und in den Zufällen. Das Wesen einer menschlichen Natur aber besteht in zwei wesentlichen Stücken, Seele und Leib. Daß nun der Herr Jesus einen rechten menschlichen natürlichen Leib, gleichwie andere Menschen, gehabt hat, wird daraus offenbar:

 α. weil er ist des Weibes Samen, 1 Mos. 3, 15. Abraham’s Samen, 1 Mos. 12, 3. Des Menschen Sohn, Matth. 26, 24., was nicht Statt haben könnte, wenn er nicht einen rechten natürlichen menschlichen Leib gehabt hätte;

 345. β. weil ausdrücklich von ihm gesagt wird, daß er gleich also Fleisch und Blut an sich genommen habe, wie andere Menschen, Hebr. 2, 14. „Nachdem die Kinder Fleisch und Blut| haben, ist er’s gleichermaßen theilhaftig worden.“ Daher gehört auch, was er selbst zu seinen Jüngern sagte: „Sehet meine Hände und Füße, ich bin’s selber, fühlet mich, und sehet mich, denn ein Geist hat nicht Fleisch und Bein, wie ihr sehet, das ich habe.“ Luc. 24, 39.;

 346. γ. weil ihm menschliche Zufälle begegnet sind, als: daß er an seinem Leibe gewachsen, Luc. 2, 52.; daß ihn gehungert, Matth. 4, 2., gedürstet, Joh. 19, 28.; daß er geschlafen, Marc. 4, 38., geschwitzet, Luc. 22, 44.; daß er gestorben, Joh. 19, 30.

 347. Eine vernünftige menschliche Seele hat er an sich genommen, was theils aus der oben angeführten Ursache bekannt ist, theils weil er selbsten davon zeugt, wenn er spricht: „Meine Seele ist betrübt bis in den Tod, Matth. 26, 38.; wenn er zu seinem Vater ruft: „Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände,“ Luc. 23, 46.; und zu dem Schächer spricht Luc. 23, 43. „ Wahrlich, ich sage dir, heute wirst du mit mir im Paradiese sein,“ welches nicht dem Leibe, sondern der Seele nach geschehen ist.

 348. Die menschlichen Zufälle (Umstände) betreffend, ist zum Theil angedeutet, wie der Herr Christus dieselben an sich genommen hat, daß er nämlich am Leibe zugenommen, gehungert u. s. w. Allein es sei zu merken, wie er nicht ohne Unterschied alle Zufälle angenommen, sondern

 α) diejenigen, welche für sich selbst nicht unrein, noch sündlich sind, weil er ohne alle sündliche Befleckung gewesen ist. (Davon unten.)

 β) Zufälle, die der Natur und also dem ganzen menschlichen Geschlechte gemein sind, nicht| aber die besondern, welche etwa der einen oder andern Person zufallen. So lies’t man nicht, daß er jemals krank gelegen, noch andere Schaden oder Mangel der Gliedmaßen gehabt habe.

 349. Die Ungleichheit der menschlichen Natur Christi und unserer Natur besteht in 2 Stücken: a) in der sonderen Empfängniß und Geburt, daß er nicht vom Zuthun eines Mannes und Weibes, noch dem gemeinen Lauf der Natur, und also nicht durch bloße Wirkung Gottes, wie dieser der Menschen Fortpflanzung auf die ordentlichen natürlichen Mittel zu fördern pflegt, sondern von einer Jungfrau, durch sonderbare und ohne Mittel geschehene Ueberschaffung und Wirkung des h. Geistes empfangen worden ist, laut der Weissagung Jes. 7, 14. „Siehe, eine Jungfrau ist schwanger und wird einen Sohn gebären, den wird sie heißen Immanuel,“ und nach der Verkündigung des Engels Gabriel Luc. 1, 31. „Siehe, du wirst schwanger werden in deinem Leibe, und einen Sohn gebären, des Namen sollst du Jesus heißen.“ Und als Maria darauf fragte: „Wie soll das zugehen, sintemal ich von keinem Manne weiß?“ antwortet der Engel: „Der h. Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten;“ V. 34. 35.

 350. b. in der Reinigkeit seiner Natur, daß die zu allen Menschen hindurch gedrungene Sünde ihn doch nicht betroffen hat, und er unter allen Adams-Kindern rein von Sünden ist, Hebr. 7, 26. „Einen solchen Hohenpriester sollten wir haben, der da wäre heilig, unschuldig, von den Sündern abgesondert;“ Jes. 53, 9. „Er hat Niemanden| Unrecht gethan, noch ist Betrug in seinem Munde gewesen.“ 1 Petr. 2, 22. „Welcher keine Sünde gethan hat, ist auch kein Betrug in seinem Munde erfunden.“ 2 Corinth. 5, 21. „Gott hat den, der von keiner Sünde wußte, für uns zur Sünde gemacht.“ Darum hat er sich nicht gescheut, auf seiner Feinde Gewissen sich zu berufen, Joh. 8, 46. „Welcher unter euch kann mich einer Sünde zeihen? Dergleichen von Niemanden anders gesagt werden kann.

 351. c. Die Vereinigung der Naturen. Diese beiden Naturen, göttliche und menschliche, sind einander vereinigt, nicht wie Gott in den Heiligen wohnet, wie die Kleider dem Leib, oder wie die Sonne dem himmlischen Kreise, darinnen sie lauft, wie ein Ring dem Edelstein, der darein gesetzt ist, vereinigt werden; auch nicht, daß eine Natur in die andere gemenget und verwandelt werde, sondern gleichwie in dem Menschen Leib und Seele zusammenkommen und ein Mensch werden, also sind auch die beiden Naturen in Christo zu einer Person vereinigt.

 352. Diese Vereinigung wird aus folgenden Zeugnissen erkannt, da Joh. 1, 14. von dem Wort (d. i. von dem Sohn Gottes) gesprochen wird: „Das Wort ward Fleisch und wohnet unter uns;“ 1 Timoth. 3, 16. „Kindlich groß ist das gottselige Geheimniß, Gott ist geoffenbaret im Fleisch.“ Luc. 1, 35. „Das Heilige, das von dir geboren wird, wird Gottes Sohn genannt werden.“ Gal. 4, 4. „Da die Zeit erfüllet war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einem Weibe.“ Coloss. 2, 9. „In ihm wohnet alle Fülle der Gottheit leibhaftig.“

|  353. Hiermit werden nicht zwei Personen, oder zwei Christi gemacht, sondern, obwohl vor der Menschwerdung des Herrn Christi seiner Person die göttliche Natur eigen geblieben ist, ist doch die Menschheit, nachdem sie angenommen worden, auch der Person des Sohnes Gottes also theilhaftig geworden, daß nunmehr nicht zwei Personen sind, die eine Gott, die andere Mensch, sondern beide Gott und Mensch eine Person sind.

 354. Dieß wird damit bezeugt, daß a) die Schrift ausdrücklich und oft von Einigkeit der Person Christi lehrt, Röm. 5, 15. „Jesus Christus ist der einige Mensch in Gnaden;“ V. 17. „Die empfangen haben die Gabe zur Gerechtigkeit, herrschen durch einen Jesum Christ;“ V. 19. „Durch Eines Gehorsam werden Viele gerecht.“ 1 Timoth. 2, 5. Es ist ein Mittler zwischen Gott und den Menschen, nämlich Christus Jesus.“ 1 Cor. 8, 6. „Wir haben nur einen Herrn Jesum Christ[.]

 355. b) Daß die Schrift von dem Sohne Gottes zeugt, daß er Fleisch geworden sei und unter den Menschen gewohnt habe. Joh. 1, 14. „Das Wort ward Fleisch und wohnte u. s. w. “ 1 Corinth. 15, 47. „Der andere Mensch ist der Herr vom Himmel.“

 356. c) Daß die Schrift dasjenige, was der menschlichen Natur zusteht, der ganzen Person zuschreibt, z. B. wenn die Menschheit Christi beschaut und mit Händen betastet wird, so ist damit das Wort des Lebens und die Person des lebendigen Gottes betastet und beschauet, 1 Joh. 1, 1. Wenn die menschliche Natur an’s Kreuz geschlagen und getödtet wird, so heißt es, daß der Herr der Herrlichkeit gekreuziget| (1 Corinth. 2, 8.) und der Fürst des Lebens (Apost. Gesch. 3, 15.) getödtet worden ist. Diese Art zu reden könnte nicht gebraucht werden, wenn zwei Personen, die eine Gott, die andere Mensch, und nicht beide Naturen nur eine Person wären.

 357. d) Die Mittheilung der Eigenschaften. Wenn Leib und Seele persönlich miteinander vereinigt werden sollen, so ist nöthig, daß sie ihre Eigenschaften einander gemein machen; denn außer dem und wenn die Seele nicht mehr des Leibes Eigenschaften gebraucht, auch der Leib der Seele Eigenschaften nicht mehr theilhaftig ist, ist gewiß, daß sie voneinander getrennt sind, nicht zwar, als ob Leib und Seele einander alle Eigenschaften ohne Unterschied mittheileten, sondern vornämlich allein diejenigen, welche etwas wirken, thun, verrichten oder leiden (wie die Seele dem Leibe die Kraft mittheilen, sich zu bewegen, zu sehen, zu hören u. s. w., aber die Seele unsterblich ist, ein Geist ist u. s. w.; solches gibt sie dem Leibe nicht, als der nicht unsterblich, nicht ein Geist wird).

 358. So verhält’s sich auch mit den beiden Naturen in Christo, daß, wofern dieselbe zu einer Person miteinander vereinigt werden soll, so müssen sie auch die Eigenschaften miteinander gemein haben, nicht zwar ohne Unterschied alle, sondern vornämlich diejenigen, welche etwas wirken, verrichten oder leiden; da denn am allersichersten gegangen wird, wenn man sich nicht bekümmert, ob die Gottheit alle ihre Eigenschaften, oder nur etliche, der Menschheit mitgetheilt habe, und wie das zugehen könne, sondern allein dabei stehen bleibt, daß, von welcher Eigenschaft wir hören, sie seien beiden Naturen gemein worden, wie dieselben| auch für gemein achten, von welcher aber dergleichen nicht gelehrt wird, bei der unsre Meinung bei Seite setzen, und davon für uns selber nicht schließen oder erdichten.

 359. Damit nun besser und richtiger vernommen werde, wie die Eigenschaften der Naturen gemein seien, ist die Mittheilung der Eigenschaften in drei Arten getheilt worden.

 Die erste dieser Arten ist die Art zu reden: Wenn das, was der einen Natur eigen ist, nicht aus derselben, sondern der ganzen Person, die zwei Naturen in sich hat, zugeschrieben wird, als: der menschlichen Natur Eigenschaft ist, geboren werden, aus dem Samen David’s herkommen, leiden, sterben u. s. w. Dieses aber wird nicht allein der menschlichen Natur, sondern der ganzen Person zugeschrieben und angezeigt, daß dem ganzen Christo solche zustehe nach und wegen der menschlichen Natur, Röm. 1, 3. „Der Sohn Gottes ist geboren von dem Samen David, nach dem Fleisch,“ Galat. 4, 4. „Gott hat seinen Sohn gesandt, geboren von einem Weibe.“ Luc. 1, 35. „Das Heilige, das von dir geboren wird, wird Gottes Sohn genannt werden.“ 1 Corinth. 2, 8. „Sie haben den Herrn der Herrlichkeit gekreuzigt.“ Apostel-Gesch. 3, 15. „Sie haben den Fürsten des Lebens getödtet.“ Zach. 12, 10. „Sie werden mich (Gott den Herrn) ansehen, in welchen jene gestochen haben.“ Röm. 8, 32. „Gott hat seines eigenen Sohnes nicht verschonet, sondern hat ihn für uns alle dahin gegeben.“ Galat. 2, 20. „Der Sohn Gottes| hat mich geliebet und sich selbst für mich dargegeben.“ 1 Petr. 4, 1. „Christus hat gelitten im Fleisch.“

 360. Eben so werden die Eigenschaften der göttlichen Natur der ganzen Person, die nicht allein Gott, sondern auch Mensch ist, zugeeignet; denn göttliche Eigenschaften und Werke sind: daß Christus ist, ehe er Mensch geboren ward; daß die Welt durch ihn geschaffen ist; daß er die Menschen vom ewigen Tod und Verdammniß erlöset; daß er ist der Herr vom Himmel. Dieß aber wird von der ganzen Person ausgesprochen: Joh. 8, 58. „Wahrlich ich sage euch, ehe denn Abraham ward, bin ich.“ Ephes. 3, 9. „Gott hat alle Dinge geschaffen durch Jesum Christ.“ Apost. Gesch. 20, 28. „Gott hat seine Gemeine durch sein eigen Blut erworben.“

 361. Die andere Art der Mittheilung der Eigenschaften hält in sich: Wenn eine Natur etwas also wirket, daß die andere zugleich mitwirket. Dieß betrifft eigentlich die göttlichen Werke, die zum Amt des Herrn Christi gehören, als: daß er Mittler ist zwischen Gott und den Menschen, unser Hohepriester, Hirt, Bischof, allgemeiner Richter u. s. w. Denn vom Fluch des Gesetzes erledigen, den Segen Abraham’s über die Menschen bringen, von Sünden reinigen, gerecht machen, die Menschen mit Gott versöhnen, der höllischen Schlange den Kopf zertreten, sind alles göttliche Werke, die sonst keiner Creatur zustehen, aber sie werden verrichtet mit Gemeinschaft der menschlichen Natur.

 362. Vom Fluch des Gesetzes werden wir erlöset, weil Christus dem Gesetze unterthänig| worden ist, Gal. 4, 4. 5. „Gott sandte seinen Sohn, geboren von einem Weibe, und unter das Gesetz gethan, auf daß er die, so unter dem Gesetze waren, erlösete.“ Er hat den Segen Abraham’s über die Menschen gebracht, weil er an unserer Statt ein Fluch geworden ist, Gal. 3, 13. „Christus hat uns erlöset von dem Fluch des Gesetzes, da er ward ein Fluch für uns, auf daß der Segen Abraham’s unter die Heiden käme.“ Er hat uns von Sünden gereinigt durch sein Blut, 1 Joh. 1, 7. „Das Blut Jesu Christi, des Sohnes Gottes, macht uns rein von aller Sünde.“ Er hat uns gerecht gemacht durch sein Blut, Röm. 5, 9. „Er hat uns mit Gott versöhnt, weil der, der von keiner Sünde wußte, für uns zur Sünde gemacht worden,“ 2 Corinth. 5, 18. ff. Er hat der höllischen Schlange den Kopf zertreten, weil sie ihm zur Zeit seines Leidens den giftigen Fersenstich gegeben hat, 1 Mos. 3, 15. Hebr. 2, 14. „Durch den Tod hat er die Macht genommen dem, der des Todes Gewalt hatte, das ist, dem Teufel.“

 363. Nun ist außer allem Zweifel, daß dem Gesetz unterthan werden, ein Fluch werden, mit Blut reinigen, zur Sünde gemacht, von der Schlange gestochen werden und sterben, nicht von der göttlichen Natur, allein aber von der menschlichen zu sagen sei, daraus dann unfehlbar gewiß folget, daß die göttliche Natur des Herrn Christi diese großen und ihr eigen zustehenden Werke verrichte mit Zuthun der menschlichen.

 364. Die dritte Art der Mittheilung der Eigenschaften ist: wenn die Gottheit der angenommenen Menschheit ihre Eigenschaften mit| theilet. Dieser Eigenschaften sind vornämlich vier zu merken:

 a) Die Allmacht, welche Gott besonders zusteht, wie oben §. 56. gezeigt worden ist. Daß nun diese der Menschheit Christi mitgetheilt worden sei, ist hinlänglich zu sehen

 α) aus weitern klaren Zeugnissen der heiligen Schrift. Der Prophet Daniel siehet im Geist den Sohn Gottes sich setzend zur rechten Hand Gottes, und beschreibt dieses Gesicht mit den Worten: „Ich sahe im Gesicht des Nachts, und siehe, es kam einer in des Himmels Wolken wie eines Menschen Sohn, bis zu dem Alten, und war vor denselben gebracht, der gab ihm Gewalt, Ehre und Reich, daß ihm alle Völker, Leute und Zungen dienen sollten, seine Gewalt ist ewiglich, die nicht vergehet, und sein Königreich hat kein Ende.“ Daniel 7, 13. 14. Dergleichen verkündigt David Psalm 8, 7. ff. „Du wirst ihn zum Herrn machen über deiner Hände Werke, Alles hast du unter seine Füße gethan, Schafe und Ochsen allzumal, dazu auch die wilden Thiere, die Vögel unter dem Himmel, die Fische im Meere, und was im Meere gehet“; welches die Epistel Hebr. 2, 8. erklärt: „In dem, daß er ihm Alles hat unterthan, hat er nichts gelassen, das ihm nicht unterthan sei.“ Der Herr Christus hat selbst davon gezeugt Matth. 11, 27. „Alle Dinge sind mir übergeben von meinem Vater.“ Joh. 3, 35. „Der Vater hat den Sohn lieb und hat ihm Alles in seine| Hand gegeben.“ Matth.28, 18. „Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden.“ So zeugen auch die Apostel 2 Corinth. 13, 4. „Christus, ob er wohl gekreuziget ist in der Schwachheit, so lebet er doch Gott in der Kraft Gottes.“ Ephes. 1, 20. 21. 22. „Gott hat Christum gesetzt zu seiner Rechten im Himmel, über alle Fürstenthümer, Gewalt, Macht, Herrschaft und Alles, was genannt mag werden, nicht allein in dieser Welt, sondern auch in der zukünftigen, und hat alle Dinge unter seine Füße gethan, und ihn gesetzt zum Haupt der Gemeine über Alles.“ Weil denn Alles, was dem Sohne Gottes in der Zeit gegeben wird, nicht nach der göttlichen Natur gegeben werden kann, und allein nach der menschlichen Natur gegeben werden muß, so folgt, daß dem Herrn Christo der Menschheit nach alle Macht gegeben, und also die göttliche Eigenschaft der Allmacht mitgetheilt worden sei;
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 365. β) aus seinen Werken, von deren Verrichtung die menschliche Natur nicht ausgeschlossen werden kann, weil er durch seine menschliche Stimme die Todten zum Leben gebracht (Marc. 5, 41. Luc. 7, 14. Joh. 11, 43.), durch Auflegung seiner Hände (Matth. 8, 3. Marc. 6, 5.) Wunder gethan hat, also, daß von seinem Leibe eine göttliche Kraft, ein krankes Weib gesund zu machen, ausgegangen ist (Marc. 5, 30.). Insonderheit aber ist ihm die Macht gegeben worden, das Gericht zu halten nach seiner Menschheit, oder wie er selber davon redet, darum, daß er des Menschen Sohn ist, Joh. 5, 27.; das allgemeine Gericht| aber zu halten, erfordert göttliche Allmacht, denn ohne diese können weder alle Menschen vor das Gericht gebracht, noch kann das Unheil an ihnen vollstreckt werden; darum ist ihm, als des Menschen Sohn oder seiner Menschheit nach, göttliche Allmacht mitgetheilt.

 366. b) Die Allwissenheit. Diese ist auch eine göttliche Eigenschaft, und dem Herrn Christo der Menschheit nach mitgetheilt;

 α) wird solches ausdrücklich in der heil. Schrift ausgesagt, Col. 2, 3. „In Christo liegen verborgen alle Schätze der Weisheit und des Erkenntnisses.“ Der Prophet Jesaias hatte geweissaget Cap. 11, 2. „Auf ihm wird ruhen der Geist des Herrn, der Geist der Weisheit und des Verstandes, der Geist des Raths und der Stärke, der Geist des Erkenntniß und der Furcht des Herrn.“ Nun ist aber der h. Geist dem Herrn Christo nicht in gewissem Maaß gegeben worden, wie andern Menschen (1 Corinth. 12, 11.), sondern mehr, denn seinen Gesellen (Ps. 45, 8.) und also ohne Maaß (Joh. 3, 34.), und darum ist ihm auch die Weisheit, Verstand und Erkenntniß Gottes ohne Maaß, und demnach alle Erkenntniß mitgetheilt, gleichwie er erforschet alle Dinge, auch die Tiefe der Gottheit, 1 Cor. 2, 10.;

 367. β) wird die Allwissenheit erfordert zur Verrichtung des Amtes Christi. Denn weil ihm gegeben ist die Gewalt, das Gericht zu halten, darum, daß er des Menschen Sohn ist (Joh. 5, 27.), nun aber in diesem Gericht Rechenschaft gefordert werden soll von einem jeden unnützen Wort, das die Menschen geredet haben (Matth. 12, 36.); weil das Verborgene der Menschen gerichtet (Röm. 2, 16.),| der Rath der Herzen offenbart, und ans Licht gebracht werden soll, was im Finstern verborgen ist (1 Corinth. 4, 5.), und demnach der, der dieses Werk verrichten soll, alle Worte, alle Werke, alles, was im Finstern verborgen, aller Herz Rath und Gedanken wissen muß, so folgt unfehlbar, daß der Christus als Mensch alle Worte, Werke u. s. w. wisse, welches geschehen muß durch die göttliche Allwissenheit, als die allein solches Alles erfordert, und demnach Christo, als Menschen, muß mitgetheilt worden sein.

 368. c) Die Allgegenwart. Diese ist auch Gott eigen (s. §. 58.). Daß sie aber der Menschheit Christi mitgetheilt sei, wird daraus bewiesen, weil

 α) die persönliche Vereinigung solches nothwendig erfordert. Joh. 1, 14. „Das Wort ward Fleisch.“ Coloss. 2, 9. „Alle Fülle der Gottheit wohnt in ihm leibhaftig.“ Daraus folgt: Ist das Wort oder Gottes Sohn Fleisch geworden, so ist er ja nirgend, weil er sonst sofern nicht Fleisch wäre, indem, wo die göttliche Natur außer der menschlichen ist, daselbst ist das Wort nicht Fleisch. Wohnet in Christi Menschheit die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig, so ist sie nicht nur an gewissem Raum und Ort, denn wäre sie etwa, da die Menschheit nicht wäre, wie könnte die ganze Fülle in ihr leibhaftig wohnen?

 369. β) die Schrift die Allgegenwart der Menschheit Christi klar lehrt. Matth. 18, 20. „Wo zween oder drei versammelt sind in meinen Namen, da bin ich mitten unter ihnen.“ Cap. 28, 20. „Ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“ Ephes. 1, 22. 23. „Gott hat Christum gesetzt zum Haupt der Gemeine über Alles,| welche da ist sein Leib, nämlich die Fülle des, der Alles in Allen erfüllet.“ Kapitel 4, 10. „Der herunter gefahren ist, das ist derselbige, der aufgefahren ist über alle Himmel, auf daß er Alles erfüllet.

 370. γ) Die Allgegenwart der Menschheit Christi zur Verrichtung seiner Werke nothwendig ist. Er wirket durch Zeichen und Wunder in den Aposteln, Marc. 16, 20.; er hat seiner Kirche Apostel, Propheten, Evangelisten, Hirten und Lehrer gegeben, Ephes. 4, 11.; er herrscht mitten unter seinen Feinden, Ps. 110, 2.; er wandelt unter den zehn güldenen Leuchtern, d. i. unter seinen Gemeinen, Offenb. 1, 13. Diese Werke der Vorsehung, welche Christus den Seinen zu gute verrichtet, deuten eigentlich auf die Himmelfahrt und sind demnach von der menschlichen Natur zu verstehen, aber es läßt sich leicht ermessen, was für ein Regiment und Fürsorge das sein würde, wenn er solche abwesend verrichtete.

 371. δ) Seine Erscheinungen, nachdem er gen Himmel gefahren, bezeugen, daß er nicht nur im Himmel, sondern auch auf der Erde, wo er will, sich gegenwärtig erweisen kann, und demnach nicht nur an einen gewissen Ort allein sich finden lasse, außer dem er nirgends anzutreffen wäre, vielmehr aber allenthalben gegenwärtig sei. Aus diesem Schlusse ist also zu entnehmen: Wer sich in sichtbarer Gestalt offenbart und zu sehen gibt, der ist von dem an, da er sich offenbart, nicht abwesend, sondern daselbst gegenwärtig; nun offenbart sich Christus in seiner Menschheit hier auf Erden in sichtbarer Gestalt, daraus folgt, daß er von der Erde nicht abwesend, sondern auf ihr gegenwärtig sei.

|  372. Diese Offenbarungen sind folgende: Er ist von Stephanus gesehen worden, welcher, als er vor dem Rathe zu Jerusalem gestanden, gesprochen hat: „Ich sehe den Himmel offen und des Menschen Sohn zur Rechten Gottes stehen,“ Apostelgesch. 7, 55. Er hat sich dem Paulus bei seiner Bekehrung in einem Blitze gegenwärtig gezeigt und mit seiner menschlichen Stimme (Apostelgesch. 22, 6 ff.) zu ihm gerufen: „Saul, Saul, was verfolgest du mich!“ Apostelgesch. 9, 4.; und bald darauf V. 5.: „Ich bin Jesus, den du verfolgest, es wird dir schwer werden, wider den Stachel zu lecken,“ und V. 6.: „Stehe auf und gehe in die Stadt, da wird man dir sagen, was du thun sollst.“ Er ist dem Jünger Ananias im Gesichte erschienen und hat befohlen, Saulus zum taufen u. s. w. Apostelgesch. 9, 10. Er ist dem Paulus erschienen zu Corinth, Apostelgesch. 18, 9. „Es sprach aber der Herr durch ein Gesicht in der Nacht zu Paulus: Fürchte dich nicht, sondern rede und schweige nicht.“ Er ist dem Paulus, als dieser im Lager vor Jerusalem gefänglich gehalten wurde, erschienen, und hat mit ihm geredet, Apostelgesch. 23, 11. „Des andern Tages in der Nacht stand der Herr bei ihm und sprach: Sei getrost, Paulus, denn wie du von mir zu Jerusalem gezeugt hast, also mußt du auch zu Rom zeugen.“ Er ist dem Johannes erschienen, wandelnd unter den güldenen Leuchtern, Offenbarung 1, 12. 13. „Ich sahe sieben güldene Leuchter, und mitten unter den sieben güldenen Leuchtern einen, der war eines Menschen Sohn gleich.“
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 Diese Erscheinungen beweisen gewaltig, daß der Herr Christus als Mensch allenthalben zugegen sei, und| zwar folgendermaßen. Daß seine Menschheit im Himmel zugegen sei, ist außer Zweifel; wenn er nun im Himmel und zugleich auf Erden ist, so folgt daraus, daß dieser Menschheit die göttliche Eigenschaft, allenthalben zu sein, mitgetheilt worden ist, weil man nicht zeigen kann, wie solches auf eine andere Weise geschehe.

 373. d) Die Gott allein zuständige Ehre, daß alle Menschen schuldig sind, den Herrn Christum, auch als Mensch, anzurufen und ihm göttliche Ehre zu beweisen. Von dieser wird gehandelt werden, wenn von der Erhöhung zu reden sein wird.

 374. e) Die zwei Stände der Erniedrigung und der Erhöhung. Diese beiden Stände setzt die Schrift oft zusammen, Ephes. 4, 9. „Daß er aufgefahren ist, was ist’s, denn daß er zuvor ist herunter gefahren?“ Philipp. 2, 8. 9. „Er erniedrigte sich selbst und war seinem Vater gehorsam bis zum Tode am Kreuz, darum hat ihn Gott auch erhöhet u. s. w.“

 375. Der Stand der Niedrigkeit begreift in sich a) seine Menschwerdung oder Empfängniß, durch die Gottes Sohn unsre ganze Natur mit Leib und Seele angenommen hat, jedoch ohne Sünde, nicht durch Vermischung Mannes und Weibes (denn er ist nach seiner Menschheit ohne Vater, Hebr. 7, 3.), sondern durch Ueberschattung des h. Geistes, von Maria, einer keuschen und reinen Jungfrau, welche solche Leibesfrucht neun Monate getragen, bis sie dieselbe zur Welt geboren.

 376. b) Die Geburt, welche zu Bethlehem, nach Weissagung des Propheten Micha 5, 1. geschehen, mit welcher der Herr Jesus recht in seine Erniedrigung getreten ist; denn er wurde im Stalle geboren, in die| Krippe gelegt und in Windeln gewickelt, Luc. 2, 7., wovon die christliche Kirche singt: Ach Herr, du Schöpfer aller Ding’, wie bist du worden so gering, daß du da liegst auf dürrem Gras, davon ein Rind und Esel aß.“

 377. c) Das Kindliche Alter und seine Jugend, wovon dieß Wenige zu melden ist, daß er nicht lange nach seiner Geburt, als er von den Weisen aus Morgenland angebetet worden war (Matth. 2, 11.), vor dem Grimme des Herodes nach Aegypten geflohen (Matth. 2, 14.), bis derselbe gestorben (V. 20.), nachmals sich aus Aegypten nach Nazareth begeben (V. 23.) und daselbst aufgehalten hat, bis er in sein Predigtamt getreten ist (Matth. 4, 17. Luc 3, 16.), unterdessen zu gewissen Zeiten nach Jerusalem zum hohen Feste gereis’t ist, und im 12ten Jahre seines Alters sich mit den Lehrern daselbst im Tempel unterredet hat. Luc. 2, 46.

 378. d) Das Predigtamt, welches er in’s 4te Jahr geführt und das Evangelium von der Gnade Gottes gepredigt, mit Wunderzeichen bekräftiget und sich als der Heiland, welchen Gott den Vätern versprochen hatte, erwiesen hat, dabei in großer Armuth (Matth. 8, 20. Joh. 12, 6.), Haß und Verfolgung herumgegangen und mancherlei Widerwärtigkeit von seinem eigenen Volke hat erfahren müssen.

 379. e) Das Leiden und Sterben, in welchem er, laut vieler prophetischer Weissagungen, durch seines eigenen Jüngers Verrätherei seinen Feinden übergeben (Ps, 41, 10. Zach. 11, 12. 13.), von andern verlassen (Zach. 13, 7.), von seinen Widerwärtigen geschlagen, verhöhnt und gespeiet (Ps. 22, 17.), zwischen| zween Uebelthäter aufgehänget (Jes. 53, 12.), mit Essig und Gallen getränket (Ps. 69, 22.), endlich getödtet (Jes. 53, 8. Zach. 13, 6.) und begraben worden ist (Jes. 53, 10.), wie solches von den Evangelisten ausführlich beschrieben worden ist. In diesem Allen ist der Sohn Gottes andern Menschen gleich geworden, hat eine Knechtsgestalt an sich getragen, ob er wohl bisweilen in sonderlichen Werken seine Majestät und Hoheit hat hervorblicken lassen, deren er sich sonst entäußert und die er ungebraucht gelassen hat, weil er sonst nicht durch Schmach, Kreuz und Tod das menschliche Geschlecht hätte erlösen können, wozu er doch in die Welt gekommen war.
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 380. Der Stand der Erhöhung begreift in sich a) seine Höllenfahrt. Unter dieser ist zu verstehen, daß er, nachdem er im Grabe wieder lebendig geworden war, an den Ort gefahren sei, in dem die Seelen der Verdammten gepeinigt und zum Gericht behalten werden, und sich als Ueberwinder des Todes und der Hölle gezeigt habe dem, der des Todes Gewalt hatte, das ist, dem Teufel (Hebr. 2, 14.), dem Tode ein Gift und der Hölle eine Pestilenz worden sei (Hos. 13, 14.) und also einen Triumph gehalten habe. Coloss. 2, 15. „Er hat ausgezogen die Fürstenthume und die Gewaltigen, und sie schaugetragen öffentlich, und einen Triumph aus ihnen gemacht durch sich selbst.“ Daß dieses die Höllenfahrt Christi sei, ist abzunehmen aus dem, was St. Petrus hievon schreibt 1 Epist. 3, 18. 19. „Christus hat einmal für unsere Sünden gelitten, der Gerechte für die Ungerechten, auf daß er uns Gott opferte, und ist getödtet nach dem Fleisch, aber lebendig gemacht nach dem Geist, in demselben ist er auch hingegangen| und hat gepredigt den Geistern im Gefängniß, die etwa nicht glaubten, da Gott einsmals harret zu den Zeiten Noah u. s. w.“

 381. b) Die Auferstehung aus dem Grabe, welche am dritten Tage nach seinem Tode geschehen ist, und nach der er dadurch sich herrlich erwiesen hat, daß er Macht habe, sein Leben wieder zu nehmen (Joh. 10, 18.), wobei ein Engel die Wächter des Grabes erschreckt hat, so daß sie ihm deshalb selbst ein herrliches Zeugniß haben geben müssen, wie er mit großer Majestät von den Todten auferstanden sei.

 382. c) Sein Zustand während der vierzig Tage, in denen sich der Herr seinen Jüngern lebendig gezeigt hat, mit ihnen umgegangen, zu ihnen gekommen ist, wenn die Thüren verschlossen waren (Joh. 20, 19.), vor ihren Augen verschwunden ist (Luc. 24, 31.) und dargethan hat, wie er einen verklärten Leib aus dem Grabe gebracht habe. Phil. 3, 21.

 383. d) Die Himmelfahrt, welche Marc. 24, 51. Apostelgesch. 1, 9. 10. beschrieben wird. Um diesen Artikel unsres christlichen Glaubens recht zu verstehen, muß in Acht genommen werden: Was für ein Himmel verstanden werde, und was dieses Auffahren sei.

 384. Das Erste betreffend, hat das Wort Himmel nicht einerlei Verstand in der heil. Schrift, denn es bedeutet die obere Luft, in der die Vögel herum fliegen, die darum oftmals die Vögel des Himmels genannt werden, 1 Könige 16, 4. Pred. 10, 20. Jerem. 9, 10. 5 Mos. 28, 23. wird die Luft, daraus der Regen herab fällt, der Himmel genannt, „der Himmel, der über deinem Haupte ist, wird ehern| sein.“ Ferner bedeutet dieses Wort das oberste Gebäude der Welt, damit sie umschlossen ist und darein Gott die Sterne gesetzt hat, und wird die Feste und Himmel genannt, 1 Mos. 1, 6. 8. Es heißt Himmel auch so viel als der selige Zustand der auserwählten Seelen und h. Engel, Matth. 18, 10. „Der Kinder Engel im Himmel sehen allezeit das Angesicht meines Vaters im Himmel. Dieses ist das Haus, nicht mit Händen gemacht, das ewig ist im Himmel.“ 2 Cor. 5, 1. „Der Schooß Abrahams.“ Luc. 16, 22. „Der Berg Zion, die Stadt des lebendigen Gottes, das himmlische Jerusalem, in welchem ist die Gemeine der Erstgebornen, die im Himmel angeschrieben sind.“ Hebr. 12, 22. 23. In diesen Himmel ist der Prophet Elias aufgenommen worden, 2 Kön. 2, 11. In diesem Himmel hat Paulus seine Theologie gelernt und unaussprechliche Worte gehört, 2 Corinth. 12, 4. 1 Corinth. 2, 9 ff.. Endlich bedeutet das Wort Himmel: Gottes Majestät und Herrlichkeit; so heißt der Himmel Gottes Sitz, Ps. 113, 5. Gottes Stuhl, Jes.66, 1., und wir rufen ihn also an: Vater unser, der du bist im Himmel! was nicht von dem sichtbaren Himmel zu verstehen ist (als ob Gott in demselben sich verborgen hielte, weil er Himmel und Erden erfüllet, Jerem. 23, 24. und nicht ferne ist von einem Jeglichen unter uns, denn in ihm leben, weben und sind wir, Apostelgesch. 17, 27. 28.), sondern von seiner Herrlichkeit und dem verborgenen Lichte, in welchem er wohnet, da Niemand zukommen kann, 1 Timoth. 6, 16.; in dem Himmel hat er vor der Welt Anfang gewohnt, wird auch darinnen bleiben, wenn die geschaffenen Himmel werden zunichte geworden sein, wie geschrieben steht, Jes. 57, 15. „Ich| wohne ewiglich, und Ps. 93, 1. 2. „Der Herr hat sein Reich zugerichtet, daß es bleiben soll, von dem an stehet dein Stuhl fest, du bist ewig.“

 Also sind zweierlei Himmel, die erschaffenen und die unerschaffenen. Wenn nun Christus gen Himmel gefahren ist, so entsteht die Frage, in welchen Himmel er gekommen sei?

 385. Er ist nicht in einen erschaffenen Himmel also gefahren, daß er sich in demselben aufhalten sollte, wie er zu Capernaum seine Wohnung gehabt, wie er in dem Hause des Lazarus (Joh. 12, 2. 3.), in dem Hause Simonis des Aussätzigen (Matth. 26, 6.) räumlicher Weise gewesen ist.

 386. α) Weil St. Paulus, von der Himmelfahrt redend, ausdrücklich bezeugt, er sei gefahren über alle Himmel, Ephes. 4, 10.; er sei höher, denn der Himmel ist, Hebr. 7, 26. Wer aber über alle Himmel auffährt, der bleibt nicht in einen erschaffenen Himmel, sich daselbst räumlicher Weise aufzuhalten.

 387. β) Weil der Herr Jesus auch nach seiner Himmelfahrt sichtbarlicher Weise erschienen ist, daher also geschlossen wird: Da Christus nach seiner Himmelfahrt und vor seinem jüngsten Tage hier auf Erden hat sichtbarlich gegenwärtig sein können, so ist er nach seiner Menschheit nicht in einen erschaffenen Himmel gefahren, von dannen er, bis an den jüngsten Tag, nicht wiederkomme. Nun kann er aber auf Erden auch sichtbarer Weise vor dem jüngsten Tag gegenwärtig sein, wie er mit seinen Erscheinungen dargethan hat; darum ist Christus nach seiner Menschheit nicht in einen erschaffenen Himmel gefahren. Daraus folgt also,| daß die Himmelfahrt Christi von einem unerschaffenen Himmel handelte, nämlich von dem Himmel der Majestät und Herrlichkeit Gottes, was weitläuftiger sich ergeben wird, wenn von dem Sitzen zur Rechten Gottes gehandelt werden wird.

 388. Das andere Wort ist das Auffahren, welches ebenfalls zweierlei Verstand hat;

 α) wenn es heißt eine Veränderung des Raums und der Stelle, von dem untern Ort zu dem obern, wie Elias gen Himmel fuhr, 2 Könige 2, 11., und wie die Schiffe im Sturmwind gen Himmel fahren, Ps. 107, 26. Dann

 389. β) wenn es von Gott gebraucht wird und die Verbergung desselben bedeutet, nachdem er sich geoffenbart hat, oder Gottes Eingang in seine Wohnung und in das verborgene Licht, dahin kein Mensch kommen kann. So redet die Schrift von Gott, als er sich dem Abraham geoffenbart, mit ihm einen Bund gemacht, den Isaak versprochen, und hernach durch solche Offenbarung bei ihm zu sein, aufgehört hat, 1 Mos. 17, 22. „Und er hörete auf mit ihm zu reden, und Gott fuhr auf von Abraham,“ nicht als ob es Gott bei Abraham (seiner wesentlichen Gegenwart nach) nicht mehr gewesen wäre, sondern, daß er solche sichtbare Gegenwart ihm entzogen hat und in seine unsichtbare und verborgene Wohnung gleichsam eingegangen ist. Mit Jacob redet der Herr von der Vermehrung seines Samens, 1 Mos. 35, 10. ff.; wie er aber aufhörte, sich durch solche Unterredung gegenwärtig zu erweisen, schreibt Moses V. 13.: „Also fuhr Gott auf von ihm, von dem Ort, da er mit ihm geredet hatte.

|  390. In dem Verstande wird von Gott gesagt, er sei herab gefahren, wenn er sich mit einer sonderbaren Offenbarung oder einem vornehmen Werk gezeigt hat; 1 Mos. 11, 7. sprach Gott: „Wohlauf, lasset uns hernieder fahren, und ihre Sprache verwirren.“ 2 Mos. 19, 18. „Der Berg Sinai rauchte, darum daß der Herr herab auf den Berg fuhr.“ Ps. 18, 10. „Er neigete den Himmel und fuhr herab.“

 Gleichwie aber dieses Herabfahren nicht zu verstehen ist, als ob Gott zuvor nicht daselbst gewesen wäre, sondern, daß er entweder durch sichtbare Gestalt oder durch sonderbare Werke seine Gegenwart bezeugt habe, was er sonst nicht allzeit thut: so ist im Gegentheil hieraus abzunehmen, was das heiße auffahren, wenn es von Gott gebraucht wird, nämlich, aufhören, mit sichtlicher Erscheinung oder sonderbaren Werken seine Gegenwart zu beweisen.

 391. Wenn nun dieses auf den Artikel von der Himmelfahrt Christi angewendet wird, so wird das Wort „auffahren“ in beiderlei Verstand gebraucht, daß es einmal heißt räumlicher Weise sich in die Höhe begeben. Denn so heißt es, daß der Herr zusehends sei aufgehoben worden, und eine Wolke habe ihn vor der Jünger Augen hinweggenommen, Apost. Gesch. 1, 9.

 392. Darnach, daß dieses Auffahren sei ein Hingang in die verborgene Herrlichkeit Gottes, damit er seine Gegenwart nicht mehr mit leiblichem Anschauen oder äußerlichen sichtbaren Werken erweiset, ob er schon geistlich zugegen ist. Denn wie der Sohn Gottes nach seiner Menschheit gewiß und wahrhaftig allenthalben zugegen ist, ist im Vorigen bewiesen worden.| Daraus folgt, er sei nicht also sichtbarer Weise hinweggenommen, daß er ganz und gar nicht mehr auf Erden gegenwärtig sein könnte, sondern daß er mit seiner Himmelfahrt in seine Herrlichkeit eingegangen sei, wie er selbst lehrt Luc. 24, 26. „Mußte nicht Christus solches leiden und zu seiner Herrlichkeit eingehen?“ und Joh. 20, 17. spricht, dieses Auffahren sei ein Gang zum Vater, „ich fahre auf zu meinem Gott und zu eurem Gott, zu meinem Vater und zu eurem Vater.“ So gibt es auch die Verbindung dieses Artikels mit dem Sitzen zur Rechten Hand Gottes; denn weil solches Sitzen ist der völlige Gebrauch der Herrlichkeit der menschlichen Natur des Herrn Christi, so folgt, daß diese Himmelfahrt der Eingang zu demselben Gebrauch dieser Herrlichkeit sei.

 393. Die Summa dieses Artikels besteht demnach in folgenden Punkten: Durch die Himmelfahrt

 α. ist der Herr Christus eingegangen in seine verborgene Herrlichkeit, die er bei dem Vater gehabt hat, ehe die Welt war, Joh. 17, 5.

 β. ist uns hier entzogen seine sichtbarliche Gegenwart, weil er dadurch in seine bei Gott verborgene Herrlichkeit eingegangen ist;

 γ. ist die unsichtbare Gegenwart seiner Menschheit uns hier auf Erden keineswegs entzogen, so wenig, als Gott dem Abraham seine Gegenwart gänzlich entzogen hat, als er ist von ihm aufgehaben (§. 389.).

 394. e. Das Sitzen zur Rechten Hand Gottes gehört ebenfalls zum Stande der Erhöhung. Dieses Artikels thut Marcus Cap. 16, 19. Meldung: „Der Herr ward aufgehaben gen Himmel und sitzet zur rechten Hand Gottes.“ Auch diese Worte| (Sitzen und Rechte Hand Gottes) sind nun zu betrachten, welche den Verstand dieses ganzen Werkes geben werden.

 395. Die Rechte Hand Gottes ist nicht leiblich und so zu verstehen, als hätte Gott Hände, wie wir Menschen haben, denn er ist ein Geist, Joh. 4, 24., ein Geist aber hat nicht Fleisch und Bein, Luc. 24, 39.; sondern, wie die Schrift figürlicher Weise von Gott zu reden, seine Augen sehen, was die Menschen thun, seine Ohren merken auf unser Gebet, nicht leibliche Gliedmassen damit anzudeuten, sondern uns durch die Augen seine Allwissenheit durch die Ohren seine Willfährigkeit, der Gläubigen Gebet im Glauben aufzunehmen, – also wird durch seine Hand oder Rechte seine Kraft und Allmacht angedeutet, wie solches die Schrift überflüssig bezeugt 2 Mos. 15, 6. „Herr, deine Rechte Hand thut große Wunder, Herr, deine Rechte Hand hat die Feinde geschlagen.“ Ps. 77, 11. „Die Rechte Hand des Höchsten kann Alles ändern.“ Ps. 118, 15. 16. „Die Rechte des Herrn ist erhöhet, die Rechte des Herrn behält den Sieg.“ Jes. 48, 13. spricht Gott: „Meine Hand hat den Erdboden gegründet, und meine Rechte Hand hat den Himmel umspannt.“ Dieß Alles zeigt klar, daß dieselbe göttliche Allmacht, die das Alles verrichtet hat, unter der Rechten Gottes verstanden werde. Jes. 62, 8. wird die Rechte Hand Gottes ein Arm der Macht Gottes genannt.

 396. Es wird also auch in diesem Artikel das Wort „Rechte Hand“ als Gottes Herrlichkeit und Majestät verstanden, und deßwegen heißt die Rechte Hand, zu der Christus gesessen, Luc. 22, 69. die Rechte Hand der Kraft Gottes, Matth. 26, 64. die Rechte| der Kraft Gottes, Hebr. 1, 3. die Rechte der Majestät, Matth. 19, 28. der Stuhl der Herrlichkeit.

 397. Das andere hier zu erklärende Wort ist: Sitzen. Dieses bedeutet entweder eine Stellung des Leibes und seiner Glieder, gleichwie Abraham saß an der Thüre seiner Hütten (1 Mos. 18, 1.), und wie der Blinde Bartimäus an der Straße bei Jericho saß und bettelte. (Luc. 18, 35.) Daß aber dieser Verstand des Wortes sitzen hier ganz ungereimt sei, ist bei Jedermann außer Zweifel, besonders weil der Herr Christus, indem er zur Rechten des Vaters gesessen, hier auf Erden wandelnd erschienen ist, Offenb. 1, 13., und Stephanus von diesem Sitzen also redet: „Siehe, ich sehe den Himmel offen, und Jesum stehen zur Rechten Gottes.“ Apost. Gesch. 7, 55.

 398. Oder: Sitzen heißt regieren, wie solches in gemeiner Sprache ist, daß man von Regenten sagt, sie sitzen, das ist, sie regieren, als: Josephus sitzet auf dem Kaiserlichen Stuhl. In diesem Sinne gebraucht auch die h. Schrift dieß Wort Ps. 132, 11. „Der Herr hat David einen wahren Eid geschworen, ich will dir auf deinen Stuhl setzen die Frucht deines Leibes,“ das ist, Kinder und Kindes Kinder sollen dir in deiner Regierung Nachfolgen. 2 Thess. 2, 4. „Der Widerwärtige setzet sich in den Tempel Gottes,“ das ist, er regiert und herrscht in der Kirche und über das Volk Gottes. Offenb. 17, 1. „Die babylonische Hure sitzet auf vielen Wassern,“ das ist, sie regiert über viele Völker.

 399. In diesem Verstande wird von Gott gesagt, daß er sitze, Ps. 47, 9. „Gott ist König über die Heiden, Gott sitzet auf seinem heiligen Stuhl.“ Ps. 99, 1.| „Der Herr ist König, darum toben die Völker, er sitzet auf Cherubim, darum reget sich die Welt.“

 400. So verstehen wir nun Christi Sitzen zur Rechten Hand Gottes von seinem Regiment, das er nach seiner Himmelfahrt aus folgenden Ursachen führt:

 weil dieses Sitzen durch eine Regierung erklärt wird, Ps. 110, 1. 2. „Setze dich zu meiner Rechten, bis daß ich deine Feinde zum Schemel deiner Füße lege, der Herr wird das Scepter deines Reiches senden aus Zion, herrsche unter deinen Feinden.“ 1 Corinth. 15, 25. „Er muß herrschen, bis daß er u. s. w.“ Apostelgesch. 2, 34 ff. „David ist nicht gen Himmel gefahren, er spricht aber, der Herr hat gesagt zu meinem Herrn, setze dich zu meiner Rechten, bis daß ich u. s. w.“ „So wisse nun das ganze Haus Israel gewiß, daß Gott diesen Jesum, den ihr gekreuzigt habt, zu einem Herrn und Christ gemacht, Ps. 8, 6. 7. „Du wirst ihn lassen eine kleine Zeit von Gott verlassen sein“ u. s. w. 1 Petr. 3, 22. „Christus ist zur Rechten Gottes in den Himmel gefahren, und sind ihm unterthan die Engel und die Gewaltigen und die Kräfte.“

 401. Demnach heißt zur Rechten Hand Gottes sitzen, nichts anders: als aus göttlicher Allmacht, Kraft und Gewalt mit göttlicher Majestät und Herrlichkeit über Alles herrschen und es regieren.

 402. Dieß wird ferner daraus dargethan: Wer in Gottes Stuhl und Thron sitzt, der regiert mit göttlicher Kraft und Majestät, und solches sein Sitzen ist nichts anders, als sein allmächtiges und göttliches Regiment, weil Gottes Sitzen auf seinem Stuhl| nichts anders ist, als sein allmächtiges Regiment. Nun sitzt aber der Herr Christus auf dem Stuhl Gottes, Hebr. 12, 2.: „Jesus erduldete das Kreuz und ist gesessen zur Rechten auf dem Stuhl Gottes.“ Offenb. 3, 21.: „Wer überwindet, dem will ich geben, mit mir auf meinem Stuhl zu sitzen, wie ich überwunden habe und bin gesessen mit meinem Vater auf seinem Stuhl.“ Cap. 7, 17.: „Das Lamm mitten im Stuhle wird sie weiden.“

 403. Die ganze Summa des Artikels vom Sitzen zur rechten Hand Gottes ist also, daß Christus, nachdem er zu seiner Herrlichkeit eingegangen ist, das Regiment über alle Creaturen völlig angefangen und mit göttlicher Kraft, Allmacht, Herrlichkeit und Majestät darüber herrschet.

 404. Dieses wird nun seiner menschlichen Natur zugeschrieben, nachdem er als Mensch gen Himmel aufgefahren ist, nur als Mensch, und nicht als Gott, hat erhöht werden können, die göttliche Natur selbst ist die Herrlichkeit, Majestät, Kraft und Allmacht Gottes des Vaters, mit welchem sie eines Wesens ist.

 405. Endlich f) wird auch zum Stande der Erhöhung gerechnet die Zukunft zum Gerichte. Doch weil diese nicht nur ein Stück der Erhöhung, sondern auch ein Werk des königlichen Amtes Christi ist, so soll davon §. 523. gehandelt werden.





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