Geschichte der Pfarrei Sachsen bei Ansbach und der zugehörigen Orte/Wirtschaftliche und gesundheitliche Verhältnisse

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| VII. Wirtschaftliche und gesundheitliche Verhältnisse

1. Die Landwirtschaft

 Die Bewohner des Pfarrbezirkes von Sachsen haben von Anfang an durchaus Landwirtschaft getrieben. Daran hat sich bis heute nur wenig geändert. Einige gewerbliche Betriebe treten nicht besonders hervor und sind fast immer irgendwie mit Landwirtschaft verbunden. Auch Leute, die als Arbeiter auswärts tätig sind, suchen meist ein wenn auch noch so kleines Stück Land selbst oder durch ihre Angehörigen zu bewirtschaften. Die Landwirtschaft gibt der ganzen Bevölkerung ihr Gepräge.

 Die älteste Form des landwirtschaftlichen Betriebes war auch bei uns wie anderwärts der große Bauernhof. Man findet solche Großhöfe jetzt nur noch selten, da sie in der Regel schon frühzeitig geteilt und zu Halbhöfen gemacht, sehr häufig auch noch weiter in kleine und kleinste Güter zerlegt wurden. Die neuere Zeit hat dazu noch die Güterzerschlagung gebracht, wodurch manche Höfe ganz aufgelöst oder durch große Verkäufe zu kleinen Besitzungen herabgewürdigt wurden. Umgekehrt haben dadurch kleine Güter sich emporgeschwungen und sind zu Höfen geworden, wenn auch der Kleinbesitz im allgemeinen vorherrschend wurde. Auch sonst sind durch Käufe und Verkäufe in dem Grundbestand der alten Höfe die weitgehendsten Änderungen herbeigeführt worden.

 Nur der Besitzer eines Großhofes hieß ursprünglich „Bauer“. Wo der Hof geteilt wurde, ist in den alten Urkunden stets von „Halbhöfen“ und „Halbbauern“ die Rede, wobei aber diese halben Höfe immer noch sehr stattliche und nach unseren neuzeitlichen Begriffen große Höfe bildeten. Erst mit der Zeit wurden diese Namen abgeschwächt, und es wurde dann jeder Besitzer eines größeren Anwesens Bauer genannt, während die Inhaber kleinerer Anwesen als „Gütler“ bezeichnet wurden, da der Kleinhof als „Gut“ betrachtet wurde. Letztere führen gelegentlich auch den Namen „Söldner“ oder „Köbler“. Mitunter kommt in der Zeit vor etwa 200 Jahren auch die Benennung „Viertelshof“ und „Dreiviertelshof“ vor. Die Bezeichnungen Bauer und Gütler wurden in der Folgezeit nicht immer scharf voneinander geschieden, so daß die verschiedenen Besitzer ein und desselben Anwesens nicht selten bald als Gütler, bald als Bauern benannt werden. In der Gegenwart ist der Name Bauer für alle Erbhofbesitzer gesetzlich festgelegt, während die Inhaber geringerer Grundwerte den Titel „Landwirte“ führen. Ein Haus ohne jeden weiteren Grundbesitz erscheint in den Katastern des vorigen Jahrhunderts als „Leerhaus“, auch wenn es bewohnt war.

|  Die Grundstücke wurden in alter Zeit bei uns nach „Tagwerk“ und „Morgen“ gemessen. Bei den Wiesen galten die Tagwerk, bei den Äckern und beim Wald die Morgen. Diese Maße wurden aber nur schätzungsweise festgestellt, nicht etwa auf Grund von genauen Vermessungen, wie in unserer Zeit. Das Tagwerk bezeichnete die Größe einer Wiese, die man an einem Tage mähen konnte, der Morgen aber umfaßte ein Stück Feld, das man an einem Vormittag („Morgen“) umzuackern vermochte. Daraus ergab sich von selbst eine gewisse Unbestimmtheit in der Größenangabe der alten Grundstücke. Im allgemeinen darf man sagen, daß ein altes Tagwerk um etwa ein Viertel größer war als unser neuzeitliches Tagwerk, also etwa 1,25 Tgw. (0,4 ha), während ein Morgen durchschnittlich um ein Drittel über das heutige Tagwerk hinausging, also etwa 1,33 Tgw. (0,44 ha) befaßte.

 Die alten Höfe trieben Getreidebau für gewöhnlich nur soweit, als es der eigene Hausbedarf und die Abgabe an den Grundherrn, die Gült, erforderte. Für den Handel und Verkauf wurde wenig oder nichts gebaut, da es bei dem Mangel an Städten an Abnehmern fehlte. Es bestand auch wenig Anlaß, Waren für den Haushalt zu erwerben und um deswillen Landesprodukte abzusetzen, da auf jedem Hof alle nötigen Geräte, Kleider usw. selbst verfertigt wurden und lediglich für Eisenwaren Ausgaben notwendig wurden. Erst mit dem Aufkommen der Städte und mit der Entstehung eines eigenen Handwerkerstandes wurde es anders. Da mußte mehr an Getreide, Vieh u. a. produziert werden, um einerseits die Städte zu versorgen und anderseits aus den Städten allerlei Haus- und Lebensbedarf zu beziehen. Vor allem mußte mit dem Aufkommen der Geldwirtschaft im Mittelalter auch bares Geld durch den Verkauf landwirtschaftlicher Erzeugnisse gewonnen werden, um die mit der Zeit entstandenen, in Geld festgelegten Lasten, Zinsen, Steuern, Handlöhne u. dgl. bestreiten und auch sonst den Geschäftsverkehr sich erleichtern zu können. So mußte die Ackerfläche nach und nach vergrößert und der Wiesgrund erweitert werden. Beides konnte anfangs leicht geschehen, da man nur ein Stück von dem reichlich vorhandenen Wald zu roden brauchte oder von dem großen Weideland einen Teil abzweigte.

 Da man eine Pflege des Ackerlandes durch Düngung, Fruchtwechsel und andere Maßnahmen in alter Zeit nicht kannte, so erschöpfte sich der Boden sehr bald innerhalb weniger Jahre. Man half sich dann damit, daß man das Land als „Egarten“ oder „Egerten“ öde liegen ließ, bis sich der Boden wieder erholt hatte, und inzwischen ein anderes Stück Land mit Feldfrucht bebaute. Das tat aber nur solange gut, als die Bevölkerung noch gering war und| man noch reichlich Land zur Verfügung hatte. Als hierin eine starke Änderung eintrat, mußte man sparsamer mit dem Boden umgehen, ihn besser ausnützen und durch entsprechende Bearbeitung fruchtbarer machen. Es entstand dann die sogenannte Dreifelderwirtschaft, bei der alles vorhandene Feld in drei große, annähernd gleiche Flurstücke geteilt und diese abwechselnd der Reihe nach im Laufe von drei Jahren mit Winterfrucht, dann Sommerfrucht und endlich Zwischenfrucht bebaut wurden. Soweit eine Zwischenfrucht (Kraut, Rüben, Erbsen, Linsen, Wicken, Flachs, später auch Kartoffeln u. a.) nicht benötigt wurde, ließ man das Land in diesem Jahre „brach“ liegen. Auch diese Dreifelderwirtschaft hat sich in der Neuzeit gelockert; besonders kennt man brachliegendes Land nicht mehr.

 Gebaut wurde in ältester Zeit fast nur Korn und Haber. Darum sind die Getreideabgaben (Gülten) an die Grundherren regelmäßig in diesen beiden Getreidearten festgesetzt worden. Erst später kam der Weizen und die Gerste dazu, doch blieb dieser Anbau immer beschränkt. Noch im Jahre 1808 werden als Hauptprodukte der Landwirtschaft Korn, Haber und Flachs angeführt. Flachs wurde schon von Anfang an neben dem Getreide gebaut. Man brauchte ihn ja ebenso wie die Wolle unbedingt zur Herstellung der Kleiderstoffe. Die oben erwähnten Zwischenfrüchte kamen erst im Laufe der Zeit dazu. Außer den genannten hören wir gelegentlich noch von Wicken, von Hanf und sogar von Tabak. Die Kartoffeln, „Erdbirnen“ genannt, kommen erst um 1770 vor; ihr Anbau wurde vor allem durch die Hungerjahre 1770 und 1771, dann später noch 1784, gefördert. Der Flurname „Hopfenleite“ bei Hirschbronn beweist, daß man es sogar mit dem Hopfenbau versuchte, wenn auch offenbar ohne großen Erfolg.

 Am meisten Gewicht legte man schon in ältester Zeit auf die Viehzucht, die sich schon damals auf hoher Stufe befand. Das Vieh bildete den Hauptreichtum des Bauern. Dazu gehörten nicht nur die Rinder, Schafe und Schweine, sondern ganz besonders auch die Pferde. Sie brauchte man als Zugtiere bei der Landwirtschaft, aber weiterhin als Verkehrsmittel für weitere Entfernungen, die bei dem völligen Mangel an Straßen nur mit Hilfe von Pferden zurückzulegen waren, wobei man für gewöhnlich auf den Pferden ritt und sie nur bei außerordentlichem Anlaß vor einen Wagen spannte. Solange der Bauer noch zum Heeresdienst ausrücken mußte, hatte er auch dazu sein Pferd nötig.

 Zur Viehzucht diente vor allem das Weideland, das man von Anfang an überall in breiter Fläche liegen ließ. Man benützte dazu gern die abgelegeneren Flurbezirke, da man ja das Vieh leicht| weiter hinaustreiben konnte, ebenso Bodenstücke, die sich für den Feld- oder Wiesenbau nicht gut eigneten, wie Abhänge, Seitentäler, sumpfiges Gelände u. ä. Noch vor 130 Jahren gab es in den Gemeinden solche ausgedehnte Weideflächen, die damals erst an die Dorfbewohner, soweit sie „Gemeinderecht“ besaßen, verteilt wurden. Daß auch die Wälder vielfach zur Weide benützt wurden, ist schon S. 13 gezeigt worden. Der Weidetrieb erfolgte vom ersten Frühjahr an bis zum Eintritt des Winters. Die Stallfütterung beschränkte sich auf die Zeit, in der das Vieh draußen nichts mehr finden konnte. Darum brauchte man nicht sehr viele Wiesen, sondern nur soviel, als man zur Beschaffung des Futters für den Winter benötigte. Freilich mußte das Wiesland sehr gut und fruchtbar sein, da man ja einen geordneten Wiesenbau mit Düngung, Entwässerung oder Bewässerung und anderem nicht kannte.

 Die Zubereitung des Flachses erforderte viel Arbeit und Sorgfalt. Die von allem Unkraut und Unrat sorgfältig gereinigten Stengel mußten erst ausgebreitet und in der Sonne gedörrt werden, wie es z. B. auf dem heute noch so benannten „Flachswasen“ bei Sachsen geschah; dann kam das „Rösten“ des Flachses in Weihern oder eigens dazu hergerichteten Wassergruben, wie um 1550 eine solche „Flachsröste“ am Weickersbach oberhalb Rutzendorf erwähnt wird. Weiter war der Flachs wieder zu trocknen und dann recht dürr zu machen, weshalb er in Backöfen gesteckt oder auf Zimmeröfen gelegt wurde. Da hierbei öfters Brände entstanden, verboten die Regierungen späterhin das Dörren des Flachses in den Häusern und ordneten die Erbauung eigener Brechhäuser mit Dörröfen außerhalb der Ortschaften an. Das ist auch überall geschehen, im Markgrafentum seit 1716. Dort wurde dann das Dürrmachen des Flachses besorgt und im Anschluß daran das wiederholte „Brechen“ mit Hilfe der besonderen Geräte. Erst dann konnte der Flachs gehechelt und in Reißen gebündelt werden, um während der langen Winterabende gesponnen und schließlich am Webstuhl zu Leinentuch gewoben zu werden. Ein langer Weg, der so vom Flachs auf dem Acker zu dem Leinenballen der Hausfrau im Wäscheschrank führte. – Von den seiner Zeit errichteten Brechhäusern ist noch eine gute Zahl da und dort am Rande der Dörfer vorhanden, allerdings meist verödet und dem Verfall nahe. Die Mehrzahl wurde im Laufe der letzten Jahrzehnte schon abgebrochen, nachdem der Flachsbau langsam aufgehört hatte, weil er gegen die billigere Baumwolle und andere Stoffe nicht mehr aufkommen konnte. Manche Brechhäuser wurden auch umgebaut und anderen Zwecken (Maschinenhallen u. ä.) zugeführt.


| 2. Nebenbetriebe der Landwirtschaft

 Der Obstbau wurde ehedem wenig gepflegt. Man liest zwar in den alten Akten öfters von Obstbäumen in den Gärten und auf den Feldern, und der Pfarrer von Sachsen hatte sogar Anspruch auf den Obstzehnten im Dorfe; aber ständig ist die Klage, daß der Obstzehnte nichts trage. Die Bäume waren offenbar recht verwildert und gaben nur wenig und dazu schlechte Frucht. Eine richtige Baum- und Gartenpflege brachte erst die neue Zeit hervor.

 Verwunderlich mag es erscheinen, daß einst auch Weinbau getrieben wurde. Und doch war es so. Der Berghang bei Sachsen in der Richtung gegen Rutzendorf heißt nicht umsonst der „Weinberg“; es wurde vielmehr dort wirklich eine Zeitlang Wein gebaut. Ähnlich steht es mit dem Hang westlich von Herpersdorf und ebenso einem Flurbezirk bei Immeldorf, die beide auf einer Karte von 1592 als Weinberge bezeichnet werden. Zu erinnern ist auch an den Weinberg bei Ansbach und vor allem an den nördlich von Lichtenau am Berghang gelegenen Weinberg. Von letzterem ist uns Näheres bekannt. Er war durch einen Graben von der übrigen Flur abgegrenzt und durch einen Zaun geschützt. Im Jahre 1553 wurde ein eigener Weingärtner, namens Eucharius Hofmann von Oberntief (bei Windsheim), zur Pflege des Weinbergs bestellt gegen eine Entschädigung von 20 fl. nebst dem nötigen Brennholz. Aus der geringen Besoldung ist zu schließen, daß er nicht dauernd, sondern nur zeitweise in Lichtenau weilte, um da die nötigen Arbeiten im Weinberg zu vollziehen. Als 1558 an der Festung in Lichtenau die nördliche Eckbastei errichtet wurde, legte man in den Grundstein auch ein „Glas“ (wohl eine Flasche) von dem Rotwein, der in dem Weinberg gewachsen war, dazu einen Kupferpfennig der Stadt Nürnberg. Um 1600 wird berichtet, daß in dem Weinberg auch ein Kelterhaus mit einer Weinkelter (zum Auspressen des Traubensaftes) stand. Der Ertrag belief sich damals auf jährlich 2–3 „Fuder“ Wein (etwa 3000 Liter). Als 1721 der Festungsbau erneuert wurde, fand man das 1558 eingemauerte Glas wieder, allerdings zerbrochen und ohne Wein. In den neuen Eckstein setzte man ein Glas spanischen Weins, ein Zeichen, daß damals kein einheimischer Weinbau mehr getrieben wurde. Der Dreißigjährige Krieg hatte ihm jedenfalls ein Ende bereitet. Der bei uns gebaute Wein war sicher in der Regel recht sauer, so daß man nicht ungern auf die Fortführung des Weinbaues verzichtete. Die Anlage der vielen Weinberge in der Gegend erklärt sich überhaupt nur daraus, daß man in alter Zeit viel mehr Wein trank als in der Gegenwart, und zwar nicht nur in der Stadt, sondern auch auf dem Lande.

|  Ein Nebenbetrieb der Landwirtschaft war in unserer Gegend stets die Bienenzucht. Schon in der ältesten Urkunde aus unserem Pfarrbezirk vom Jahre 1111 wird diese vorausgesetzt. Eine leibeigene Familie in Ratzenwinden wurde bei einer Schenkung an das Gumbertusstift in Ansbach freigegeben unter der Bedingung, daß sie jährlich an das Stift eine feste Abgabe leiste, entweder in Geld oder in Wachs oder in einem Stück neuen Tuches. Das Wachs weist unfehlbar auf eine schon damals in Ratzenwinden bestehende Haltung von Bienen hin. Das Wachs brauchte man notwendig zur Herstellung von Kerzen für die Kirchen, die bei Messen und anderen gottesdienstlichen Feiern auf den Altären brennen sollten. Eben darum war damals bei der Bienenzucht die Gewinnung von Wachs wichtiger als die Ernte von Honig. Aber nicht nur in Ratzenwinden, auch anderwärts wird oft die Abgabe von Wachs hervorgehoben. So hatte 1460 Hans Teufel von Volkersdorf jährlich 1/2 Pfund Wachs an die Pfarrei Sachsen zu liefern. 1432 bestand der Pachtpreis für verschiedene Grundstücke der Kirchenstiftung Sachsen in jährlich 14 Pfund Wachs. 1510 hatte eine Reihe von Leuten in Lichtenau, Hirschbronn, Alberndorf und anderwärts je 1–2 Pfund Wachs an die Sebastians-Bruderschafts-Stiftung in Sachsen zu entrichten. In Neukirchen schaffte man nach Ausweis der Rechnungen von 1507 und nachfolgend eigens Bienen für die dortige Kirche an, um so das erforderliche Wachs zu gewinnen. Man schöpft aus dem allen den Eindruck, daß in alter Zeit die Bienenzucht lebhafter betrieben wurde als in der Gegenwart, allerdings nur in der einfachen und wenig ertragreichen Form, wie sie noch bis in die Gegenwart herein üblich war. Der Wandel der Zeiten zeigt sich aber darin, daß heute die Gewinnung von Wachs zur Nebensache geworden ist, während die Erzielung einer möglichst reichen Honigernte ausschlaggebend voransteht.


3. Der Wald

 Eine hohe Bedeutung kam von jeher dem Walde zu, nicht nur für die Landwirtschaft, sondern für das ganze Volk. Bis in die neuere Zeit herein war der Wald die einzige Quelle für die Beschaffung des nötigen Heizmaterials, für die Lieferung des Bau- und des Werkholzes und für manches andere. Dem Bauern bot er einst vielfach Weide für sein Vieh, den hohen Herren Gelegenheit zur Ausübung der Jagd. Das Leben des deutschen Volkes ist zu allen Zeiten aufs innigste mit dem Walde verbunden gewesen.

 Nur sah der Wald in alter Zeit und noch lange fort ganz anders aus als heutzutage, wie schon im ersten Kapitel dieses Buches hervorgehoben| wurde. Von irgendeiner Waldkultur, wie wir sie heute gewohnt sind, war nicht das geringste zu sehen. Es war zunächst ein buntes Gemisch von allerlei Bäumen, wie „Eichen, Tannen, Linden, Espen und anderem Holz“ wie es in einer Beschreibung des Herrenwaldes um 1700 heißt. Man ließ wachsen, was wachsen wollte, und schlug heraus, was man gerade brauchte. Darum gab es viele lichte Stellen, viel Graswuchs, viel Unterholz, viel unnützes Gestrüpp. Von einer sachgemäßen Aufforstung der kahlen Stellen war keine Rede, man ließ Wind und Wetter für den Nachwuchs sorgen. Daher kam es, daß die Wälder trotz ihrer Größe doch so wenig ergiebig waren. Um so mehr fand das Vieh dort Nahrung, wenn es in den Wald getrieben wurde, was anderseits freilich wieder für den Baumwuchs recht nachteilig war. Über Weiderechte ist schon früher geredet worden. Hier sei nur noch nachgetragen, daß gerne auch die Schweine in den Wald getrieben wurden, besonders wo ein guter Eichenbestand die Möglichkeit einer Schweinemast bot. Das war z. B. im Espan (Herrenwald) der Fall. Dort wurden zeitweise an die 400 Schweine zur Eichelmast gebracht und von einem dazu bestellten Hirten gehütet. Über Nacht wurden die Schweine in einem herrschaftlichen Stall untergebracht, der bei Herpersdorf stand. Die Leute, die ihre Schweine in dieser Weise hüten ließen, mußten eine bestimmte Gebühr an die Herrschaft in Lichtenau bezahlen.
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 Wie in Gemeindewäldern gewirtschaftet wurde, kann man aus der für Sachsen ausgestellten Dorfordnung ersehen, über die später berichtet werden wird (S. 304). Auch eine Ordnung für Oberrammersdorf gibt einigen Aufschluß (S. 308). Die herrschaftlichen Waldungen waren meist reichlich mit sogenanntem „Rechtholz“ belastet, das einzelne Untertanen oder auch Gemeinden bezogen. Wie sie zu diesen Rechten kamen, ist nicht bekannt; vermutlich wurden sie einst als Entschädigung für bestimmte Leistungen gewährt, zum Teil gehörten sie zur Besoldung von Beamten und Geistlichen. So zählt das Salbuch der Pflegschaft Lichtenau von 1550 folgende Abgaben aus den nürnbergischen Waldungen auf: 60 Klafter Holz an den Pfleger in Lichtenau, 18 Klafter an den dortigen Pfarrer, 48 Klafter an 4 Rutzendorfer Bauern, 6 Klafter nach Volkersdorf, 120 Klafter an 20 Bürger zu Lichtenau, 6 Klafter an den Pfarrer zu Immeldorf, je 2 Klafter den Mesnern zu Sachsen und Immeldorf, dazu 60 Klafter zum Betrieb des Kalkofens zwischen Lichtenau und Rutzendorf usw. Insgesamt waren es 462 Klafter Brennholz. Daß auch der Markgraf aus seinen Wäldern viel Holz abgab, ist bekannt. Er tat es nicht nur für Kirchen- und Schulhausbauten, sondern auch als Rechtholz an Private. So fielen je 8 Klafter an 2 Bauern in Hirschbronn, 46 Klafter an 7 Bauern in Alberndorf, dazu 5 Klafter| an die dortige Gemeinde, dann 16 Klafter an 2 Anwesen in Steinbach. Diese Holzrechte bestanden bis in die Gegenwart herein, wo sie der Ablösung verfielen. Ein paar Rechte in Oberrammersdorf und Ratzenwinden haben ihre Besitzer schon früher verfallen lassen, teils weil ihnen das Holz in zu weiter Entfernung angewiesen worden war, teils weil sie selbst genug Wald besaßen.

 Sehr schwer hatten die Bauern unter den Wildbannrechten zu leiden, die dem Markgrafen sowohl im Lichtenauer wie im Ansbacher Bezirk zustanden. Er hielt stets auf einen möglichst starken Wildstand und forderte dazu freien Auslauf des Wildes aus dem Walde auf die Felder der Bauern. Das hatte wenig zu sagen bei den kleineren Tieren, wie Rehen und Hasen; dagegen richteten die großen Tiere, die Hirsche und Wildschweine, auf den Feldern oft gewaltigen Schaden an, indem sie die Saaten zerstampften und die Äcker zerwühlten. Beständig gingen darum Klagen wegen des „überhäuften markgräflichen Wildbrets“ ein, so 1581 von Lichtenau, Sachsen und Rutzendorf, 1608 von Milmersdorf und Herpersdorf. Wohl wurde ihnen daraufhin gestattet, die Saatfelder bis zur Ernte mit Stangen und Latten zu „verlandern“, d. h. mit einem Geländer zu versehen und so gegen das Wild zu schützen; aber das war nur ein dürftiger Schutz, besonders gegen die Wildschweine. Und auch dieser Schutz mußte gleich nach der Ernte entfernt werden, sonst kamen die markgräflichen Jäger und schlugen die Zäune nieder, wie es 1707 längs der Waldgrenze von Sachsen über Milmersdorf nach Herpersdorf geschah. Vor allem wurde scharf darauf gesehen, daß die Leute ja nicht das Wild selbst von den Feldern verscheuchten und vielleicht gar Hunde dazu gebrauchten. Im Jahre 1594 schlugen die Jäger einen Bauernjungen, der das Wild fortscheuchte, so übel, daß er daran starb. Zu einer großen „Bittschrift“ sahen sich 1583 die Einwohner von Hirschbronn, Alberndorf, Steinbach, Ratzenwinden und weiteren Orten veranlaßt, weil sie bei der Feldhut keinen Hund mitnehmen durften; das Wild sei so „heimisch“ geworden, daß es nicht mehr aus dem Getreide zu vertreiben sei, weder mit Schreien noch mit anderem, so daß es „alles verdirbt und abbeißt“; deshalb bitten sie dringendst, zu erlauben, daß sie doch „etliche Hündlein, die dem Wild ohne Schaden seien“, für die nächtliche Hut gebrauchen dürften. Ob ihnen die Bitte gewährt wurde, ist nicht bekannt. Daß die Hirsche sogar den Menschen gefährlich werden konnten, zeigt ein Vorfall im Jahre 1590, wo ein Mann aus Sachsen von einem Hirsch „hart beschädigt“ wurde.

 Zur Aufsicht über den Wildstand war in Hirschbronn ein markgräflicher Wildmeister aufgestellt, der seine Wohnung in dem jetzt| Ottschen Hause am Eingang des Dorfes hatte. Nach ihm heißt heute noch der von dort zum Walde führende Weg der „Wildmeisterweg“. Der Bezirk dieses Wildmeisters erstreckte sich von der Rezat nordwärts über Herpersdorf, Wicklesgreuth, Vestenberg, Külbingen, Katterbach und Obereichenbach. Er hatte mit seinen Jägern besonders aus Wilddieberei zu achten, die zwar äußerst streng, oft grausam bestraft wurde, aber doch immer wieder vorkam. Ein zweiter markgräflicher Wildmeister hatte seinen Wohnsitz in Petersaurach. Die nürnbergische Herrschaft in Lichtenau unterhielt einen Förster mit einem Gehilfen.


4. Hirten, Handwerker, Arbeiter, Gewerbetreibende

 Nicht alle Söhne aus den Höfen und Gütern der Bauern konnten sich wieder auf dem Lande in dem ererbten landwirtschaftlichen Berufe ansässig machen. Der vorhandene Boden reichte dazu nicht aus. Wohl half man sich in der Anfangszeit durch Teilung der Höfe und Güter; aber auf die Dauer ging das nicht an. Einen Teil der überschüssigen Bevölkerung nahmen die aufkommenden Städte dem Lande ab. Aber viele zogen es vor, auf dem Lande zu bleiben und sich da auf diese oder jene Weise zu ernähren. Es bildeten sich Gewerbe und Handwerke aus, die den Bauern an die Hand gehen und so die Grundlage zu einer gesicherten Lebenshaltung bilden konnten. Andere lebten einfach als Arbeiter und Taglöhner auf einem Dorfe und wußten sich bald da bald dort nützlich zu machen. Voraussetzung war meist der Bau oder Erwerb eines eigenen, wenn auch noch so kleinen Häuschens; doch gab es mit der Zeit nicht wenige, die als „Inwohner“ in einem gerade leerstehenden Hofhause oder sonstwo sich einmieteten. Für manche, wie für die Hirten, war durch eine eigene Dienstwohnung gesorgt. Mit der Zeit vermochten es diese, zunächst außerhalb der Bauernschaft stehenden Leute, sich emporzuarbeiten, etwas Vieh zu halten, einige Grundstücke zu erwerben und damit an der Landwirtschaft teilzunehmen. Der doppelte Beruf bot ihnen dann eine um so sicherere Lebensstellung.

 Der Hirtenberuf ist wohl schon sehr früh entstanden. Es lag ja nahe, in einem Dorfe das Hüten des Viehes auf der Weide einer dazu aufgestellten, erfahrenen Persönlichkeit zu übertragen und diese dafür entsprechend zu entlohnen. Darum treffen wir von alters her fast in jedem Dorfe ein Hirtenhaus, das der Gemeinde gehörte, das aber dem jeweiligen Hirten samt seiner Familie zur Verfügung stand. Der Hirte wurde alljährlich im Spätherbst oder um Weihnachten „gedingt“, ähnlich wie die Dienstboten. Oft konnte er dabei lange in einem Dorfe bleiben, nicht selten mußte er aber von Ort zu Ort wandern| und konnte nirgends heimisch werden. Über die Entlohnung der Hirten geben die Dorfordnungen Aufschluß, die in einem späteren Abschnitt behandelt werden (S. 303 ff.).

 Der Hirte mußte genaue Kenntnis haben nicht nur vom eigenen Flurbezirk, sondern auch von den auf fremde Fluren sich erstreckenden Hutrechten. Von ihnen wird später bei der Aufführung der einzelnen Ortschaften noch zu reden sein. Vielfach wurde dem Hirten auch die Haltung des zu jeder Viehherde notwendigen „Ochsen“ (Stieres) übertragen, weshalb wir in den Ortschaften oft von einem „Ochsenhirtenhaus“ neben dem eigentlichen Hirtenhause hören. Als Entschädigung hierfür wurde ihm neben anderen Einkünften meist der Genuß einer „Ochsenwiese“ überlassen. Doch ging öfters die Haltung des Bullen reihum bei den einzelnen Anwesen. – Auf die Weide wurde in der Regel alles Vieh zusammen getrieben, die Rinder, die Schafe und auch die Schweine. Sogar die Gänse wurden dem Hirten mitunter anvertraut; doch ist gelegentlich auch von einer besonderen Gänsehirtin die Rede.

 Als ältestes Gewerbe auf dem Lande tritt überall das Schmiedehandwerk auf. Denn der Bauer brauchte den Schmied zur Herstellung seiner landwirtschaftlichen Geräte und Werkzeuge. In Sachsen befand sich wohl von jeher eine Schmiede, da sie schon in den ältesten Urkunden vorkommt (schon 1517). Anderwärts wurde sie erst später errichtet. In Alberndorf taucht eine Schmiede um das Jahr 1600 auf, und zwar als Zugehörung zu dem Anwesen Hs.–Nr. 6 (Wirtschaft), wurde aber 1754 auf das neugebaute Anwesen Hs.–Nr. 2 übertragen. In Unterrottmannsdorf ließ sich 1613 der erste Schmied nieder, in Oberrammersdorf um das Jahr 1784.

 Uralt ist auch das Gastwirtsgewerbe. Wieder steht hier Sachsen voran, wo sicher das älteste Gasthaus eingerichtet wurde. Veranlassung bot hier vor allem der Sitz des Gotteshauses; denn die Pfarrangehörigen, die zum Teil sehr weit zu den Gottesdiensten oder zu kirchlichen Handlungen (Taufen, Trauungen, Beerdigungen u. a.) herkamen, bedurften eines Ortes zum Ausruhen und zur Erfrischung. In der Wirtschaft zu Sachsen bestand deshalb auch ein Erbschankrecht, das zwar von Lichtenau aus gelegentlich angezweifelt, aber tatsächlich jederzeit ausgeübt wurde. Zu gleichem Zwecke mochte auch das Wirtshaus in Rutzendorf entstanden sein für solche Kirchgänger, die von jenseits der Rezat kamen. Auch dieses Haus war eine „Erbschenkstatt“. Erst später ist wohl die Wirtschaft in Alberndorf errichtet worden, vermutlich zuerst auf dem Hofe Hs.–Nr. 1, von dem in den Schriften berichtet wird, daß dort eine alte Brauereigerechtigkeit bestanden| habe. Doch ist nichts Näheres bekannt. Bestimmt wissen wir dagegen, daß auf dem Hause Nr. 6 (Kernstock) mindestens seit dem Dreißigjährigen Kriege eine Wirtschaft mit Brauerei betrieben wurde. Das gleiche gilt von Steinbach, wo auf dem Anwesen Hs.–Nr. 20 seit jener Zeit ein „Brau– und Tafernrecht“ (Tafern = Wirtschaft) ruhte, wahrscheinlich von dem Deutschherrnorden zu Eschenbach begründet, da diesem das Haus gehörte. Ebenfalls nach dem Kriege erscheint in Zandt das Anwesen Hs.–Nr. 7 als „Wirtsgut“. Später, um 1718, kam Volkersdorf auf Hs.–Nr. 18 dazu. Alle übrigen Wirtschaften im Pfarrbezirk wurden erst im vorigen Jahrhundert aufgetan, so Ratzenwinden um 1830, zuerst auf dem Hause Nr. 5, später auf Nr.4; dann Unterrottmannsdorf um 1840 auf Hs.–Nr. 7 (Schmiede), hernach auf Hs.–Nr. 8; in Hirschbronn um 1850 auf Hs.–Nr. 5, dann auf Hs.–Nr. 14; in Neukirchen um die gleiche Zeit auf Hs.–Nr. 12, später auf Hs.–Nr. 2. Eine zweite Wirtschaft in Sachsen auf Hs.–Nr. 22 erscheint um das Jahr 1840, eine dritte am Bahnhof auf Hs.–Nr. 47 um 1873. Die Gaststätte in Oberrammersdorf auf Hs.–Nr. 9 stammt aus jüngster Zeit.

 Wie anderwärts, so brauten auch im Pfarrbezirk die Bauern öfters selbst ihr Bier. Es geht dies aus Beschwerden der Wirte hervor, die sich wegen Beeinträchtigung ihres Geschäftes beklagten, wie z. B. 1704 der Wirt von Rutzendorf. Auch über den Pfarrer Spelter von Sachsen wurde 1667 eine solche Klage laut. Das Selbstbrauen konnte den Leuten allerdings nicht verwehrt werden, wohl aber der Ausschank ihres Bieres an Leute, die nicht zum Haushalte gehörten.

 Nach dem Dreißigjährigen Kriege nahm das Branntweinbrennen stark überhand, wie der Pfleger von Lichtenau im Jahre 1652 klagte. Ausdrücklich berichtet wird uns von „Branntweinbrennern“ nur aus Volkersdorf und Zandt. Die Wirtschaft in Zandt besaß Brauerei- und Branntweinbrennerei–Gerechtigkeit.

 Uralt ist die Weberei. In ältester Zeit hatte wohl jeder Hof seinen eigenen Webstuhl. Später bildete sich ein besonderer Beruf heraus, meist als Nebenerwerb auf kleineren Gütern. Bis in die neue Zeit herein blühte die Handweberei, bis die großen Fabrikbetriebe aufkamen und sich für die Bauern die Selbstbearbeitung von Wolle und Flachs nicht mehr lohnte. Die selbstgesponnenen und selbstgewebten Stoffe waren zwar fester und dauerhafter, aber die Fabrikware war billiger und dem Aussehen nach schöner, und das gab zuletzt den Ausschlag.

 Zur Reinigung und Zerfaserung der Wolle, sowie zur Bearbeitung der gewebten Tuche bediente man sich in späterer Zeit der Walkmühlen. Auf Veranlassung der Ansbacher Tuchmacher wurden| dazu unterhalb Ratzenwinden zwei Mühlwerke eingerichtet, die untere Walk 1719 und die obere Walk, diese zuerst 1715 als gewöhnliche Mühle, dann 1746 als Walk.

 Eine Verdienstmöglichkeit boten ehedem auch die beiden Kalkbrennereien im Pfarrbezirk. Kalksteine kommen in unserer Gegend nur sehr spärlich vor, wie schon im Anfang dieses Buches betont wurde; lediglich eine schmale Steinschicht, die da und dort zutage tritt, liefert eine gewisse Ausbeute. Eine solche Schicht fand man an dem Wege von Sachsen nach Alberndorf rechts am Hang, und eine andere zwischen Rutzendorf und Lichtenau, ebenfalls am unteren Berghang. Dort wurden die Kalksteine ausgegraben und auf besonderen Öfen zu dem für Bauzwecke so notwendigen Kalk gebrannt. Der eine Ofen bei Alberndorf wurde wohl von der markgräflichen Herrschaft unterhalten, die zwei Öfen bei Rutzendorf unterstanden der Lichtenauer Herrschaft. Der so gewonnene Kalk genügte für die nächste Umgebung. Seit es möglich wurde, den Kalk auf billigem Wege von weiterher zu beziehen, verloren die genannten Brennereien ihre Bedeutung und gingen ein.

 Dauernden Verdienst gaben bis in die Gegenwart herein zwei wichtige Steinbrüche, ein weit ausgedehnter, seit ältester Zeit betriebener Bruch bei Lichtenau, zum Teil noch auf Volkersdorfer Flur, und ein kleinerer Bruch zwischen Milmersdorf und Herpersdorf. Beide liefern einen wertvollen Sandstein, der weithin zu festen Bauten Verwendung fand und noch findet. Vermutlich ist auch die Kirche von Sachsen mit solchen Steinen gebaut worden. Auch nach Ansbach wurde viel Material gefahren, und sogar zum Bau des großen Bahnhofes in Stuttgart wurden Steine aus diesen Brüchen verwendet.

 Auch eine Ziegelei gehörte früher zur Pfarrei. Sie wurde 1590 vom Pflegamt Lichtenau in Herpersdorf errichtet. Zu Beifuhren von Lehm verpflichteten sich die Bauern von Milmersdorf und Herpersdorf, und zwar als Gegenleistung dafür, daß sie noch weiter ihre Rosse im Espan (Herrenholz) hüten durften, als ihnen dies wegen vorgekommener Holzfrevel verboten werden sollte. Zum Betrieb des Brennofens waren 60 Klafter Holz aus dem Herrenholz angewiesen. Nach dem Dreißigjährigen Kriege saß auf der Ziegelei die Familie Kittel, die 1652 den Betrieb käuflich erwarb. Später lohnte sich die Ziegelei nicht mehr und ging ein. Sie konnte sich nicht halten gegen die großen, neuzeitlich eingerichteten Betriebe in Lichtenau und bei Eyb. Im letzteren finden aber auch heute noch verschiedene Arbeiter aus der Pfarrei lohnende Beschäftigung.

|  Eine Häfnerei wurde 1609 in Sachsen eröffnet und dazu 1625 ein Brennofen gebaut. Es geschah das auf dem Anwesen Hs.–Nr. 9, wo wir in der Folgezeit Häfner finden. Von 1750 ab wurde das Geschäft auf Hs.–Nr. 26 übertragen.

 Erst in neuerer Zeit kamen andere Handwerke in Aufschwung, wie Schreinereien, Wagnereien, eine Büttnerei, Maurergeschäfte und anderes. Nicht wenige Leute aus der Pfarrei arbeiten aber auch auswärts in größeren Betrieben, in Lichtenau, Ansbach und selbst Nürnberg. Auch an Schneider- und Schuhmachergeschäften fehlt es nicht. Meist ist mit dem Handwerk oder Geschäft ein kleiner landwirtschaftlicher Betrieb verbunden.

 Eine Bäckerei muß sich schon sehr frühe in Sachsen befunden haben. Bereits 1517 kommt ein Bäcker Veit Hertlein vor und später werden solche immer wieder erwähnt. Sie saßen wahrscheinlich schon von alters her auf dem Anwesen, auf dem auch heute noch die Bäckerei betrieben wird (Hs.–Nr. 22). In Alberndorf richtete um 1765 ein Bäckermeister aus Schalkhausen auf dem Gute Hs.–Nr. 3 eine Backstube ein. Von dort wurde sie 1883 auf das Anwesen Nr. 5 verlegt, wo sie später einging. Schon früher gab sich der Wirt auf dem Gute Nr. 6 zeitweise mit einer Bäckerei ab.

 Von der Badstube zu Sachsen wird später berichtet werden. Andere gelegentliche Geschäfte aus neuester Zeit sind aus dem Hausbesitzerverzeichnis am Schlusse des Buches zu ersehen.


5. Öffentlicher Verkehr, Geldwesen, Maße

 Der öffentliche Verkehr war in der ältesten Zeit kaum nennenswert. Erst als die Städte aufkamen und Mittelpunkte des öffentlichen Lebens wurden, gestaltete sich der Verkehr lebhafter und es bildeten sich Verkehrswege zu den Städten und besonders von Stadt zu Stadt. Auch Klöster und Herrschaftssitze (Schlösser und Burgen) wirkten verkehrsfördernd. Es ist dann öfters von „Straßen“ die Rede, auf denen der Verkehr vor sich ging. Es wäre aber weit gefehlt, dabei an neuzeitliche Straßenzüge zu denken; denn irgendwie gepflegte oder gar mit Steinen beschotterte Straßen gab es damals bei uns nicht. Man mußte sich vielmehr mit Wegen begnügen, die ganz unseren jetzigen Feldwegen ähnlich waren. Höchstens daß man bei den schlimmsten Stellen etwas vorsorgte, große Löcher mit Steinen ausfüllte und über sumpfiges Gelände Holzprügel legte. Eben darum| zogen sich diese „Straßen“ am liebsten über Höhen und Berge hin, weil hier festerer Untergrund gegeben war; dagegen vermied man die Talgründe so viel als möglich, weil diese häufig versumpft, durch Bäche gesperrt oder sonst grundlos und zumal nach längerem Regen ganz unfahrbar waren. Wo der Weg doch über Wasserläufe hinwegführte, mußten feste Brücken vorhanden sein.

 In der ersten Zeit fehlte es auch an solchen Brücken. Man mußte dann nach einer seichten Furt suchen, durch die man mit dem Wagen hindurchfahren konnte, was selbstverständlich nur bei niedrigem Wasserstande möglich war. Eine solche Furt befand sich durch die Rezat bei Volkersdorf, die aber später zu besserer Durchfahrt gepflastert wurde und darum heute noch die „Steinfurt“ heißt. Eine andere Furt ergab sich zwischen Immeldorf und Schlauersbach, die in den alten Schriften stets als „Streitfurt“ bezeichnet wird. Da es dort auch noch einen Streitanger und eine Streitlach gibt, muß wohl der Schluß gezogen werden, daß hier einmal ein „Streit“ ausgefochten wurde, sei’s ein Prozeß um Grund und Boden, oder sei’s ein kriegerischer Kampf zwischen zwei Parteien. Auch von Sachsen nach Rutzendorf mag ursprünglich solch eine Furt als Übergang über die Rezat gedient haben. Da hier jedoch ein dringender Verkehr zwischen dem Gotteshause und dem südlichen Teil der Pfarrei vorlag, wird man bald eine feste Verbindung hergestellt haben, zunächst wohl eine hölzerne Brücke, aber dann eine vom Wasser nicht mehr bedrohte steinerne Brücke. Aus ähnlichen Gründen wird die ursprüngliche Furt zwischen Alberndorf und Steinbach durch eine Brücke in Verbindung mit einem Steg über das Überschwemmungsgebiet ersetzt worden sein.

 Die alten „Straßen“ liefen großenteils ganz anders als die neuzeitlichen Verkehrswege. So ging die Straße von Ansbach nach Lichtenau nicht etwa das Rezattal entlang, sondern von Eyb aus auf die Höhe nach Kaltengreuth, weiter über Hirschbronn hinab nach Sachsen und Volkersdorf. Erst von da an lief die Straße das Tal entlang nach Lichtenau und weiter nach Windsbach. Die Verbindungsstraße von Lichtenau nach Nürnberg ging über Herpersdorf und Petersaurach, von da in gerader Richtung durch den Wald nach Heilsbronn. Von Ansbach aus führte die Straße nach Nürnberg zunächst über Untereichenbach, dann aufwärts nach Neukirchen, an diesem Ort unmittelbar vorbei nach Wicklesgreuth und weiter nach Heilsbronn. Sie wird auf einer Karte von 1525 als „Hohe Straße“, später als „Hochstraße“ benannt. Die Strecke zwischen Untereichenbach und Neukirchen heißt heute noch im Volksmund der „Straßenweg“, obwohl er selbst als Feldweg nur noch wenig benützt wird. Nicht zu verwechseln ist mit dieser Hochstraße die „Alte Poststraße“, die über Katterbach in geringer| Entfernung von der jetzigen Reichsstraße unmittelbar nach Külbingen und von da weiter nach Nürnberg führte. Die heutige Reichsstraße wurde, wie alle gut gebauten Straßen um Ansbach her, erst unter dem letzten Markgrafen Alexander im Jahre 1769 angelegt. Ein alter Weg ging von Ansbach über die Silbermühle weiter nach Ratzenwinden, Unterrottmannsdorf und Wolframs–Eschenbach. Auf der Höhe zwischen Zandt und Großbreitenbronn schnitten sich an einem Punkte mehrere Wege, die von Ansbach, Lichtenau, Eschenbach, Gunzenhausen und Herrieden herkamen.

 Der Verkehr auf den alten Straßen war einst durch viele Zollschranken gehemmt. Beim Übergang von einem Land in das andere wurden schon von jeher Zölle von den durchgeführten Waren erhoben. Als man dann dazu überging, bessere Straßen zu bauen, errichtete man auch im eigenen Lande Zollstätten, um so die Mittel zum Unterhalt der Straßen zu gewinnen. Um 1759 bestanden solche Zollstätten z. B. in Ansbach, Deßmannsdorf, Brodswinden, Weidenbach, Merkendorf, Wicklesgreuth, Windsbach usw. Auch in Alberndorf wurde seit 1742 Zoll erhoben, nachdem eine Landstraße durch das Tal hin gebaut worden war. Diese Wegzölle kamen erst in Wegfall, als die preußische Regierung vom Lande Besitz ergriffen hatte (1792 bis 1806). Im Lichtenauer Bezirk gab es keine Zollstätten; dafür taten aber auch die Nürnberger gar nichts für die Besserung der Straßenverhältnisse.

 Über die neuzeitliche Ausgestaltung des Verkehrswesens, wie sie hauptsächlich unter der bayerischen Regierung vor sich ging, ist bereits auf S. 138 berichtet worden.

 Zum öffentlichen Verkehr gehört auch das Geldwesen, das erst den Verkehr mit Handel und Wandel ermöglicht. Wir haben schon bisher viel von allerlei Münzen und Münzwerten gehört, aber ohne inneren Zusammenhang und ohne genauere Darstellung. Das soll nun soweit als nötig nachgeholt werden. Dabei muß von Anfang an festgehalten werden, daß es ungeheuer schwierig ist, ein anschauliches Bild von dem Münzwesen vergangener Zeiten zu gewinnen, einmal weil die Münzen außerordentlich mannigfaltig waren und häufig wechselten, dann aber auch, weil ihr Wert sehr schwankte und mit der Zeit immer geringer wurde, und endlich weil die Münzen selbst immer wieder verschlechtert und geringwertiger gemacht wurden. Gleichwohl soll eine kurze Darstellung versucht werden, wenigstens was das Geldwesen seit der Reformationszeit betrifft. Um einen gewissen Anhalt für den jeweiligen Wert des Geldes in der Hand zu haben, wurden die Taglöhne zugrunde gelegt, wie sie einst galten und wie sie jetzt| üblich sind; denn diese bleiben sich in ihrem Kaufwert doch immer annähernd gleich, da sie in der Regel nur das zum Leben Notwendige gewähren.

 Um das Jahr 1500 rechnete man bei uns hauptsächlich mit „Pfund“ und „Pfennigen“. Das Pfund war keine Münze, sondern bedeutete nur eine bestimmte Geldsumme, nämlich 240 Pfennige. Der alte Pfennig ist aber nicht zu vergleichen mit unserem heutigen Pfennig; er war vielmehr eine Silbermünze und besaß ungefähr soviel Kaufwert wie heute 15 Kupferpfennige. Ein besserer Taglohn betrug deshalb damals 30 Silberpfennige, d. h. nach heutigem Gelde etwa 4,50 RM. Ein „Pfund“ bedeutete also in jener Zeit rund 36 RM. Neben dem Pfund rechnete man später auch mit dem „Ort“; dieser bedeutete 1/4 Pfund, also etwa 9 RM. Als Großgeld erscheint um jene Zeit der „Gulden“, der ursprünglich, wie schon seine Name sagt, aus Gold geprägt wurde, früher etwa 60 RM wert war, um 1500 aber nur noch einen Kaufwert von etwa 30 bis 36 RM hatte. Erst später wurde der Gulden auch aus Silber hergestellt und verlor damit gewaltig an Wert. Als in Deutschland die Markwährung eingeführt wurde (1871), wurde der Gulden nur noch mit 1,71 M umgerechnet. Es gab weiter um das Jahr 1500 große oder dicke Pfennige, „Groschen“ genannt, die etwa 8 alten Pfennigen an Wert gleichkamen (also etwa 1,20 RM). Weiter kamen die Haller Pfennige auf, die zuerst in der Stadt Schwäbisch-Hall geprägt und danach „Häller“ oder „Heller“ genannt wurden. Sie stellten zunächst eine bessere Münze dar, die mehr galt als der alte Pfennig, verloren aber bald durch Verschlechterung der Münze an Wert, so daß sie schließlich nur noch die Hälfte eines Pfennigs galten. Es kamen weiter die „Taler“ auf, die zuerst in Joachimstal im Erzgebirge geprägt wurden und von dieser Stadt ihren Namen erhielten. Sie standen zunächst dem Gulden gleich, nahmen aber dann recht verschiedene Werte an. Besonders beliebt war späterhin der Rheinische Taler. Bei der Einführung unserer gegenwärtigen Markwährung wurde der Taler dem Wert von 3 RM gleichgesetzt und ist so noch lange in Geltung geblieben (als Dreimarkstück).

 So stellte sich bei uns in der Hauptsache das Geldwesen um das Jahr 1500 und in der nachfolgenden Zeit dar. Aber, wie schon gesagt, diese Münzen und Werte blieben nicht beständig. Schon in den verschiedenen Ländern wurden stets die Münzen mit verschiedenem Gold- und Silbergehalt geprägt und überdies oft noch durch Beimischung anderen Metalls verschlechtert. So sank der Kaufwert der Münzen mit der Zeit immer mehr. Um das Jahr 1680 besaß z. B. der alte Pfennig nur einen Kaufwert von 6 heutigen Pfennigen (statt früher 15), ein Kreuzer (meist der 60. Teil eines Guldens) nur noch| den Wert von 22 Pfennigen heute (statt früher 52 Pfg). Zur Verschlechterung der Münzen trugen auch die sogenannten „Kipper und Wipper“ bei, Leute, die die guten Münzen beschnitten oder gar aus guten schlechte Münzen herstellten (Falschmünzer). Immer wieder mußte gegen diese scharf vorgegangen werden. So verstehen wir es, wenn wir in der Kirchenrechnung von Sachsen 1503 lesen: „Im Stock an guter und böser Münz 28 Pfund 18 Pfennige“; oder wenn es von der Klingelsackeinlage 1732 heißt, daß sich allerlei „verrufene Kreuzer“ darin fanden, die man nur zum halben Werte veräußern konnte.

 Im Jahre 1805 werden bei uns folgende Münzen aufgeführt:

1 Taler = 90 Kreuzer. – 1 Gulden = 60 Kreuzer.
1 Batzen = 5 Kreuzer. – 1 Kreuzer = 4 leichte oder 31/2 gemeine Pfennige.
1 Kaisergroschen = 12 Pfennig. – 20 Groschen = 1 Gulden.
 Dazu Zweigroschen-, Viergroschen- und Achtgroschenstücke.
1 Halbgulden = 1 Mark (nach damaliger Wertung).
1 Konventionstaler = 2 fl. 24 kr. Davon halbe und Viertelstaler.
1 Kronentaler = 2 fl. 42 kr. Davon wieder halbe und Viertelstaler.
1 Laubtaler = 2 fl. 45 kr. Davon auch halbe Taler.
1 preußischer Taler = 1 fl. 45 kr.
1 preußisches Achtgroschenstück = 35 kr., 1 Viergroschenstück = 171/2 kr., 1 Zweigroschenstück = 83/4 kr.

 Noch mannigfaltiger als die Münzen waren in Deutschland die Maße. Nicht nur jedes Land hatte hierin seine Eigenheit, sondern im gleichen Gebiete oft jede Stadt und jeder Bezirk. Es kann darum an dieser Stelle nur auf diejenigen Maße Rücksicht genommen werden, die um Ansbach und um Lichtenau Geltung besaßen. Es bestanden zwar auch hier noch Unterschiede zwischen dem markgräflichen und nürnbergischen Gebiete, doch waren diese nicht allzu groß.

 Als Längenmaß diente wohl überall der „Fuß“ oder „Schuh“, der vom menschlichen Fuße abgenommen und darum von Natur verschieden war. Der Nürnberger Schuh, der bei uns galt, maß 30,4 cm. Der später eingeführte bayerische Fuß hatte nur 29,2 cm. Er war in 12 Zoll eingeteilt zu je 2,4 cm. Ein größeres Maß war die Rute, die 10 Fuß lang war. – Vom Flächenmaß war schon beim Abschnitt von der „Landwirtschaft“ die Rede. Feld und Wald wurden nach Morgen, die Wiesen nach Tagwerk angegeben, beide nicht nach genau feststehenden Maßen, sondern nach der Arbeit, die man an einem „Morgen“ oder an einem „Tage“ darauf leisten konnte. Beide waren größer als das später unter der bayerischen Regierung als allgemeines Feldmaß eingeführte Tagwerk, nach dem auch heute noch| vielfach gerechnet wird. Ein altes Tagwerk umfaßte im Durchschnitt etwa 1,25 bayerische Tagwerk, ein alter Morgen etwa 1,33 Tagwerk. Das bayerische Tagwerk war in Dezimalen eingeteilt, von denen je 100 auf 1 Tagwerk gingen. Auf das jetzt geltende Reichsmaß umgerechnet zählt ein bayerisches Tagwerk 0,34 ha, ein altes Tagwerk 0,4 ha, ein alter Morgen 0,44 ha.

 Das übliche Getreidemaß war in alter Zeit das Simra (Simmer), das sowohl in Ansbach wie in Nürnberg ziemlich gleich war, während sonst in den Ämtern und Städten die größten Verschiedenheiten bestanden. Ein Simra faßte 16 Metzen, aber nur bei glatter Frucht, d. h. bei Korn und Weizen; bei rauher Frucht dagegen, also bei Haber und Gerste, zählte man 32 Metzen. Aber auch da war der Metzen wieder verschieden; bei glatter Frucht faßte er rund 19 Liter, bei rauher Frucht nur 18,5 Liter. Auf unser Reichsmaß bezogen läßt sich sagen, daß eine Simra Korn und Weizen etwas über 3 hl faßte, eine Simra Haber und Gerste nicht ganz 6 hl. In der bayerischen Zeit wurde nach „Schäffel“ gerechnet mit einem Inhalt von 2,22 hl. – Für Flüssigkeiten galt die alte „Maß“, von der 60 oder in Ansbach 66 auf einen Eimer gingen. Die Nürnberger Maß war größer als die spätere bayerische Maß und faßte 1,46 Liter. Noch größer war die Ansbacher Maß, die 1,27 bayerische Maß = 1,85 Liter aufnahm.

 Das Holz wurde nach „Klaftern“ gemessen. Aber auch hier gab es die größten Verschiedenheiten. Eine Klafter nach Ansbacher Maß hatte nur 2,846 Ster; nach Nürnberger Maß war sie verschieden abgestuft je nach der Verwendung als Rechtholz, Besoldungsholz, Werkholz usw. Die größte Nürnberger Klafter faßte 4,04 Ster, die kleinste 1,93 Ster. Rechtholz wurde gewöhnlich zu 2,52 Ster angesetzt.


6. Die öffentliche Sicherheit

 Man rühmt gern die „gute, alte Zeit“, wenn einem in der Gegenwart etwas nicht gefallen will. Nun hatte gewiß die alte Zeit manches Gute und Angenehme, aber sie hatte dafür auch ihre großen Mängel und Schattenseiten. Zu letzteren gehörte das Gebiet der öffentlichen Sicherheit im Lande. Denn damit war es einst sehr schlecht bestellt. Es fehlte vollkommen an einer Land- und Straßenpolizei, die für Ruhe, Ordnung, Sicherheit des Lebens und Eigentums gesorgt und die Zuchtlosigkeit in Schranken gehalten hätte. Darum vernehmen wir aus den alten Schriften fortgesetzt Klagen über die Unsicherheit auf dem Lande. Es trieb sich allzu viel Gesindel auf den Landstraßen umher, nicht nur in Kriegszeiten, sondern auch in Friedenszeiten.| Da es eine Fürsorge für arme Leute nicht gab, mußten diese wohl oder übel auf den Bettel gehen und landauf, landab sich ihren Unterhalt zusammensuchen, wobei sie nur zu leicht auf Abwege gerieten und die geordnete Arbeit verlernten. Zum Betteln gesellte sich gern das Stehlen. Man nahm, was man erwischen konnte, bei Tag und erst recht bei Nacht. Waren die Bauern nicht willig genug zum Geben, so drohte man ihnen mit dem „Roten Hahn“, und manches Anwesen ging in Feuer auf. Es war ja auch dem Gesindel nicht sehr schwer gemacht, den Bauern um Haus und Hof zu bringen, denn die Dächer waren noch mit Stroh gedeckt und Feuerwehren waren unbekannt. Nur scharfe Hunde gewährten einigen Schutz. Besonders berüchtigt waren die „gartierenden Landsknechte“, d. h. abgedankte Soldaten, die irgendwo nach Beendigung eines Krieges entlassen worden waren und sich nun, oft in ganzen Haufen, im Lande umhertrieben. In dem Abschnitt von den „Folgen des Dreißigjährigen Krieges“ ist schon darauf hingewiesen worden. Es war aber nicht nur nach diesem Kriege so, sondern auch nach anderen Kriegen, wie nach den wiederholten Türkenkriegen, den Franzosenkriegen usw. So beklagten sich z. B. 1567 die Leute bei den Behörden, daß der Bauer auf dem Strüthof solchen Landsknechten Unterschlupf gewähre, damit sie „die gestohlenen Hennen daselbst fressen und verschlemmen“ könnten. Mehrfach ergingen von den Regierungen scharfe Mandate gegen „gartierende Landsknechte und herrenloses Gesindel“, wie es 1611 heißt; oder gegen „bettelndes und stehlendes Gesindel“ (1692), gegen „Diebe und Gauner“ (1687), gegen „Mordbrenner“ (1689 und 1726), gegen „Handwerksburschen und Landstreicher“ (1720). Öfters erscheinen auch „Zigeuner“, vor denen gewarnt wird, so 1608 in Sachsen und benachbarten Orten, dann wieder 1693, 1718 und in der Folgezeit noch lange fort.

 Wohl griffen die Regierungen oft ein, veranstalteten Streifen durch ihre Schutzwachen und setzten gelegentlich sogar das Militär ein; aber es half das immer nur für kurze Zeit. Auch schärfste Strafen wurden verhängt und Diebe, Mordbrenner und dergleichen Verbrecher wurden ohne weiteres an den Galgen gehängt; aber die Schwierigkeit war eben die, diese Leute zu erwischen und dingfest zu machen. Bei den vielen Kleinstaaten war die Landesgrenze immer ganz nahe und man konnte sich nach begangener Tat leicht ins „Ausland“ flüchten.

 In diesem Zusammenhange müssen auch die Juden genannt werden. Schon vor dem Dreißigjährigen Kriege werden sie als eine schwere Plage vor allem in den Städten bezeichnet, so daß Markgraf Joachim Ernst (1603–1625) sie aus seinem Lande „ausschaffen“ lassen mußte. Ein späterer Markgraf ließ sie aber wieder herein gegen| Bezahlung eines teuren Schutzbriefes; und noch später hatte Ansbach sogar seine Hofjuden, mit denen es allerdings sehr schlimme Erfahrungen machte. Um 1724 und 1735 wird sogar von jüdischen Banden berichtet, die an verschiedenen Orten Einbrüche und Kirchenraub verübten, so daß man mit schärfster Gewalt gegen sie vorgehen mußte. Im Pfarrbezirk Sachsen ist in früherer Zeit nichts von einer Tätigkeit der Juden erkennbar; erst nach 1700 tauchen sie auf und machen sich als Güterhändler und Güterzertrümmerer bemerkbar, wie 1731 in Volkersdorf, wo der Jude Mosch Lazar von Ansbach das Anwesen Hs.–Nr. 4 zerschlug. Die Stadt Nürnberg duldete ehedem überhaupt keine Niederlassung von Juden in ihrem Gebiet, also auch nicht im Lichtenauer Amt. Dagegen[WS 1] hielt Ansbach immer wieder seine schützende Hand über sie. Bekannt sind im Volksmunde zum Teil heute noch die Namen der übel berüchtigten Juden Model, Elkan und Hirsch Fränkel, Isak Nathan und Ischerlein.

 Sehr groß war einst die Feuersgefahr. Nicht nur wegen der Strohdächer, von denen sich ein Brand leicht auf die Nachbarhäuser übertragen konnte, sondern vor allem wegen der mangelhaften Beleuchtung in den Häusern. Man kannte ja nur Wachskerzen und Talglichter, die aber zu kostspielig waren, als daß man sie regelmäßig hätte benützen können. Für gewöhnlich bediente man sich der „Schleißen“, der langen Späne, die man eigens für den Hausgebrauch zurichtete. Schleißen wurden meist schon in den Wohnzimmern gebrannt; mit brennenden Schleißen ging man in die Ställe und auch in die Scheunen; Schleißen wurden zu Fackeln zusammengebunden und angezündet, um damit über die Straße oder auch über Land zu gehen. Es ist klar, wie feuergefährlich dies alles sein mußte. Dazu war es auch mit den „Öfen und Schlöten“ oft schlimm bestellt, denn eine geordnete Kaminkehrung gab es noch nicht und Kaminbrände waren darum nicht selten. Auch sonst ging man nicht immer vorsichtig genug mit dem Feuer um, wie wir schon bei der Darstellung der Flachsbereitung (Abschnitt „Landwirtschaft“) gesehen haben. Deshalb erließ Markgraf Wilhelm Friedrich im Jahre 1715 eine eingehende „Feuerordnung“ mit ausdrücklichem Hinweis auf die in jüngster Zeit „verschiedentlich ausgebrochenen schweren Feuersbrünste“. Aus dieser Ordnung sei folgendes kurz herausgehoben:

 Bei schwerer Strafe ist es verboten, mit brennenden Lichtern oder Schleißen oder auch angesteckten Tabakspfeifen in die Ställe oder auf die Böden zu gehen; es müssen stets wohlverwahrte Laternen gebraucht werden. Ebenso ist es streng verboten, nachts mit offenen Lichtern oder mit Fackeln über die Gasse zu gehen. Verboten ist auch, Heu, Stroh, Flachs oder dergleichen an Orten zu verwahren, wo man| mit Lichtern vorbeigehen muß. Jeder Hausvater soll vor dem Schlafengehen noch überall im Hause nachsehen, ob das Feuer wohl verwahrt sei. Verboten ist es, Asche oder Ruß auf die Miststätte zu bringen oder in hölzerne Gefäße zu fassen. Holzstöße und Reisig dürfen nicht an die Häuser geschichtet oder in diese hineingebracht werden, sondern müssen abseits wohl verwahrt werden. Zweimal im Jahre soll eine Feuerschau in alle Häuser gehen und strenge Nachschau halten. Lederne Wassereimer sind überall zu beschaffen. Zum Dörren und Brechen des Flachses sind eigene Häuser auf freiem Felde zu errichten. Das Dreschen bei Nacht ist ganz abzustellen bei 2 fl. Strafe. Das Decken der Häuser mit Schindeln oder Stroh ist in den Städten ganz verboten, auf dem Lande soll es soviel als möglich „verwehrt“ werden. „Geschlierte oder gar hölzerne Schlöte“ sind durchaus nicht gestattet. Die Backöfen sind außerhalb der Häuser und in guter Entfernung davon abzusetzen.


7. Die öffentlichen Lasten

 Wiederholt sind schon die Abgaben berührt worden, die in früherer Zeit von der Bevölkerung zu tragen waren. Sie sollen aber hier zusammengefaßt und noch weiter ergänzt werden.

 Die ältesten und zugleich wichtigsten Abgaben waren die auf dem Grundbesitz lastenden, die Grundlasten. Sie waren von doppelter Art:

 a) Die Zehnten, von denen auf S. 56 die Rede war. Sie sollten eigentlich der Kirche ausschließlich zustehen, gingen aber im Laufe der Zeit zum weitaus größeren Teile in die Hände von Klöstern und besonders auch von weltlichen Herren über und verfehlten damit ihren ursprünglichen Zweck, der Kirche nach jeder Richtung hin eine gesicherte Grundlage zu schaffen.

 b) Die an die Grundherren als die eigentlichen Besitzer des Grund und Bodens zu leistenden Abgaben (siehe S. 39). Sie waren ihrer Art und Höhe nach recht verschieden. Allgemein üblich war eine Leistung an Getreide, meist Korn und Haber, die jährliche „Gült“. Daneben trat meist noch ein Geld-Zins, der anfangs nicht unbeträchtlich war, aber mit dem sinkenden Geldwert von selbst immer geringer wurde und schließlich zu einem ganz kleinen Betrag herabsank. Weiter war das „Handlohn“ zu entrichten, wenn das Gut in andere Hände überging. Es betrug in der Regel den 30. Teil des Hofwertes, wenn infolge Todesfall der Besitz weiter vererbt wurde, dagegen den 15. Teil, wenn das Gut verkauft wurde. Doch kamen auch geringere und höhere Handlöhne vor je nach dem Herkommen. In| ältester Zeit war auch bei solchen Besitzveränderungen das „Besthaupt“ oder auch „Bestkleid“ üblich, d. h. die Abgabe des besten Stück Viehes oder des besten Kleides an den Grundherrn. Diese Abgabe kam fast überall schon frühzeitig in Wegfall, vermutlich weil dafür das Handlohn eingesetzt wurde. Im Pfarrbezirk konnte es späterhin nur noch in zwei Fällen festgestellt werden: Vom Hause Nr. 3 in Hirschbronn heißt es um 1661, daß es „Hauptrecht gibt“, allerdings in Form einer entsprechenden Geldentschädigung; und von Hs.–Nr. 5 in Unterrottmannsdorf lesen wir 1770, daß es „mit dem besten Stück Vieh zum Hauptrecht“ pflichtig sei. Da und dort waren noch einzelne Naturalgaben herkömmlich, wie etwa die „Weihnachtssemmel“, oder Wachs oder dergleichen. Allgemein galt als Zeichen der grundherrlichen Abhängigkeit die Übergabe einer, manchmal auch mehrerer „Fastnachthennen“, daneben oft noch die Lieferung von Herbsthühnern.

 Zu den grundherrschaftlichen Lasten werden in der Regel auch die Frondienste gerechnet, obwohl diese zum Teil wohl auch dem Landesherrn galten und damit zu den allgemeinen öffentlichen Lasten zu rechnen wären. Sie waren sehr verschieden und meist wenig drückend. So erfahren wir aus dem Lichtenauer Salbuch, daß vier Bauern von Rutzendorf, dann zwei von Malmersdorf und je einer von Volkersdorf und vom Weickershof verpflichtet waren, das Heu und Grummet von der Schloßwiese bei Lichtenau in die herrschaftliche Scheune einzufahren, wobei sie für jede Fuhre eine Maß Bier und ein Pfund Brot erhielten. Weiter hatten sie das Brennholz für das Schloß in Lichtenau und nötigenfalls auch das erforderliche Bauholz zu fahren gegen einen bescheidenen Fuhrlohn. Dafür hatten sie aber auch Anspruch auf Rechtholz (siehe S. 260). Alle nach Lichtenau und zum Almosenamt gültpflichtigen Untertanen hatten weiter Jagdfron zu leisten bei den Treibjagden auf Hasen, Rehe, Füchse und anderes Kleinwild, aber nur an zwei Tagen im Jahre, wobei sie überdies je zwei kr. Entschädigung erhielten. Ein Dienstbauer hatte dazu den „Hasenwagen“ zu fahren für 71/2 kr. Ähnlich scheint es im markgräflichen Gebiet gewesen zu sein. Hier lesen wir gelegentlich, daß die Bauern auf Hs.–Nr. 1 und 5 in Hirschbronn mit je einer „halben Mähne mit 1 Stück“ belastet waren, d. h. sie mußten zusammen mit einem Doppelgespann Fronfuhren leisten. Der markgräfliche Bauer in Rutzendorf Hs.–Nr. 19 hatte „1 Stück Anspann zur Jagd“ zu stellen, wenn der Markgraf in der Nähe auf Hirsche und Wildschweine jagte. Der Halbhof „Weiß“ in Steinbach (wohl Hs.–Nr. 19) hatte „Handdienst mit Holzhacken und Jagen“. Die vordere Mühle in Steinbach und die Büchenmühle waren verpflichtet, je einen markgräflichen Jagdhund zu „atzen“, d. h. zu füttern. Auch der Markgraf bewilligte an seine Bauern reichlich Rechtholz.

|  Alle Grundlasten wurden 1848 in feste Reichnisse an Geld umgewandelt (Bodenzinse).

 Zu diesen Grundlasten, die ursprünglich die einzigen Lasten waren, kamen im Laufe der Zeit allgemeine öffentliche Abgaben, die teils das Reich (der Kaiser) mit Bewilligung des Reichstages zur Bestreitung der Kriegskosten einführte, teils die Landesfürsten zur Deckung ihrer Schulden in Sachen des Landes, aber auch für den eigenen Haushalt, zur Ausstattung von Fürstentöchtern u. a. Die Landesherren waren dabei an die Bewilligung durch die Landtage gebunden, die sich aus den großen Grundherren, den Vorständen der Klöster, den Vertretern der Städte und anderen maßgebenden Persönlichkeiten zusammensetzten. In ältester Zeit waren die Kaiser und Fürsten zur Bestreitung ihrer Ausgaben allein auf ihr persönliches Vermögen angewiesen, der Kaiser daneben auf den Ertrag der Königshöfe und anderer Reichsgüter, auch auf die Gebühren für die Verleihung von Rechten, z. B. an Städte, und dergleichen. Der Heeresdienst mußte ohne jedes Entgelt von den freien Bauern geleistet werden. Aber mit der Zeit änderte sich dieses Verhältnis, besonders als zur Kriegsführung Söldnerheere aufgestellt wurden. Da erwuchsen hohe Kosten, die nicht mehr auf die bisherige Weise getilgt werden konnten, zu denen darum das ganze Reich beisteuern mußte. Ähnlich ging es den Landesherren für die in ihrem Gebiet erwachsenden Kosten.

 Folgende allgemeine öffentliche Abgaben sollen hier genannt sein:

 1. Der „Gemeine Pfennig“, eine schon vor der Reformation wiederholt erhobene Reichssteuer, z. B. 1471 als Türkensteuer, dann wieder 1490. Es war eine richtige Kriegssteuer, die immer je nach Bedarf von den Reichsständen bewilligt werden mußte. Sie wechselte in ihrer Höhe und war vom gesamten beweglichen und unbeweglichen Vermögen von jedermann zu leisten, bei geringem Bedarf mit 1/4% des Vermögens, bei höherem Bedarf bis zu 11/4%. Infolge der vielen Kriege wurde die Steuer immer häufiger erhoben, besonders zu den Kämpfen gegen die Türken als sogenannte „Türkensteuer“.

 2. Im Markgrafentum gab es fast immer Schulden, weshalb die Landstände stets aufs neue Steuern zu bewilligen hatten. Wir hören da bald von einer Martinisteuer, bald von einer Michaelisabgabe. Dauernd hat sich die „Lichtmeßsteuer“ erhalten, die zwar anfangs auch nur eine außerordentliche Abgabe war, aber dann alljährlich von allen Untertanen erhoben wurde. Sie wurde zu einer regelrechten Landessteuer, die zu den „ordentlichen Kammergefällen“ gehörte. Sie erlosch erst, als 1812 an ihre Stelle mit Zusammenfassung anderer Abgaben ein allgemeines „Steuerprovisorium“ eingeführt wurde.

|  3. Der Bezirk um Lichtenau hatte nach Nürnberg andere Landessteuern zu entrichten. Es kommt da 1618 eine „Fronsteuer“ vor und später eine „Landsteuer“. Beide hatten wohl den gleichen Zweck wie die markgräflichen Steuern, nämlich die Schulden der Stadt Nürnberg zu tilgen.

 4. Zu den schwersten öffentlichen Lasten zählten die ungeheuren Kontributionen, die im Kriege von den Feinden den Bewohnern des Landes auferlegt wurden. Wir hörten davon schon beim Hussitenkrieg 1430, und wieder im Dreißigjährigen Kriege. Dann kamen 1688 die Franzosen, 1763 die Preußen, 1796 und 1805/6 abermals die Franzosen. Und immer wieder wurde das Land gebrandschatzt und mußte schwere Summen Geldes erlegen. Daß daneben auch Gespanne für den Feind zu leisten, Proviant beizuschaffen, Einquartierungen zu übernehmen waren, sei nur der Vollständigkeit halber beigefügt.

 5. Eine friedliche Last war dagegen das „Umgeld“, eine auf Bier, Wein und Branntwein gelegte Abgabe, die schon sehr alt ist und in anderer Form heute noch besteht. Es war immer eine recht einträgliche Landessteuer, die z. B. für die beiden Fürstentümer Ansbach und Bayreuth 1564 die damals sehr bedeutende Summe von 30400 fl. ergab.

 6. Von den Zöllen ist schon beim Verkehrswesen geredet worden. Sie waren zu jener Zeit notwendig, damit endlich die Straßen in besseren Zustand versetzt werden konnten. Sie haben als Pflaster- und Brückenzölle bis in die neueste Zeit herein fortbestanden. Nur die Grenzzölle an den Grenzen unseres Reiches gibt es auch heute noch.

 7. Eine wachsende Belastung des Volkes brachten die amtlichen Gebühren mit sich. Sie wurden mit der Zeit immer zahlreicher und höher und mußten bei allen möglichen Gelegenheiten entrichtet werden, in Vormundschaftssachen, für Heiratserlaubnis, bei gerichtlichen Urteilen, bei Genehmigung von Gesuchen, als Botenlöhne usw.


8. Das Armenwesen

 Neben dem landstreichenden Gesindel, von dem im Abschnitt von der öffentlichen Sicherheit die Rede war, gab es auch wirkliche Arme, die unverschuldet in Not geraten waren, die keine genügende Arbeit finden konnten oder die infolge von körperlichen Gebrechen nicht imstande waren, sich den Lebensunterhalt selbst zu verdienen. Für sie sorgte weder der Staat noch die Gemeinde, sie waren vielmehr ganz auf die Wohltätigkeit ihrer Mitmenschen angewiesen. In der ältesten Zeit war es die Aufgabe der Kirche, sich um diese Armen| anzunehmen, und gerade die Überlassung des Zehnten sollte dazu auch die nötigen Mittel gewähren. Aber es ist schon gesagt worden, wie der Zehnte mehr und mehr der Kirche genommen wurde, wie auch sonst die Einkünfte der Gotteshäuser immer mehr zurückgingen. Sie konnten darum ihrer pflichtmäßigen Armenversorgung nur mehr unvollkommen gerecht werden. Luther hat deshalb darauf gedrungen, daß in jeder Gemeinde ein „gemeiner Kasten“ aufgestellt werde, damit die Besucher des Gottesdienstes ihre Opfer einlegen und so die Kirche ihrer Aufgabe an den Armen nachkommen könnte. Ob damals auch in Sachsen solch ein „Kasten“ oder Opferstock aufgestellt wurde, ist nicht bekannt; wahrscheinlich ist es nicht geschehen, weil hier schon durch die wohlhabende Sebastiansstiftung hinreichende Vorsorge getroffen war. Allerdings verwendete man späterhin nur einen, oft recht bescheidenen Teil der Einkünfte dieser Stiftung zu diesem Hauptzweck, während man den Hauptteil für die Schule und andere Zwecke ausgab. So war doch auch in Sachsen für die Armen wieder schlecht gesorgt.

 Im Jahre 1595 erging ein markgräfliches Mandat auf Grund eines Beschlusses des Reichstags zu Regensburg, wonach in allen Pfarrkirchen „Stöcke, Kasten und Truhen“ aufgestellt werden sollten, um die aus dem Türkenkrieg zurückkehrenden Kranken und Verwundeten zu versorgen. Es ist nicht überliefert, ob der Beschluß auch in Sachsen vollzogen wurde; wenn ja, dann war es nur eine vorübergehende Maßnahme. Eine richtige Armenpflege kam erst 1707 in Gang, als in Sachsen der Klingelsack eingeführt und in jedem Hauptgottesdienst herumgetragen wurde. Er brachte gleich im ersten Jahre 88 fl. ein; und wenn es auch später etwas weniger wurde, so fiel doch immer eine für die damalige Zeit ganz schöne Summe an, die zwischen 47 und 90 fl. schwankte. Das Geld wurde restlos für die Armen verwendet, in erster Linie für solche aus der Pfarrei, dann aber auch für fremde Hilfsbedürftige, soweit sie einer Unterstützung würdig waren, besonders für Heimatlose, Flüchtlinge und dergleichen. Das durch den Klingelsack eingesammelte Geld wurde jedesmal vor den Augen der Gemeinde in den Opferstock geleert, der vermutlich in der Nähe des Altars stand, ähnlich wie der jetzt noch dort befindliche Stock. Von Zeit zu Zeit, zwei bis viermal im Jahre, wurde dann der Opferstock von den zuständigen Persönlichkeiten geöffnet und sein Inhalt in die Kirchenstiftungskasse zur Verrechnung übernommen. In Neukirchen, wo nur einmal an der Kirchweihe Gottesdienst gehalten wurde, verteilte man den Ertrag des Klingelsacks stets sofort an Arme.

 Trotzdem verstummten die Klagen über das Bettlerunwesen nicht. Andere Gemeinden gingen eben nicht in gleicher Weise vor, obwohl die markgräfliche Regierung 1720 anordnete, daß fortan jede| Gemeinde ihre Armen selbst zu versorgen habe. Und auswärtige Herrschaften taten überhaupt nicht mit, so daß gerade von dort die Bettler nach wie vor ins Land kamen, z. B. aus dem Deutschordensgebiet Eschenbach oder aus dem Bistum Eichstätt (Herrieden, Ornbau). Auch die Stadt Ansbach konnte ihre vielen Armen nicht meistern. In einem Bericht von 1808 heißt es von Neukirchen: „Sehr geplagt von Bettlern“; von Hirschbronn: „Der Bettel ist sehr groß“; von Sachsen: „Hat vom Anlauf fremder Bettler sehr viel auszustehen“. Dabei hatte Sachsen selbst zehn Hausarme zu versorgen, Hirschbronn deren sechs. In Ratzenwinden und Oberrammersdorf gab es damals keine Hausarmen. Von anderen Orten ist uns nichts berichtet.

 Eine staatliche Armenfürsorge bestand bis 1808 nicht. Wo aus irgendeinem Grunde die Behörde eingreifen mußte, tat sie es auf Kosten vermöglicher Kirchenstiftungen, wie wir es bei Neukirchen (S. 216) gesehen haben. Auch Sachsen wurde öfters beigezogen. Als 1744 bei der Weidenmühle (bei Ansbach) ein ausgesetztes Kind aufgefunden wurde, hatte die Kirchenstiftung jährlich 4 fl. als Erziehungsbeitrag für das Kind nach Ansbach abzuliefern. Ähnliches wiederholte sich. Erst recht mußte die Stiftung eintreten, als im Pfarrbezirk selbst, nämlich in Ratzenwinden vor dem Hause des Johann Paul Schuh (Hs.–Nr. 1), ein etwa 14 Tage altes Kind ausgesetzt worden war. Da die Eltern des Kindes nicht zu ermitteln waren, hatten sich die Stiftungen von Sachsen und Neukirchen in die Aufbringung des Pfleggeldes zu teilen. Das Kind erhielt dann den Namen „Backsteiner“, weil es neben einem Haufen Backsteine gefunden wurde; getauft wurde es auf den Namen Johann Michael.

 Im Jahre 1808 wurde die gesamte Armenpflege für den Landgerichtsbezirk Heilsbronn bei diesem Amte vereinigt und eine „Wohltätigkeitsbeamtung“ eingerichtet. Alle Klingelsackeinlagen mußten nun dorthin abgeliefert werden, und alle Armen des Bezirks sollten von dort aus versorgt werden. Der Erfolg dieser Zentralisierung war vorauszusehen: Es erwuchsen eine Menge Schreibereien und Unkosten, und die Armen kamen doch nicht zu ihrem Rechte. Denn es war unmöglich, von einer entfernten Stelle aus die Würdigkeit und Bedürftigkeit der Einzelnen genau zu prüfen; die Unterstützungen gelangten allzu oft an die unrechte Stelle, während die wirklich Bedürftigen zu kurz kamen. Die Wohltätigkeitsbeamtung mußte deshalb nach einigen Jahren wieder aufgehoben werden. Dafür wurden dann in allen Gemeinden „Lokalarmenkassen“ eingerichtet und damit den politischen Gemeinden die Fürsorge für die Armen übertragen. Die Klingelsackeinlage von Sachsen floß nun ohne weiteres in die sechs Armenkassen der in der Pfarrei bestehenden Gemeinden. Für die Dauer war das kein normaler Zustand, daß die Kirche zwar| die Mittel für die Armenpflege aufbringen, die Verteilung der Mittel aber den politischen Gemeinden zustehen sollte. Da überdies die Kirchenstiftung ihre Einnahmen selbst sehr notwendig brauchte, beschloß 1884 die Kirchenverwaltung, fortan den Ertrag des Klingelsacks selbst zu behalten und ihn für kirchliche Zwecke zu verwenden.

 Durch die neueste Gesetzgebung wurden die Armenpflegen durch die Ortsfürsorgeverbände ersetzt. Irgendeine Teilnahme der Kirche oder ihrer Vertreter an der Fürsorge für die Armen ist nunmehr ausgeschlossen; nur die freiwillige Liebestätigkeit steht ihr noch zu.


9. Die Volksgesundheit

 Gesundheitspflege war in vergangenen Zeiten wenig bekannt. Ärzte gab es auf dem Lande überhaupt nicht und in den Städten nur vereinzelt. Man mußte sich in Krankheitsfällen mit dem begnügen, was erfahrene ältere Leute wußten, und das war meist nicht viel und manchmal recht verkehrt. Einige Kenntnisse eigneten sich mit der Zeit die Bader an, die besonders bei äußeren Verletzungen Hilfe leisten konnten. Bei inneren Leiden aber war man bis in die neuere Zeit herein fast völlig hilflos. Es ist begreiflich, daß dabei die Kurpfuscherei blühte, wie noch 1808 die Klage laut wurde, daß „alte Weiber, Hirten und auch Fallmeister“ an den Kranken herumkurierten.

 Begreiflich ist auch die große Sterblichkeit, wie sie aus den alten Kirchenbüchern zu erkennen ist. Vor allem waren es die Kinder, die leicht dem Tode zum Opfer fielen. So befanden sich z. B. 1682 unter 36 Verstorbenen nicht weniger als 15 kleine Kinder, im folgenden Jahre unter 25 Toten 12 Kinder. Hundert Jahre später ist das Verhältnis nicht viel günstiger; man zählte unter 46 Verstorbenen im Jahre 1782 noch 17 kleine Kinder, im nächsten Jahre 18 unter 46 Toten. Die Bevölkerung nahm deshalb nur ganz langsam zu, obwohl die Zahl der Geburten sich stets auf einer rühmlichen Höhe hielt.

 Die große Kindersterblichkeit hing freilich in erster Linie damit zusammen, daß das Hebammenwesen noch völlig unausgebildet war. Es kamen bei den Geburten oft die schlimmsten Versäumnisse und Verfehlungen vor, die nicht nur den Kindern, sondern allzu häufig auch den Müttern im Wochenbette das Leben kosteten. Um das Jahr 1800 waren die beiden Hebammen von Eyb und Brodswinden zuständig für die markgräflichen Dörfer in der Pfarrei, die Hebamme in Lichtenau für die nürnbergischen Dörfer.

 Zu der hohen Sterblichkeit trugen außerordentlich viel die immer wiederkehrenden Seuchen bei. Wir lesen in den alten Berichten z. B. 1533 von einer „Seuche“, 1543 von einer „pestilenzischen| Seuche“, 1562 von der „Pest“, 1575 von „eingerissenen Seuchen und Krankheiten“. Und so ging es fort durch die Jahrhunderte, besonders in Kriegszeiten, wie im Dreißigjährigen Kriege, wo in Lichtenau 1635 sogar ein Fall von „Aussatz“ festgestellt wurde. Oft wurden behördliche Anordnungen erlassen, um das Eindringen von solchen Seuchen – meist vom Osten her über Böhmen und Österreich – zu verhindern; es wurde vor reisenden Bettlern, vor Juden und anderen gewarnt. Schon längere Zeit vor dem Dreißigjährigen Kriege tauchte die „abscheuliche Krankheit der Franzosen“ auf, eine außerordentlich böse und ansteckende Geschlechtskrankheit, gegen die der Pfleger in Lichtenau von der Stadt Nürnberg ausdrücklich einen verständigen Arzt anforderte, um die Krankheit zu bekämpfen. Über alle diese Seuchen Herr zu werden, ist erst in neuerer Zeit gelungen. Teils durch strenge Grenzkontrolle und Absperrmaßnahmen, teils durch Impfungen und sachgemäße ärztliche Behandlung ist allmählich der Zustand eingetreten, wie wir ihn heute kennen, wo die Worte „Pest“ und „Seuche“ nur noch vom Hörensagen bekannt sind. Die Schutzpockenimpfung, durch die bis heute die schlimme Blatternkrankheit siegreich bekämpft wird, ist um das Jahr 1800 eingeführt worden.

 Weit verbreitet und viel gebraucht waren ehedem die Badestuben. Schon 1407 werden sie in Sachsen und Immeldorf erwähnt, auch Lichtenau besaß eine solche. Von Brodswinden wurde 1467 sogar als von einem „Wildbad“ geredet. Es war wohl überall so, wie es uns um 1550 aus Lichtenau berichtet wird, daß der „Bader“ jeden Samstag ein warmes Bad zu richten hatte. Jede Person, die baden wollte, hatte dafür 1 Pfennig (damals = 15 heutige Pfennig) zu entrichten, Kinder unter 10 Jahren waren frei. Das Holz zum Heizen des Bades mußte der Bader selbst stellen, soweit nicht die Herrschaft in Lichtenau einiges dazu leistete. Diese an sich sehr erfreuliche Neigung zum Baden war aber durchaus nicht immer gesundheitsfördernd; denn das gleiche Bad wurde stets von vielen Personen miteinander und nacheinander benützt, so daß von Reinlichkeit bald nicht mehr viel zu merken war. Und überdies verbreiteten sich dadurch leicht ansteckende Krankheiten, wie es z. B. von der oben angeführten Franzosenkrankheit ausdrücklich bezeugt wird. Mit der Zeit gingen auch diese Badstuben wieder ein.

 Dagegen blieben die Bader weiter bestehen. Nur daß sie sich fortan in anderer Weise mit der Körperpflege beschäftigten. Sie übernahmen das Rasieren oder, wie man früher sagte, das „Balbieren“; sie konnten zu Ader lassen („schröpfen“), Wunden verbinden, allerlei Salben bereiten und dergleichen. Allmählich versuchten sie auch innere Krankheiten zu heilen, was ihnen aber durch die markgräfliche Baderordnung von 1655 untersagt wurde. Nach dieser Ordnung| durften sie wohl äußere Schäden am menschlichen Leibe behandeln, aber nichts „zur Kur des inneren Menschen“ vornehmen, auch keine Arzneien verschreiben. Überdies mußten sie vor der Zulassung zum Baderberuf erst eine Prüfung ablegen. Auf Grund dieser Prüfung pflegten sich dann die Bader gern als „Chirurgen“ zu bezeichnen. Für Sachsen sind uns die Namen folgender Bader und nachmals Chirurgen überliefert: 1564 Wolf Funk, 1577 Hans Eberlein, 1747 Johann Georg Lämmel, 1764 Johann Friedrich Supf, 1782 Karl Joh. Friedrich Häberlein, aus Weiltingen zugezogen, 1815 Joh. Philipp Friedrich Häberlein, der Sohn des Vorgenannten, 1832 Friedrich Gottschalk aus Bürglein.

 Die Volksgesundheit ist in hohem Grade abhängig von der Lebensweise eines Volkes. Nur eine maßvolle Lebensweise ohne Ausschweifungen und Entartungen vermag auf die Dauer ein Volk bei Kraft, Gesundheit und Leistungsfähigkeit zu erhalten. Leider kann man nicht behaupten, daß diese Grundregel bei uns immer eingehalten worden wäre. Besonders bei außerordentlichen Gelegenheiten, wie bei Taufen, Hochzeiten, Kirchweihen und dergleichen, gab man sich nur zu gern der Völlerei mit Saufen, Fressen und noch schlimmeren Dingen hin. Aber auch sonst gab es oft zu klagen. Wir hören von Zechereien schon am Sonntagvormittag während des Gottesdienstes, von vielem Branntweintrinken in den Wirtshäusern, von unerlaubten Tanzereien an Sonn- und Feiertagen und anderem. Immer wieder mußten die Behörden dagegen einschreiten. So erging z. B. 1594 ein Erlaß der Stadt Nürnberg wider „Hoffarttreiben, Schwelgen, Volltrinken und andere Leichtfertigkeiten“. Im Zusammenhang damit steht die schon erwähnte Überhandnahme der Branntweinbrennereien nach dem Dreißigjährigen Kriege. Oft kommen auch Klagen über Unzucht, Ehebruch und andere Unsittlichkeit vor. Gewiß darf man solche Klagen nicht übertreiben und überschätzen, da in den Berichten immer nur die Schattenseiten des Volkslebens hervorgehoben werden, während die hellen und lichten Seiten als selbstverständlich betrachtet und darum nicht weiter benannt werden. Aber soviel darf und muß gesagt werden, daß es in vergangener Zeit durchaus nicht immer und überall zum besten bestellt war. Manches ergab sich auch aus den Zeitverhältnissen. Wenn im Jahre 1818 das Pfarramt Sachsen darüber Beschwerde führte, daß in der Pfarrei nicht weniger als neun wilde Ehen vorhanden waren, so darf nicht übersehen werden, daß damals die Eingehung einer Ehe für arme Leute außerordentlich erschwert war; jede Gemeindevertretung konnte dagegen Einspruch erheben, wenn sie eine etwaige spätere Belastung der Gemeinde befürchtete. Auch die Eltern der Betreffenden besaßen ein weitgehendes Einspruchsrecht.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Dggegen
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Volkskundliches »
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