Ehemaliger und gegenwärtiger Zustand des Gymnasiums in der hoch- und teutschmeisterischen Residenzstadt Mergentheim

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Autor: Anonym
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Titel: Ehemaliger und gegenwärtiger Zustand des Gymnasiums in der hoch- und teutschmeisterischen Residenzstadt Mergentheim
Untertitel:
aus: Journal von und für Franken, Band 3, S. 415–434
Herausgeber: Johann Caspar Bundschuh, Johann Christian Siebenkees
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1791
Verlag: Raw
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Erscheinungsort: Nürnberg
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Originalherkunft:
Quelle: UB Bielefeld, Commons
Kurzbeschreibung:
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II.
Ehemaliger und gegenwärtiger Zustand des Gymnasiums in der hoch- und teutschmeisterischen Residenzstadt Mergentheim.[1]
Da ich diesen Aufsatz verfertige, habe ich gar nicht die Absicht, eine Anstalt vor den Augen des Publicums herunter zu setzen, die in vieler Rücksicht Lob und Beyfall verdient. Es wäre eine Satyre auf die| Menschheit, wenn man behaupten wollte, eine Anstalt sey von allen Mängeln frey, und bedürfe gar keiner Verbesserung mehr. Aber erwarten, daß man nicht einmahl mit Bescheidenheit jene Hindernisse entdecke, die dem Plane und der guten Absicht des erhabenen Landesherrn im Wege stehen, dieß wäre in den Augen der Welt eben so thöricht, als wenn ein Bauherr die Offenherzigkeit eines redlichen Fremdlings, der im Durchreisen einige Mängel in dem noch nicht vollendeten Gebäude wahrnimmt, und sie demselben entdecket, mißdeuten oder gar ahnden wollte. Wir werden von andern immer genauer und von mehrern Seiten beobachtet, als von uns selbst; und der Vater siehet oft aus einer verzeihlichen Liebe zu seinem Kinde die Schwachheiten desselben nicht, ob er gleich den Wunsch heget, und sich auch bestrebet, denselben abzuhelfen. Dieß vorausgeschickt, und vollkommen überzeugt, daß Mergentheim Männer von erprobter Einsicht und Billigkeit besitzet, die nicht Ursache haben, bey Durchlesung dieser Schilderung zu erröthen, oder mit knirschenden Zähnen den Namen ihres Verfassers, der aus seinem Namen eben kein Geheimniß zu machen nöthig hat, errathen zu wollen, will| ich eine kurze Beschreibung des Mergentheimer Gymnasiums liefere, und derselbigen einige Bemerkungen beyfüge, wie ich sie bey meinem zweymahligen Aufenthalte daselbst zum Theil selbst gemacht, zum Theil aber aus glaubwürdigen Erzählungen erfahren habe.
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 Die Verfassung des Mergentheimer Gymnasiums muß in zwey Perioden dargestellt werden, um von ihrer gegenwärtigen Güte ein richtiges Urtheil fällen zu können. Der Anfang der ersten Periode ist mir unbekannt, sie endigt sich aber mit dem Jahre 1784, und die zweyte fängt mit dem folgenden an. Beyde sind, sowohl in Rücksicht der Gegenstände und Lehrmethode, als auch der Lehrer selbst, sehr von einander verschieden. – Eigentlich hat Mergentheim ein Lyceum, denn es wird Philosophie gelehret, und ehedem wurden auch theologische Vorlesungen gehalten. Doch war die Periode, in welcher Theologie gelehret worden ist, sehr kurz; denn erst im Jahr 1774 wurden die ersten Vorlesungen gehalten, und schon 1782 stellte sie der Herr Hoch- und Teutschmeister wieder ein. Die Ursache war indessen nicht diese, daß die Wissenschaft| nicht mit Vortheil gelehret worden wäre, denn die Lehrer waren redliche und geschickte Männer, und auch ihre Zöglinge, von denen ich unter andern den Herrn Jacobi, Vorsteher des katholischen Religions-Exercitiums zu Nürnberg als einen würdigen und geschickten Mann persönlich zu kennen das Vergnügen habe, machen ihnen Ehre; sondern wahrscheinlich geschah es deswegen, weil sich die Zahl der Candidaten ins Seminarium ungleich mehr vergrößerte, als der Teutsche Orden auf seinen wenigen Pfarren versorgen konnte. In ein detaillirtes Urtheil von den vorgetragenen Materien, und den Schriftstellern, die dieselben behandelt haben, kann ich mich als Laie in der Theologie nicht einlassen.
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 Die Philosophie wird etwas länger zu Mergentheim gelehret, und mag ihre Existenz schon im 3 oder 4ten Zehend dieses Jahrhunderts erhalten haben. Aber die längste Zeit über wurde eine elende Aristotelische Philosophie gelehret, bis in den letzten Jahren vor der Schulreformation zwey Professoren aus dem Dominicaner Orden das von Röser in Wirzburg nach Feder verfertigte Schulbuch einführten. – Auch hier kann ich nichts von der Methode sagen,| weil es zu Mergentheim nicht gebräuchlich war, daß ein Fremder den Vorlesungen beywohnte. Ob dieses unter die Ordensregeln der Dominicaner gehöret, weiß ich nicht; glaube aber, daß diese Männer nicht Ursache hatten, mit ihren philosophischen Wissenschaften groß zu thun. Wenigstens konnte ich dieses aus einer Disputation, welche 1784 unter dem Vorsitze des Pr. Raymund Meichelbeck gehalten wurde, und bey der ich gegenwartig war, folgern. Mit dem Cursus 1784 ward den Dominicanern die Last abgenommen, aus ihrem Mittel Professoren der Philosophie nach Mergentheim zu schicken.
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 Auch die fünf untern Schulen sind den Dominicanern anvertraut. Hier waren Gegenstände und Lehrmethode ganz dem Geiste der Mönche angemessen. Noch im Jahre 1784 wurden über die Religionslehre ein lateinischer Auszug aus des Jesuiten, Peter Kanisius, größerem Katechismus, für alle fünf Schulen, über die Geschichte die Augsburger Opuscula historica, zu Schulbüchern benützt. Man darf aber ja nicht glauben, daß das Geschmacklose, Mangelhafte, Unrichtige, Falsche dieser Bücher durch gelehrte Anmerkungen der Professoren| sey berichtiget worden; nein! das ganze Verdienst dieser Männer bestand in der Kunst, sich von ihren Zöglingen die Aufgaben von Wort zu Wort auswendig hersagen zu lassen. Die lateinische Sprache, der bey den Katholiken noch vor kurzem einzige Schlüssel zu den Wissenschaften, wurde zwar noch etwas besser betrieben, aber man kannte wenige Classiker, und von Übersetzungen aus dem Latein in die Muttersprache urtheilte man, wie von einem Unding. Da hörte man, ausser der Geschichte der Römischen Hierarchie, nichts oder wenig von Erdbeschreibung, Natur- und Völkerkunde, Rechenkunst und andern Vorbereitungswissenschaften zur Philosophie, und aus eignem Antriebe Teutsche Bücher zu lesen, oder sich aus einem Kleist, Gellert, Hagedorn, Klopstock mit der vaterländischen Dichtkunst bekannt zu machen, ward den Jünglingen zum Verbrechen gemacht, „weil man durch solche Schriften das Herz weichlich und den Kopf der Ketzerey empfänglich machte.“ An die Griechische oder Hebräische Sprache war gar nicht zu denken, weil selbst die Dominicaner fremde Bürger in diesen Ländern waren. Und wie konnte man etwas anders von ihnen erwarten, da sie vor dem Antritte| ihres Lehramtes sich nicht im mindesten zu demselben fähig machten, ja nicht einmal fähig machen konnten. Denn man muß wissen, daß die Schulcommission zu Mergentheim kein Subjekt zum Professor ernennen kann, sondern dasselbe vom Dominicaner-Convent erfordern muß, welches, alsdann bey allen übrigen Conventen der Provinz anfraget, ob sich ein Supernumerarius in irgend einem derselben vorfinde; wobey es denn nicht darauf ankommt, ob der Mann die zum Lehramt erforderlichen Eigenschaften besitze. Daß dieß für die Schulen zu Mergentheim nicht zuträglich sey, wird jeder Pädagoge leicht urtheilen, ohne daß ich erst nachfolgendes sagen müßte. Denn da einmahl die Lehrer ohne hinlängliche Kenntnisse,[2] ohne gehörige Vorbereitung ihr Amt| antreten, so können sie unmöglich den Nutzen schaffen, den man mit Recht von ihnen fordern kann. Und da der eine aus einem Schwäbischen, der andere aus einem Fränkischen, der dritte aus, was weiß ich, für einem Convente hergenommen wird, so bringen sie verschiedene Grundsätze mit, haben keinen patriotischen Sinn für Mergentheim, und sehen über den Punct der wahren Erziehung fast niemahls zusammen. Bringt man noch die mönchische Habsucht, die kriechende Anhänglichkeit an einzelne Familien in der Stadt, und endlich noch den gänzlichen| Abgang der Menschenkenntniß in Anschlag, so kann sich der redliche Zuschauer nicht enthalten, in die lauteste Verwunderung auszubrechen, daß man den Schatz eines ganzen Staates, die Hoffnung edler Eltern, solchen Männern so lange Zeit gleichsam zur Verwahrlosung anvertrauen konnte.
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 Aus dem bisher gesagten könnte man schon auf die Methode schließen, nach welcher diese Männer wirklich lehrten. Aber ich halte es für nothwendig, noch einiges hierüber beyzufügen. Vielleicht hat es den Nutzen (und dieß ist mein Wunsch) daß, wenn den jetzigen Professoren noch etwas unschickliches von ihren Vorfahren ankleben sollte, sie dasselbige ablegen, wenn sie anders diesen Aufsatz lesen. – Das einzige Mittel, den Zöglingen Kenntnisse beyzubringen, bestand in einem quälenden Auswendiglernen, welches man deswegen mit allem Eifer betrieb, weil die sokratische Methode zu viel eignes Studium der Professoren erfordert hätte, welches ihnen die Zeit benommen haben würde, bey ihren Freunden und Freundinnen in der Stadt (sollte es auch zu einer Zeit gewesen seyn, wo es der Wohlstand nicht allemahl dem Weltmanne, noch weniger die Regeln dem Ordensgeistlichen erlauben)| süße Unterhaltungen zu genießen. – Auch mögen sie ihre irrenden Zöglinge mit eben nicht gar väterlicher Sanftmuth zurecht gewiesen haben. Dieses schloß ich aus einem Vorfalle, den ich im Jahre 1784 mit Augen gesehen habe. Es war der Tag, an welchem unter die studirenden Jünglinge einige Belohnungen vertheilt wurden. Die Feyerlichkeit ward in dem gewöhnlichen Hörsaale begangen. Es waren Personen beyderley Geschlechts und von allen Ständen gegenwärtig. Da mußte dann unter andern ein Jüngling, dessen Physiognomie viel Edles verrieth, hervortreten, um die drey ersten Preise aus den vornehmsten Gegenständen zu empfangen. Weil derjenige, der ihm unmittelbar vorgetreten, mit großen Lobsprüchen überhäuft worden war, so erwartete ich wenigstens gleiche von diesem. Aber wie erstaunte ich, als ich ein Dutzend elende lyrische Verse ablesen hörte, worin der junge Mensch als ein Unchrist, Empörer, Schwelger und Verführer geschildert wurde, und das alles, weil er, wie mich ein Dominicaner versicherte, der wahrscheinlich mit seinen Ordensbrüdern nicht einverstanden war, welches mir sein öfteres Kopfschütteln während des Actus verrieth, ein paarmahl getanzet, und| Muth genug gehabt hatte, es seinem Professor mit offener Stirne zu sagen: daß er von seinem Familienhasse mißhandelt worden sey. Eben der Professor, der diesen pädagogischen Unfug getrieben, (wenn ich nicht irre, hieß er Vitalis Buchner) soll erst 7 Jahre zuvor von der Professur und dem Convente entfernt worden seyn, weil er sich von seiner stolzen Hitze soweit hatte hinreissen lassen, daß er einen Sohn von der angesehensten Familie, der bereits unter der Östereichischen Generalität glänzt, wegen einer unbedeutenden Kleinigkeit durch einen sogenannten blauen Mann, in welchen sich ein Soldat von seines Herrn Vaters Compagnie verkappen mußte, aber von dem muthvollen Jünglinge entlarvt wurde, nach Art eines Römischen Sclaven züchtigen lassen wollte. – Indessen wurde doch die studirende Jugend recht zum Besuchen der Kirche angehalten. Täglich mußten die Studenten in die Messe, an den Vorabenden der Sonn- und Feyertage in die Vesper, Complet, Litaney und das Salve der Dominicaner, welches alles über 11/2 Stunden dauerte, an den Sonn- und Feyertagen Morgens in das Choramt, nicht selten noch in die Predigt, Nachmittags in die Vesper, Complet und| Salve,[3] nebst diesem monatlich einmahl in eine besondere Versammlung, wo eine lateinische Predigt gehalten, ein Rosenkranz recitirt, und einige Lieder in lateinischer Sprache gesungen wurden. Auch an den Ordensfesten mußten sie Antheil nehmen, mit ihrer Standarte monatlich zweymahl die Bruderschaftsprocessionen begleiten, und sich in die Rosenkranz- und Thomasgürtel-Brüderschaft einschreiben lassen.
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 Ich kann mich hier nicht enthalten, einige allgemeine Anmerkungen über das zu häufige Kirchensitzen der studirenden Jugend zu machen. Weit entfernt, der Irreligion das Wort zu sprechen, halte ich vielmehr dafür, daß man besonders die Studenten frühzeitig zur stäten Religionsübung anhalten müsse. Denn was ist der Staatsmann, der Richter, der Beamte, der Geschäfftsmann, ohne Religion? Allein, ob das oben erzählte Herkommen den Geist der wahren Andacht befördere, zweifle ich, weil Studenten in Rücksicht der ernsten Religionsübung fast einerley Verhältniß mit den Soldaten haben,| die man wohl in die Kirche, aber nicht zur Andacht zwingen kann. Daß es aber in Absicht auf die Wissenschaften sogar schädlich ist, das wird jeder Kenner der menschlichen Seele zugeben. Wenn der Jüngling ein paar Stunden hinter einander in der Schule war, und durch die elendeste Lehrmethode ermüdet, sehnlich den Augenblick erwartet, wo er frey athmen und sich erhohlen kann, hernach aber nichts destoweniger noch so lange das geistleere Brummen der Mönche anhören muß, so wird er noch mehr ermüdet, und zu allen fernern Arbeiten an demselben Abend fast unfähig gemacht.
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 Nun zur zweyten Periode. Als im Februar 1784 der Herr Hoch- und Teutschmeister die Schulen zu Mergentheim besuchte, fand er sie in einem so schlechten Zustande, daß er augenblicklich beschloß, mit denselben eine Reforme vornehmen zu lassen. Das Werk selbst wurde dem eben so redlichen als einsichtsvollen Herrn Geheimen Rathe Weiß, und dem würdigen geistlichen Rathe, Herrn Dr. Höpfner aufgetragen, die auch sogleich auf das thätigste Hand an dasselbe legten. Mit dem Ende des Curses wurden die zwey Dominicaner Professoren der Philosophie entlassen, und die Vorlesungen| so lange eingestellt, bis einige junge Weltgeistliche, die der Herr Hoch- und Teutschmeister reisen ließ, (wovon der eine ein Jahr zu Wirzburg im Seminar, und eben so lange zu Münster gestanden hat, der andere mit Namen Abele erst noch im verflossenen Sommercurse zu Wirzburg bey Herrn Professor Egel Privatvorlesungen über die Experimentalphysik gehört hat,) hinlänglich fähig seyn würden, diese Stellen mit Ehre und Vortheil zu bekleiden. Der eine von den entlassenen Professoren ging sogleich in sein Convent nach Wirzburg zurück, und den andern machte die Schulcommission zum Katecheten und Lehrer der Mathematik am Gymnasium, wo er noch zwey Jahre blieb, bis er Unterlector in einem seiner Convente in Baiern ward. Auch die Professoren der untern fünf Schulen wurden gemustert, und nach Entlassung ein paar alter neue dafür aufgestellt. Nun gewann überhaupt alles ein besseres Aussehen an dem Gymnasium. Die Lehrer hängen jetzt mehr von der Schulcommision ab, und diese erfüllet auch ihre Pflicht in der genauen Aufsicht um so lieber, da nun einmahl von oben herein ein so guter Weg gebahnt ist, und sie alle Unterstützung des Landesherrn hat.| Den Professoren ist die Zeit vorgeschrieben, wie lange sie lehren müssen, und es steht nicht mehr in ihrer Willkür Recreationstage zu geben. Die Materien, welche gelehret, und die Bücher, welche dazu benützt werden sollen, sind durch weise Auswahl der Schulcommissions-Glieder bestimmt. Der blaue Mann ist vertilgt, und im Strafen oder Zurechtweisen derer, die gefehlt haben, muß durchgehends nach pädagogischen Grundsätzen gehandelt werden, und die Bestrafung auffallender Vergehungen der Zöglinge hat sich die Schulcommission weislich selbst vorbehalten. Dadurch wird dem Privathasse der Mönche vorgebeugt, der sich ehedem oft merklich äusserte, und jovialische, aber für die Zukunft etwas versprechende Köpfe werden nun nicht mehr gegen alle Grundsätze der Erziehung dem mönchischen Eigensinne aufgeopfert. Was die Ertheilung der Belohnungen für Tugend und Fleiß angehet, so können die Professoren nicht viel mehr als ihr Zeugniß, welches bey der strengen Visitation der Commissions-Glieder zum Theil sogar überflüßig wird, beytragen, da es noch vor 8 Jahren sichtbar war, daß nur diejenigen öffentlich belohnt wurden, die mehr bezahlen konnten. In den philosophischen| Schulen wird die Auswahl zu den öffentlichen Disputationen durch die strengste unparteyische Prüfung der Candidaten bestimmt; und wenn der verdiente Arme die wenigen erforderlichen Auslagen nicht bestreiten kann, so trägt sie die Schulcommission mit Vergnügen, weil sie überzeugt ist, daß der fähige Arme mit seinem guten Herzen dem Staate in der Zukunft oft eben so gute Dienste leisten kann, wenn er gehörig unterstützet wird, als der Reiche. – Heil dem Erlauchten Beförderer dieser herrlichen Anstalt! Aber auch Segen und Wonne über die kleinern Triebräder dieser nützlichen Staatsmaschine! Wenn auch der Nutzen dieser Reformation noch nicht so sichtbar seyn sollte (aber er ist es wirklich) so werden euch die kommenden Generationen um so mehr segnen, wenn sie selbst fühlen, daß eine Erziehungs-Anstalt von weisen Männern nach weisen Grundsätzen geleitet und befördert worden!

 Nun noch etwas weniges über die Gegenstände, die an dem Gymnasium vorgetragen, und die Bücher, welche benutzt werden.

 Gegenwärtig wird schon wieder ins vierte Jahr und zwar, wie ich aus zwey gedruckten Verzeichnissen der Materien ersehen| habe, eine gesunde, im gemeinen Leben nützliche Philosophie gelehret. Der Verfasser dieser Verzeichnisse ist der Professor Rohr, ein Mann von 28 Jahren. Die Sätze verrathen eine genaue Bekanntschaft desselben mit den ältern und neuern Philosophen, viele Menschenkenntniß, und überhaupt einen scharfen Beobachtungsgeist.

 Die Namen der Professoren sind:

in der Philosophie: 1. Franz Joseph Rohr. Welt-
2. N. Abele. Geistliche.
in den 5 untern 5. P. Florian Hofmann.
Schulen: 4. P. Franz Xaver Simon. Aus dem
3. P. Vinzenz Schuhmann. Dominicanerord.
2. P. Andreas Emmert.
1. Mr. Joseph Bott, weltl.

 Zu Schulbüchern werden folgende benützt:

a. In der Philosophie Ueberwassers Anweisungen zum regelmäßigen Studium der empirischen Psychologie. Münster 1787.
Sailers Moral- und Glückseligkeitslehre.
Feders Lehrbuch der practischen Philosophie.
Havichorst Institutiones logicae. Münster.
Bruckhausen Institutiones physicae. ibidem.
Zumkley Compendium Algebrae et geometriae.
| b. In den fünf untern Classen:
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 Über das Christenthum wird in der ersten Schule der kleine Wirzburgische,[4] in| den 4 übrigen der Feldigerische Katechismus benutzt.

– – Geschichte in der 4 und 5 Classe, ein Auszug aus Schröckhs allgemeiner Weltgeschichte. Wirzburg und Fulda. Statt der Geschichte hat man in der 3ten und 4ten Schule allein

– – Geographie, den Osterwald im Grosen und auch den Auszug davon.

– – Naturlehre und Geschichte lesen die Professoren bloß aus eignen Sammlungen vor.

– – Götterlehre wird Seybold benutzt.

– – Rechenkunst wird durch alle 5 Classen gelehret, besonders aber über die Algebra und Geometrie Compendium Francisci Trentel aus Wirzburg.

Die Grammatik wird aus der kleinen Schellerischen und der Wirzburgischen Grammatik gelehret.

Die Teutsche Sprache wird nach einer in Wirzburg herausgekommenen Anleitung gelehrt.

Als classische Schriftsteller der Alten werden in der ersten, nebst Gedike, Cornelius Nepos; in der 2ten, Auszüge aus Justinus, Sallustius, den Briefen Ciceros, Senekas und dem Livius in einer Chrestomathie; in der dritten, Curtius und das Wirzburgische lateinische Muster gelesen.

Zur Poesie und Beredsamkeit sind I. Im. Schelleri praecepta Stili und Quinctiliani Institutiones Oratoriae vorgeschrieben; und als Muster werden Ovids libri Tristium, Virgils Aeneis, Horaz, Gellerts| Gedichte, und Ciceros Reden erklärt. – Nebstdem ist es jedem Studenten erlaubt, zum Privatstudium aus der fürstlichen Bibliothek, die zu dem Ende zweymahl wöchentlich geöffnet wird, sich nach seinem Geschmacke Teutsche Bücher zu hohlen.



  1. Eine Stelle aus dem Art. S. 74 3 B. 1. Hefts dieses Journals bestimmt mich, zu erinnern, daß dieser Aufsatz schon im Februar d. J. ausser einigen Anmerkungen zum Abdrucke fertig war, und nur gewisser Ursache wegen liegen geblieben ist.
  2. Die Bettelmönche sind fast durchgehends unfähig, dergleichen öffentliche Lehrämter zu bekleiden. Man bedenke nur, daß die meisten schon in ein Kloster gehen, ehe sie eine gesunde Philosophie gehöret haben, und daß, selbst nach der Aussage aller Mendicanten, meistens nur diejenigen einen solchen Zufluchtsort suchen, die aus mancherley Ursachen anderswo nicht unterkommen können. Da stehen sie nun ein Jahr im Noviziate, das sie mit sinnlosem Singen, Beten und Reinigen geheimer Plätze im Kloster zubringen. Ist dieß zu Ende, so kommen sie ad Studia, die aber meistentheils nur in einer [422] elenden Aristotelischen Philosophie, in einer dummen Mönchsmoral, scandalösen Casuistik, und unnützen speculativen Dogmatik bestehen. Die Studirzeit ist mit dem Chorsingen, Meßdienen, Kirchenzieren und Terminiren genau abgemessen. Sind die Studirjahre vorbey, so wird der junge Mann vierteljahrweise auf den Landtermin verlegt, und so schleichen ganze Jahre dahin, bis ein benachbartes Convent einen Professor nöthig hat, wohin er denn abgesendet wird, weil man ihn sonst nicht brauchen kann und doch gerne einen andern auf seinen Posten stellen möchte. Aber dafür hat er zu seinem Amte auch alle Eigenschaften, nur die des Herzens und Kopfes nicht. – Indessen kenne ich doch manche redliche und gelehrte Mendicanten, die sich durch alle diese Hindernisse rühmlichst durchgearbeitet haben; und selbst die gegenwärtig aufgestellten Professoren zu Mergentheim sind redliche und geschickte Männer.
  3. Aus einem Schreiben vom 11 Aug. d. J. habe ich die angenehme Versicherung, daß seit der jüngst abgewichenen Fasten die Studenten an den Vorabenden nicht mehr in das Salve müssen. Vielleicht wird noch mehr hierin abgeändert.
  4. Dieß Buch hat ausserordentliche Unrichtigkeiten, und ist unserm Zeitalter nicht mehr angemessen. So heißt es z. B. Fr. 7. §. I. „Woran erkennt man einen katholischen Christen? A. Am Zeichen des heil. Kreuzes.“ Daraus folgt, daß alle, die dieses Zeichen nicht machen, keine Katholiken sind. Sind es aber diejenigen Protestanten, die sich desselben bedienen? Fr. 18. §. II. „Ist der Glaube eine Wirkung des Willens oder des Verstandes? A. Des Verstandes;“ und dieß wird aus Hebr. 11,3 „durch den Glauben verstehen wir“ bewiesen. Hier sagt Paulus offenbar etwas anders, als der Schriftsteller, der die Ursache für Wirkung nimmt. Fr. 66. §. V. „Ist denn die Gottheit auch dazumahl, (als Christus in der Vorhölle war) von der Seele oder dem Leibe Christi abgesondert gewesen! A. Nein, sie blieb beyden vereiniget etc.“ Fr. 93. §. VI. „Warum ist sie (die katholische Kirche) allgemein? A. Weil ihre Lehre zu allen Zeiten und in der ganzen Welt ist geprediget worden, und annoch geprediget wird.“ Diese Behauptung wird aus Röm 1,8. erwiesen. Allein, wer kennt den seinen Weltmann nicht! Paulus, der die Römischen Gläubigen wegen grober Verbrechen hernehmen wollte, mußte vorher ihrer Eigenliebe schmeicheln, er wollte daher nichts anders sagen, als: allenthalben sagt man, daß es auch zu Rom Christen gebe. – Was denken aber die Kinder wohl, wenn sie ein andermahl hören, daß selbst in dem kleinen Europa so viele Länder nicht katholisch sind? Und was kann überhaupt der Religionslehrer über diese scholastischen Fragen reden? Soll er seine Ehre compromittiren, oder seine Zuhörern Unwahrheiten sagen? Könnte man denn nicht auch in dieser Schule den Constanzer Katechismus einführen, oder einen bessern verfertigen? Doch ich bin ja kein Theologe!