Die Pyramiden von Gizeh

CXLI. Würzburg Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Vierter Band (1837) von Joseph Meyer
CXXXXII. Die Pyramiden von Gizeh
CXXXXIII. Der Königsbau in München
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DIE PYRAMIDEN BEY GIZEH
in Aegypten

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CXXXXII. Die Pyramiden von Gizeh.




Langsam, unserm sterblichen Auge kaum bemerkbar, führt die ewige Allmacht die Menschheit von Stufe zu Stufe. An der unendlichen Himmelsleiter der Bildung ist jede Sprosse ein Jahrhundert, und ihre breiten Ruhestaffeln stehen Jahrtausende aus einander. Zwar dünken sie uns, schauen wir an der Leiter hinan, eng zusammengerückt; aber der Blick rückwärts zeigt uns ihrer großen Entfernung wahres Maas.

Denkmäler und Sage weisen nach, daß die Menschheit das zwölfte Jahrtausend noch nicht erlebt hat. Der Lichtstrahl also, welcher von ferner Gestirnen in dein Auge dringt[1], ist älter als dein Geschlecht. Dennoch halten Manche die Menschheit für alt; sie nehmen das Kind für den Greis.

Wir klimmen noch in der Bildung untern Regionen. Kaum drang durch die Nacht der Rohheit ein Dämmerungsstrahl der fernen Sonne. Aber so niedrig auch die von uns erreichte Bildungsstufe noch ist, so stehen wir doch viele Sprossen höher, als die Menschheit von gestern, als die Völker des Alterthums. Zweifelst du, so lese in der Weltgeschichte, in ihren Monumenten die Zeugnisse ihres Lebens.

Betrachte diese Pyramiden. Sie sind die Wunder der alten Welt und unter allen Werken von Menschenhand die allergrößten. Wenn du aber das Erstaunen bezwungen hast, welches die Masse dir abnöthigte, (und leicht kannst du es, wenn du diese von Menschen aufgeschichteten Berge mit denen der Natur vergleichst), so kannst du Betrachtungen nicht entgehen, die das Aufwärtsrücken dir klar machen, welches die Menschheit in ihrem Kulturgange seit der Gründung dieser Denkmäler gewonnen hat. Erwäge nur, Leser! welche Denkart, welche Verfassung, welche höhnende Rohheit der Herrscher und welches Thierthum der Völker dazu gehörte, um hier Steine zu Bergen auf einander zu häufen, dort Berge auszuhöhlen zum Behälter einer – – Leiche, oder Felsen in [4] Bildwerke umzuschaffen, deren colossale Größe eben so in Erstaunen seht, als ihr ewiges Einerlei der Form, in dem die Armuth der Idee, die Kindheit des Verstandes, die geistige Rohheit ihrer Verfertiger der Nachwelt sich offenbart! Zwanzig Jahre lang arbeiteten, so berichtet Herodot, 200,000 Menschen an der einzigen Pyramide des Cheops, und zur Ausgrabung des Labyrinths wurden 450,000 Menschen 16 Jahre lang verwendet. Ueberall mußte das unglückliche Volk, in Aegypten wie in Indien, in Aethiopien wie am Euphrat, zusammengetrieben wie eine Heerde Lasthiere, seine Lebenstage am Bau von Monumenten verzehren, welche, völlig nutzlos, der wahnsinnige Stolz seiner Treiber hervorrief. Daß Hunderttausende darüber elendiglich verdarben, wie konnte dies auffallen? denn das Leben des einzelnen Menschen gilt nichts, wo die Gesellschaft keine Individuen kennt, sondern nur Kasten, Zünfte und Stämme.– So mögen wir diese stolzen Bauten immerhin bewundern; aber vergessen wir nicht, daß sie Erinnerungsmale sind eines grausenhaften Zustandes, gegen dessen Wiederkehr das Fortschreiten der Civilisation einen ewigen Damm zog.


Die ägyptischen Pyramiden hatten alle nur einen Zweck: – den, Grabstätten zu seyn den ägyptischen Königen. Sie sind meistens von winkelrecht und glatt behauenen Werkstücken, ohne die Anwendung eines Cements aufgeführt, und ihre Höhe kömmt fünf Siebenteln ihrer Breite gleich. Die Mehrzahl hat glatte Außenseiten; nur bei wenigen sind sie treppenartig. Fast alle sind massiv; doch einige von gebrannten Ziegeln. Gegenwärtig stehen etwa 40 aufrecht. Alle sind in der Nähe von Cairo, bei der Stätte des alten Memphis, auf einer vom Sande der lybischen Wüste haushoch bedeckten Ebene von etwa 2 Meilen Länge und von geringer Breite versammelt. Ihre Errichtung fällt in den Zeitraum von 1000 bis 1200 vor Christus. In andern Theilen Aegypten’s werden keine gefunden.

Die größten und besterhaltenen Pyramiden sind die der Gruppe bei dem Dorfe Gizeh. Es sind ihrer drei, welche rechtwinklich neben einander stehen. Die mittlere ist die des Cheops, das höchste Bauwerk auf der ganzen Erde. – An ihrer Base (so weit dieselbe im tiefen Sande, der sie umgibt, erforscht werden kann) mißt sie 716 Fuß an jeder Seite; doch ist sie wahrscheinlich gegen 800 breit, wie auch Herodot angibt. Ihre jetzige Höhe erreicht nicht ganz 600 Fuß. Sie ist folglich höher als alle sonst bekannten Werke, um die Hälfte höher als die Kuppel der Peterskirche, die Thürme der Cathedralen von Straßburg, von Antwerpen, von Wien. Ihre Seiten sind genau nach den vier Weltgegenden gerichtet. Eine Art Treppe, aus vier Fuß hohen und eben so breiten Stufen, die unten 30 Fuß Länge haben, nach oben aber verloren zulaufen, führt von Außen zum Gipfel. Die Begräbnißhalle ist [5] genau im Centrum des Gebäudes angebracht. Ein offener Sarkophag aus Jaspis steht in ihrer Mitte: der Sarg des Cheops.

Der Besuch dieser Monumente der Eitelkeit und des Stolzes herzloser Despoten und der Dummheit knechtischer Völker, ist, seitdem unter dem eisernen Scepter Mehemed Ali’s die Reisenden in diesen Gegenden Sicherheit gegen die raubgierigen Araber gewonnen haben, etwas Gewöhnliches. Folgende Schilderung, die ich dem Tagebuche eines Engländers entnehme, wird mit Interesse gelesen werden.

„Für den 20. August hatten wir eine Parthie nach den Pyramiden verabredet. Noch den Abend vorher meldeten sich bei unserm Consul zwei unserer Damen, welche an der Gefahr und Ehre der Fahrt Theil zu nehmen wünschten. Mit ihrem Vater, Lord L., waren sie die frühesten am andern Morgen; sie empfingen die Herren in geschmackvoller Amazonentracht, und die Säumigen hörten manches scherzhafte Wort. Es fehlte Niemand, und um 4 Uhr brachen wir von Cairo auf. – Das heiterste Wetter begünstigte unsern Ausflug. Die Yacht des Consuls trug uns schnell über die in den Strahlen der Frühsonne rauchende Wasserwüste hin zu dem bestimmten Landungsplatze, zur Anhöhe, auf welcher das Dorf Gizeh, von 3 Seiten von den Ueberschwemmungsfluthen umgeben, wie auf einer Erdzunge vor uns lag. Ein Diener des Consuls mit einigen Arabern, welche als Führer dienen und uns bei’m Aufsteigen zur Hand seyn sollten, erwarteten uns hier.

Wir gedachten von Gizeh die kurze, viertelstündige Strecke bis zur Pyramide auf Dromedaren zu machen da wir aber erfuhren, der Weg sey durch die Ueberschwemmung morastig geworden, so gaben wir den Plan auf und beschlossen zu versuchen, ob in einem engen, mit Schilf hoch überwachsenen Kanale, welcher die Ebene zwischen dem Dorfe und den Pyramiden durchschneidet, mit unserm Fahrzeug vorwärts zu kommen sey. Es ging besser, als wir dachten, und unsere Offiziere, rüstige Ruderer, landeten uns in einer kurzen halben Stunde dicht an der Stiege der Pyramide des Cheops, an welcher der Kanal vorbeiläuft.

In der Ferne machte der Anblick dieser kolossalen Bauwerke nicht den Eindruck, den wir erwarteten. Ueberspannte Vorstellungen führen immer Täuschung in ihrem Gefolge: und selten wird ein Reisender ohne überspannte Ideen von der Fernsicht der Pyramiden nach Aegypten kommen. Er glaubt diese Mausoleen müßten schon in vielstündiger Weite ihm wie Gebirgsketten erscheinen, und daß die Wirklichkeit solche Ideen höhnt, ist begreiflich genug. Was aber ihre Fernsicht nicht gewähren kann, das vergütet reichlich ihr Anblick in der Nähe. Je mehr wir vorwärts ruderten, desto mehr schienen ihre Massen sich auszudehnen, desto mehr ihr Riesenkörper in’s Ungeheure zu wachsen. Unwillkürlich bemächtigten sich der ganzen Gesellschaft die Gefühle des Erstaunens, und ich glaubte in manchem bärtigen Gesichte – es wäre ungalant an dem Muthe unserer Amazonen zu zweifeln! – eine gewisse Dosis Furcht nicht zu verkennen. Als wir landeten und nun die Treppe hinansahen, welche gegen die ungeheure Masse [6] wie ein schmaler Gemspfad wird, auf dem ein menschliches Wesen nicht fußen kann, und der schon auf halber Höhe sich dem Blicke spurlos entzieht, schien die ganze Gesellschaft von Entsetzen ergriffen. Doch nur für einen Augenblick war’s; denn bald sahen wir 2 oder 3 Pygmäengestalten weiße Tücher von der Höhe schwenken und unsere große Unionflagge, die von der Plattform am Eingange herabflatterte. Wir begrüßten sie mit einem dreifachen Hurrah, und kaum konnte der feurige Muth bei einem köstlichen Frühstück zurückgehalten werden, welches, durch die Vorsorge unseres gastfreien und aufmerksamen Konsuls, in einem luftigen kühlen Zelte, dicht am Fuße des Aufgangs servirt war.

Gestärkt und mit fröhlichem Jauchzen ging’s zum Steigewerke. Vielfache Wetten, wer zuerst zum Ziele gelangen werde, machten eine gewisse Ordnung nothwendig, und auf ein gegebenes Signal setzte sich Alles in Bewegung. Unsere beiden Damen, unter der besondern Leitung ihres Vaters, zweier Offiziere und einiger Guiden, bildeten die Arrieregarde. –

Die Weise des Hinansteigens ist folgende. Man stelle sich eine Treppe vor, welche für Riesen gemacht zu seyn scheint: denn jede Stufe ist vier Fuß breit und reicht einem Manne bis zur Hüfte. Eigentliche Gefahr war also, wenn auch ja einmal ein Aufschwingen zur nächsten Stufe nicht gelingen sollte, wegen der Breite der frühern, nicht zu fürchten; nur durch Schwindel konnte welche entstehen, oder wenn der Aufsteigende auf verwitterte Stellen traf, welche kein sicheres Fußen auf dem zerbröckelten Gestein gestatteten. Diese letztere Gefahr entfernten Araber, welche den Weg vorher untersucht hatten und die an jede bedenkliche Stelle postirt waren, um die Gesellschaft zu warnen. Für die Damen hatte man ein kleines, mit Anhaltstäben versehenes Treppenleiterchen mitgenommen, welches von Stufe zu Stufe gestellt den Aufgang erleichterte. Einer unserer Offiziere aber, der Vordersten einer, nachdem er drei Viertel des Wegs und die schwierigsten Theile desselben zurückgelegt hatte, bekam plötzlich so argen Schwindel, daß er sich, um Hülfe rufend, fest klammerte, und durch kein Mittel zu bewegen war, das Ziel zu verfolgen. Er zitterte wie Espenlaub und der Angstschweiß rann stromweise an ihm herab. Zwei der arabischen Guiden brachten ihn, der mit verbundenen Augen rückwärts von Stufe zu Stufe kletterte, nicht ohne eigene Lebensgefahr glücklich wieder hinab auf ebenen Boden.

Nach fast dreiviertelstündigem Steigen, während dessen wir unsern Gefühlen des Erstaunens und der Freude durch häufige Exklamationen Luft machten, hatten wir endlich alle mit einander glücklich die letzte Stufe erklimmt und wir standen am Ziel. Eine ebene Plattform von 32 Quadratfuß bildet den Gipfel dieser und der andern beiden Pyramiden, welche in einiger Entfernung dem Auge zugespitzt erscheinen. Die Steinwürfel, welche die Plattform zusammensetzen, sind vom härtesten Granit, und ohne alle Bindemittel so dicht an einander gefügt, daß wir vergeblich versuchten eine Messerklinge zwischen ihre Fugen zu drängen. Wir schätzten das Gewicht jedes einzelnen Würfels auf mindestens 3000 Pfund. Einige der höchsten Stufen bestanden aus Blöcken, welche [7] mehr als 6000 Pfund wogen. Welche mechanische Hülfsmittel mochten hier angewendet worden seyn, um so große Lasten auf so ungeheuere Höhe zu schaffen und dort so vollkommen genau zu fügen!

Es wäre vergeblich zu versuchen, dem Gefühle Worte zu geben, welches uns auf dieser Höhe beseligte. – Hier auf der nämlichen Stelle hatte Cambyses, der älteste Eroberer des alten Aepyptens, gestanden; von hier herab hat Alexander der Große den Adlerblick über das neubezwungene Land geworfen, und alle Länderstürmer, welche nach ihm das Nilland plündernd, unterjochend, zerstörend und Volk-austilgend überzogen: Carthager, Römer, Araber, Türken, Franzosen; – eben so jene berühmte Gelehrte und Reisende, welche es wissenschaftlich durchforschten, hatten hier die Spuren ihres Daseyns zurückgelassen. Wir fanden den ganzen Boden mit hieroglyphischen, alt-persischen, griechischen, römischen, arabischen, türkischen Inschriften und mit Namen in allen neuern Sprachen bedeckt. Auch wir waren bald emsig beschäftigt, unsere Namen zu den tausend anderen zu fügen – und mancher ältere, bessere und bedeutendere vielleicht verschwand unter unsern Meiseln. Die Galanterie zweier Offiziere aber faßte mit kunstfertiger Hand die Namen unserer beiden Schönen in einen Lorbeer- und Myrthenkranz ein. –

Die Umsicht von der Plattform übertraf jede Vorstellung, welche wir mitgebracht hatten. Das ganze Nilthal, welches wir 20 Stunden auf- und abwärts übersahen, glich einem ungeheuern Strome, viermal so breit als der Marannon. Ruhig wälzte er sich dem Meere zu, welches unseren Horizont nach Norden begrenzte. – Unzählige Städte und Dörfer erhoben sich aus der Fluth wie Inseln; zunächst Cairo mit seinen tausend Kuppeln und Minarets und den glänzenden Dächern seiner Palläste. Hier und da reckten Ruinen vergangener Zeiten und Völker ihre Häupter heraus und sahen düster auf die schimmernden, wogenden Gewässer hin; unzählige Palmen breiteten ihre Blätterkronen darüber; und Wälder erschienen inmitten des silberspiegelnden Elements wie schwimmende Inseln. – Die grandioseste Parthie des Panorama’s aber machte die Pyramidenreihe aus, welche theils näher dem Nil, theils näher dem Gebirge sich bis jenseits Saccara hinzog und welche wir von hier aus Eines Blickes überschauen konnten. Deutlich sah man, was Alterthumsforscher vor uns schon gemuthmaßt haben, daß die unförmlichen Schutthaufen, welche zwischen der Pyramidengruppe von Gizeh und Saccara liegen, nichts weiter sind, als Trümmer[2] gleichartiger Monumente, die einst einen symmetrisch geordneten Mausoleenzyklus gebildet haben. – Ostwärts glaubten wir die Gebirge Arabiens deutlich zu erkennen, und westwärts schweifte unser Blick über den Sandozean der lybischen Wüste hin, über eine traurige, endlose, wellenförmige, lichtgraue Fläche, auf der dunkele Wolkenschatten wie Gespenster hinzogen. –

[8] Der Vorsatz, heute noch nach Hause zu kehren, trieb uns, bevor wir uns noch an dem herrlichen Umblick gesättigt hatten, wieder abwärts zu steigen. Es war weit schwieriger, als wir uns vorgestellt hatten; und nicht ohne Gefahr und vielfache Besorgniß, daß dem Einen oder Andern ein Unglück zustoßen möchte, kamen wir an die Stelle zurück, von wo aus man zu dem Eingang gelangt, welcher in das Innere des Wunderwerks führt. Eine kleine Plattform vor der Pforte gewährt einen sicheren und bequemen Ruhepunkt mit entzückender Aussicht. Hier blieben unsere Damen zurück.

Der Gang, welcher in’s Innere des Todtenhauses führt, steigt erst ab, dann aufwärts, zuletzt wird er eben. Er gleicht vollkommen einem etwa 3 Fuß weiten Schlote, in welchem man auf Händen und Füßen vorwärts kriechen muß. Die Ausdünstung so vieler Personen, das Fackellicht und die eingeschlossene, dumpfige Luft, verursachten eine erdrückende Hitze, die uns äußerst beschwerlich fiel und große Fledermäuse, welche aus ihren Schlupfwinkeln aufgejagt uns schwirrend an die Köpfe fuhren, halfen das Schauerliche der Fahrt vermehren. – Nach halbstündiger mühseliger Arbeit traten wir durch eine kleine Pforte in die Halle, in deren Mittelpunkt, auf einem Piedestal, der letzte Zweck des ungeheuern Gebäudes, der Sarkophag des Cheops steht. Er ist aus einem Stück Jaspis gehöhlt, mit Hieroglyphen verziert, leer und ohne Deckel. Wahrscheinlich ward die Mumie des königlichen Leichnams nebst seinem vielleicht kostbar verzierten Deckel von dem Kalifen Almamon, auf dessen Befehl die Pyramide vor 1000 Jahren geöffnet wurde, weggenommen.

Die Grufthalle ist etwa 20 Fuß hoch und weit, ein viereckiger Saal aus orientalischem Marmor, einfach, aber doch mit Geschmack verziert. Außer dieser Halle befinden sich noch einige kleinere in der Pyramide, und diese haben wahrscheinlich den Wächtern zum Aufenthalt gedient. Auf der Mitte des Weges aber ist ein Brunnen höchst merkwürdig, der wohl 400 Fuß tief zum Grund hinabdringt, auf welchem die Pyramide steht. Wir warfen mehre Steine hinein, welche anfänglich schon in der Tiefe von 30 Fuß den Boden erreichten; als wir aber einen etwas abgerundeten, sehr schweren hinabschleuderten, hörten wir ihn deutlich über einen Absatz des Mauerwerks rollen und dann lange mit donnerähnlichem Getöse, satzweise, die Wände des Brunnens hinab springen, bis er mit lautem Platschen den Spiegel des Wassers erreichte. Nach einer guten Sekundenuhr, die wir bei dem Experimente gebrauchten, mußte die Tiefe des Brunnens, welche Plinius irrig nur zu 200 Fuß angibt, fast das Doppelte betragen. –

Ganz erschöpft erreichten wir nach anderthalbstündigem Ausbleiben den Eingang wieder und begrüßten mit unvergeßlichem Wohlgefallen die freie Luft. Aber unsere Damen empfingen uns mit lautem Gelächter. Denn die rußigen, feuchten Wände der schlotähnlichen Gänge hatten ihren färbenden Stoff unsern Hemden und Nankingbeinkleidern mitgetheilt, und der glänzend-schwarze Anstrich der Hände und Gesichter trug dazu bei, unsere Kohlenbrennermetamorphose zu vervollständigen.“





  1. Das Licht der meisten unsern Augen sichtbaren Gestirne braucht, um im Weltraume die Strecke zu durchlaufen, welche sie von der Erde trennt, länger als 30,000 Jahre.
  2. Bei der so häufigen Umkehr des Landes durch Krieg und Eroberung, welche das wiederholte Zerstören und Neubauen der Städte zur Folge hatten, dienten jene Pyramiden, von deren Daseyn die erwähnten Schutthaufen zeugen, zum Neubau der nächstgelegenen Orte, oder zur Aufführung und Ausbesserung der Wasserbauten. Die dem Strome nahe gelegenen Trümmer werden noch jetzt so benutzt.