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genau im Centrum des Gebäudes angebracht. Ein offener Sarkophag aus Jaspis steht in ihrer Mitte: der Sarg des Cheops.

Der Besuch dieser Monumente der Eitelkeit und des Stolzes herzloser Despoten und der Dummheit knechtischer Völker, ist, seitdem unter dem eisernen Scepter Mehemed Ali’s die Reisenden in diesen Gegenden Sicherheit gegen die raubgierigen Araber gewonnen haben, etwas Gewöhnliches. Folgende Schilderung, die ich dem Tagebuche eines Engländers entnehme, wird mit Interesse gelesen werden.

„Für den 20. August hatten wir eine Parthie nach den Pyramiden verabredet. Noch den Abend vorher meldeten sich bei unserm Consul zwei unserer Damen, welche an der Gefahr und Ehre der Fahrt Theil zu nehmen wünschten. Mit ihrem Vater, Lord L., waren sie die frühesten am andern Morgen; sie empfingen die Herren in geschmackvoller Amazonentracht, und die Säumigen hörten manches scherzhafte Wort. Es fehlte Niemand, und um 4 Uhr brachen wir von Cairo auf. – Das heiterste Wetter begünstigte unsern Ausflug. Die Yacht des Consuls trug uns schnell über die in den Strahlen der Frühsonne rauchende Wasserwüste hin zu dem bestimmten Landungsplatze, zur Anhöhe, auf welcher das Dorf Gizeh, von 3 Seiten von den Ueberschwemmungsfluthen umgeben, wie auf einer Erdzunge vor uns lag. Ein Diener des Consuls mit einigen Arabern, welche als Führer dienen und uns bei’m Aufsteigen zur Hand seyn sollten, erwarteten uns hier.

Wir gedachten von Gizeh die kurze, viertelstündige Strecke bis zur Pyramide auf Dromedaren zu machen da wir aber erfuhren, der Weg sey durch die Ueberschwemmung morastig geworden, so gaben wir den Plan auf und beschlossen zu versuchen, ob in einem engen, mit Schilf hoch überwachsenen Kanale, welcher die Ebene zwischen dem Dorfe und den Pyramiden durchschneidet, mit unserm Fahrzeug vorwärts zu kommen sey. Es ging besser, als wir dachten, und unsere Offiziere, rüstige Ruderer, landeten uns in einer kurzen halben Stunde dicht an der Stiege der Pyramide des Cheops, an welcher der Kanal vorbeiläuft.

In der Ferne machte der Anblick dieser kolossalen Bauwerke nicht den Eindruck, den wir erwarteten. Ueberspannte Vorstellungen führen immer Täuschung in ihrem Gefolge: und selten wird ein Reisender ohne überspannte Ideen von der Fernsicht der Pyramiden nach Aegypten kommen. Er glaubt diese Mausoleen müßten schon in vielstündiger Weite ihm wie Gebirgsketten erscheinen, und daß die Wirklichkeit solche Ideen höhnt, ist begreiflich genug. Was aber ihre Fernsicht nicht gewähren kann, das vergütet reichlich ihr Anblick in der Nähe. Je mehr wir vorwärts ruderten, desto mehr schienen ihre Massen sich auszudehnen, desto mehr ihr Riesenkörper in’s Ungeheure zu wachsen. Unwillkürlich bemächtigten sich der ganzen Gesellschaft die Gefühle des Erstaunens, und ich glaubte in manchem bärtigen Gesichte – es wäre ungalant an dem Muthe unserer Amazonen zu zweifeln! – eine gewisse Dosis Furcht nicht zu verkennen. Als wir landeten und nun die Treppe hinansahen, welche gegen die ungeheure Masse