CXXXXII. Die Pyramiden von Gizeh Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Vierter Band (1837) von Joseph Meyer
CXXXXIII. Der Königsbau in München
CXXXXIV. Hurduwar
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DER KÖNIGSBAU
in München

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CXXXXIII. Der Königsbau in München.




Nach der Wanderung durch das dreitausendjährige Todtenhaus eines Herrschers der Vergangenheit begleite mich der Leser in die Wohnung eines lebenden Königs.

Schon der äußere Vergleich dieses Pallastes mit jenem Wunderwerke der alten Welt läßt uns den Kultur-Unterschied der Zeiten ahnen, in denen beide entstanden. Die Civilisation hat der Majestät das Eisenscepter der rohen Willkühr aus den Händen gewunden, und die Pracht- und Verschwendungsliebe der Fürsten nahmen von der allgemeinen Bildung und der öffentlichen Meinung Gesetz und Richtung an. Die Inhaber der Gewalt haben ihren Herrn gefunden, und sie huldigen ihm, wenn auch hie und da sie ihm die öffentliche Anerkennung noch versagen. Ihr Wink schaart nicht mehr Hunderttausende zusammen, denen man die Erde zur Lagerstätte anweisen, und die man mit den rohesten Nahrungsmitteln befriedigen kann, damit sie viele Jahre lang unter der Peitsche der Treiber willig Berge ebnen, oder zusammen tragen, wie es eben die Laune des Gebieters befiehlt. Könige errichten ihren Leichnamen keine Pyramiden mehr auf dieser Erde. –

Sich und dem Volke baut der Bayernkönig Ludwig das hieneben abgebildete Haus, in welchem Majestät und Pracht in heiterem und edlem Gewande sich zeigen. – „Bauen Sie mir einen Pallast“ – also beauftragte er seinen Architekten, v. Klenze, – „wo nichts, weder im Aeußern noch im Innern, ein dem Wechsel unterworfenes Interesse darbietet; einen Pallast, der eben sowohl für meine Nachfolger und mein Volk, als für mich bestimmt sey, und dessen Schmuck nach Jahrhunderten noch eben so sehr gefalle, wie heute.“

Die Lösung dieser Aufgabe ist hinlänglich vorgeschritten, um im Stande zu seyn, den Plan des Ganzen zu erkennen und über dasselbe ein Urtheil zu fällen. Kein anderer Pallast in der Welt wird das Ideal des Schönen so vollkommen verwirklichen, keiner ein so wahres und so würdiges Zeugniß geben von der Stufe, welche Kunst und Kultur in unserer Zeit erstiegen haben.

Treten wir näher. – Durch eins der drei an einander stehenden Thore schreitend, empfängt uns zuerst die Eingangshalle, welche von mächtigen, hellgrauen Granitsäulen, mit Kapitälern von weißem Marmor, getragen wird. Ihre Wände sind mit gelbem Stuck belegt, und ihre Decke ist mit halberhabenen Bildwerken von Alabaster verziert. Rechts und links öffnen sich weite Sääle und die Räume für die Hofhaltung; erstere von [10] Julius Schnorr, mit den Hauptbegebenheiten des Nibelungenlieds in cyklischem Zusammenhange al Fresco geschmückt. Zwei Marmortreppen führen von der Mitte der Thorhallen aufwärts in die erste Etage. Dort breiten sich die Wohnzimmer des Königs (gegen Süden) und die der Königin (gegen Westen) aus. Den Eingang zu denen des Monarchen bildet eine großartige Säulenhalle, mit Ornamenten von weißem und gelbem Marmor herrlich ausgeschmückt, und zwei colossale Cariatyden, die Gerechtigkeit und Beharrlichkeit, Werke Schwanthaler’s, sagen, zugleich mit der Inschrift des Architravs: Gerecht und Beharrlich! – daß man sich vor der Wohnung des Regenten der Bayern befindet. Die Vorsäle und die Dienstzimmer sind sämmtlich, theils im antiken Style, theils in dem der Raphael’schen Wandmalerei, verziert. Eben so die eigentlichen Wohnzimmer des Königs und die der Königin. Diese schmücken Gemälde aus den vorzüglichsten, ältern wie neuern, deutschen Dichterwerken (als Wolframs von Eschenbach, Walters von der Vogelweide, Klopstock’s, Göthe’s, Wieland’s, Schiller’s, Tiek’s), jene des Königs aber Bilder aus den griechischen Classikern. Alle sind von den Händen der gefeiertsten Künstler München’s, fast sämmtlich Schüler von Cornelius, von denen wir nur Neureuther, Zimmermann, Kaulbach, Hermann, Schwind etc. etc. als allbekannte Namen erwähnen. Aus dem Saale der Adjutanten tritt man unmittelbar in den Raum, der, bis zur Vollendung des größern im westlichen Flügel, als Thronsaal zu feierlichen Staatshandlungen dient. Er ist ganz vergoldet. Wohin auch das Auge sich wendet, blenden die reichsten Dekorationen in Gold und Blau und Purpur. Die Kunst hat sich erschöpft, Herrliches zu schaffen; kein Raum ist von ihr unbenutzt gelassen worden, und auch der geringste erhielt durch sie Bedeutung. Die kostbarste der Dekorationen macht ein rings um den Saal laufender Fries, ein Marmorrelief von Schwanthaler, Darstellungen der olympischen Festspiele. Der anstoßende Speisesaal ist weniger blendend, aber kaum minder prachtvoll verziert. Zimmermann schmückte ihn aus mit reizenden Fresken. Sie stellen das Leben Anakreon’s vor. Wieder folgen eine Reihe Zimmer – alle mit Wand- und Deckenmalereien und Sculpturen von gefeierter Künstlerhand ausgestattet – und das Kabinet des Königs, welches unmittelbar an einen zu Privataudienzen bestimmten Saal stößt, und das Schlafgemach des Fürsten beschließen dessen Wohnung.

Die zweite Etage erhebt sich nur theilweise, etwa 220 Fuß lang über die Mitte der Hauptfronte, in korinthischer Ordnung und von einem reichen Consolengesimse gekrönt. Sie enthält einen Festsaal von runder Form, der, nebst den anstoßenden Spiel- und Erfrischungszimmern, dazu bestimmt ist, den kleinern Hoffesten, Bällen, Conzerten u. s. w. ganz außerhalb den Wohnzimmern Raum zu gewähren. Auch hier hat die Kunst ihren Schmuck mit reicher Hand ausgebreitet, und das Spielzimmer z. B. bewahrt eines der schönsten Basreliefs von Schwanthaler, den Mythos der Aphrodite in seinen wichtigsten Momenten. –

Dieser so prachtvolle „Königsbau,“ der eine Façade von 600 Fuß zeigt, ist doch nur ein kleiner Theil in dem Pallast-Cyklus, welcher nach seiner einstigen Vollendung die herrlichste der Königsresidenzen in der Welt ausmachen [11] wird. Nicht nur daß das, vom prachtliebenden Maximilian dem Ersten, nach Peter Candido’s Plane gebaute, alte Schloß zum Theil umgebaut wird, damit es zum Ganzen harmonisch sich füge, ein zweiter Anbau erhebt sich seit zwei Jahren in nördlicher Richtung, gegen den Hofgarten hin, in so imposanten Verhältnissen und Formen, daß er alles Aeltere verdunkelt und in Schatten stellt. Er wird die Hauptfaçade der Residenz bilden. Obschon ihr Ausbau noch 3 volle Jahre erfordern wird, so ist doch der Plan in allen seinen Theilen deutlich zu erkennen. Schon das Aeußere zeigt, daß es sich hier nicht um ein fürstliches Wohnhaus, sondern um ein Prachtgebäude handle, Zwecken gewidmet, welche mehr die Majestät des Staats, als das Vergnügen des Hofes betreffen. – In der Mitte der über 700 Fuß breiten Façade tritt ein von gewölbter Halle getragener Balkon von 148 Fuß Breite hervor. Zehn colossale Säulen ionischer Ordnung stützen seine Verdachung; auf dieser werden zwischen den Wappenthieren Bayerns 8 Statuen von Schwanthaler, Sinnbilder der acht Kreise des Reichs, als schönste Krone prangen. Der ganze innere Raum des ungeheuern Pallastes ist fast ausschließlich in vier Riesensääle vertheilt, worunter der größte, der eigentliche Thronsaal, zu den feierlichsten Staatshandlungen ausschließlich bestimmt, alles übertreffen wird, was jemals Kunst und Pracht Herrliches in einen Raum zusammendrängten. Die Werkstätte Schwanthaler’s bereitet für ihn einen Kunstschmuck von unschätzbarem Werthe: vierzehn weit überlebensgroße Statuen bayerischer Fürsten, von Otto von Wittelsbach bis auf Maximilian, dem ersten Könige. Für die andern großen Festsääle sind Gemälde bestimmt, mit deren Ausführung Schnorr beauftragt ist: Cyklische Darstellungen aus den großen Epochen der deutschen Geschichte, die Thaten Karl’s des Großen, Friedrich Barbarossa’s und des großen Habsburger’s. – Aber nicht allein der griechische Mythos und die deutsche Heldensage, nicht allein die Poesie und die Geschichte, auch die Religion reicht hier der Kunst die geweihete Hand. In der neuen Schloßkirche (der Allerheiligen-Kapelle), am Ostende der Residenz, hat die christliche Malerei ihre schönsten Blüthen entfaltet. Die Kirche ist im reinsten byzantinischen (altchristlichen) Geschmack gebaut, einem Style, der den höchsten Reichthum innerer Dekoration, ohne Vorwurf der Ueberladung, zuläßt. Der geniale Heß erhielt vom Könige Auftrag, Wände und Decke dieser Kapelle mit einem Cyklus ächtchristlicher Gemälde zu überziehen, und im Verein mit seinen Schülern führte er sie vortrefflich aus. Keine Handbreit in diesem Tempel ist ohne Kunstschmuck. Alle Gründe der Gemälde strahlen von Gold, und tiefsinnige Arabesken durchziehen und verknüpfen alle zu einem harmonischen Ganzen. Wer jemals diese Kapelle betrat, mit einem einigermaßen empfänglichen Gemüthe, nimmt einen Eindruck mit hinweg, den keine Zeit wieder auslöscht.

Vieles andere Herrliche wird im Umfange der Residenz in den nächsten Jahren erstehen, und tausend Kunst-Thätigkeiten sind ihr unausgesetzt gewidmet.