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CXXXXIII. Der Königsbau in München.




Nach der Wanderung durch das dreitausendjährige Todtenhaus eines Herrschers der Vergangenheit begleite mich der Leser in die Wohnung eines lebenden Königs.

Schon der äußere Vergleich dieses Pallastes mit jenem Wunderwerke der alten Welt läßt uns den Kultur-Unterschied der Zeiten ahnen, in denen beide entstanden. Die Civilisation hat der Majestät das Eisenscepter der rohen Willkühr aus den Händen gewunden, und die Pracht- und Verschwendungsliebe der Fürsten nahmen von der allgemeinen Bildung und der öffentlichen Meinung Gesetz und Richtung an. Die Inhaber der Gewalt haben ihren Herrn gefunden, und sie huldigen ihm, wenn auch hie und da sie ihm die öffentliche Anerkennung noch versagen. Ihr Wink schaart nicht mehr Hunderttausende zusammen, denen man die Erde zur Lagerstätte anweisen, und die man mit den rohesten Nahrungsmitteln befriedigen kann, damit sie viele Jahre lang unter der Peitsche der Treiber willig Berge ebnen, oder zusammen tragen, wie es eben die Laune des Gebieters befiehlt. Könige errichten ihren Leichnamen keine Pyramiden mehr auf dieser Erde. –

Sich und dem Volke baut der Bayernkönig Ludwig das hieneben abgebildete Haus, in welchem Majestät und Pracht in heiterem und edlem Gewande sich zeigen. – „Bauen Sie mir einen Pallast“ – also beauftragte er seinen Architekten, v. Klenze, – „wo nichts, weder im Aeußern noch im Innern, ein dem Wechsel unterworfenes Interesse darbietet; einen Pallast, der eben sowohl für meine Nachfolger und mein Volk, als für mich bestimmt sey, und dessen Schmuck nach Jahrhunderten noch eben so sehr gefalle, wie heute.“

Die Lösung dieser Aufgabe ist hinlänglich vorgeschritten, um im Stande zu seyn, den Plan des Ganzen zu erkennen und über dasselbe ein Urtheil zu fallen. Kein anderer Pallast in der Welt wird das Ideal des Schönen so vollkommen verwirklichen, keiner ein so wahres und so würdiges Zeugniß geben von der Stufe, welche Kunst und Kultur in unserer Zeit erstiegen haben.

Treten wir näher. – Durch eins der drei an einander stehenden Thore schreitend, empfängt uns zuerst die Eingangshalle, welche von mächtigen, hellgrauen Granitsäulen, mit Kapitälern von weißem Marmor, getragen wird. Ihre Wände sind mit gelbem Stuck belegt, und ihre Decke ist mit halberhabenen Bildwerken von Alabaster verziert. Rechts und links öffnen sich weite Sääle und die Räume für die Hofhaltung; erstere von