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Julius Schnorr, mit den Hauptbegebenheiten des Nibelungenlieds in cyklischem Zusammenhange al Fresco geschmückt. Zwei Marmortreppen führen von der Mitte der Thorhallen aufwärts in die erste Etage. Dort breiten sich die Wohnzimmer des Königs (gegen Süden) und die der Königin (gegen Westen) aus. Den Eingang zu denen des Monarchen bildet eine großartige Säulenhalle, mit Ornamenten von weißem und gelbem Marmor herrlich ausgeschmückt, und zwei colossale Cariatyden, die Gerechtigkeit und Beharrlichkeit, Werke Schwanthaler’s, sagen, zugleich mit der Inschrift des Architravs: Gerecht und Beharrlich! – daß man sich vor der Wohnung des Regenten der Bayern befindet. Die Vorsäle und die Dienstzimmer sind sämmtlich, theils im antiken Style, theils in dem der Raphael’schen Wandmalerei, verziert. Eben so die eigentlichen Wohnzimmer des Königs und die der Königin. Diese schmücken Gemälde aus den vorzüglichsten, ältern wie neuern, deutschen Dichterwerken (als Wolframs von Eschenbach, Walters von der Vogelweide, Klopstock’s, Göthe’s, Wieland’s, Schiller’s, Tiek’s), jene des Königs aber Bilder aus dengriechischen Classikern. Alle sind von den Händen der gefeiertsten Künstler München’s, fast sämmtlich Schüler von Cornelius, von denen wir nur Neureuther, Zimmermann, Kaulbach, Hermann, Schwind etc. etc. als allbekannte Namen erwähnen. Aus dem Saale der Adjutanten tritt man unmittelbar in den Raum, der, bis zur Vollendung des größern im westlichen Flügel, als Thronsaal zu feierlichen Staatshandlungen dient. Er ist ganz vergoldet. Wohin auch das Auge sich wendet, blenden die reichsten Dekorationen in Gold und Blau und Purpur. Die Kunst hat sich erschöpft, Herrliches zu schaffen; kein Raum ist von ihr unbenutzt gelassen worden, und auch der geringste erhielt durch sie Bedeutung. Die kostbarste der Dekorationen macht ein rings um den Saal laufender Fries, ein Marmorrelief von Schwanthaler, Darstellungen der olympischen Festspiele. Der anstoßende Speisesaal ist weniger blendend, aber kaum minder prachtvoll verziert. Zimmermann schmückte ihn aus mit reizenden Fresken. Sie stellen das Leben Anakreon’s vor. Wieder folgen eine Reihe Zimmer – alle mit Wand- und Deckenmalereien und Sculpturen von gefeierter Künstlerhand ausgestattet – und das Kabinet des Königs, welches unmittelbar an einen zu Privataudienzen bestimmten Saal stößt, und das Schlafgemach des Fürsten beschließen dessen Wohnung.

Die zweite Etage erhebt sich nur theilweise, etwa 220 Fuß lang über die Mitte der Hauptfronte, in korinthischer Ordnung und von einem reichen Consolengesimse gekrönt. Sie enthält einen Festsaal von runder Form, der, nebst den anstoßenden Spiel- und Erfrischungszimmern, dazu bestimmt ist, den kleinern Hoffesten, Bällen, Conzerten u. s. w. ganz außerhalb den Wohnzimmern Raum zu gewähren. Auch hier hat die Kunst ihren Schmuck mit reicher Hand ausgebreitet, und das Spielzimmer z. B. bewahrt eines der schönsten Basreliefs von Schwanthaler, den Mythos der Aphrodite in seinen wichtigsten Momenten. –

Dieser so prachtvolle „Königsbau,“ der eine Façade von 600 Fuß zeigt, ist doch nur ein kleiner Theil in dem Pallast-Cyklus, welcher nach seiner einstigen Vollendung die herrlichste der Königsresidenzen in der Welt ausmachen