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Bildwerke umzuschaffen, deren colossale Größe eben so in Erstaunen setzt, als ihr ewiges Einerlei der Form, in dem die Armuth der Idee, die Kindheit des Verstandes, die geistige Rohheit ihrer Verfertiger der Nachwelt sich offenbart! Zwanzig Jahre lang arbeiteten, so berichtet Herodot, 200,000 Menschen an der einzigen Pyramide des Cheops, und zur Ausgrabung des Labyrinths wurden 450,000 Menschen 16 Jahre lang verwendet. Ueberall mußte das unglückliche Volk, in Aegypten wie in Indien, in Aethiopien wie am Euphrat, zusammengetrieben wie eine Heerde Lastthiere, seine Lebenstage am Bau von Monumenten verzehren, welche, völlig nutzlos, der wahnsinnige Stolz seiner Treiber hervorrief. Daß Hunderttausende darüber elendiglich verdarben, wie konnte dies auffallen? denn das Leben des einzelnen Menschen gilt nichts, wo die Gesellschaft keine Individuen kennt, sondern nur Kasten, Zünfte und Stämme. – So mögen wir diese stolzen Bauten immerhin bewundern; aber vergessen wir nicht, daß sie Erinnerungsmale sind eines grausenhaften Zustandes, gegen dessen Wiederkehr das Fortschreiten der Civilisation einen ewigen Damm zog.


Die ägyptischen Pyramiden hatten alle nur einen Zweck: – den, Grabstätten zu seyn den ägyptischen Königen. Sie sind meistens von winkelrecht und glatt behauenen Werkstücken, ohne die Anwendung eines Cements aufgeführt, und ihre Höhe kömmt fünf Siebenteln ihrer Breite gleich. Die Mehrzahl hat glatte Außenseiten; nur bei wenigen sind sie treppenartig. Fast alle sind massiv; doch einige von gebrannten Ziegeln. Gegenwärtig stehen etwa 40 aufrecht. Alle sind in der Nähe von Cairo, bei der Stätte des alten Memphis, auf einer vom Sande der lybischen Wüste haushoch bedeckten Ebene von etwa 2 Meilen Länge und von geringer Breite versammelt. Ihre Errichtung fällt in den Zeitraum von 1000 bis 1200 vor Christus. In andern Theilen Aegypten’s werden keine gefunden.

Die größten und besterhaltenen Pyramiden sind die der Gruppe bei dem Dorfe Gizeh. Es sind ihrer drei, welche rechtwinklich neben einander stehen. Die mittlere ist die des Cheops, das höchste Bauwerk auf der ganzen Erde. – An ihrer Base (so weit dieselbe im tiefen Sande, der sie umgibt, erforscht werden kann) mißt sie 716 Fuß an jeder Seite; doch ist sie wahrscheinlich gegen 800 breit, wie auch Herodot angibt. Ihre jetzige Höhe erreicht nicht ganz 600 Fuß. Sie ist folglich höher als alle sonst bekannten Werke, um die Hälfte höher als die Kuppel der Peterskirche, die Thürme der Cathedralen von Straßburg, von Antwerpen, von Wien. Ihre Seiten sind genau nach den vier Weltgegenden gerichtet. Eine Art Treppe, aus vier Fuß hohen und eben so breiten Stufen, die unten 30 Fuß Länge haben, nach oben aber verloren zulaufen, führt von Außen zum Gipfel. Die Begräbnißhalle ist