Die Industrie (Handbuch der Politik 1914)

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Autor: Josef Grunzel
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Titel: Die Industrie
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aus: Handbuch der Politik Zweiter Band: Die Aufgaben der Politik, Zwölftes Hauptstück: Urproduktion und Gewerbebetriebe, 59. Abschnitt, S. 384−404
Herausgeber: Paul Laban, Adolf Wach, Adolf Wagner, Georg Jellinek, Karl Lamprecht, Franz von Liszt, Georg von Schanz, Fritz Berolzheimer
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1914
Verlag: Dr. Walther Rothschild
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Erscheinungsort: Berlin und Leipzig
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59. Abschnitt.


Die Industrie.
Von
Regierungsrat Dr. Josef Grunzel,
o. Professor an der Exportakademie Wien.


Literatur:

Bearbeiten
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Die moderne Industrie ist nicht, wie der Volksglaube annimmt, ein Kind der Technik, sondern ein Kind des Marktes. Erst die Möglichkeit, ein massenhaftes gleichartiges Bedürfnis befriedigen zu können, führte zu dem Bestreben, den gewerblichen Arbeitsprozess in einfache Phasen aufzulösen und für die rein mechanischen Leistungen Maschinen herzustellen. Die staunenswerten technischen Erfindungen der Neuzeit boten somit nur die Mittel zur Ausnutzung des Marktes. Der Markt selbst ist aber eine Schöpfung der Kultur und der Politik. Der Kultur insofern, als sie die Bedürfnisse steigert, ausgleicht und verallgemeinert. Der Politik insofern, als sie durch Erleichterung des Verkehrs den Markt erweitert und durch Erhaltung der Ordnung sichert.

Der überraschende Aufschwung der deutschen Industrie im neunzehnten Jahrhundert erklärt sich daraus, dass Deutschland verhältnismässig spät zur Schaffung eines grossen inneren Marktes gelangte, dann aber durch seine klare, weitausschauende Politik alle anderen europäischen Staaten weit hinter sich liess. Der Merkantilismus des 18. Jahrhunderts hatte in den vorgeschrittenen Ländern, besonders in Frankreich und Österreich, die Zwischenzollinien niedergerissen und den Weg für die Fabriksindustrie freigegeben. In Deutschland liess die Zersplitterung in zahllose kleine Wirtschaftsgebiete ein grosses Unternehmen nicht aufkommen. In Preussen bildete noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts fast jedes Rittergut einen durch Zölle nach aussen abgesperrten Staat für sich. Da sich aber die Kulturbedürfnisse nicht zurückdrängen liessen, so wurde Deutschland mit französischen und – wenn man von der Unterbrechung durch die Kontinentalsperre Napoleons (1806–1814) absieht – englischen Waren überschwemmt. Die Bildung des deutschen Zollvereins (1834) war endlich ein Surrogat, aber zunächst ein genügendes Surrogat jenes Werkes, das Dezennien früher Colbert und Maria Theresia vollbracht hatten.

Der innere Markt war somit geschaffen, aber die Mittel zu seiner Ausnutzung mussten noch gefunden werden. Sie wurden auch gefunden und von da ab beginnt eine wirtschaftliche Revolution in Europa, der Sieg des Binnenverkehrs über den Seeverkehr. Bis zur Erfindung der Eisenbahnen kam der Landverkehr für Güter wenig in Betracht, denn die Fracht eines Gutes auf der Landstrasse war zweihundertmal so teuer wie zur See. Der Handel war vorzugsweise internationaler Zwischenhandel, die grossen Hafenplätze dienten nicht so sehr der Gütervermittlung zwischen dem eigenen Lande und den überseeischen Gebieten als vielmehr dem Güteraustausch der in günstiger Lage am Meere befindlichen Städte unter einander. Jetzt begann mit Hilfe von Eisenbahnen und Binnenwasserstrassen [386] der Kampf um das Hinterland, die bisherige Sonderstellung der Hafenplätze musste einer engeren Angliederung an das eigene Land weichen. Der sich daraus ergebende Dezentralisierungsprozess musste Hamburg und Bremen günstiger sein als London, dem Knotenpunkt der grossen Ozeanstrassen.

Die Eisenbahn hat zwar England erfunden, Deutschland aber erkannte zuerst ihre volkswirtschaftliche Bedeutung und wurde damit zur hohen Schule der Eisenbahnpolitik. Während England vergeblich den Grundsatz der freien Konkurrenz zur Geltung bringen wollte, während Frankreich, Österreich und andere Länder zu Ausbeutungsobjekten fremder Kapitalisten wurden, hat es Deutschland verstanden, den staatlichen Einfluss so zu lenken, dass sich der private Unternehmungsgeist im Eisenbahnbau betätigt, aber der Allgemeinheit dienstbar bleibt. Heute steht Deutschland mit einem Eisenbahnnetz von 59.000 km an der Spitze aller europäischen Staaten. Der Abstand wäre noch grösser, wenn sich ein einwandfreier Vergleich der Verkehrsleistungen herstellen liesse, wozu aber die statistischen Unterlagen nicht ausreichen.

Das Bild wäre dabei einseitig, wenn nicht in Rechnung gezogen würde, dass Deutschland unter allen europäischen Weststaaten das reichste, bestverteilte und leistungsfähigste Wasserstrassennetz besitzt. Die Ziffern über die Ausdehnung des Netzes geben nur einen schwachen Anhaltspunkt, denn von entscheidendem Einfluss ist die Art und Dauer der Benutzbarkeit. Es weisen an schiffbaren Wasserstrassen auf (nach Viktor Kurs im „Handwörterbuch der Staatswissenschaften“):

natürliche künstliche zusammen
in km
Deutschland 8.667 6.602 15.269
Frankreich 4.817 8.918 13.735
Grossbritannien und Irland 4.339 5.137 9.476
Norwegen 6.243 (Fjords) 713 6.956
Schweden 6.269 471 6.740
Niederlande 919 3.561 4.480

Nach amtlichen Erhebungen haben sich die Verkehrsleistungen Deutschlands auf den Eisenbahnen und den Wasserstrassen in folgender Weise gesteigert:

Länge in km Verkehrsleistung in Mill. Tonnenkilometern
Jahr der Eisenbahnen der grösseren
Wasserstrassen
bei Eisenbahnen bei Wasserstrassen
1875 26.500 10.000 10.980 2.900
1905 54.400 10.000 44.600 (Zuwachs 309%) 15.000 (Zuwachs 417%)

Einen Begriff von dem Verhältnis der Verkehrsmittel im Binnenlande und zur See erhält man, wenn man sich vergegenwärtigt, dass die deutschen Eisenbahnen in ihren Güterwagen über einen Laderaum von 7 Mill. Tonnen, die Binnenschiffe über einen solchen von 6 Mill. und die Seeschiffe über einen solchen von 2.8 Mill. Tonnen verfügen, wobei aber zu berücksichtigen ist, dass der Laderaum der Binnenverkehrsmittel viel intensiver ausgenutzt wird als jener der Seeschiffahrt.

Die Verkehrsmittel haben aber die Industrie nicht geschaffen. Wenn Russland sein ungeheures natürliches Wasserstrassennetz von 54.872 km durch künstliche Kanäle noch erweitern wollte, so würde es in vielen Fällen dadurch nicht reicher, eher ärmer. Der Drang zu einer Bedürfnissteigerung muss schon vorhanden sein, und den erzeugt nur die Hebung des gesamten Kulturniveaus. Da treffen wir auf eine günstige Wirkung der alten vielbespöttelten und vielbeklagten Kleinstaaterei in Deutschland. Der absolutistische Merkantilismus führte fast überall zu einer Überernährung der Reichsmetropole auf Kosten der übrigen Teile, die jeweils höchste Kulturstufe erklomm nur eine kleine Schicht der Bevölkerung, die Provinz kam umso langsamer nach, je weiter sie entfernt war. In Deutschland war durch den Wettbewerb der verschiedenen Staaten das Kulturniveau ausgeglichen worden, es gab zahlreiche geistige Mittelpunkte und Bildung wurde nicht nur durch die Schulen, sondern auch durch die rege Vereins- und Genossenschafts-Tätigkeit in die breitesten Schichten der Bevölkerung getragen. Infolge dieser beispiellosen kulturellen Homogenität war eine Unsumme von Bedürfnissen latent vorhanden, welche die Verkehrsmittel nur zu wecken brauchten.

[387] Durch die Bildung des deutschen Zollvereins hatte die Volkswirtschaft der Politik vorgearbeitet, die Politik bekam aber Gelegenheit zu einem Gegendienst durch die Gründung des Deutschen Reiches. Man spricht viel vom Milliardensegen, aber die wirtschaftlichen Vorteile der fünf Milliarden Entschädigung nach dem Kriege mit Frankreich sind mindestens zweifelhaft; vielleicht wären sogar ihre Nachteile unbestritten, wenn man nicht klugerweise einen grossen Teil als totes Kapital festgelegt hätte. Ein plötzlicher starker Kapitalzufluss stört das Gleichgewicht. Für die Industrie bedeutete aber die Gründung des Reiches den Beginn der Expansion nach aussen. In Europa mag man hie und da über Prestigepolitik die Achsel zucken, sie ist aber doch ein wirksames Mittel staatlicher Exportförderung nach aussereuropäischen Gebieten. Früher schmückte die Hütten im Orient das Bild Napoleons, dann musste es dem Bilde Bismarcks weichen. Deutschland wurde der Lehrmeister der modernen Staats- und Kriegskunst und die daraus sich ergebenden zahlreichen Beziehungen erwiesen sich wirtschaftlich ebenso fruchtbar wie jene sichtbaren und unsichtbaren Fäden, welche die katholische Missionstätigkeit zwischen Frankreich und dem Orient gezogen hatte. Über die Wahl der Ware entscheidet nicht der niedrigste Preis, sondern die gute Meinung des Käufers, und der Hinweis auf den niedrigsten Preis ist nur ein Mittel, diese gute Meinung zu erzeugen. Die deutsche Ware musste aber nach dem Orient und nach Übersee, weil sich die deutsche Industrie nur durch den Export spezialisieren und damit vervollkommnen konnte.

In einem Lande verzeichnet zwar das 19. Jahrhundert einen noch überraschenderen Aufschwung der Industrie: in den Vereinigten Staaten von Amerika. Ein Vergleich fällt aber nicht zu Ungunsten Deutschlands aus, wie mancher Amerika-Enthusiast im ersten Anblick der Wolkenkratzer geglaubt haben mag. In Deutschland wurde rasch gebaut, aber vorsichtig Stein auf Stein gelegt, sodass man immer einen festen und wohlgefügten Bau vor sich hatte. Das amerikanische Wirtschaftsleben entwickelte sich mit dem Wagemut, aber auch mit dem Leichtsinn der Jugend, auf jungfräulichem Boden, unter den Händen von Abenteurern und Spekulanten, und birgt daher schwere Gefahren in sich. Die Organisation der industriellen Produktion in Kartellen und Trusts, die in Deutschland aus den Bedürfnissen der produktiven Arbeit emporwuchs, wurde in Amerika zu einem Werkzeug finanziellen Gründungsschwindels, die Eisenbahnen, in Deutschland ausschliesslich gemeinwirtschaftlichen Interessen dienstbar, wurden in Amerika zum Spielball privater Interessen, nirgends ist das Tarifunwesen so zur Blüte gelangt wie dort, kein moderner Kulturstaat hat sein Geldwesen so schlecht geregelt wie die Union, dabei beherrscht eine masslose Korruption die gesamte Gesetzgebung und Verwaltung. Die Vergangenheit war für Deutschland wohl ein Hemmnis, aber auch eine Schule, und zwar eine recht harte Schule. Die steht den Vereinigten Staaten von Amerika noch bevor.

Gewisse charakteristische Züge der industriellen Entwicklung Deutschlands treten am besten bei der Darstellung einzelner Industriezweige hervor. Die führenden Massenindustrien sind überall auf Grund der Verarbeitung von Baumwolle und Eisen entstanden. Im 18. Jahrhundert war zwar Sachsen eines der wichtigsten Produktionsgebiete für Baumwollwaren und betrieb auch über Leipzig einen ziemlich lebhaften Export, aber die Baumwolle stand damals hinter den anderen Spinnstoffen, wie Flachs, Wolle und Hanf, an Bedeutung weit zurück. Allmählich wurde aber in der Kleidung die herkömmliche Tracht von der rasch wechselnden, aber auch stark verbreitungsfähigen Mode verdrängt. Diese erzeugte das Bedürfnis nach einem rascher verbrauchbaren, aber billigeren und in grösseren Massen vermehrbaren Spinnstoff. Damit begann die Vorherrschaft der Baumwolle. In dieser Hinsicht war aber England doppelt begünstigt, weil es durch seine günstige Lage den überseeischen Rohstoff am billigsten beziehen und mit Hilfe seines internationalen Zwischenhandels den grössten Markt versorgen konnte. Das Bestreben nach Massenherstellung führte zur Erfindung der Spinnmaschine und des mechanischen Webstuhls. So wurde die Baumwollindustrie einer der wichtigsten Grundpfeiler der wirtschaftlichen Stellung Englands. Deutschland konnte erst nach der Bildung des deutschen Zollvereins daran denken, die früheren Ansätze einer Baumwollindustrie neu zu entfalten, denn gegen England war nur der maschinelle Grossbetrieb konkurrenzfähig. Der war aber nur möglich bei grossem Markt. Heute können wir nun ein interessantes Stück der Entwicklung übersehen. Zwar sagt uns die Spindelstatistik des Internationalen Verbandes der Baumwollspinnerei für den 1. März 1910, dass Deutschland nur 10,1 Mill., Grossbritannien aber [388] 53,7 und die Vereinigten Staaten von Amerika 28 Mill. Spindeln zählten. Ein verlässlicheres Bild bietet uns aber die Entwicklung des Rohstoffverbrauches, der sich in beiden Staaten leicht kontrollieren lässt, weil die rohe Baumwolle nur im Wege des Aussenhandels zur Verwendung gelangen kann. In Deutschland sehen wir ein fast ununterbrochenes stetiges Steigen des Baumwollverbrauches auf den Kopf der Bevölkerung von 0,34 kg durchschnittlich in den Jahren 1836–40 auf 7 kg in der Gegenwart. In England stellte sich dieser Verbrauch schon im Durchschnitt der Jahre 1846–50 auf 8 kg, erreichte aber in den Jahren 1886–90 mit 18,97 kg den Höhepunkt und ist seither im Fallen (1909: 16 kg). Die deutsche Industrie ist heute in ihrer Leistungsfähigkeit überlegen, denn mit nicht einmal ¼ der englischen Spindeln verbraucht sie mehr als die Hälfte des englischen Jahresverbrauches in roher Baumwolle. Nach den amtlichen Produktionserhebungen für das Jahr 1907 wurden in Deutschland von 9,5 Mill. Spindeln 407,5 Mill. kg roher Baumwolle zu 358,9 Mill. kg eindrähtigen Baumwollgarnen im Gesamtwerte von 644,8 Mill. Mark verarbeitet.

Von entscheidender Bedeutung für die Baumwollindustrie dieser Länder ist der Auslandsmarkt. Die handelsstatistischen Ziffern ergeben, dass die Ausfuhr Englands in Baumwollwaren stagniert, nämlich periodenweise zurückgeht, um sich dann wieder ein wenig zu erholen. Deutschland war aber imstande, seine Ausfuhr in Baumwollwaren von 96,4 Mill. im Jahre 1880 auf 432 Mill. Mark im Jahre 1907 zu steigern; die folgenden Jahre zeigten zwar eine Abschwächung, doch ändern solche den Welthandel überhaupt treffende Konjunkturschwankungen nichts an der Tatsache, dass sich Deutschland auf Kosten Englands die Auslandsmärkte erobert. Das ist zum grossen Teil ein Erfolg der in fremden Zeitschriften immer wieder besprochenen und angegriffenen deutschen Vertriebsmethode. Das alte englische Geschäftsprinzip basiert auf der Anschauung, der Fabrikant habe sich nur um die Erzeugung zu kümmern und den Verkauf der Ware dem Kommissionär zu überlassen, der sich nahezu vor den Toren der Fabrik niederlässt. Der fremde Grosshändler musste nach England kommen und nehmen, was ihm der Kommissionär gab; vom Fabrikanten bekam er überhaupt nichts. Das Prinzip war gut, solange im technischen Betriebe eine Erfindung die andere jagte und überdies alle Welt in England kaufen musste, weil dieses Land das Industrie-Monopol besass. Heute, in der Zeit schärfster Konkurrenz, läuft der Fabrikant dem Kunden nach, nicht umgekehrt. Der Kommissionär im Lande wird durch den im Ausland tätigen Reisenden ersetzt. Baumwollespinnen ist keine Frage mehr des technischen Könnens, sondern des Kapitals; die Kunst besteht nicht darin, die Garne herzustellen, sondern zu verkaufen. So hängt der Absatz aller industriellen Massenartikel nicht von der technischen, sondern von der kommerziellen Eignung des Unternehmers ab. Die Deutschen als die jüngeren Konkurrenten auf dem Weltmarkt mussten natürlich nach einem Mittel suchen, die älteren auszustechen. Sie haben es auch gefunden.

Während die Baumwollindustrie ein Massstab für die Expansion noch aussen ist, kann die Eisenindustrie als Gradmesser für die Intensität des inneren Wirtschaftslebens gelten. Die ungeheure Zunahme der Fabriksindustrie, die steigende Verwendung von Maschinen selbst im Kleingewerbe, der Übergang der Landwirtschaft zu einer intensiven Arbeit mit eisernen Geräten und Maschinen, die rasche Ausbreitung des Eisenbahnnetzes, der Ersatz des Holzes durch Eisen und Stahl beim Schiffbau, die durch das Wachstum der Städte reger gewordene Bautätigkeit, alles das hat den Bedarf nach Eisen gewaltig erhöht. Der Verbrauch von Roheisen, berechnet auf den Kopf der Bevölkerung, ist von 26,5 kg im Durchschnitt der Jahre 1861–65 auf 208,9 kg im Jahre 1907 gestiegen; seither trat infolge des Konjunktur-Rückganges eine Abschwächung ein, aber er ist in Deutschland heute schon grösser als in England und hält sich auf ungefähr gleicher Höhe mit jenem der Vereinigten Staaten von Amerika und Belgien. Dabei ist nur jener Verbrauch angegeben, der sich aus den Ziffern für die eigene Produktion, sowie für die Einfuhr und Ausfuhr in Roheisen ergibt. Wollte man den gesamten Eisenkonsum eines Landes feststellen, so müsste man auch die Einfuhr und Ausfuhr von Eisenwaren und Maschinen aller Art mit der Menge des darin verarbeiteten Eisens einstellen, was jedoch nur im Wege ziemlich vager Schätzungen möglich ist. Wollte man aber einen Rückschluss auf die industrielle Produktivität ziehen, so müsste man den sehr verschiedenartigen Fabrikationswert hinzuschlagen, welchen das inländische oder fremde Roheisen durch die Inlandsindustrie erreicht, denn es ist wirtschaftlich nicht gleichgültig, ob das Material in Form von Schienen, Blechen oder Maschinen zum letzten Verbraucher oder zum Export [389] gelangt. Wäre ein solcher Vergleich möglich, so würde er wohl auch nicht zu ungunsten Deutschlands ausfallen.

Die deutsche Eisenindustrie bekam durch die Bildung des deutschen Zollvereins und den Bau von Eisenbahnen eine starke Anregung, hatte aber gegen die englische Konkurrenz einen schweren Stand, zumal sie noch die kostspielige Holzkohle verwendete, während England bereits zur ausschliesslichen Steinkohlenfeuerung übergegangen war. Der im Jahre 1844 eingeführte Roheisenzoll brachte den nötigen Schutz, unter welchem die Roheisenerzeugung des deutschen Zollgebiets von 143 Mill. im Jahre 1840 auf 1391 Mill. kg im Jahre 1870, also fast auf das Zehnfache anwuchs. Mit dem Zusammenbruch der Gründungsperiode und der Beseitigung der Eisenzölle im Jahre 1873 geriet die Industrie in eine schwierige Lage, weil im Inlande der Bedarf abnahm und vom Auslande die Konkurrenz zunahm. Doppelt wie die Bedrängnis war aber auch die Hilfe. Der Zolltarif von 1879 führte die Eisenzölle wieder ein und fast gleichzeitig verursachte das Thomas-Verfahren eine für Deutschland sehr vorteilhafte technische Umwälzung. Das ältere Bessemer-Verfahren gestattete nur die Verwendung phosphorarmer Erze, wie sie England in seinen berühmten Hämatit-Lagern an der Westküste besass. Nunmehr wurden die an Phosphor reicheren Minettelager in dem grossen Revier von Lothringen-Luxemburg verwendbar, welche denn auch gegenwärtig ungefähr vier Fünftel der gesamten deutschen Förderung in Eisenerzen liefern. Die Erzeugung von Thomas-Roheisen beträgt fast 70% der Roheisen-Erzeugung Deutschlands. Letztere stieg von 2729 Mill. kg im Jahre 1872 auf 14 794 Mill. kg im Jahre 1910. Damit hat Deutschland bis auf die Vereinigten Staaten von Amerika, welche im Jahre 1910 sogar 27 299 Mill. kg zu der Weltproduktion von 65 608 Mill. kg beitrugen, alle früher überlegenen Konkurrenten überflügelt, denn das in der Reihenfolge nächststehende Grossbritannien verzeichnet nur 10 216 Mill. kg. Die durchschnittliche Jahresleistung eines Hochofens betrug im Jahre 1872 nur 7500 Tonnen, im Jahre 1909 aber 45 320 Tonnen; die neuen Hochöfen werden auf Jahresleistungen von 50- bis 70 000 Tonnen eingerichtet. Die Ausfuhr Deutschlands an Eisenwaren (ohne Maschinen) stellt sich jährlich auf 600 bis 700 Mill. Mark, höher als die irgend eines anderen Landes.

Die deutsche Eisenindustrie gewährt uns auch einen interessanten Einblick in die Ursachen der örtlichen Verteilung einer Industrie überhaupt. Zuerst siedelte sich die Eisenindustrie an den Stätten lagernder Eisenerze an, gewöhnlich im waldreichen Gebirge, wo auch Holz zur Herstellung der Holzkohle und ein Gebirgsbach zum Betreiben des „Eisenhammers“ zu finden war. Sie war ähnlich wie die Glasindustrie fast ein forstwirtschaftliches Nebengewerbe und ging über den Rahmen eines nur wenige Personen beschäftigenden Handwerksbetriebes nicht hinaus. Als die grossen Waldverwüstungen in England den Übergang zur Steinkohlenfeuerung herbeiführten, übersiedelte die Industrie in die Kohlenreviere der Ebene, wo häufig auch günstigere Verkehrsgelegenheiten für den Bezug der Erze und den Absatz der fertigen Fabrikate vorhanden waren, „Das Erz geht zur Kohle“, sagte ein hüttenmännischer Grundsatz. Wie in den Vereinigten Staaten von Amerika die Erze aus dem Gebiete der grossen Seen nach den Kohlenfeldern von Pennsylvanien gebracht wurden, so wurde in Deutschland das Kohlengebiet von Rheinland-Westfalen mit dem Erzbezug aus Luxem-burg-Lothringen zum Mittelpunkte der deutschen Eisenindustrie. Auch in Oberschlesien entwickelte sich auf Grund des reichen Kohlenvorkommens ein selbständiges Produktionsgebiet. Ganz in den Hintergrund trat dagegen die altberühmte Eisenindustrie des Siegerlandes. In Deutschland entstand aber noch ein zweites grosses Zentrum, und zwar im lothringisch-luxemburgischen Erzrevier, welchem wieder die Kohle aus Rheinland-Westfalen und teilweise aus dem nahen Saar-Revier zugeführt werden muss. Das letztgenannte Revier hat sogar durch das neue Elektroverfahren einen Vorsprung erlangt. Wir sehen hier also einen gegenseitigen Austausch der Rohmaterialien zwischen Kohlenrevier und Erzrevier über Entfernungen von rund 400 km. Fast jedes Buch über die Eisenindustrie enthält die Feststellung, dass kein Land der Erde für die Eisenindustrie so günstige natürliche Vorbedingungen aufweist wie England, weil Kohle und Eisenerz beisammen liegen, und doch ist der Anteil Englands an der Weltproduktion in Roheisen von 55,25% im Jahre 1871 bis auf 16% im Jahre 1910 zurückgegangen. Heute entscheidet eben nicht das natürliche Vorkommen der Rohstoffe über den Standort, sondern der nach der Frachtlage zur Verfügung stehende Markt. Im westdeutschen Industriegebiet haben die Eisenbahnen, der Rhein und der Dortmund-Ems-Kanal eine [390] ausserordentlich günstige Frachtlage geschaffen. Übrigens baut sich die Eisenindustrie in immer höherem Masse auf Erzen auf, die weither vom Auslande kommen, aus Spanien, Algier, Italien, Griechenland, ja es gelangen bereits Erze aus Kanada, Südafrika und China zur Verarbeitung in Europa. Aber nicht nur die von Natur aus billige Wasserfracht wurde überwunden, sondern auch die Landfracht, denn die schwedischen Eisenerze verbreiten sich über den ganzen Kontinent. Auch hier zeigt sich, wenn auch spät, so doch unaufhaltsam, der Sieg des Menschen über die Natur. England hatte bessere Kohlen und Erze, Deutschland aber eine bessere Wirtschaftspolitik, und die entschied.

Die deutsche Eisenindustrie bietet uns auch das Schauspiel jenes ungeheuren Konzentrationsprozesses, der manche der bisherigen nationalökonomischen Lehren auf den Kopf zu stellen droht. Fast die gesamte Stahlerzeugung des Deutschen Reiches wird von 31 Firmen betrieben, die im Stahlwerksverband in Düsseldorf ihre Produktions- und Absatzverhältnisse einheitlich geregelt haben und sich noch immer enger zusammenschliessen. Dabei gehören die grössten Firmen des Stahlwerksverbandes gleichzeitig dem Rheinisch-Westfälischen Kohlensyndikat in Essen an, dem fast sämtliche Zechen des Ober-Bergamtsbezirks Dortmund mit einem Anteil von 54% an der gesamten deutschen Kohlenproduktion angehören. Die Firmen sind grosse, mit Banken eng liierte Aktiengesellschaften. Während zur Zeit der Entstehung der Fabriksindustrie der Fortschritt in der technischen Arbeitsteilung des Betriebes und in der Spezialisierung der Betriebe untereinander für die einzelnen Fabrikate lag, ist das Schlagwort der modernen Zeit die Arbeitsvereinigung, welche die spezialisierten Betriebe wieder zu einer höheren Einheit zusammenfasst, weil sich auf diese Weise verschiedene technische und kommerzielle Vorteile erzielen lassen. Das Stahlwerk erzeugt nicht bloss einfache Walzwaren, wie Eisenbahnschienen und Träger, sondern errichtet auch Walzwerke für Stabeisen, Bleche usw., baut eigene Fabriken für Eisenkonstruktionen und Maschinen, Eisenbahnwaggons und Lokomotiven. Der sogenannte gemischte Betrieb dehnt sich aber im Produktionsprozess nicht bloss nach vorwärts, sondern auch nach rückwärts aus. Das Stahlwerk gliedert sich auch ein Hochofenwerk an, kauft Kohlenbergwerke und Erzgruben. Den Typus eines solchen Unternehmens stellen die in eine Aktiengesellschaft verwandelten Werke der Firma Friedrich Krupp in Essen dar. Die Werke umfassen die Gussstahlfabrik in Essen, die mittelrheinischen Hüttenwerke, die Friedrich-Alfred-Hütte in Rheinhausen-Friemersheim, das Stahlwerk Annen in Westfalen, das Grusonwerk in Magdeburg-Buckau, die Germaniawerft in Kiel-Gaarden, mehrere Kohlenzechen, zahlreiche Eisenerzgruben in Deutschland und im Beteiligungswege in Nordspanien, sowie eine Reederei in Rotterdam mit eigenen Seedampfern für den Erztransport. Die Gussstahlfabrik allein verbraucht fast so viel Wasser wie die Stadt Bochum und fast so viel Gas wie die Stadt Elberfeld. Am 1. Januar 1912 beschäftigten die Krupp’schen Werke einschliesslich der Beamten im ganzen 69 950 Personen. Ein solcher moderner Betrieb ist also zu einer Stadt für sich geworden.

Von entscheidender Bedeutung für die industrielle Entfaltung eines Landes ist noch immer die Kohle. Deutschland ist, wie neuere Untersuchungen ergeben haben, bezüglich der Kohlenvorräte das reichste Land Europas, nur die Vereinigten Staaten von Amerika und China verfügen über weit grössere Kohlenfelder. In der Weltproduktion besass aber England bis fast ans Ende des 19. Jahrhunderts eine beherrschende Stellung, die es seither an die Vereinigten Staaten von Amerika abtreten musste. An dritter Stelle folgt Deutschland, doch haben sich die Anteile dieser drei Staaten ziemlich ausgeglichen, wie folgende Übersicht zeigt:

Welt-Produktion in Stein- und Braunkohle
in Mill. t (1000 kg)
1860 1900 1908
Förderung aller Staaten 137.5 771.1 1067.0
Anteil der Vereinigt. Staaten von Amerika 15.2 = 11.1% 244.6 = 31.7% 376.9 = 35.3%
Anteil Englands 81.3 = 59.1% 228.8 = 29.6% 265.4 = 24.9%
Anteil Deutschlands 16.7 = 12.2% 149.8 = 19.4% 215.3 = 20.1%

Dabei ist zu berücksichtigen, dass England den vierten Teil seiner Produktion ins Ausland ausführt, während die Vereinigten Staaten ihre Produktion fast zur Gänze selbst aufbrauchen und [391] Deutschland seinen Export von Steinkohle nach Österreich durch einen fast gleich hohen Import von Steinkohle aus England und Braunkohle aus Österreich ausgleicht. Bei einem so gewichtigen Produkt wie Kohle ist die Frachtlage für das Ausland leicht günstiger wie für das Inland, besonders dort, wo billige Wasserfracht ausgenützt werden kann. So kommt es, dass der böhmische Braunkohlenbergbau rund 40% seiner Produktion in Deutschland absetzt und in Berlin englische Steinkohle mit der deutschen konkurriert. Die gesamte Kohlenversorgung Deutschlands war im Jahre 1910 folgende:

in Steinkohlen in Braunkohlen
in Mill. t (1000 kg)
Förderung 152.8 Förderung 69.5
Einfuhr von Kohle 11.2 Einfuhr von Kohle 7.4
Einfuhr von Koks 0.6 Einfuhr von Briketts 0.1
Einfuhr von Briketts 0.1
164.7 77.0
Ausfuhr von Kohle 24.3 Ausfuhr von Kohle 0.1
Ausfuhr von Koks 4.1 Ausfuhr von Briketts 0.5
Ausfuhr von Briketts 1.5
Verbrauch 134.8 Verbrauch 76.4

Die Förderung von Braunkohle konzentriert sich fast zu zwei Dritteln im Oberbergamtsbezirk Halle, während sich die Förderung der Steinkohle auf folgende Gebiete verteilt:

Förderung 1910 in Mill. t. in Prozent der
Gesamtförderung
Ruhrbezirk 89.1 58.3
Oberschlesien 34.5 22.6
Saarbezirk 14.4 9.4
Niederschlesien (Waldenburger Revier) 5.5 3.6
Sachsen 5.4 3.5

Ein interessantes Bild bietet auch ein Vergleich des Kohlenverbrauches der verschiedenen Staaten, doch sind zwei grosse Fehlerquellen nicht ausser Betracht zu lassen. Vor allem ist der Massstab unsicher, weil es bei der Kohle nicht bloss auf das Gewicht, sondern auch auf den Heizwert ankommt und der Kaloriengehalt der schlesischen oder gar englischen Steinkohle ein weit höherer ist ah beispielsweise der Braunkohle. Dann deckt sich auch der Kohlenverbrauch nicht mit dem Heizmaterialverbrauch der Industrie. Als Brennstoff konkurrieren mit der Kohle doch auch Holz, Holzkohle, Torf, Petroleum, ferner konkurriert in verschieden hohem Masse mit der Dampfkraft die Wasserkraft und schliesslich findet ein sehr grosser Teil der Kohle als Hausbrandkohle Verwendung, deren Bedarf sich wieder nach rein klimatischen Einflüssen richtet. Unter die Länder mit dem relativ stärksten Kohlenverbrauch fällt ausser den drei grössten Produktionsländern auch Belgien, doch haben in den letzten Dezennien die Vereinigten Staaten von Amerika und Deutschland die meiste Zunahme zu verzeichnen. Es betrug nämlich

der Kohlenverbrauch auf den Kopf der Bevölkerung
in Tonnen (1000 kg)
1871–75
durchschnittlich
1908
In den Vereinigten Staaten von Amerika 1.09 5.04
Grossbritannien 3.52 4.38
Belgien 1.99 3.54
Deutschland (1872–75) 1.08 3.47

[392] In dem Kohlenhandel Deutschlands lassen sich auch gewisse Wirkungen der freien Konkurrenz studieren, da die Kohle zu den wenigen Massenartikeln gehört, welche immer die Wohltaten des Freihandels genossen haben und weder durch Zölle behindert noch durch Prämien künstlich begünstigt wurden. Der Ausfuhrzoll auf Kohle in England nach dem Burenkrieg war nur eine vorübergehende Erscheinung. Die freie Konkurrenz drückt die Produktionskosten herab, führt aber auch zu einer völligen Anarchie, weil mit der wachsenden Grösse des Marktes die Übersicht über das Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage verloren geht. Je grösser das mit der Produktion verbundene Risiko ist, desto mehr wird das Bestreben dahin gehen, zwischen freie Konkurrenz und Monopol ein Mittelding einzuschieben, welches die wissenschaftliche Nationalökonomie nicht gekannt hat und auch heute noch nicht anerkennen will: die organisierte Konkurrenz. Wie im politischen, so ist auch im wirtschaftlichen Leben eine Freiheit nur mit Ordnung von Bestand. In allen Ländern steht daher das Kohlengeschäft unter dem Einflusse von Kartellen, in erster Linie von solchen der Kohlenwerke unter einander, dann aber auch von Vereinbarungen zwischen den Kohlenhändlern unter einander und mit den Kohlenwerken. Die vollkommenste Organisation in dieser Richtung weist Deutschland auf. Im Ruhrbezirk ist bis auf 2 bis 3% die gesamte Kohlenproduktion im Rheinisch-Westfälischen Kohlensyndikat in Essen vereinigt, einem straff organisierten Verkaufskartell, welchem alle Zechenbesitzer ihre Produktion an Kohlen, Koks und Briketts zu den auf Basis der sogenannten Richtpreise festgestellten Verrechnungspreisen abliefern müssen, so dass das Syndikat den Alleinverkauf besorgt. Zur Regelung des Absatzes längs der Rheinstrasse wurde das sogenannte Kohlenkontor (Rheinische Kohlenhandels- und Reedereigesellschaft G. m. b. H., Mühlheim-Ruhr) begründet. Die grossen Kohlenhändler, an welche das Syndikat liefert, sind wieder in mehreren Städten zu je einer Kohlenhandelsgesellschaft vereinigt. In Oberschlesien herrscht die Oberschlesische Kohlenkonvention in Kattowitz, welcher nicht bloss die Grubenbesitzer (15), sondern mit beratender Stimme auch die massgebenden zwei Firmen für den Kohlengrosshandel (Emanuel Friedländer & Co. und Caesar Wollheim) angehören. Im Waldenburger Revier Niederschlesiens fungiert das Niederschlesische Kohlensyndikat als Verkaufskartell. Im Saarbrückener Revier ist der preussische Fiskus preisbestimmend, welcher 11 Bergwerke besitzt. Im Revier von Aachen-Düren gehören fast alle Werke dem Eschweiler Bergwerksverein an. Schliesslich bestehen mehrere Syndikate für Braunkohlen und Briketts. Die Konkurrenz ist somit nirgends ausgeschlossen, aber nach allen Richtungen geregelt bis zum letzten Detailhändler.

Wichtige Anhaltspunkte zur Beurteilung der allgemeinen Entwicklung gibt die Maschinenindustrie. Sie richtet sich fast gar nicht nach natürlichen Vorbedingungen, vor ihrer Entstehung muss aber ein grosser Inlandsmarkt da sein, nämlich eine stark entwickelte Industrie. Sie bekommt auch die Gunst oder Ungunst der Konjunkturen doppelt zu fühlen, einmal als selbständiger Industriezweig, dann aber in der Rückwirkung von allen anderen Industriezweigen, denen sie die Produktionsmittel liefert. Nun weist in den letzten Jahren keine Gruppe des deutschen Gewerbes so enorme Fortschritte auf wie die der Maschinen, Instrumente und Apparate. Sie beschäftigte nach der Gewerbezählung vom 12. Juni 1907 1 120 282 Personen, rund doppelt soviel, als nach der Gewerbezählung vom 14. Juni 1895. Dabei hat sich infolge technischer Verbesserungen der Bedarf an menschlicher Arbeitskraft relativ, nämlich auf die Produkteinheit berechnet, sehr vermindert. Nach dem Bergbau ist die Maschinenindustrie unter den Grossbetrieben am stärksten vertreten, denn nach der letzten Gewerbezählung entfielen 788 830 Personen auf Betriebe mit 51 und mehr Personen, und hat auch den stärksten Bedarf an motorischer Kraft, da die Zahl der verwendeten Pferdekräfte in der Zeit von 1895 bis 1907 von 181.821 auf 1.370.727, also um mehr als das Siebenfache gestiegen ist. Dem Inlandsmarkt hat sich unterdessen ein bedeutender Auslandsmarkt an die Seite gestellt, denn im Jahre 1908, einem Rekordjahr, wurden Maschinen in einem Werte von 437,8 Mill. Mark exportiert, so dass sie bereits 6,8% der gesamten Ausfuhr des Deutschen Reiches ausmachten. Die Konkurrenzfähigkeit in Maschinen hängt wesentlich von der Möglichkeit einer Spezialisierung ab, diese aber ergibt sich erst mit wachsendem Absatz. Wie sehr sich die deutsche Maschinenindustrie verzweigt, lehrt ein Blick auf die Gewerbestatistik, die in keiner anderen Gruppe so viele Unterabteilungen [393] aufweist. In der Gruppe Maschinen, Instrumente und Apparate finden wir folgende Mannigfaltigkeit:

Betriebe Personen
a) Maschinen und Apparate 12.425 542.996
darunter:
1. Fabrikation von Dampfmaschinen, Lokomotiven 260 69.513
2. Fabrikation von Petroleum- usw. -motoren 100 4.498
3. Fabrikation von landwirtschaftlichen Maschinen und Geräten 1.757 41.514
4. Fabrikation von Spinnerei- und Webereimaschinen 1.177 31.072
5. Fabrikation von Nähmaschinen 332 18.448
6. Fabrikation von Nähmaschinenteilen 26 1.590
7. Verfertigung von eisernen Baukonstruktionen 373 30.036
8. Herstellung von Zentralheizanlage 330 9.255
9. Fabrikation von Automaten 75 1.287
10. Fabrikation von Buchdruckereimaschinen 104 7.318
11. Fabrikation von Dampfkesseln und Kesselarmaturen 549 31.366
12. Fabrikation von Maschinen und Apparaten für Waschanstalten 78 1.590
13. Verfertigung und Aufstellung von Fahrstühlen 51 3.180
14. Fabrikation von Maschinen und Apparaten für Brauerei und Brennerei 211 7.224
15. Fabrikation von Maschinen usw., für Gas- und Wasseranlagen 231 9.254
16. Fabrikation von Pumpen, Kränen, hydraulischen Anlagen 166 7.997
17. Fabrikation von Feuerlöschapparaten usw. 52 1.693
18. Verfertigung von Maschinen und Apparaten anderer Art, soweit nicht zu den folgenden Klassen gehörig 6.553 266.161
b) Mühlenbau 1.308 5.405
c) Wagenbau 45.219 199.770
1. Stellmacher, Wagner, Radmacher, Wagenbauanstalten 43.448 165.362
2. Verfertigung von Fahrrädern 1.457 16.508
3. Fabrikation von Kraftfahrzeugen 257 14.549
4. Verfertigung von Fahrradteilen 57 3.351
d) Schiffsbau 1.097 49.842
e) Verfertigung von Schusswaffen 1.558 21.629
1. Büchsenmacher 1.206 3.281
2. Geschützgiessereien 15 7.551
3. Sonstige Verfertigung von Schusswaffen (und Gewehrteilen) 337 10.797
f) Verfertigung von Zeitmessinstrumenten (Uhrmacher) 15.574 37.789
g) Musikinstrumente, ohne Kinderspielwaren 6.676 46.847
1. Pianofortefabrikation, Orgelbau 1.681 26.828
2. Geigenmacher 1.294 2.251
3. Fabrikation von automatischen Musik- und Sprechapparaten 180 4.467
4. Zieh- und Mundharmonikafabrikation 1.605
5. Verfertigung von sonstigen musikalischen Instrumenten 1.916 6.221
h) Mathematische usw. Instrumente und Apparate 4.701 47.789
1. Verfertigung von mathematischen, physikalischen usw. Instrumenten und Apparaten 3.265 37.518
2. Verfertigung von chirurgischen Instrumenten und Apparaten 1.165 9.679
3. Verfertigung von anatomischen usw. Präparaten 271 592
i) Verfertigung von Lampen- und Beleuchtungsapparaten (soweit nicht zu k 4 gehörig) 543 26.044
1. Verfertigung von Lampen und anderen Beleuchtungsapparaten 393 26.912
2. Glühstrumpf- und Glühkörperfabrikation 150 3.132
k) Herstellung von elektrischen Maschinen, Apparaten, Anlagen usw. 5.391 142.171
1. Herstellung von Stromerzeugungsmaschinen usw. 105 27.703
2. Herstellung von Akkumulatoren usw. 85 3.529
3. Herstellung von elektrischen Telegraphen usw. 134 7.830
4. Herstellung von anderen elektrischen Apparaten (Lampen usw.) 593 42.001
5. Herstellung von elektrischen Anlagen (lnstallationsanstalten) 2.315 27.714
6. Betriebe für Elektrizitätserzeugung usw. 2.065 23.208
7. Fabrikation von Erd- und Seekabeln 94 10.186

[394] Die eigenartigen Verhältnisse der Maschinenindustrie finden sich in gesteigertem Masse in dem modernsten Zweige derselben, in der elektrotechnischen Industrie. Die praktische Verwendung des elektrischen Stromes kannte man schon seit dem Jahre 1837, aber vorläufig nur in der Schwachstromtechnik zur Verständigung über weite Entfernungen. Erst im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts kam die Starkstromtechnik auf, zunächst für die Zwecke der Beleuchtung (Bogenlampen und später Glühlampen), dann erschloss die Möglichkeit der elektrischen Kraftübertragung das Gebiet der Verkehrsmittel, die Elektrisierung der Strassenbahnen vollzog sich mit überraschender Schnelligkeit und die der Fernbahnen wurde begonnen, schliesslich kamen die Errungenschaften der Elektrochemie. In dem Wirbel von neuen Ereignissen und in der Hast der drängenden Konkurrenz war es wohl schwer, zwischen Wägen und Wagen die richtige Mitte zu halten. Im letzten Dezennium des Jahrhunderts entstand eine lebhafte Gründungstätigkeit. In der Zeit von 1895 bis 1900 stieg die Zahl der Elektrizitätswerke in Deutschland von 180 auf 774, die Leistungsfähigkeit derselben von 40 471 auf 230 058 Kilowatt, die Ausdehnung der elektrischen Bahnen von 854 auf 5308 Gleiskilometer und die Leistungsfähigkeit derselben von 18 560 auf 92 498 Kilowatt. Die Produktionsstatistik von 1898 ergab eine Gesamtproduktion im Werte von 228,7 Mill Mark, davon 211,1 Mill. Mark für Starkstromfabrikate. Die Unternehmer erkannten bald, dass ihre Hauptaufgabe nicht so sehr die Deckung, als vielmehr die Weckung des Bedarfes sei. Damit gesellte sich aber zu der technischen Leistung eine rein finanzielle, nämlich die Gründung von Aktiengesellschaften für Elektrizitätswerke und Strassenbahnen, für welche selbst die kleineren Städte leicht zu begeistern waren, falls die Kosten auf andere Schultern abgewälzt werden konnten. Die Elektrizitätsgesellschaften konnten aber nur bei grossen Anlagen von allgemeinem Interesse die Aktien der neugegründeten Gesellschaft rasch genug im Publikum unterbringen und damit die festgelegten eigenen Mittel frei bekommen. Zu bloss lokalen Unternehmungen mussten sie das Finanzkapital zu Hilfe nehmen, und zwar entstanden zu diesem Zwecke im Ausland (Schweiz, Belgien) eigene Banken, welche internationale Bedeutung erlangt haben. Die Bank für elektrische Unternehmungen in Zürich beispielsweise besitzt Aktien von 17 Elektrizitätswerken und 4 Transportunternehmungen in Deutschland, der Schweiz, Italien, Russland, Spanien und Argentinien und ist ausserdem an 2 Werken der elektrochemischen Industrie, einer Fabrikationsunternehmung für elektrotechnische Artikel und 7 Finanzierungsgesellschaften beteiligt. Die Gefahr war gross, dass die elektrotechnische Industrie in ihrem Bestreben, sich durch künstliche Schaffung von Abnehmern selbst Bedarf zu erzeugen, zu weit geht, und sie wurde nicht vermieden. Zu Beginn des jetzigen Jahrhunderts brach infolge allgemeiner Überproduktion die Krise herein. Diese beschleunigte den ohnehin schon wirksamen Konzentrationsprozess. Bis zur Krise waren in Deutschland 6 grosse Firmen auf dem Gebiete der Elektrotechnik tätig, in den Jahren 1903 bis 1905 entstanden aber durch Verschmelzung die drei grossen Konzerns, die noch heute bestehen: die Allgemeine Elektrizitätsgesellschaft, die Siemens-Schuckertwerke und die Felten & Guilleaume-Lahmeyer-Werke, doch befindet sich schon die Majorität der Aktien der letztgenannten Werke im Besitze der Allgemeinen Elektrizitätsgesellschaft. Unterdessen ist aber neue Konkurrenz entstanden, insbesondere haben die Schweizer Aktiengesellschaft Brown Boveri & Co. und die amerikanischen Bergmann-Elektrizitätswerke ihren Einfluss geltend gemacht. Übrigens haben sich auch die Beziehungen der Elektroindustrie in den verschiedenen europäischen Staaten unter einander so verdichtet, dass selbst internationale Vereinbarungen nicht ausgeschlossen sind.

Ein Ruhm des modernen Deutschland ist die chemische Industrie. In ihr hat das Bündnis wissenschaftlicher Forschung und praktischer Arbeit die grössten Triumphe gefeiert. Sie ist heute [395] unbestritten die erste der Welt. Die vergleichenden Zahlen über Arbeiter und Motorkräfte gestatten hier keinen sicheren Rückschluss auf den Aufschwung, weil die chemische Industrie mehr als jede andere die mechanische Arbeit entbehrlich macht und umso grössere Ansprüche an die geistige Arbeit stellt. In der chemischen Industrie kommt 1 Beamter auf 6 bis 7 Arbeiter, in der Spinnerei dagegen auf 15 bis 18 Arbeiter. Die chemische Grossindustrie ist ein Kind der neuesten Zeit, denn auch für sie war wie für die Maschinenindustrie eine allgemeine industrielle Entwicklung die unbedingte Voraussetzung. Heute liefert Deutschland mehr als ein Viertel der gesamten Produktion von Schwefelsäure in der Welt, denn es erzeugte im Jahre 1910 aus Erzen allein 1,5 Mill. Tonnen im Werte von 41,5 Mill. Mark. An Kalisalzen wurden im Jahre 1910 8,2 Mill. Tonnen im Werte von 91,2 Mill. Mark gewonnen, welche zum grössten Teil der deutschen Landwirtschaft als Düngemittel zugeführt, zum Teil durch Umlösen weiter verarbeitet werden. Unter Berücksichtigung des eingeführten Chilesalpeters, der bei der Entphosphorung des Eisens sich ergebenden Thomasschlacke, sowie anderer Phosphate hat man berechnet, dass die deutsche Landwirtschaft für etwa 250 Mill. Mark künstlicher Düngemittel von der Industrie bezieht. In der Farbstofferzeugung wurde die einst massgebende englische und französische Industrie von der deutschen überholt. Die Krappkulturen Frankreichs wurden von dem künstlichen Alizarin verdrängt und während der ostindische Indigo im 17. Jahrhunderte die Waidkulturen in Deutschland vernichtete, bedrängt jetzt der synthetische Indigo die Indigopflanzungen Britischindiens. In den künstlichen organischen Farbstoffen hat sich aber Deutschland auf die erste Stufe geschwungen und exportierte im Jahre 1911 für 250,8 Mill. Mark Farben und Farbwaren, wovon etwa 46% auf Anilin und andere Teerfarbstoffe und 17% auf synthetischen Indigo entfallen.

Eine besondere Erwähnung verdient die Hausindustrie, welche durch den Anprall der modernen Fabriksindustrie eine durchgreifende Veränderung erfuhr, aber nicht immer in dem erwarteten Sinne. Die alten traditionellen Hausindustrien, denen in bestimmten Gegenden besonders gutes Rohmaterial (Holz, Flachs, Eisen, Ton) und die ererbte Arbeitsgeschicklichkeit der Bewohner zugute kam und die namentlich der landwirtschaftlichen Bevölkerung während der langen Wintermonate lohnende Nebenbeschäftigung boten, schienen nicht lebensfähig zu sein. Die städtischen Verlagsindustrien, unter denen namenlich die Kleider- und Wäschekonfektion riesenhaft emporwuchs, schienen dagegen wegen übermässiger Ausnutzung der Arbeitskraft und steter Lohndrückerei vom sozialpolitischen Gesichtspunkte aus nicht unbedenklich zu sein, zumal sie sich der modernen Arbeiterschutzgesetzgebung mit Erfolg entziehen konnten. In den meisten Ländern hat sich die öffentliche Fürsorge dahin gerichtet, die lokal-traditionellen Hausindustrien durch Belehrung in technischer und kaufmännischer Beziehung, durch materielle Unterstützung und durch Propaganda für die hausindustriellen Erzeugnisse vor dem Niedergange zu retten, doch erreichte man gewöhnlich nichts anderes als eine Perpetuierung der alten Hungerlöhne. In Deutschland hat aber der allgemeine Aufschwung der Hausindustrie mehr genützt als ihr kleingewerbliche Förderung oder sozialpolitische Fürsorge jemals nützen könnte. Freilich, jene Zweige konnten sich auch nicht halten, in denen die Fabriksindustrie bessere Produktionsmittel besass, aber gegen solche wirtschaftliche Umwälzungen ist auch jede Gesetzgebung und Verwaltung ohnmächtig. So hat die Handweberei dem mechanischen Webstuhl weichen müssen, so konnte sich die Kleineisenindustrie, die Waffen- und Messerwarenerzeugung in Solingen, die Werkzeugindustrie in Remscheid und Hagen i. W., die Nadelerzeugung in Iserlohn, die Nagelerzeugung in Schmalkalden, gegen die Fabrik nicht halten, weil die Handarbeit zweckmässigerweise durch Maschinenarbeit ersetzt wurde; so ist auch die einst blühende Uhrenindustrie im Schwarzwald bis auf wenige Reste im Grossbetrieb aufgegangen. Die städtische Verlagsindustrie aber lernte von der Fabriksindustrie die Organisation der Arbeiter-Interessen und erreichte damit mehr, als ihr staatliche Fürsorge hätte jemals verschaffen können. Diejenigen Zweige der Hausindustrie, in denen der maschinelle Betrieb nicht möglich war, profitierten aber von den regen Handelsbeziehungen, welche sich die Grossindustrie geschaffen hatte und arbeiteten besonders für den Export. Die Sonneberger Spielwarenindustrie z. B. bringt etwa 80% ihrer Gesamterzeugung über die Grenzen des Reiches; die Ausfuhr Deutschlands in Spielwaren ist von 38,8 Mill. Mark im Jahre 1898 bis auf 90,1 Mill. im Jahre 1911 gestiegen. Auf diese Weise lassen sich die scheinbar widersprechenden [396] Ziffern der Gewerbestatistik erklären. Für die Hausindustrie ergaben die letzten Gewerbezählungen folgende Ziffern:

Jahr der
Gewerbezählung
Betriebe Hausgewerbetreibende Personen
Haupt- Neben- zusammen männliche weibliche zusammen
1882 352.079 34.337 386.416 269.843 209.691 479.534
1895 300.901 41.656 342.557 256.131 201.853 457.984
1907 279.513 36.107 315.620 170.712 234.550 405.262

Die Gesamtziffern zeigen einen allgemeinen Rückgang an. Das richtige Bild aber erhält man erst im Detail, wenn man die wichtigsten Gruppen der Hausindustrie zusammenstellt. Abgenommen haben

Zahl der beschäftigten Personen
1895 1907
Baumwollweberei 33.208 21.358
Leinenweberei 26.291 14.216
Wollweberei 27.790 13.087
Seidenweberei 18.656 13.264
Weberei von gemischten und anderen Waren 17.442 8.325
Strickerei und Wirkerei 27.762 22.069
Näherei 40.850 29.261
Schuhmacherei 26.553 18.617
     Zugenommen haben dagegen:
Kleider- und Wäschekonfektion 72.919 (45% wbl.) 85.610 (61% wbl.)
Spitzen-Erzeugung 14.378 20.375
Handschuhmacherei 3.905 (82% wbl.) 14.033 (95% wbl.)
Tabakfabrikation 15.457 19.435
Erzeugung von Spielwaren und Puppen 5.776 12.744
Korbflechterei 8.399 10.679
Häkelei und Stickerei 5.863 7.611
Verfertigung künstlicher Blumen 1.941 7.867
Geigenbau 943 1.351

Danach geht die hausindustrielle Textilindustrie und Schuhmacherei unaufhaltsam zurück. In Riesendimensionen dagegen wächst die Kleider- und Wäschekonfektion, und zwar unter stärkerer Zunahme der weiblichen Arbeitskräfte. Voran steht die Herrenkonfektion mit den norddeutschen Produktionszentren Berlin und Stettin, den süddeutschen Frankfurt a. M., Aschaffenburg, Nürnberg und Stuttgart und die rheinisch-westfälische Arbeiterkleiderkonfektion von München-Gladbach, Elberfeld-Barmen usw. Die Damenkonfektion, nämlich die Verfertigung von Damenmänteln und Jacketts, hat ihren Hauptsitz in Berlin, doch werden auch in Breslau und Erfurt besonders die billigeren Massenartikel hergestellt. Die Wäschekonfektion konzentriert sich in Berlin, Breslau und Köln. In starker Verbreitung sind die Spitzen- und Stickerei-Erzeugung und besonders die Handschuhmacherei und die Herstellung von künstlichen Blumen. Die Korbflechterei und Tabakfabrikation erhalten sich, weil in diesen Industrien die Maschinenarbeit keinen Boden findet. Die Spielwarenerzeugung ist in Sonneberg und dem sächsischen Erzgebirge noch vorwiegend Hausindustrie, dagegen hat in der Herstellung der Metallspielwaren in Nürnberg und Fürth bereits der Fabriksbetrieb mit Maschinenarbeit Eingang gefunden.

Die Darstellung der charakteristischen Einzelheiten bedarf nun einer Ergänzung durch ein Bild der allgemeinen Entwicklung. Nach den amtlichen statistischen Aufnahmen zählte man in der Industrie und im Bergbau des Deutschen Reiches:

Betriebe tätige Personen
1882 2,270.339 5,933.663
1895 2,146.972 8,000.503
1907 2,086.368 10,852.873

[397] Die Zahl der in der Industrie beschäftigten Personen hat sich also in einem Vierteljahrhundert fast verdoppelt. Dadurch ist die Landwirtschaft als Erwerbsquelle erheblich zurückgedrängt worden. In Preussen gehörten im Jahre 1843 noch mehr als 60% der erwerbstätigen Bevölkerung der Landwirtschaft an, im Jahr 1907 nur noch 28,6%. Im Deutschen Reich ist der Anteil der Industrie von der Berufszählung von 1882 bis zu jener von 1907 von 35,5% auf 42,8% gestiegen, der der Landwirtschaft von 42,5% auf 35,2% gefallen. Der Prozentsatz der Industrie wird heute nur noch von Grossbritannien, der Schweiz und Belgien übertroffen, wo aber ganz besondere Verhältnisse die Ausdehnung der Landwirtschaft hemmen. Diese rasch fortschreitende Industrialisierung hat Bedenken geweckt, die in der Kontroverse über „Agrarstaat“ und „Industriestaat“ ihren lebhaften Ausdruck gefunden haben. Man befürchtet vom Industriestaat eine wachsende Abhängigkeit vom Auslande, eine Aushungerung im Kriegsfalle und eine Minderung der nationalen Wehrkraft. Die wirtschaftliche Abhängigkeit wird aber ungefährlicher, weil sie in immer höherem Grade eine gegenseitige wird, die Aushungerung im Kriegsfalle hat aber am wenigsten Deutschland zu fürchten, das über mehrere Zufuhrwege verfügt und sich gleichzeitig auf eine starke landwirtschaftliche Produktion im Inlande stützt, die Minderung der nationalen Wehrkraft wird aber auch nicht eintreten, weil man die sanitären Gefahren der industriellen Beschäftigung zu bannen versteht und die Kriegstechnik überdies immer grössere Anforderungen an die Intelligenz als an die physische Kraft der Soldaten stellt. Zwischen Landwirtschaft und Industrie besteht überhaupt nicht jener scharfe Gegensatz, der vielfach durch Schlagworte des Tages konstruiert wird. Mit dem wachsenden Wohlstand der Bevölkerung vermehrt sich begreiflicherweise der Bedarf an Industrie-Erzeugnissen stärker als jener in Nahrungsmitteln. Daher muss die Industrie ganz naturgemäss einen immer breiteren Raum im Wirtschaftsleben eines Kulturlandes beanspruchen. Die Landwirtschaft aber sinkt deshalb nicht in ihrer Bedeutung, denn bei ihr wird die Grösse des Bedarfes ersetzt durch die Dringlichkeit des Bedarfes, weil das Nahrungsbedürfnis allen anderen vorangeht. Die Industrie braucht die Landwirtschaft als notwendigen Unterbau, fördert sie aber durch Vermehrung der Nachfrage und durch Beistellung wichtiger Produktionsmittel (Maschinen, künstliche Düngemittel) und ermöglicht ihr jene Industrialisierung, für welche besonders Dänemark ein charakteristisches Beispiel bietet. Die Landwirtschaft wird selbst ein Industriezweig. An Gegensätzen wird es auch dann nicht fehlen, aber sie werden nicht grösser sein als zwischen den einzelnen Zweigen der heutigen Industrie.

Die Ziffer für die erwerbstätigen Personen lässt den Aufschwung der industriellen Arbeit nur zum Teil erkennen, weil die Menschenarbeit in steigendem Verhältnis von der Maschinenarbeit abgelöst wird. Die Verwendung von Motoren in Industrie und Bergbau war folgende:

Betriebe mit Motoren
(Haupt- und Nebenbetriebe)
Pferdestärke
1895 139.687 3,356.538
1907 233.360 8,008.405

Gleichzeitig ist die Leistungsfähigkeit der Motoren gestiegen, weil man sich von den unregelmässigen und unzuverlässigen natürlichen Betriebskräften Wind und Wasser unabhängig zu machen wusste. Noch im Jahre 1882 war in Deutschland die Wasserkraft an erster Stelle, seither aber erfolgte ein entscheidender Umschwung zugunsten des Dampfes und der Elektrizität. Es entfielen von den Motorbetrieben auf

Windkraft Wasserkraft
Betriebe Betriebe Pferdestärke
1895 18.242 53.908 626.853
1907 17.724 49.090 862.467
Dampfkraft elektrische Kraft
Betriebe Pferdestärke Betriebe Kilowatt
1895 54.402 2,661.513 2.003
1905 69.635 6,499.602 71.316 1,360.503

[398] Die Maschine setzt Massenabsatz voraus und drängt zum Grossbetriebe. Wie sehr die Grossbetriebe in Industrie und Bergbau zugenommen haben, zeigt folgende Übersicht:

Kleinbetriebe
(1–5 Personen)
Mittelbetriebe
(6–50 Personen)
Grossbetriebe
51 und mehr Personen
Betriebe Personen Betriebe Personen Betriebe Personen
1882 2,175.857 3,270.404 85.001 1,109.128 9.481 1,554.133
1895 1,989.572 3,191.125 139.459 1.902.049 17.941 2,907.329
1907 1,870.201 3,200.282 187.074 2,714.664 29.033 4,937.927
     Daher Abnahme (–) oder Zunahme ( + ) in Prozent:
1895 – 8.6 – 2.4 + 64.1 + 71.5 + 89.3 + 87.2
1907 – 6.0 + 0.3 + 34.1 + 42.7 + 61.8 + 69.8

Die augenfälligste und heute fast selbstverständliche Tatsache ist die gewaltige Zunahme des Grossbetriebes. In der letzten Zeitperiode hat sich das Tempo etwas verlangsamt, weil in vielen Fällen ein gewisser Sättigungspunkt erreicht wurde und überdies die Industrie mehr durch eine Konzentration als durch eine Vermehrung der Betriebe ihre Leistungsfähigkeit zu erhöhen sucht. Überraschender ist die Tatsache, dass das Kleingewerbe nicht verdrängt wurde, sondern nach der letzten Gewerbezählung sogar eine kleine Zunahme zeigt. Heute können wir den Siegeszug des Grossbetriebs schon überblicken und sagen: er hat sich mehr an die Seite als an die Stelle des Kleinbetriebes gesetzt. Im ersten Ansturm musste zwar mancher Zweig des Kleingewerbes unterliegen, aber andererseits hat die Grossindustrie selbst wieder durch Zuweisung verschiedener Hilfs- und Reparaturarbeiten einige Zweige vergrössert und neue geschaffen.

Die Maschine hat auch den Arbeiter nicht verdrängt. Wie häufig wurden neue Maschinen von revoltierenden Arbeitern zerstört, die ihr Brot zu verlieren fürchteten! Die vermeintliche Feindin war in Wahrheit eine stumme Helferin. Es hat sich das Bedürfnis nach menschlicher Arbeitskraft vermehrt, aber auch gleichzeitig verfeinert, denn die Maschinen werden immer rationeller, aber auch komplizierter, und ersetzen die physische Arbeitsleistung durch geistigen Arbeitsaufwand, wie dies namentlich an den selbsttätigen Maschinen für Massenartikel, wie Schrauben, Drahtstifte, Nadeln usw., an den Setzmaschinen, an der Owen’schen Flaschenblasmaschine usw. zu sehen ist. Manche Fabriksgründung im Orient scheiterte lediglich daran, dass der heimische Arbeiter zwar Handgriffe lernen konnte, aber die für die moderne Fabriksarbeit notwendige Intelligenz nicht besass. Auch die Statistik gewährt uns einen Einblick in diesen Vorgang, indem sie uns zeigt, dass der Bedarf nach qualifizierten Mitarbeitern viel rascher steigt als der nach gewöhnlichen Arbeitern. Von den in Industrie und Bergbau beschäftigten Personen waren:

Arbeiter
und Gehilfen
Verwaltungs-, Kontor- und
Aufsichtspersonal
Technisches Betriebs- und
Bureaupersonal
1895 5,550.205 Steigerung
43.2%
158.714 Steigerung
103.3%
109.248 Steigerung
167.6%
1907 7,950.418 322.612 292.203

Der Anteil der Selbständigen an der erwerbstätigen Bevölkerung ist freilich gesunken und zwar in der Industrie rascher als in anderen Erwerbsgruppen. Nach der amtlichen Statistik kamen auf je 100 Erwerbstätige

Selbständige Angestellte und Arbeiter
in der Industrie: 1882 34.4 65.6
1895 24.9 75.1
1907 17.6 82.4
in der Landwirtschaft: 1882 27.8 72.2
1895 31.0 69.0
1907 25.3 74.7
im Handel: 1882 44.7 55.3
1895 36.1 63.9
1907 29.2 70.8

[399] Dabei ist zu berücksichtigen, dass die amtliche Statistik zu den Selbständigen auch leitende Beamte, wie Direktoren, Administratoren zählt, die doch nicht selbst Unternehmer, sondern Angestellte von Unternehmungen sind; mit dieser Korrektur würde sich das Verhältnis noch krasser stellen. Die dargelegte Veränderung ist aber nicht die beklagenswerte Erscheinung, für die man sie im Anfang wohl hielt. Dem Handwerker des Mittelalters musste die Selbständigkeit das naturgemässe Ziel des Ehrgeizes sein, weil er nur als Meister seine volle Tüchtigkeit entfalten konnte, heute ist sie aber mehr eine Illusion als ein Vorteil. Mit der Verschärfung der Konkurrenz geht die Macht vom Produzenten auf den Konsumenten über, und je kleiner der Unternehmer ist, desto drückender wird die Abhängigkeit. Der Arbeiter eines Grossbetriebes erfreut sich tatsächlich einer viel grösseren Unabhängigkeit als der selbständige Handwerker, er braucht auch kein Unternehmer-Risiko zu tragen, das vollständig auf das Kapital überwälzt wird. Auch die Furcht vor der Zermalmung des wirtschaftlich und politisch wichtigen Mittelstandes hat sich als ungerechtfertigt erwiesen. Der aus kleinen Unternehmern, Handwerkern, Händlern usw. bestehende alte Mittelstand wird durch einen neuen ersetzt, der nicht bloss aus den verschiedenen Kategorien von Beamten und Angestellten, sondern auch schon aus Arbeitern gebildet wird, da es bereits qualifizierte Arbeiter gibt, deren Bezüge denen eines ziemlich hoch gestellten Staatsbeamten nicht nachstehen.

Auch die Angst vor den übermächtigen Industriekönigen, die man durch Anhäufung grosser Kapitalien in den Händen Einzelner entstehen sah, ist sichtlich im Verschwinden. Ein grosser glänzender Name ist in der Industrie weniger durch Geld als durch Tatkraft zu erreichen. Die alte Personalunion zwischen Arbeit und Kapital ist zerrissen worden, weil an die Stelle des Einzelbetriebs immer mehr der unpersönliche Gesellschaftsbetrieb tritt. Der erste Unternehmer lebt häufig nur noch in der Firma fort, die Unternehmerfunktion hat sich aber unterdessen auf eine immer grössere Zahl von häufig wechselnden und daher namenlosen Aktionären und Teilhabern verteilt. Die Kapitalskonzentration schreitet auch weiter unaufhaltsam vor, aber die Machtkonzentration des Einzelnen ist im Verschwinden. Auch im Reiche des Geldes vollzieht sich ein Demokratisierungsprozess. Die Aktiengesellschaft als erste Form der Kapitalsgesellschaft hat sich zwar in mancher Industrie nur langsam Bahn gebrochen, weil man nur die Nachteile der kostspieligeren Verwaltung und schwerfälligeren Leitung sah. Allmählich wurden aber die Vorteile in immer höherem Grade eingeschätzt. Die Kapitalsbeschaffung ist eine ungleich leichtere und billigere, weil die Gesellschaft vom Wechsel der Mitglieder unabhängig und hinsichtlich ihrer Geschäftstätigkeit einer Kontrolle der Öffentlichkeit ausgesetzt ist. Das Leihkapital, das durch Ausgabe von Obligationen, durch Aufnahme von Hypothekenschulden und schwebenden Schulden gefunden wird, bietet hiebei den besonderen Vorteil, dass es über die eigene Verzinsung hinaus in dem Unternehmen werbend mitarbeitet und dadurch den Ertrag der Aktien vermehren hilft. Ein besonderer Nutzen wird durch die Agiogewinne erzielt, welche bei der Emission neuer Aktien zuweilen sogar 150 bis 200% betragen und dem Reservefonds zugewiesen werden, denn auf diese Weise arbeitet ein Kapital mit, das überhaupt nicht verzinst zu werden braucht.

Das Aktienwesen hat denn auch in Deutschland eine ausserordentliche Entwicklung erfahren. Nach einer Veröffentlichung des Kaiserlichen Statistischen Amtes gab es in Deutschland im Jahre 1911 nach Ausscheidung der in Liquidation und im Konkurs befindlichen Gesellschaften 5340 tätige Aktiengesellschaften. Nach einigen Ausscheidungen, wie der Kartelle, welche satzungsgemäss eine Dividende ausschliessen, der Gesellschaften zu gemeinnützigen Zwecken usw. kommt die amtliche Statistik zu 4607 reinen Erwerbsgesellschaften, welche über ein eigenes Kapital in Aktien und Reserven von 16,1 Milliarden Mark verfügen und jährlich mehr als eine Milliarde an Dividenden verteilen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass in der letzten Zeit neben die alte Gesellschaftsform eine neue getreten ist, die der Gesellschaften mit beschränkter Haftung, welche sich besonders für industrielle Unternehmungen kleineren Umfanges eignet. An solchen Gesellschaften bestanden Ende des Jahres 1911 bereits 22 179 mit einem Stammkapital von 4,2 Milliarden Mark.

Der spezialisierte Grossbetrieb war das nächste Ziel der industriellen Entwicklung, weil er die äusserste Herabdrückung der Produktionskosten ermöglichte. Mit ihm wuchs aber eine doppelte Gefahr. Vor allem wurde der Betrieb im Falle einer Bedarfsänderung stärker in Mitleidenschaft [400] gezogen, weil er den Ausfall in einem Artikel nicht durch besseren Absatz in einem anderen ausgleichen konnte. Dann war eine Überproduktion eher zu befürchten und schwerer zu bekämpfen. Deshalb musste auch zu dieser Arbeitsteilung eine Arbeitsvereinigung gefunden werden, und zwar vollzog sich diese in der Konzentration und Kartellierung.

Wir bemerken vor allem eine örtliche Konzentration, indem sich die Industriebetriebe mit Vorliebe in gewissen Zentren gruppieren. Für die Wahl solcher Zentren sind verschiedene und mit der Zeit oft wechselnde Umstände massgebend. In früheren Zeiten entschied besonders oft das Vorkommen des Rohstoffes über die Wahl des Produktionsortes. So nahm die Zuckerindustrie von der Provinz Sachsen ihren Ausgangspunkt, wo die Kultur der Zuckerrüben gut gedieh. So hat die Eisenindustrie noch heute ihren Hauptsitz in Rheinland-Westfalen. Die Textilindustrie, die sich früher meist an die Schafzucht und den Flachsbau anlehnte, hat sich von dieser Gebundenheit an den Boden vollständig befreit und sucht Orte mit billigen Arbeitskräften. Die Billigkeit der Arbeitskräfte war ferner entscheidend für die Ansiedlung der Konfektionsindustrie in den grossen Städten, weil dort zahlreiche Frauen und Mädchen im Berufe der Männer, Väter und Brüder nicht mithelfen können und gern durch häusliche Industriearbeit zu den Kosten des gemeinsamen Haushaltes beitragen. Bei der Notwendigkeit der Zufuhr voluminöser Rohstoffe sucht die Industrie die billigsten Verkehrswege auf. So konzentriert sich die chemische Industrie am Untermain und Mittelrhein (Höchst, Frankfurt, Ludwigshafen), so wird die Verarbeitung der aus überseeischen Gebieten kommenden Rohstoffe, wie Tabak, Jute, Kakao, Häute usw. mit Vorliebe in der Nähe der grossen Hafenplätze Hamburg, Bremen usw. vorgenommen, damit eine starke Vorbelastung des Rohmaterials durch die teurere Eisenbahnfracht vermieden wird. Die Nähe des Absatzes wird gesucht von Industriezweigen, welche leicht verderbliche oder aus anderen Gründen schwer transportierbare Produkte herstellen. So schliessen sich an die grossen Städte Brauereien, Ziegeleien, Möbelfabriken an, so nähert sich die Maschinenindustrie jenen Industriegegenden, für welche sie arbeitet.

Viel wichtiger ist aber die organisatorische Konzentration durch eine mehr oder minder vollständige Verschmelzung selbständiger Betriebe zu einer einheitlichen Unternehmung. Auf diese Weise wird manche Kostenersparnis, namentlich in der allgemeinen Verwaltung und im Warenvertrieb, sowie, ein Riskenausgleich zwischen den spezialisierten Betrieben erzielt. Die Form dieser Konzentration kann sehr verschieden sein, sie kann sich steigern von einer rein persönlichen Fühlungnahme der Leiter verschiedener Unternehmungen zu einem gegenseitigen Austausch von Aktien, der den Einfluss sicherstellt, zu einem Vertrage, in welchem die Interessengemeinschaft festgestellt und geregelt wird, und schliesslich zu einem völligen Aufgehen in einer neuen, einheitlichen Unternehmung. Dabei kann es sich um gleichartige Betriebe handeln, welche dieselben Waren erzeugen. Dahin gehören die beiden Interessengemeinschaften, welche im Jahre 1904 in der chemischen Industrie zustande kamen, auf der einen Seite die Gruppe der Höchster Farbwerke und der Firma Leopold Cassella & Co. in Frankfurt a. M., der sich später noch die Firma Kelle & Co. in Biebrich a. Rh. anschloss, auf der anderen Seite die Gruppe der Badischen Anilin- und Sodafabrik zu Ludwigshafen und der Farbwerke vorm. Friedr. Bayer & Co. in Elberfeld, die sich durch den Beitritt der Gesellschaft für Anilin-Fabrikation in Treptow bei Berlin erweiterte. Im Kohlensyndikat haben oft grosse Zechen kleinere in sich aufgenommen, um auf diesem Wege eine Erhöhung ihrer Beteiligungsziffer an der Gesamtproduktion des Syndikates zu erreichen. Im Herbst 1904 schlossen drei Kohlenwerke, die Gelsenkirchner Bergwerks-Gesellschaft, der Aachener Hüttenaktienverein Rote Erde und der Schalker Gruben- und Hüttenverein eine Interessengemeinschaft, nachdem jede einige selbständige kleinere Zechen in sich aufgenommen hatte, so dass die Interessengemeinschaft an die Stelle von 19 ursprünglich selbständigen Unternehmungen trat. Die drei in der elektrotechnischen Industrie bestehenden Konzerne sind durch fortgesetzte Fusionen entstanden. Es können sich aber auch verschiedenartige, und zwar im Produktionsprozess auf einander folgende Betriebe zu einer sogenannten Kombination vereinigen, wie sie in den amerikanischen Trusts und in der Krupp’schen Unternehmung besonders deutlich vorliegt. Dahin gehören aber auch die zahlreichen gemischten Betriebe, so in der Baumwollindustrie die Vereinigungen von Spinnereien und Webereien, in der Montanindustrie die Hüttenzechen, nämlich Eisenhütten, welche sich Kohlenzechen angliedern, die gemischten Werke im Gegensatz zu den reinen Walzwerken usw.

[401] Ein anderes Mittel zur Organisation der Produktion stellen die Kartelle dar, Vereinigungen selbständiger Unternehmungen zum Zwecke gemeinsamer Regelung der Erzeugung und des Absatzes, sei es durch einheitliche Feststellung der Verkaufsbedingungen oder Verkaufspreise, sei es durch eine Einschränkung der Erzeugung entsprechend dem tatsächlichen Bedarf in dem betreffenden Artikel, sei es durch Aufteilung des Absatzgebietes oder – in der strengsten Form – durch eine Zentralisierung des Verkaufes. Im Sommer 1905 wurden in Deutschland amtlich 385 Kartelle festgestellt, doch gibt eine solche Ziffer keinen genügenden Anhaltspunkt für die Bedeutung der Kartellbewegung mehr, weil nicht mehr für jeden einzelnen Artikel selbständige Kartelle, sondern oft Gesamt-Kartelle mit Unterabteilungen für die einzelnen Artikel gebildet werden. So ist der Stahlwerksverband aus vier Verbänden entstanden, dem Halbzeugverband in Düsseldorf, dem Trägerverband in Wiesbaden, der deutschen Schienen- und der deutschen Schwellengemeinschaft in Essen. Er gliederte sich in ein Verkaufskartell für die Produkte A, schwere Massenerzeugnisse von einfacher Erzeugung, und ein Kontigentierungskartell für die Produkte B, die übrigen Walzwerkserzeugnisse, für welche lediglich die Beteiligungsquote der einzelnen Werke an der zulässig erklärten Gesamtproduktion festgelegt wurde. Die Produkte A sind wieder in drei Gruppen geteilt, nämlich eine für Halbzeug (Rohstahl, vorgewalzte Blöcke und Brammen, Knüppel, Platinen), Eisenbahnoberbaumaterial (Schwellen, Schienen usw.) und Formeisen (Träger); jede Gruppe ist einer besonderen Verkaufsabteilung zugewiesen, die sich wieder in eine Unterabteilung für den Absatz im Inlande und im Auslande teilt. Jedenfalls hat sich die Kartellfähigkeit, die in den einzelnen Industriezweigen verschieden ist, gesteigert, da die Voraussetzungen hierfür, Grösse des Betriebes, Gleichartigkeit des Produktes usw. günstiger geworden sind, und so ist Deutschland das klassische Land der Kartelle geworden. Als im Jahre 1902 Schreiber dieser Zeilen die Kartelle für eine ganz natürliche und berechtigte Erscheinung erklärte, wurde sein Buch von wissenschaftlicher Seite geradezu auf die Proskriptionsliste gesetzt. Seither hat sich die Überzeugung von der Notwendigkeit der Kartelle auffallend rasch verallgemeinert. Man sieht ein, dass die Produzenten von heute nicht wie früher den Markt übersehen können und daher zeitweise in eine Überproduktion verfallen müssen, die zwar für den Konsumenten momentan vorteilhaft ist, bei einer dauernden Senkung der Preise unter die Produktionskosten aber schwere Erschütterungen der Volkswirtschaft herbeiführt, die auch für den Konsumenten den vorübergehenden Preisvorteil mehr als aufheben. Die Kartelle schaffen kein Monopol, wie so oft behauptet wurde, sondern versuchen eine Anpassung der Produktion an den Bedarf. Übergriffe kommen vor, aber weniger in der Preisfestsetzung, als vielmehr in der Bekämpfung der aussenstehenden Unternehmungen, der Outsiders. Es ist übrigens sehr bezeichnend, dass gerade in Deutschland die Angriffe gegen die Kartelle verhältnismässig milde waren und dass Deutschland den krampfhaften Versuchen anderer Länder, den populären Schlagworten zu folgen und durch einen alten Paragraphen oder durch ein neues Gesetz die Kartelle zu töten, sehr kühl und skeptisch gegenüberstand. Das deutet darauf hin, dass die Politik der deutschen Kartelle eine ebenso weise war wie die der deutschen Regierung.

Eine starke Stütze fand dieser Konzentrations- und Kartellierungsprozess jederzeit in dem Finanzkapital. Wohl nirgends haben die Banken die neuen und schwer zu erkennenden Bedürfnisse der Industrie so rasch erfasst und so zweckmässig befriedigt wie in Deutschland. Der Hauptgrund liegt wohl darin, dass zur Zeit der Gründung des Reiches im Bankwesen eine starke Dezentralisation bestand, welche die einzelnen Institute zwang, mit wachsendem Eifer nach neuen Geschäftsmöglichkeiten Ausschau zu halten. An den einfachen Kontokorrentverkehr mit dem industriellen Unternehmen schloss sich die Emission von neuen Aktien und Obligationen für dasselbe, die Umwandlung von Einzelfirmen in Aktiengesellschaften, die Beihilfe bei dem Abschluss von Interessengemeinschaften und Fusionen, die Abrechnung oder direkte Verkaufstätigkeit für eine Gesamtheit kartellierter Firmen und die Finanzierung des Exportes durch Errichtung eigener Überseebanken und Bevorschussung der Dokumenten-Tratten. Die geschäftlichen Verhandlungen führten auch zu zahlreichen persönlichen Beziehungen zwischen Banken und Industrie; in dem Aufsichtsrate der grossen Industriegesellschaften sitzen auch Vertreter der Banken, ebenso ziehen auch die Banken Fachleute aus der Industrie an sich. Die in den letzten Dezennien zutage getretene Konzentration der Banken ist zum Teil eine Folge ihrer Industrietätigkeit. Ursprünglich pflegte jedes Institut die [402] Beziehungen zu jener Industriegruppe, welche ihr wegen der örtlichen Lage oder aus anderen Gründen die nächste war. Später aber musste das Bestreben dahin gehen, durch die Erstreckung der Tätigkeit auf andere Industriegruppen einen Risken-Ausgleich herbeizuführen und durch Angliederung anderer Banken Kapitalkraft und Klientel zu vermehren. Die heute bestehenden 5 deutschen Grossbanken repräsentieren mit ihren Gruppen eine Kapitalsmacht von rund 2½ Milliarden Mark.

Die grösste Sorge bereitete in der Industrie das Verhältnis zwischen Arbeiter und Arbeitgeber, aber auch diese soziale Frage hat von ihrer anfänglichen Schärfe viel verloren. Bevölkerung und Regierung haben sich in die Hände gearbeitet. Das Fabrikssystem hatte durch Heranziehung von weiblichen und jugendlichen Hilfskräften ein Reservoir von Arbeitskraft geöffnet, das bisher für die gewerbliche Tätigkeit brach gelegen war, aber damit die wirtschaftliche Lage der Arbeiterschaft stark verschlechtert. Die Stärke der Schwachen aber ist die Organisation und diese wurde unter den Arbeitern durch die örtliche und wirtschaftliche Konzentration begünstigt. Es lag sogar die Gefahr nahe, dass die Arbeiter-Organisationen die Übermacht erhalten und eine Schwächung der industriellen Kraft des Landes herbeiführen könnten, eine Gefahr, die in England, Frankreich und in den Vereinigten Staaten von Amerika nicht ganz vermieden worden ist. Da fand sich aber ein Gegengewicht in den Organisationen der Arbeitgeber und zum Teil auch in neuen Organisationen der Arbeiter, den sogenannten „gelben“ Gewerkschaften (im Gegensatz zu den „roten“ oder sozialdemokratischen) und den vaterländischen Arbeitervereinen. Die folgenden Ziffern sollen aber nicht zu dem Glauben verleiten, dass die Bedeutung einer Organisation lediglich an der Zahl und Mitgliederstärke der Vereine zu messen ist. In allen Ländern ist nur ein Bruchteil der Arbeiter organisiert, in Deutschland etwa ein Viertel, und doch steht fast die ganze Arbeiterschaft unter dem Einflusse der Organisationen. Für die Arbeiter kommen in Betracht die:

Jahresdurchschnitt 1910
Mitglieder Jahreseinnahmen in Mark
freien Gewerkschaften 1,831.731 64,372.190
Hirsch-Duncker’schen Gewerkvereine 105.633 2,926.693
Christlichen Gewerkschaften 264.519 5,490.994
Unabhängigen Vereine 615.873 1,932.270
Vaterländischen Vereine 33.993 148.343
Gelben Arbeiterverbände 63.877 641.198

Die Arbeitgeberverbände gliederten sich nach dem amtlich erhobenen Stande vom 1. Januar 1911 in folgender Weise:

Reichs-
verbände
Landes-
oder
Bezirks-
verbände
Orts-
verbände
Gesamtzahl
der Mitglieder
Gesamtzahl
der Arbeiter
in den organisierten
Unternehmungen
Landwirtschaft 3 7 36 12.637 77.082
Bergbau, Hütten- u. Salinenwesen 1 9 250 445.401
Industrie der Steine u. Erden 15 33 52 3.094 196.511
Metallverarbeitung, Industrie der Maschinen usw. 16 96 71 13.258 749.885
Chemische Industrie 1 3 104 23.858
Textilindustrie 3 18 70 3.302 492.829
Papierindustrie 7 11 19 869 49.280
Lederindustrie 1 10 35 1.314 14.839
Holz- u. Schnitzwarenindustrie 3 6 166 4.986 65.387
Industrie der Nahrungs- und Genussmittel 5 43 84 10.446 84.254
Bekleidungsgewerbe. Reinigungsgewerbe 8 22 212 9.140 112.588
Baugewerbe 11 116 1227 51.832 448.845
Polygraphisches Gewerbe 6 49 74 5.468 75.656
Handels- u. Verkehrsgewerbe 6 14 112 3.985 96.003
Gast- und Schankwirtschaft 4 104 880
Freie Berufe (Theater, Musik) 2 23 78 514 25.000

Berufliche Verbände 91 157 2243 121.603 3.068.298
Gemischte Verbände 2 17 118 5.821 959.142

     Summa 93 474 3361 127.424 4.027.440
3928

[403] Wenn auch der Hauptzweck der Organisationen der ist, die Parteien in dem Interessenkampfe zu stärken, so folgt doch aus dem beiderseitigen Ausbau derselben nicht eine Verschärfung, sondern eine Milderung der Arbeitskonflikte. Namentlich die Streiks werden weniger heftig und weniger häufig. Die Schwankungen der geschäftlichen Konjunktur bringen ein periodisches Anschwellen und Abflauen der Ziffern mit sich, aber eine allmähliche Besserung ist doch nicht zu verkennen. In den letzten Jahren wurde die Höchstzahl der vom Streik betroffenen Betriebe im Jahre 1906 mit 16.246, die Höchstzahl der im Streik stehenden Arbeiter im Jahre 1905 mit 776.984 erreicht, im Jahre 1910 gab es 2113 Streiks mit 155.680 Arbeitern. An Tarifverträgen, durch welche eine grössere Stabilität des Arbeitsverhältnisses angebahnt werden soll, bestanden Ende 1910 8293 bei 173.727 Betrieben mit 1,361.086 Arbeitern; am meisten eingebürgert sind sie im Baugewerbe.

Geradezu vorbildlich war Deutschland in der Arbeiterversicherung, denn immer mehr neigt auch das Ausland dem in Deutschland zuerst durchgeführten Prinzip der staatlichen Zwangsversicherung zu. Seit dem Bestande der Arbeiterversicherung vom Jahre 1885 bis einschliesslich 1909 wurden für Zwecke der deutschen Arbeiterversicherung über 10 Milliarden Mark aufgebracht. Im Jahre 1911 zählte man in der

Krankenversicherung: 14,518.764 Versicherte
22.937 Kassen
Unfallversicherung: 24,627.000 Versicherte
66 gewerbliche Berufsgenossenschaften
48 landwirtsch. Berufsgenossenschaften
556 Ausführungsbehörden
Invalidenversicherung: 15,878.000 Versicherte
31 Versicherungsanstalten
10 zugelassene Kasseneinrichtungen.

Der Wohlstand des ganzen Reiches ist mächtig gestiegen. Die Bevölkerungsziffer hat sich von 41.1 Mill. im Jahre 1871 in annähernd gleichem Tempo auf 64.9 Mill. im Jahre 1910 vermehrt. Die einst so starke Auswanderung nach der Neuen Welt hat fast ganz aufgehört, umsomehr gehen deutsche Kaufleute und Ingenieure als Pioniere des deutschen Unternehmungsgeistes hinaus. Wie sehr sich der Inlandsverbrauch einiger Artikel gehoben hat, erhellt aus folgender Übersicht:

Verbrauch pro Kopf der Bevölkerung
durchschnittlich in kg
1871–75 1906–10
Kaffee 2.27 2.99
Kakao in Bohnen 0.05 0.57
Tee 0.02 0.06
Reis 1.55 2.58
Baumwolle 2.84 6.64
Jute 0.15 2.31
Petroleum 3.75 14.62

[404] Zum Schluss wirft sich von selbst die Frage nach der künftigen Entwicklung auf. Der Wirtschaftspolitiker hat nun nicht zu prophezeien, wohl aber zu zeigen, welche Entwicklungsmöglichkeiten in der Gegenwart liegen und wie ihnen begegnet werden soll. Zunächst muss damit gerechnet werden, dass die industrielle Entwicklung in Hinkunft keine so stürmische sein wird wie bisher, da es sich nicht mehr um ein plötzliches Hervorbrechen der durch widrige äussere Verhältnisse lange zurückgehaltenen Produktivkräfte handelt. Zum Glück ist der Nordländer keine Spielernatur, die Erfolge werden ihn nicht zur Waghalsigkeit berauschen. Das Schlagwort vom „langsameren Tempo“ wird aber gute Dienste tun, wenn es zur Vorsicht mahnt. Weniger zur Vorsicht bei der Beurteilung von neuen Anlagen, die mehr von der jeweiligen Konjunktur abhängen als von der allgemeinen Entwicklung, als vielmehr zur Vorsicht bei der Beurteilung der Produktionskosten, die sich durch die rasche Steigerung der Lebensmittelpreise im Vergleiche zu anderen Ländern erhöhen. Im letzten Dezennium verteuerten sich die Grosshandelspreise in folgender Weise:

Berliner Preis per t in Mark Berliner Preis für 1 dz Schlachtgewicht
Roggen Weizen Rindvieh Schweine Kälber
1900 142.6 151.8 119.1 95.5 132.5
1909 176.4 233.9 131.6 133.3 163.3
1911 168.3 204.0 153.7 91.4 183.3

Die deutsche Landwirtschaft hat den erhöhten Zollschutz ebenso wie die Industrie zu einer intensiven Produktion benutzt, aber in einem Punkte ist das Resultat verschieden: während die Industrie ihre Fabrikate im grossen Durchschnitt billiger abgeben kann, weil die durch Massenerzeugung im spezialisierten Grossbetrieb erzielte Kostenersparnis grösser ist als die Verteuerung durch den Zollschutz, muss die Landwirtschaft ihre Produkte verteuern, weil der Boden beschränkt ist und im Verhältnis zum Mengen-Ertrag immer grössere Aufwendungen erfordert. Man wird nun gewiss nicht in das Gegenteil verfallen und durch einen plötzlichen Abbau der Agrarzölle die Landwirtschaft preisgeben. Man wird sich aber zu der Erkenntnis durchringen müssen, dass die noch sehnsüchtig angestrebte Deckung des Eigenbedarfes für die Landwirtschaft ebenso wenig ein Ideal ist wie für die Industrie. Trotz der riesigen Fortschritte Deutschlands auf industriellem Gebiete ist der Import fremder Fabrikate nicht gefallen, sondern gestiegen, wenn er auch prozentuell im Rahmen des gesamten Aussenhandels an Bedeutung verloren hat. Auch in der Landwirtschaft sollten nicht alle Produkte in gleicher Weise geschützt werden, sondern hauptsächlich jene, bei denen eine Intensivierung durch grösseren Aufwand von Kapital und Arbeit die besten Aussichten eröffnet. Wenn beispielsweise in der Züchtung von hochwertigem Mastvieh eine grössere Leistungsfähigkeit zu erreichen ist, so wäre es verkehrt, den Bezug von Futtermitteln aus dem Auslande (Futtergerste, Mais) übermässig zu erschweren. Industrie und Finanzkapital sind heute mehr denn je in der Lage, die Stätten billiger Arbeitskraft zu suchen und der Preis der menschlichen Arbeitskraft ist abhängig von den Lebensmittelpreisen. Schon heute sehen wir, dass sich der deutsche Unternehmungsgeist über ganz Europa verbreitet und in verschiedenen Ländern zahlreiche Fabriken gründet, die der deutschen Industrie immer schärfere Konkurrenz bereiten werden. Ferner hat Deutschland alle Ursache, zur ungeschmälerten Erhaltung und stetigen Erweiterung seiner Absatzgebiete an einer zielbewussten Handelsvertragspolitik festzuhalten und den allen Tarifvereinbarungen feindlichen Tendenzen entgegenzutreten, welche die Reziprozitätspolitik der Vereinigten Staaten von Amerika und das französische Zollsystem des Maximal- und Minimaltarifs bereits ziemlich erfolgreich propagiert hat. Durch den glücklichen Schachzug der Dezemberverträge von 1891 ist Deutschland zum Mittelpunkt der europäischen Handelspolitik geworden. Es sollte diese Stellung im eigenen Interesse nicht verlieren, sondern durch einen Ausbau dieser Verträge zu Handelsbündnissen mit benachbarten Staaten zu einer noch stärkeren handelspolitischen Kristallisierung den Anstoss geben.

Die Zukunft ist also nicht sorgenfrei, die Vergangenheit aber ermutigend genug, um auch die künftigen Schwierigkeiten nicht als unüberwindlich erscheinen zu lassen; denn man kann sagen, dass Deutschland die Antwort gefunden hat, welche die Nationalökonomie seit Jahrhunderten vergeblich sucht, die Antwort auf die Frage nämlich: Wie wird ein Volk reich?