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Diverse: Handbuch der Politik – Band 2

Wenn auch der Hauptzweck der Organisationen der ist, die Parteien in dem Interessenkampfe zu stärken, so folgt doch aus dem beiderseitigen Ausbau derselben nicht eine Verschärfung, sondern eine Milderung der Arbeitskonflikte. Namentlich die Streiks werden weniger heftig und weniger häufig. Die Schwankungen der geschäftlichen Konjunktur bringen ein periodisches Anschwellen und Abflauen der Ziffern mit sich, aber eine allmähliche Besserung ist doch nicht zu verkennen. In den letzten Jahren wurde die Höchstzahl der vom Streik betroffenen Betriebe im Jahre 1906 mit 16.246, die Höchstzahl der im Streik stehenden Arbeiter im Jahre 1905 mit 776.984 erreicht, im Jahre 1910 gab es 2113 Streiks mit 155.680 Arbeitern. An Tarifverträgen, durch welche eine grössere Stabilität des Arbeitsverhältnisses angebahnt werden soll, bestanden Ende 1910 8293 bei 173.727 Betrieben mit 1,361.086 Arbeitern; am meisten eingebürgert sind sie im Baugewerbe.

Geradezu vorbildlich war Deutschland in der Arbeiterversicherung, denn immer mehr neigt auch das Ausland dem in Deutschland zuerst durchgeführten Prinzip der staatlichen Zwangsversicherung zu. Seit dem Bestande der Arbeiterversicherung vom Jahre 1885 bis einschliesslich 1909 wurden für Zwecke der deutschen Arbeiterversicherung über 10 Milliarden Mark aufgebracht. Im Jahre 1911 zählte man in der

Krankenversicherung: 14,518.764 Versicherte
22.937 Kassen
Unfallversicherung: 24,627.000 Versicherte
66 gewerbliche Berufsgenossenschaften
48 landwirtsch. Berufsgenossenschaften
556 Ausführungsbehörden
Invalidenversicherung: 15,878.000 Versicherte
31 Versicherungsanstalten
10 zugelassene Kasseneinrichtungen.

Der Wohlstand des ganzen Reiches ist mächtig gestiegen. Die Bevölkerungsziffer hat sich von 41.1 Mill. im Jahre 1871 in annähernd gleichem Tempo auf 64.9 Mill. im Jahre 1910 vermehrt. Die einst so starke Auswanderung nach der Neuen Welt hat fast ganz aufgehört, umsomehr gehen deutsche Kaufleute und Ingenieure als Pioniere des deutschen Unternehmungsgeistes hinaus. Wie sehr sich der Inlandsverbrauch einiger Artikel gehoben hat, erhellt aus folgender Übersicht:

Verbrauch pro Kopf der Bevölkerung
durchschnittlich in kg
1871–75 1906–10
Kaffee 2.27 2.99
Kakao in Bohnen 0.05 0.57
Tee 0.02 0.06
Reis 1.55 2.58
Baumwolle 2.84 6.64
Jute 0.15 2.31
Petroleum 3.75 14.62
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Diverse: Handbuch der Politik – Band 2. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 403. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_2.pdf/419&oldid=- (Version vom 30.10.2021)