Diverse: Handbuch der Politik – Band 2 | |
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Die Maschine setzt Massenabsatz voraus und drängt zum Grossbetriebe. Wie sehr die Grossbetriebe in Industrie und Bergbau zugenommen haben, zeigt folgende Übersicht:
Kleinbetriebe
(1–5 Personen)Mittelbetriebe
(6–50 Personen)Grossbetriebe
51 und mehr PersonenBetriebe Personen Betriebe Personen Betriebe Personen 1882 2,175.857 3,270.404 85.001 1,109.128 9.481 1,554.133 1895 1,989.572 3,191.125 139.459 1.902.049 17.941 2,907.329 1907 1,870.201 3,200.282 187.074 2,714.664 29.033 4,937.927 Daher Abnahme (–) oder Zunahme ( + ) in Prozent: 1895 – 8.6 – 2.4 + 64.1 + 71.5 + 89.3 + 87.2 1907 – 6.0 + 0.3 + 34.1 + 42.7 + 61.8 + 69.8
Die augenfälligste und heute fast selbstverständliche Tatsache ist die gewaltige Zunahme des Grossbetriebes. In der letzten Zeitperiode hat sich das Tempo etwas verlangsamt, weil in vielen Fällen ein gewisser Sättigungspunkt erreicht wurde und überdies die Industrie mehr durch eine Konzentration als durch eine Vermehrung der Betriebe ihre Leistungsfähigkeit zu erhöhen sucht. Überraschender ist die Tatsache, dass das Kleingewerbe nicht verdrängt wurde, sondern nach der letzten Gewerbezählung sogar eine kleine Zunahme zeigt. Heute können wir den Siegeszug des Grossbetriebs schon überblicken und sagen: er hat sich mehr an die Seite als an die Stelle des Kleinbetriebes gesetzt. Im ersten Ansturm musste zwar mancher Zweig des Kleingewerbes unterliegen, aber andererseits hat die Grossindustrie selbst wieder durch Zuweisung verschiedener Hilfs- und Reparaturarbeiten einige Zweige vergrössert und neue geschaffen.
Die Maschine hat auch den Arbeiter nicht verdrängt. Wie häufig wurden neue Maschinen von revoltierenden Arbeitern zerstört, die ihr Brot zu verlieren fürchteten! Die vermeintliche Feindin war in Wahrheit eine stumme Helferin. Es hat sich das Bedürfnis nach menschlicher Arbeitskraft vermehrt, aber auch gleichzeitig verfeinert, denn die Maschinen werden immer rationeller, aber auch komplizierter, und ersetzen die physische Arbeitsleistung durch geistigen Arbeitsaufwand, wie dies namentlich an den selbsttätigen Maschinen für Massenartikel, wie Schrauben, Drahtstifte, Nadeln usw., an den Setzmaschinen, an der Owen’schen Flaschenblasmaschine usw. zu sehen ist. Manche Fabriksgründung im Orient scheiterte lediglich daran, dass der heimische Arbeiter zwar Handgriffe lernen konnte, aber die für die moderne Fabriksarbeit notwendige Intelligenz nicht besass. Auch die Statistik gewährt uns einen Einblick in diesen Vorgang, indem sie uns zeigt, dass der Bedarf nach qualifizierten Mitarbeitern viel rascher steigt als der nach gewöhnlichen Arbeitern. Von den in Industrie und Bergbau beschäftigten Personen waren:
Arbeiter
und GehilfenVerwaltungs-, Kontor- und
AufsichtspersonalTechnisches Betriebs- und
Bureaupersonal1895 5,550.205 Steigerung
43.2%158.714 Steigerung
103.3%109.248 Steigerung
167.6%1907 7,950.418 322.612 292.203
Der Anteil der Selbständigen an der erwerbstätigen Bevölkerung ist freilich gesunken und zwar in der Industrie rascher als in anderen Erwerbsgruppen. Nach der amtlichen Statistik kamen auf je 100 Erwerbstätige
Selbständige Angestellte und Arbeiter in der Industrie: 1882 34.4 65.6 1895 24.9 75.1 1907 17.6 82.4 in der Landwirtschaft: 1882 27.8 72.2 1895 31.0 69.0 1907 25.3 74.7 im Handel: 1882 44.7 55.3 1895 36.1 63.9 1907 29.2 70.8
Diverse: Handbuch der Politik – Band 2. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 398. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_2.pdf/414&oldid=- (Version vom 30.10.2021)