Carl August von Gersdorff, Kursächs. General der Inf. und Kabinetsminister

Zum 23. April 1898 Carl August von Gersdorff, Kursächs. General der Inf. und Kabinetsminister (1898) von von Göphardt
Erschienen in: Dresdner Geschichtsblätter Band 2 (1897 bis 1900)
Ein Brief Hebbels, die Aufführung der „Judith“ am Dresdner Hoftheater betreffend
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[91]
Carl August von Gersdorff,
Kursächs. General d. Inf. und Kabinetsminister.
Von Oberjustizrath L. von Göphardt[1].

Einem der ältesten Geschlechter der Oberlausitz entsprossen, wurde unter der Regierung Kurfürst Friedrich August’s I. oder des Starken (als König von Polen: August II.) Carl August von Gersdorff am 14. März 1705 zu Dresden[2] geboren. Im nahezu vollendeten 82. Lebensjahre ist er am 11. Februar 1787 in Dresden verstorben. Von vier Brüdern, welche Alle ihrem Vaterlande mit Ehren gedient haben, war er der zweitälteste.

Ueber seine Eltern ist Folgendes zu bemerken: Sein Vater Christoph Ernst von Gersdorff aus dem Hause Meffersdorf[3], geboren 1667, den 27. September, war Kgl. Polnischer und Kurfstl. Sächsischer Kammerherr und Oberstlieutenant der Garde zu Pferde, als er am 14. März 1703 zu Dresden Marien Christinen Freiin von Friesen (ein „Kammerfräulein“ der Königin-Kurfürstin) als Gattin heimführte. Dieselbe war 1677 als Tochter des Amtshauptmann Freiherrn von Friesen in Großenhain geboren und bereits im Alter von vier Jahren vaterlos geworden[4]. Ein Jahr nach seiner Vermählung, im Monat März 1704, erkaufte Gersdorff sen. von Katharina Elisabeth von Zezschwitz, geb. von Könneritz, das Rittergut Plieskowitz bei Bautzen (welches er zeitlebens besessen hat) um 25,700 Thaler. In der Kaufsurkunde ist er nur als „Kammerherr“ aufgeführt[5]. Es ist daher zu vermuthen, daß er die Stellung als Oberstlieutenant der Garde zu Pferde bald nach seiner Vermählung aufgegeben hat. Später wurde er Geheimer Rath und Gegenhändler des Markgrafenthums Oberlausitz[6].

Unser Carl August von Gersdorff hatte nur erst sein 12. Lebensjahr erfüllt, als am 22. Mai 1717 ihm die Mutter durch einen frühzeitigen Tod entrissen wurde[7]. Gewiß hat dieses, die Seele des Knaben erschütternde Ereigniß nicht unwesentlich beigetragen, den Grund zu legen zu dem sittlichen Ernste, durch welchen später der Mann sich auszeichnete. Sein Vater ließ es sich angelegen sein, die früh schon hervortretenden glücklichen Geistesgaben des Sohnes durch eine sorgsame Erziehung zur Entfaltung zu bringen. Letzterer that hierzu redlich das Seinige durch unermüdlichen Fleiß, eine Eigenschaft, die gar nicht immer die Gefährtin des Talentes ist, die ihn aber bis in sein Greisenalter begleitet hat. Auf mehreren Universitäten lag er den Studien ob, vornehmlich in den mathematischen und den Staatswissenschaften. Daneben betrieb er mit Geschick allerlei ritterliche Uebungen; er war ein treffsicherer Pistolenschütze und sein mit ruhiger Besonnenheit gepaarter Muth hat in seiner späteren kriegerischen Laufbahn sich vielfach bewährt. Wie es in damaliger Zeit einem jungen Kavaliere ziemte, unternahm er nach Abschluß der Universitätsstudien eine längere Reise durch Frankreich und Italien. Aus der Zeit seines Aufenthalts in Venedig, wo es ihm, als einem geistvollen jungen Manne von Distinktion, nicht schwer geworden sein wird, in den ersten Gesellschaftskreisen Fuß zu fassen, berichtet die Familien-Tradition[8] eine Anekdote, welche hier wiedergegeben werden mag, obwohl, was den ersten Theil derselben betrifft, nach dem in Anmerkung 8 Dargelegten es nicht als feststehend bezeichnet werden kann, daß unser Gersdorff der Held der Geschichte gewesen sei. Die Tradition lautet folgendermaßen:

[92] In einer Theatervorstellung, welcher G. mit jungen Venetianern seiner Bekanntschaft beigewohnt, waren deutsche Eigenthümlichkeiten stark ins Lächerliche gezogen worden. Da jene jungen Nobili fortan die betreffenden Witzworte in seiner Gegenwart allzuoft im Munde führten und in einer sein patriotisches Empfinden verletzenden Weise auszubeuten nicht aufhörten, beschloß er, den übermüthigen Italienern eine Lektion zu ertheilen. Zu diesem Zwecke ließ er vor denselben, bei einer geeigneten Gelegenheit, ein kleines Theaterstück aufführen, in welchem der Geist Cicero’s in den Straßen von Rom Umschau hält nach den dermaligen Zuständen in der zu seiner Zeit weltbeherrschenden Roma. Bei seiner Wanderung begegnet er einem Deutschen und läßt von diesem über die Fortschritte der Zeit auf den verschiedenen Lebensgebieten sich belehren. Dabei erfährt er von der Kunst des Buchdruckes, von der Zeitmessung durch Uhren, von der Anwendung des Schießpulvers und dergl. mehr. Die Erfolge der Geistesthätigkeit seiner Nachkommen setzen Cicero in Erstaunen; voller Empörung vernimmt er aber, daß dies alles Erfindungen der deutschen Barbaren seien. Nun verlangt er noch Landsleute zu sehen. Da treten einige schmutzige und zerlumpte Burschen auf, wandernde Zitronenverkäufer, Murmelthierträger und Dudelsackspieler, als Typen italienischer Industrie. Der Geist Cicero’s schlägt entsetzt die Arme über seinem Haupte zusammen und sinkt in die Unterwelt zurück[9].

Kann diese hübsche Anekdote, wie gesagt, nicht mit Zuverlässigkeit als das Erlebniß unseres Gersdorff bezeichnet werden, so liegt doch kein Grund vor, auch den zweiten Theil der in Rede stehenden Familien-Tradition in Zweifel zu ziehen, nur mit der selbstverständlichen Einschränkung, daß man die sogleich zu erwähnende Affaire nicht unbedingt als die Konsequenz jener dramatischen Persiflage ansieht, sondern es dahingestellt sein läßt, wodurch sie veranlaßt worden sein möge. Kurzum, G. hatte auf irgend welche Weise den Zorn einiger junger Nobili erregt, war deshalb von ihnen viritim auf Pistolen gefordert worden und hatte diese Forderungen angenommen. Dieselben sollten sofort zum Austrage gelangen. Gersdorff war schon vor der verabredeten Zeit am Orte des Rendezvous eingetroffen, um seine Pistolen noch einmal zu probiren, und schoß hierbei aus einem irgendwo befestigten Kartenblatte, der Pique-Fünf, der Reihe nach alle fünf Zeichen schnell heraus. Auf seine inzwischen auf dem Kampfplatze angelangten, heißblütigen Gegner, welche dieses Probeschießen aus einiger Entfernung beobachtet hatten, soll die Treffsicherheit des deutschen Kavaliers so ernüchternd gewirkt haben, daß zu friedlicher Ausgleichung der Differenz ein Weg bald gefunden wurde.

Es läßt sich nicht nachweisen, ob Gersdorff dem militärischen Berufe sich zu widmen, von Haus aus beabsichtigt hat, oder ob dieser Entschluß mit gezeitigt worden ist durch die schon vor Anfang des Jahres 1730 in ganz Europa erschallenden Posaunenstöße der Fama von dem Bevorstehen des „großen Campement der chursächsischen Truppen bei Zeithayn und Radewitz in der Mühlberger Gegend“[10]. Gleichviel, mit Ueberspringung der niederen Rangstufen wurde er in Rücksicht auf seine Kenntnisse in den mathematischen Wissenschaften unterm 24. April 1730, sonach im Alter von 25 Jahren, ohne Weiteres als „aggregirter Capitaine bei dem Ingenieur-Korps[11], jedoch noch zur Zeit ohne Traktament“, angestellt[12]). Zum Chef hatte dieses Elitekorps seit 1728 den berühmten General Johann Freiherrn von Bodt, welcher in dem Zeithainer Lager ein Kommando unter dem Oberbefehle des Generalfeldmarschalls Grafen Wackerbarth führte. Annehmbar hat unser junger Ingenieur-Capitaine bei den Vorbereitungen und bei der Ausführung dieser großartigen und glänzenden Veranstaltung (Monat Mai bis 27. Juni 1730) seine erste dienstliche Verwendung gefunden.

Auch in anderen Zweigen des erwählten Berufes war er sich auszubilden bestrebt.

Ein Jahr später finden wir ihn im hiesigen Hauptzeughause, um, wie ihm auf Ansuchen gestattet worden war, bei dem Zeughauptmann Paul Michael Klipgen [93] „die löbliche Artillerie und zwar die sechzehnpfündige Probe auf seine eigenen Kosten zu erlernen“, während „die dazu erforderliche Munition gratis gereicht“ wurde. Unterm 30. Juni 1731 stellt er aus diesem Anlaß einen Revers aus, in welchem er, unter Abstattung unterthänigsten Dankes für jene allergnädigste Verwilligung, das Versprechen ablegt, die zu erlangenden Kenntnisse niemals gegen Se. Königl. Majestät in Polen und Kurfürstl. Durchlaucht zu Sachsen in Anwendung zu bringen[13].

Als nach August des Starken Tode (1. Februar 1733) dessen einziger Sohn und Nachfolger in der Kurwürde Friedrich August II., zum nicht geringen Theile auf das Betreiben des Kabinetsministers Heinrich (späteren Reichsgrafen) von Brühl, zu den Waffen gegriffen hatte, um sich, seinem Rivalen Stanislaus Lesczinski gegenüber, den Besitz der polnischen Königskrone (als August III.) zu sichern, nahm Gersdorff, wie dies im vorigen Jahrhundert häufig vorkommt, als Freiwilliger Antheil an den Feldzügen gegen die Konföderirten in Polen, dem sogenannten polnischen Erbfolgekriege, von Ende 1733 bis Anfang 1735.

Die sächsische Hauptmacht war zunächst in und um Krakau zusammengezogen. Hier wird Gersdorff am 14. Januar 1734 dem festlichen Einzuge und am 17. der Krönung des Königs beigewohnt haben. Der größte Theil der Truppen wurde im März 1734 nach dem entfernten Danzig in Marsch gesetzt, wo der Gegenkönig Stanislaus sich festgesetzt hatte und von den verbündeten Russen eingeschlossen gehalten wurde.

Ein Bruder der verstorbenen Mutter Gersdorff’s, der (1675 zu Großenhein geborene) Generallieutenant Christian August Frhr. von Friesen, hatte ein Kommando in diesem sächsischen Korps und Gersdorff’s jüngster Bruder, Christoph Leopold (geb. 1710), war sein Adjutant. Da Carl August v. G. an dieser Kampagne (seiner ersten) als Volontär theilnahm, so ist die Annahme völlig gerechtfertigt, daß er unter dem Befehle des Oheims und in der Nähe des Bruders sich befunden habe. Seine Erlebnisse sind daher folgende gewesen.

Nach einem Marsche, der überaus reich an Beschwerden gewesen und durch Kämpfe mit den polnischen Konföderirten aufgehalten worden war, langte das von dem Herzoge Johann Adolf von Weißenfels befehligte Korps am 25. Mai vor Danzig an, schlug Lager bei Oliva auf, griff am nächstfolgenden Tage in die Belagerung ein und nahm in der Folge die große Westernschanze und das Fort Weichselmünde. Am 27. Juni 1734 fielen Stadt und Festung, nachdem Stanislaus Lesczinski, als Bauer verkleidet, nach Schweden entflohen war, die Sachsen besetzten das Oliva’sche Thor und zogen am 11. Juli mit den Russen als Sieger ein.

General von Friesen verblieb mit den ihm unterstellten Truppen in Polen. Erst Anfang April 1735 war nach weiteren, theilweise ziemlich blutigen Kämpfen die Unterwerfung und Pazifikation des Landes beendet. Inzwischen hatte der Kurfürst, zu einer Zeit, als er in Polen noch stark beschäftigt war, auf den Wunsch Kaiser Karl’s VI. ein Reichskontingent von 6000 Mann bewilligt, welches bestimmt war, dem am Rheine stehenden österreichischen Heere den Einfall der Franzosen in Deutschland abwehren zu helfen. Den Oberbefehl führte dort der trotz seiner 72 Jahre wunderbar frische Prinz Eugen von Savoyen, dessen Name noch immer von zaubervoller Wirkung auf die ihn vergötternden Soldaten war. Die Führung des im Frühjahr 1735 auf den Kriegsfuß gesetzten sächsischen Hilfskorps war durch Immediat-Erlaß des König-Kurfürsten d. d. Warschau, den 3. März 1735[14] wiederum dem Generallieutenant Freiherrn von Friesen übertragen worden, mit dem gleichzeitigen Befehle, zu diesem Zwecke unverzüglich nach Sachsen zurückzukehren. Diesem Auxiliarkorps ließ Gersdorff erneut als „Freiwilliger“ sich zutheilen. Man wird nicht fehlgehen, wenn man auch diesen Entschluß Gersdorff’s in Verbindung bringt mit der Person des ebengenannten, verwandtschaftlich ihm nahestehenden Befehlshabers. Jenes Hilfskorps brach Anfang Mai 1735 aus Sachsen nach dem Rheine auf und wurde dort der österreichischen Armee-Abtheilung des Feldzeugmeisters Grafen Seckendorf zugetheilt[15]. Als von Friesen später erkrankte, trat an seine Stelle der Generallieutenant von Diemar. Abgesehen von kleineren Scharmützeln sind aus diesem Feldzuge zu nennen: der durch die Wachsamkeit der Sachsen vereitelte und in eine Niederlage verwandelte französische Ueberfall bei Lorch in der Nacht vom 11. zum 12. Juli und später, nach Ueberschreitung des Rheins, das siegreiche Treffen bei dem Trier’schen Augustinerkloster Clausen oder am Salmbache vom 20. Oktober 1735[16]. Das sächsische Kontingent, welches sich die besondere [94] Zufriedenheit des Prinzen Eugen erworben hatte, traf nach Wiederherstellung des Friedens Ende Januar 1736 in der Heimath wieder ein. Welcherlei Verwendungen Gersdorff in dem Feldzuge am Rheine und während der vorausgegangenen beiden Kriegsjahre in Polen gefunden habe, ist unbekannt. Als „Volontär“ an Kriegszügen theilzunehmen, war, wie schon erwähnt, im 18. Jahrhunderte etwas Gebräuchliches. Nicht blos Offiziere der verschiedensten Armeen suchten auf diese Weise ihre höhere kriegerische Ausbildung, sondern auch junge Edelleute, die gar nicht in einem militärischen Dienstverhältnisse standen, betrieben die Theilnahme an kriegerischen Unternehmungen als eine Art ritterlichen Sports, indem sie, versehen mit Empfehlungen ihrer Landesherren, in das militärische Gefolge eines Generals, zumeist des Höchstkommandierenden, sich aufnehmen ließen. Beispielsweise sei erwähnt, daß unter den Volontärs des Rheinfeldzugs 1735 in dem Hauptquartiere Eugen’s von Savoyen nicht weniger als 43 Prinzen sich befanden[17].

In den vorerwähnten Feldzügen, denen Gersdorff mit Auszeichnung[18] beigewohnt, hat er jedenfalls die praktischen Erfahrungen gesammelt, welche ihn später befähigt haben, eine Truppe mit Geschick vor den Feind zu führen.

In dem auf die Rheinkampagne folgenden Jahre 1736 verlor Gersdorff seinen Vater, den obengenannten Geheimen Rath und Gegenhändler Christoph Ernst von Gersdorff, welcher den 2. August in seinem 69. Lebensjahre zu Dresden verstarb und in der evangelischen Hofkirche beigesetzt wurde[19]. Seine vier Söhne beerbten ihn und wurden auf ihr Ansuchen am 4. Oktober 1736 mit dem Rittergute Plieskowitz als gemeinschaftliche Besitzer beliehen[20].

In den nächstfolgenden Jahren 1737–39 war ein namhafter Theil der sächsischen Armee berufen, wiederum im Dienste Oesterreichs gegen die Türken zu kämpfen.

Carl August von Gersdorff verblieb im Lande.

Es mag hier erwähnt werden, daß sein Oheim, der Generallieutenant Freiherr von Friesen, das sächsische Hilfskorps nach Ungarn führte und auch auf diesem Kriegszuge von seinem, inzwischen zum Hauptmann aufgerückten Neffen Christoph Leopold von Gersdorff, dem jüngsten Bruder Carl August’s, begleitet war. Friesen erlag schon am 24. September 1737, 62 Jahre alt, einem tückischen Fieber im Lazareth zu Belgrad. So riß der Tod nach Jahresfrist eine zweite schmerzliche Lücke in den Familienkreis.

Wie wir gesehen, hatte Gersdorff von Ende des Jahres 1733 an bis zu Anfang 1736 mit Titel und Rang eines Ingenieur-Capitains in der Eigenschaft eines „Volontärs“ bei der Armee sich befunden und als solcher keinen Gehalt bezogen. Seine Vermögensverhältnisse gestatteten ihm dies. Verschiedene Gründe sprechen dafür, daß er auch während der nächstfolgenden Jahre in ein festes militärisches Dienstverhältniß noch nicht getreten sei, sondern à la suite des Ingenieurkorps gestanden und seinen Studien gelebt habe, unter denen die mathematischen und volkswirthschaftlichen bevorzugt, die militärischen aber sicherlich nicht vernachlässigt worden sein werden.

Das friedlich beginnende Jahr 1740 brachte zwei weltgeschichtliche Ereignisse, deren Konsequenzen auf eine gar lange Zeit hinaus den allgemeinen Frieden erschüttern und insbesondere über Sachsen schweres Ungemach bringen sollten.

Friedrich II. bestieg den preußischen Königsthron und die Erzherzogin Maria Theresia nahm auf Grund des Erbfolgegesetzes vom 19. April 1713 (pragmatische Sanktion) von den Erbstaaten ihres Vaters, Karl’s VI., Besitz. Ansprüche wurden nun erhoben Seiten des Kurfürsten Karl Albrecht von Bayern auf die österreichischen Erblande, Seiten Friedrich’s II. auf die vier schlesischen Fürstenthümer Jägerndorf, Liegnitz, Brieg und Wohlau. Hierdurch waren die Keime gegeben, sowohl zu dem österreichischen Erbfolgekriege, als auch zu dem ersten, dem zweiten und dem dritten schlesischen oder dem siebenjährigen Kriege. Zu alledem in Sachsen die finanzielle und sonstige Mißwirthschaft des Premierministers Grafen Brühl!

Soviel zur Skizzirung des düsteren geschichtlichen Hintergrundes der nächsten Jahrzehnte des Lebens Carl August von Gersdorff’s.

Man versteht es, wie eine groß angelegte Natur, wie die seinige, ausgestattet mit schönen, durch gründliche Studien ausgebildeten Geistesgaben, unter dem Eindrucke des gewaltigen Ernstes der Zeiten immer mehr an Vertiefung gewinnen mußte. Nicht als einen Genuß, sondern als eine Aufgabe sah er das Leben an – und wo er glaubte, daß sein Landesherr und das Vaterland seiner bedürfen könnten, da war er zur Stelle.

Der König von Preußen war unerwartet am 16. Dezember 1740 in Schlesien eingerückt. Zwei Wochen darauf erfolgte in Kursachsen der definitive Befehl zur Mobilisirung, die man in ahnungsvoller Voraussicht schon seit geraumer Zeit in’s Auge gefaßt und vorbereitet hatte. Gersdorff zauderte nicht, sich [95] und seinen Degen wieder zur Verfügung zu stellen. Die Antwort darauf ging dahin, daß „der Ingenieur-Capitaine Carl August von Gersdorff durch Allerhöchsten Beschluß vom 30. Januar 1741 zum Adjutanten des Generals der Infanterie Grafen Rutowski in dessen Eigenschaft als Obrister Hauß- und Land-Zeugmeister (d. h. Chef der Artillerie) mit Beylegung des Obristlieutenants-Charakters, jedoch ohne einiges Traktament gnädigst deklariret“ sei[21]. Er übersprang sonach die Majors-Charge und wurde als Oberstlieutenant nunmehr bei der Haus-Artillerie-Kompagnie geführt[22].

Im Stabe Rutowski’s wird Gersdorff zunächst an den Mobilmachungsarbeiten theilgenommen haben, welche Ende März in der Hauptsache beendet waren. Im Monat Mai lag er mit seinem Generale, der vorerst nur die eine Hälfte der wenig mehr als 20,000 Mann starken mobilen Armee kommandirte, im Lager bei Torgau. Später wurden Kantonnements bezogen.

Im September 1741 trat Kursachsen der bayerisch-französischen Allianz bei und damit zugleich thatsächlich auf die Seite Friedrich’s II. – Merkwürdiger Weise wurden offiziell die preußischen Truppen nicht als Alliirte bezeichnet.

Dem Grafen Rutowski wurde Ende Oktober 1741 das Oberkommando über sämmtliche marschbereite sächsische Truppen übertragen. Von nun an hat Gersdorff jedenfalls Gehalt bezogen und zwar, wie eine spätere Avancements-Ordre erkennen läßt, den eines Generaladjutanten, d. h. nach damaligem Sprachgebrauche: des Adjutanten eines Generals en chef. – Mit Rutowski verließ Gersdorff am 5. November 1741 die Residenz Dresden. Am 9. November wurde bei Zinnwald die sächsisch-böhmische Grenze überschritten. Vierzehn Tage später standen die Sachsen vor der Stadt und Festung Prag, Schulter an Schulter mit den französisch-bayrischen Truppen, welche von dem in französischen Diensten stehenden Grafen Moritz von Sachsen[23] befehligt wurden. In der Nacht vom 25. zum 26. November erfolgte der Sturm auf Prag. Sächsischerseits war derselbe auf den schwierigsten beiden Angriffspunkten, gegen die Neustadt, über zwei Inseln der Moldau hinweg – und auf der Kleinseite, im Norden des Hradschin, gegen das Karlsthor gerichtet. An letzterer Stelle war es, wo Gersdorff Gelegenheit hatte, in hervorragender Weise sich auszuzeichnen. Sämmtliche sächsische Grenadierkompagnien, in Bataillone formirt und dem Generalwachtweister von Weissenbach unterstellt, waren ausersehen, die erste Sturmkolonne gegen das Karlsthor zu bilden. Die Führung eines dieser Grenadierbataillone hatte Gersdorff übertragen erhalten. Nach 3 Uhr Morgens begann der Angriff, in welchem nur eine kurze Stockung eintrat, als der ebengenannte General v. Weissenbach durch eine Flintenkugel getödtet worden war. Derselbe wurde sofort durch den rangältesten Obersten Graf von Cosel ersetzt. Unter Benutzung mitgebrachter Balken und Bretter wurde der Graben überschritten und zu beiden Seiten des Karlsthores der von den Oesterreichern tapfer vertheidigte Wall auf Sturmleitern erklommen. Gersdorff, seinen Grenadieren voran, erstieg als der Erste des von ihm geführten Bataillons den Prager Festungswall.

Der Angriff war auch auf den anderen Seiten ein erfolgreicher gewesen und am 26. November 1741 zogen die Verbündeten in die eroberte Stadt ein.

Die den Sachsen in die Hände gefallenen 13 Fahnen und Standarten wurden dem Kurfürsten nach Dresden übersendet. –

Auf die weiteren Vorkommnisse im ersten schlesischen Kriege bis zu Ende des Jahres 1741 in Böhmen und im Jahre 1742 in Mähren ist nicht näher einzugehen, da über besondere Erlebnisse Gersdorff’s keine Nachrichten vorliegen.

Rutowski kehrte Anfang März 1742 nach Sachsen zurück, nachdem er das Kommando interimistisch an den Generallieutenant Chevalier de Saxe abgegeben hatte, in dessen Stabe annehmbar Gersdorff bis zur späteren Rückkehr Rutowski’s sich befunden und an der Einschließung Brünn’s theilgenommen haben wird.

Anfang April 1742 vollzog sich die Trennung der sächsischen Truppen vom preußischen Heere und noch vor dem am 28. Juli 1742 zu Berlin erfolgten Friedensschlusse kehrte Gersdorff mit der Armee nach der Heimath zurück.

Seine Leistungen in der Campagne hatten vollste Anerkennung gefunden. Bereits unterm 4. April 1742 erhielt er, 37 Jahre alt, den Charakter als Oberst mit Beibehaltung des dermalen als „Generaladjutant“ bei dem General Grafen Rutowski von ihm bezogenen Traktaments und mit der, eigenthümlicher Weise offiziell ausgesprochenen „Versicherung, daß er dereinst anstatt dessen“ (nämlich des Adjutanten-Traktaments) „nach [96] des bei dem Ingenieurkorps befindlichen Obristen Glatten’s Absterben, desselben bei gedachtem Korps habendes Traktament genießen solle“.[24] Hiernach scheint man damals seine baldige Zurückversetzung zum Ingenieurkorps beabsichtigt zu haben. Es fügte sich aber anders. Unterm 5. Dezember desselben Jahres wurde der Kommandant des Prinz Xaverischen Infanterie-Regiments, Oberst von Adelebse, zum Generalmajor ernannt und demselben „die Erlaubniß ertheilt, das ihm anvertraute Regiment an den bei der Artillerie gestandenen Obersten Carl August von Gersdorff abzutreten“, welchem Letzteren gleichzeitig das gedachte Regiment[25] „gnädigst conferirt“ ward. Als bezeichnend für damalige, jetzt schwer verständliche Einrichtungen und Gepflogenheiten in der Armee möge Folgendes mitgetheilt werden. Der Notifikation von den gedachten beiden Ernennungen, welche aus dem Königlichen und Kurfürstlichen Geheimen Kabinette unterm 5. Dezember 1742 üblicher Maßen an den Armee-Oberkommandanten, General-Feldmarschall Herzog von Weißenfels, erging, ist ein Inserat des Inhalts beigefügt: „daß die Ernennung von Adelebse’s zum Generalmajor lediglich als der Uebergang zur Verabschiedung anzusehen sei und Ihre Majestät geschehen lassen wolle, daß der Oberste von Gersdorff über die vor die Abtretung des Regiments stipulirte Summe derer 4000 Thaler (oder wessen sie sich dieserhalb vorhin miteinander vereiniget) dem Obristen von Adelebse annoch besonders ein ganzes Jahr hindurch monathl. 60 Thlr. zu entrichten gehalten seyn, dahingegen nach Verfließung sothaner Jahresfrist nicht nur die fernerweite Bezahlung dieser monathl. 60 Thaler gänzlich auffhören, sondern alßdann auch gedachter Obrister und nunmehriger General-Major von Adelebse mit völligem Abschiede versehen werden solle“.[26] – Als Regimentskommandant hatte Gersdorff nunmehr sein Standquartier in Naumburg. Als den Oberstlieutenant fand er beim Regiment seinen jüngeren Bruder Wigand Gottlob vor, welcher diese Charge seit dem 29. Dezember 1741 bekleidete.[27] Er und seine drei Brüder konnten nun endlich daran denken, ihre Auseinandersetzung bezüglich des väterlichen Erbes zu Ende zu bringen. Der älteste, Heinrich Ernst, war Kammerjunker, hatte aber als Volontär, ebenso wie 1734 und 1735 den Campagnen unter dem Prinzen Eugen, so auch 1741 bis 1742 dem Feldzuge in Böhmen und Mähren unter dem Grafen Moritz von Sachsen bei dem französischen Korps beigewohnt[28]. Die beiden jüngeren aber, Wigand Gottlob und Christoph Leopold, hatten als Berufs-Offiziere fast unausgesetzt außer Landes sich befunden und beziehentlich zu Felde gelegen. Die vier Brüder verkauften nunmehr am 21. Juni 1743 das von ihrem Vater ererbte Rittergut Plieskowitz, dessen Erträge sie sieben Jahre lang gemeinschaftlich bezogen hatten, um den Preis von 30 000 Thalern an Johann Friedrich von Ingenhäff auf Mittelherwigsdorf.[29]

In politischer Beziehung hatte man in Kursachsen, trotz des Friedensschlusses, noch keineswegs das Gefühl der Sicherheit. Im Gegentheile hatte der von Friedrich II. mit Maria Theresia geschlossene Friede, worin Sachsens gar keine Erwähnung geschah, und manches Andere eine wachsende Mißstimmung zwischen den Höfen von Berlin und Dresden hervorgerufen und es war deshalb ein Theil der sächsischen Armee (ca. 14,000 Mann), darunter das von Gersdorff befehligte Regiment Xavier, auf mobilem Fuße gelassen worden, demnächst auch am 20. Dezember 1743 zwischen dem kaiserlichen und dem sächsisch-polnischen Kabinette ein Abkommen zu gegenseitiger Hilfsleistung zustande gekommen.

Ende Sommers 1744 rückte Friedrich II. mit 80,000 Mann in Böhmen ein, wovon der größere Theil durch Kursachsen marschirte. So begann der zweite schlesische Krieg.

Ein sächsisches Korps von gegen 25,000 Mann erhielt Marschordre und rückte Anfang Oktober 1744 unter dem Oberbefehle des Generalfeldmarschall Herzog Johann Adolf von Weißenfels in zwei Kolonnen aus der Gegend von Adorf in Böhmen ein.

Zu der ersten dieser beiden Kolonnen, welche von dem nunmehrigen General der Kavallerie Chevalier de Saxe geführt wurde, gehörte Gersdorff mit den beiden Bataillonen des ihm unterstellten Regiments Prinz Xavier.[30]

Am 19. November 1744 nahm er mit seinem Regimente an dem Gefechte bei Selmitz Theil, wodurch [97] der Uebergang über die Elbe forciert und ein weiteres Vordringen der preußischen Armee verhindert wurde. Letztere zog sich nach einigen kleineren Scharmützeln nach Schlesien zurück und die Sachsen nahmen Winterquartiere in Nordböhmen.

Im Frühjahre 1745 rückten die verbündeten Armeen, die österreichische unter dem Prinzen Karl von Lothringen und die sächsische unter dem Herzoge von Weißenfels, dem preußischen Heere entgegen und in Schlesien ein. Hier kam es am 4. Juni 1745 zu der blutigen Schlacht bei Hohenfriedberg (oder Striegau), an welcher Gersdorff an der Spitze des Regiments Xavier theilnahm. Die 25,000 Mann Sachsen, den linken Flügel bildend, noch vor Tagesanbruch von 70,000 Mann Preußen überraschend angegriffen, schlugen sich mit der größten Bravour, vermochten aber allein der Uebermacht nicht stand zu halten. Die österreichische Armee hatte auf sich warten lassen und traf erst ein, als die Sachsen das Schlachtfeld bereits hatten verlassen müssen. So wurde der Sieg Friedrichs II. ein vollständiger. Der Verlust der Sachsen in dieser Schlacht war bedeutend. Gersdorff selbst blieb unverletzt, aber er hatte seinen noch nicht ganz 38 Jahre alten Bruder, den Oberstlieutenant seines Regiments Wigand Gottlob von Gersdorff, zu betrauern, welcher erst kurz vor dem Feldzuge sich verheirathet hatte[31]. Derselbe befehligte in der Schlacht ein Grenadierbataillon, mit welchem er in eine isolirte Lage gerathen war und von preußischer Reiterei fast umzingelt wurde. Nach Zurückweisung wiederholter Aufforderungen, sich zu ergeben, wurde das sich heldenmüthig vertheidigende Bataillon zusammengehauen. Der Oberstlieutenant von Gersdorff und 400 seiner braven Grenadiere blieben todt auf dem Platze.

Die vereinigten Oesterreicher und Sachsen gingen nach Böhmen zurück und bezogen Lager bei Königgrätz; die preußische Armee folgte langsam nach und schlug ebenfalls Lager auf. Während man hier längere Zeit unthätig sich gegenüberstand, wurde der Generalfeldmarschall Herzog von Weißenfels mit der sächsischen Hauptmacht im Monat August 1745 in die Heimath zurückberufen, weil das kursächsische Territorium unmittelbar bedroht erschien. Nur 6000 Mann verblieben in Böhmen, unter österreichischem Oberkommando und vertragsmäßig in österreichischem Solde stehend. Dazu gehörte das Regiment Xavier unter dem Befehle Carl August von Gersdorff’s.

Als die Preußen sich anschickten, nach Schlesien zurückzukehren, wurden sie von der österreichisch-sächsischen Armee am 30. September 1745 bei Hohenburkersdorf oder Sohr in der Gegend von Trautenau angegriffen. So zweckentsprechend österreichischerseits die Dispositionen getroffen waren, so gelang es doch der Kriegskunst Friedrichs II., den Sieg davon zu tragen. Gersdorff zeigte in dieser Schlacht an der Spitze seines Regiments eine zähe Tapferkeit gegenüber den Anstürmen der preußischen Kavallerie und nachrückenden Infanterie, bis durch eine feindliche Kugel ihm die eine Schulter zerschmettert wurde. Es wird berichtet, daß er noch nach dieser schweren Verwundung die nöthigen militärischen Befehle ertheilt und noch ehe er in Sicherheit gebracht war, eine beträchtliche Summe zum Zwecke der Verpflegung der Verwundeten des Regiments aus seiner Tasche gespendet habe. Annehmbar hat er bald thunlichst nach Sachsen sich zurücktransportiren lassen und daher dem Einmarsche der österreichisch-sächsischen Armee in Schlesien und in die Lausitz, dem Treffen bei Katholisch-Hennersdorf am 23. November und der Schlacht bei Kesselsdorf am 15. Dezember 1745 nicht beigewohnt. Bekanntlich machte der Dresdner Friede vom 25. Dezember 1745 dem zweiten schlesischen Kriege ein Ende.

In der über zehn Jahre andauernden Friedenspause, welche dem siebenjährigen Kriege voranging, kam infolge der unheilvollen Verwaltung des Grafen Brühl weder der Staat aus seiner traurigen Finanzlage heraus, noch vermochte der Wohlstand der Bewohner des hart geprüften Landes in der früheren Weise wieder aufzublühen.

Was unsern Gersdorff anbelangt, so sind aus diesem Zeitraume folgende Lebensereignisse desselben zu berichten. Sein schon mehrfach erwähnter jüngster Bruder Christoph Leopold, welcher 1740 als Hauptmann den Abschied genommen und in Preußen als Major und Stallmeister des Königs Anstellung gefunden hatte, war nach einigen Jahren in kursächsische Dienste zurückgekehrt. Unterm 31. Oktober 1746 wurde derselbe als Oberstlieutenant dem von Carl August von Gersdorff befehligten Regimente Prinz Xaver zugetheilt. Hierin durften beide Brüder einen werthvollen Beweis des Vertrauens erblicken, welches in ihre Charaktere und in ihr Taktgefühl gesetzt ward. Zum zweiten Male hatte nun Carl August einen jüngeren Bruder als Untergebenen unmittelbar unter sich.

Später, unterm 3. Mai 1748, erhielt er den Charakter als Generalmajor, behielt aber das Regiment bis 1750 noch bei, in welchem Jahre er auf den Etat der Generalmajore rückte[32] und sein Bruder ihn im Regimentskommando ersetzte.

[98] Im nächstfolgenden Jahre – er hatte sein 46. Lebensjahr nahezu zurückgelegt – entschloß er sich endlich zur Eingehung eines Ehebündnisses. Am 6. Februar 1751 vermählte er sich mit der am 18. August 1708 auf Schloß Hartmannsdorf in Schlesien geborenen, damals also 42 Jahre alten Johanna Eleonore verwittweten von Gersdorff, geb. Freiin von Richthof (auch Richthofen genannt). Ihr erster Gemahl Carl Ernst von Gersdorff, ein Verwandter unseres Gersdorff, war als Oberstlieutenant a. D. 6 1/2 Jahre vorher gestorben.[33] Sie war Besitzerin des Rittergutes Nieder-Rengersdorf bei Görlitz und brachte ihrem zweiten Gatten zwei bereits in angehendem Mannesalter stehende Söhne zu, an denen dieser, wie später ihm nachgerühmt worden ist, jederzeit alle väterliche Sorgfalt und Treue bewiesen hat.

Es mag vorweg erwähnt werden, daß Gersdorff ziemlich 19 Jahre lang eines glücklichen, aber kinderlos gebliebenen Ehestandes sich erfreut hat, bis ihm der Tod die Gattin entriß, die er dann noch um mehr als 17 Jahre überlebt hat.

Sehr bedauerlich ist, daß privater handschriftlicher Nachlaß Gersdorff’s nirgends hat aufgefunden werden können. Erklärt wird dies dadurch, daß er, weil ohne Descendenz, einen nicht der Familie Angehörigen zum Universalerben eingesetzt hat. Infolgedessen kann über Privat- und Familienleben Gersdorffs nur wenig berichtet werden.

Wir haben uns nun der traurigsten Epoche in dem Leben Gersdorffs genähert.

Es muß hier eingeschaltet werden, daß schon seit geraumer Zeit Graf Rutowski, der Generalfeldmarschall, anfangs allein, später im Vereine mit dem Chevalier de Saxe, welcher (12. Mai 1755) zum Stellvertreter des Ersteren für Behinderungsfälle ernannt worden war, in ausführlichen, an den Premierminister Grafen Brühl gerichteten Eingaben, unter Hinweis auf die exponirte Lage des Kurstaates zwischen Preußen und Oesterreich, auf das völlig Unzulängliche der militärischen Verhältnisse aufmerksam gemacht und die energische Ergreifung von Maßregeln zum Schutze des Landes in dringlichster Weise befürwortet und beantragt hatte. Brühl, in unbegreiflicher und unverantwortlicher Sorglosigkeit, glaubte nicht an den Ernst der Lage und blieb unthätig. Erst am 24. August 1756, wenige Tage vor dem ohne vorherige Kriegserklärung erfolgten Einmarsche der preußischen Heeresmacht, wurden ernstere militärische Vorkehrungen getroffen. Die nach und nach auf die Ziffer von nicht mehr ganz 20,000 Mann herabgesunkene, nicht schlagfertige kursächsische Armee wurde mit Einschluß der Kadetten in einem auf dem linken Elbufer zwischen Pirna und der Festung Königstein in Eile abgesteckten Lager vereinigt. Hier finden wir den Generalmajor von Gersdorff als Kommandanten der 2. der daselbst stehenden vier Infanterie-Brigaden des ersten Treffens. Diese Brigade bestand aus den je zwei Bataillonen des von seinem Bruder Christoph Leopold kommandirten Regiments Prinz Xaver, des Regiments Prinz Friedrich August und der Garde zu Fuß.

Am 3. September, demselben Tage, an welchem in der Feste Stolpen der erste Schuß des siebenjährigen Krieges auf den alten Kommandanten, Generalmajor von Liebenau, fiel, begab sich der König-Kurfürst mit den Prinzen Xaver und Karl, seinen Söhnen, und begleitet vom Minister Brühl, in den Lager-Rayon und nahm auf dem Rittergute Kleinstruppen Wohnung. (Die Regierungsgeschäfte waren den Geheimen Räthen unter dem Vorsitze des Kabinetsministers Grafen Wackerbarth übertragen worden.)

Eine Darstellung der Verhältnisse in dem Struppener Lager und der nach dem Verlassen desselben eingetretenen Katastrophe kann nicht entbehrt werden, weil darin die persönlichen Erlebnisse Gersdorff’s und die wohl am tiefsten ihn bewegenden Eindrücke seines ganzen Lebens sich spiegeln. Das Terrain des Lagers war zu ausgedehnt, als daß es von der verhältnißmäßig schwachen Truppenzahl trotz der eiligst errichteten Erdwerke wirksam hätte vertheidigt werden können. Das Unzureichende der für das Einrücken der Armee in diese Stellung getroffenen Vorbereitungen aber hatte zur Folge, daß es daselbst schon am ersten Tage an den nöthigsten Lebensbedürfnissen fehlte; auf dem Plateau herrschte sogar Mangel an Wasser. Der ursprünglich für den 4. September geplante und damals noch sehr wohl ausführbare Abmarsch der Armee nach Böhmen unterblieb, infolge der Aengstlichkeit Brühl’s, weil sich preußische Vortruppen in Schandau gezeigt hatten; später, als zwischen dem sächsischen Lager und der böhmischen Grenze immer zahlreichere preußische Truppen vorgeschoben worden waren, wurde er zur Unmöglichkeit.

[99] Der König-Kurfürst hatte, um seine Neutralität zu erkaufen, dem Könige von Preußen gegenüber sich brieflich zu weitgehenden Konzessionen verstanden; diese Korrespondenz hatte jedoch keinen Erfolg.

So beruhte die einzige Hoffnung auf einem Sukkurs Seiten der Oesterreicher, der dem Grafen Brühl von dem in Böhmen eine Armee sammelnden österreichischen Feldmarschall Grafen Broune (von Manchen „Brown“ geschrieben) erbetenermaßen zugesagt worden war.

Da auf diese Hülfe günstigsten Falls erst nach 3–4 Wochen zu rechnen war, so mußte man mit den schwachen Mundvorräthen inzwischen auszukommen suchen, was zur Folge hatte, daß schon in den ersten Tagen des Septembers Brod- und Fourage-Rationen herabgesetzt und die Vorspannpferde sogar nur auf den nothdürftigen Graswuchs verwiesen wurden. Alle Zufuhren von Proviant waren abgeschnitten; nur die für die Königliche Tafel bestimmten Lebensmittel ließen die preußischen Vorposten passiren.

Während nun der immer drückender werdende Nahrungs-Mangel die körperliche Spannkraft von Mann und Roß verringerte, vollendete der König von Preußen in der Zeit vom 10. bis zum 16. September mit nahezu 40,000 Mann die Einschließung der sächsischen Stellung auf allen Seiten. Trotz der ihnen auferlegten Entbehrungen ließen die sächsischen Truppen den Muth nicht sinken. Um zu verhindern, daß der österreichische Feldmarschall Broune den Sachsen die Hand reiche, hatte Friedrich II. die Feldmarschälle Keith und Schwerin von Schlesien her in Böhmen einrücken lassen und das Kommando der Einschließungs-Armee dem Markgrafen Karl von Schwedt übergeben, während er sich persönlich zu den in der Gegend von Aussig stehenden preußischen Truppen begab und die Oesterreicher am 1. Oktober 1756 bei Lobositz schlug.

Zur Rettung der sächsischen Armee waren in dem Kriegsrathe der Generäle mancherlei Vorschläge verhandelt worden; die Unentschlossenheit und Mattherzigkeit Brühl’s hatte keinen zur Ausführung gelangen lassen. Den König hielt der Minister in Struppen ganz isoliert; Niemand durfte ihn sprechen, selbst der Feldmarschall nicht. Es war ein verzweiflungsvoller Zustand. Die Lage war völlig unhaltbar und verlangte einen Entschluß. Derselbe wurde dahin gefaßt: auf das rechte Elbufer überzugehen, um über Prossen mit den sehnlichst erwarteten Oesterreichern schneller sich vereinigen zu können.

Auf einer unter den Kanonen der Festung Königstein geschlagenen Schiffsbrücke, für welche eine Stelle unterhalb Thürmsdorfs beim Einflusse des dortigen Baches in die Elbe gewählt war, wurde der Uebergang bewerkstelligt. Der Anmarsch der Truppen hatte schon am 12. Oktober Abends begonnen und währte die ganze Nacht, eine wahre Schreckensnacht. Anhaltender Regen und die schweren Pontonwagen hatten die einzige, von Thürmsdorf her steil abfallende Fahrstraße schon im Voraus fast unpassirbar gemacht. Sehr bald traten in der stürmischen, regnerischen Nacht weitere Hemmnisse durch umgeworfenes Fuhrwerk ein, die durch Nahrungsmangel geschwächten Zugpferde konnten oft nicht einmal die leichten Regimentsgeschütze fortbringen und die Infanterie war auf steile, schlüpfrige Fußsteige angewiesen. Am 13. Oktober Nachmittags 4 Uhr war die Armee bei fortströmendem Regen und ganz ungenügender Verpflegung auf der Ebenheit am Lilienstein versammelt.

Der König-Kurfürst hatte die Schreckensnacht vom 12./13. Oktober auf dem Rittergutshofe zu Thürmsdorf zugebracht und sich früh 5 Uhr mit seiner Umgebung nach der Festung Königstein begeben. Wenige Stunden später bedrängten bereits preußische Bataillone und Schwadronen unter Generallieutenant von Ziethen von Großcotta und Krietzschwitz her die sächsische Nachhut, wobei der größte Theil der sächsischen Bagage verloren ging. Aber auch auf dem Liliensteiner Plateau zeigte sich, daß man eine bedeutende preußische Truppenmacht gegen sich habe. Das Dorf Waltersdorf, gegen welches ein sächsischer Durchbruchsversuch sich würde haben richten müssen, wurde durch einen starken Verhau befestigt vorgefunden. Auf dem kleinen Bärensteine etablierte sich eine preußische Batterie, die den Abmarsch der sächsischen Nachhut schon beschleunigt hatte und nun die Truppen auf der Ebenheit beunruhigte. Um das Unglück voll zu machen, wurde am Abende die sächsische Pontonbrücke bei dem Versuche, sie nach dem rechten Ufer zu bringen, zerrissen, von der Strömung ergriffen und den Preußen in die Hände getrieben. Weiter kommt Folgendes in Betracht: in den Befestigungswerken des Lagers bei Pirna hatten 47 Stück schweres Geschütz, weil nicht transportabel, vernagelt und sammt der zugehörigen Munition zurückgelassen werden müssen; auf dem Wege nach der Schiffsbrücke war noch manches andere Geschütz in dem aufgeweichten Erdreiche stecken geblieben, der Artillerie-Bestand daher stark abgemindert, auch der Vorrath an Infanterie-Munition gering und durch den unablässigen Regen sogar verdorben; die gesammten Truppen befanden sich infolge des Mangels und der Strapazen in einem physisch ganz herabgekommenen Zustande, zu dessen Aufbesserung es an Zeit und Mitteln gebrach (die Soldaten, deren Mannszucht und Gehorsam unter solchen Umständen mit Recht als passiver Heroismus bezeichnet worden ist, nährten sich von Krautstrünken und Kürbisranken, die sie auf den Feldern zusammensuchten, und von gekochtem Haarpuder mit Schießpulver gesalzen); und von der Ankunft des Feldmarschall Broune verlautete nicht das Geringste. Nach diesem Allen begreift man, daß der Kriegsrath der Generäle, welchen [100] Rutowski noch am 13. Abends um sich versammelt hatte, einhellig der Ansicht war, daß der Versuch, jetzt und von hier aus nach Oesterreich sich durchzuschlagen, ein völlig aussichts- und erfolgloses Hinopfern von Menschen sein würde und daher eine Kapitulation unvermeidlich sei. Ein dies darlegender Bericht, welchen der Adjutant Rutowski’s, Major Accaris, niederschrieb, wurde noch am selben Abende dem Premierminister Grafen Brühl nach dem Königstein übersendet. Wunderbar; derselbe Graf Brühl, der im Lager bei Pirna so unentschlossen und zaghaft sich gezeigt hatte, verlangte jetzt, von der Festung Königstein aus, den Kampf auf Tod und Leben! Die vom König-Kurfürsten selbst unterzeichnete Antwort verwarf die Kapitulation.

Sofort nach Empfang dieser allerhöchsten Entschließung berief Rutowski am 14. Oktober bereits vor Tagesanbruch die Generäle zu einem nochmaligen Kriegsrathe. Sie waren noch nicht bei ihm versammelt, als er früh 7 Uhr die Abschrift eines dem Minister Brühl zugegangenen chiffrirten Briefes des Feldmarschalls Grafen Broune zugesendet erhielt. Welch traurige Ironie eines grausamen Schicksals! Broune, der mit 8–9000 Mann auf Gebirgswegen in der Richtung auf Schandau marschirt war, um in das Elbthal hinabzusteigen, schreibt am 13. Oktober Abends: er habe am 12. und 13. bis zum Abende in seinem Hauptquartiere Lichtenhayn gewartet, ob sächsischerseits „die passage tentiret“ werde; da dies nicht geschehen, so nehme er an, daß hierzu keine günstige Gelegenheit geboten gewesen; er werde noch bis zum 14. Vormittags 9 Uhr warten, dann aber müsse er abmarschiren.

Nun war wenigstens alle Ungewißheit beseitigt, an ihre Stelle aber die niederbeugende Gewißheit getreten, daß während der letzten zweimal 24 Stunden die Hilfe nahe gewesen war und daß sie hätte gebracht werden können, wenn eine gegenseitige Verständigung ausführbar gewesen wäre, endlich die Gewißheit, daß in zwei Stunden das österreichische Korps seinen Rückmarsch antrete. Der einzelne Bote des österreichischen Marschalls hatte zu seinem Wege sieben Stunden gebraucht. Wieviel Stunden würde die körperlich geschwächte Armee gebraucht haben, wenn es ihr zuvor gelungen wäre, den in starker Stellung befindlichen übermächtigen Feind zu durchbrechen, – eine Voraussetzung, die man als eine unmögliche erkannte.

Der zusammengetretene Kriegsrath sprach sich einstimmig für Kapitulation aus. Mit welchen Empfindungen mögen die auf so vielen Schlachtfeldern in Polen, am Rheine, in Böhmen, Schlesien und Ungarn ergrauten und erprobten Generale ein solches Votum abgegeben haben! Der Beschluß und dessen Motivirung wurde in einem, von dem Generallieutenant Johann Friedrich Graf Vitzthum in französischer Sprache verfaßten und von allen Generalen früh 8 Uhr des 14. Oktober unterzeichnetem Schreiben dem Grafen Brühl[34] angezeigt. Es heißt darin, ins Deutsche übertragen u. A.: „Die Armee hat der Ehre genügt. Wir haben uns in unserem Lager sechs Wochen lang gegen ein Korps, weit stärker, als das unsere, gehalten etc.“ und am Schlusse: „Die Unglücksfälle, die uns in diese Lage gebracht, konnten weder vorhergesehen, noch überwunden werden. An dem Könige ist es, zu sprechen. Die Armee wird ihr Blut hergeben, aber vergeblich. Ihre Vernichtung, welche unvermeidlich, könnte weder den Ruhm des Königs vermehren („affermir Sa gloire“), noch den Staat retten und sie würde ein Corps von Generalen, welche bisher mit Ehren und in Treue gedient zu haben glauben, dem gerechten Vorwurfe der Unwissenheit und Tollkühnheit preisgeben“. Zur Ueberbringung und, was wohl die Hauptsache war, zur mündlichen Weiterbegründung der Eingabe wurde der Generalmajor von Gersdorff ausersehen. Rutowski, der ihn im ersten schlesischen Kriege 1741/42 als Generaladjutanten in seinem Stabe gehabt hatte, kannte genügend seinen Charakter und seine Fähigkeiten. Auf dem Königsteine, bei Gelegenheit der Ueberreichung des Schreibens an den Grafen Brühl, hatte Gersdorff eine bedeutungsvolle Audienz bei dem König-Kurfürsten. Der König, welchem Brühl die volle Wahrheit über die Lage seiner Armee offenbar noch vorenthalten hatte, verwarf trotz der Seiten Gersdorff’s versuchten Darlegungen die Idee, eine Kapitulation einzugehen, auf’s Neue und verblieb dabei, es solle attaquirt werden. Gersdorff brachte also von seiner Sendung nur den mündlichen Befehl zurück, zum Angriffe zu schreiten. Der Feldmarschall Graf Rutowski konnte es nicht über sich gewinnen, den nach seiner und der gesammten Generalität Ueberzeugung ebenso erfolglosen als verhängnißvollen Schritt ohne schriftlichen Befehl zu thun. Er entsendete deshalb seinen Generalquartiermeister Generalmajor von Dyherrn nach dem Königsteine mit dem Auftrage, durch Vermittelung des Grafen Brühl die Erlassung eines allerhöchsten schriftlichen Befehles über das, was geschehen solle, zu erwirken. Infolge dieser Sendung erhielt er denn auch am nämlichen Tage, den 14. Oktober, ein königliches Schreiben, durch welches das Schicksal der Armee ganz in seine Hand gelegt wurde. Er schritt nun zu Kapitulationsverhandlungen und pflog dieselben mit dem preußischen Generallieutenant von Winterfeld am 15. Oktober früh und zwar um so eifriger, als im sächsischen Lager gänzlicher Mangel an Nahrungsmitteln herrschte. Der König von Preußen [101] befand sich in seinem Hauptquartier Struppen, woselbst er eben erst aus Böhmen eingetroffen war. Nach einigen Zwischenfällen erfolgte Sonnabend, den 16. Oktober Nachmittags der Abschluß der Kapitulation, zufolge deren die sächsische Armee, 31 Bataillone, 32 Eskadrons und 49 Geschütze in einem Effektivbestande von noch 18,177 Mann und 3585 Pferden, sich an Se. Majestät in Preußen „als kriegsgefangen“ ergab. Mit dem Begriffe der Kriegsgefangenschaft war es preußischerseits vereinbar gefunden worden, die Bestimmung hinzuzufügen, daß die gesammte Mannschaft der preußischen Armee einzuverleiben sei. Die Generale, Stabs- und Oberoffiziere hatten sich schriftlich zu reversiren, bis zur Herstellung der Ruhe nicht gegen Ihre Kgl. Majestät in Preußen die Waffen zu führen, behielten aber ihre Degen.

Sonntag, den 17. Oktober, Vormittags 10 Uhr marschirten die Sachsen von der Liliensteiner Ebenheit durch den obenerwähnten Verhau ab und in der Nähe von Waltersdorf vor dem daselbst zu Pferde haltenden Könige von Preußen vorbei, bei welcher Gelegenheit die Generale vom Pferde stiegen und der Feldmarschall Graf Rutowski sich und alle Uebrigen als Sr. Majestät Kriegsgefangene erklärte. Der König begrüßte sie freundlich und ersuchte sie, ihn in Struppen zu erwarten. Die Waffenstreckung der Mannschaften, von denen ihre Offiziere getrennt worden waren, erfolgte nach Passirung einer Schiffsbrücke am nämlichen Tage auf dem linken Elbufer vor Ober-Rathen.

Es ist bekannt und hier nicht der Ort, Einzelheiten davon zu geben, daß mit der Beeidigung der sächsischen Regimenter auf die preußischen Kriegsartikel es keineswegs glatt vor sich ging, vielmehr bei vielen Abtheilungen es bei einem Versuch der Eidesabnahme blieb. Mit den nächsten Tagen nach der Katastrophe beginnend, haben dann nach und nach Tausende sächsischer Soldaten, theils einzeln, theils in geschlossenen Abtheilungen sich selbst ranzionirt, indem sie nach Polen und Böhmen sich durchschlugen[35].

Was den Generalmajor von Gersdorff betrifft, so war derselbe durch den von ihm auf Ehrenwort ausgestellten Revers, bis zur Herstellung des Friedens nicht gegen Preußen dienen zu wollen, während der ganzen Dauer des siebenjährigen Krieges zur Inaktivität verurtheilt. Gleich den übrigen (im Ganzen 22) kriegsgefangenen Generalen durfte er seinen Wohnsitz innerhalb Sachsens selbst bestimmen. Erklärlicher Weise fiel seine Wahl auf das von seiner Gemahlin ihm zugebrachte Rittergut Nieder-Rengersdorf bei Görlitz[36]. Ein von ihm auf Befehl Rutowski’s unterm 20. Januar 1757 erstatteter Rapport über seine Mission nach dem Königsteine vom 14. Oktober 1756 ist von „Rengersdorf“ datirt[37]. Sein, ebenfalls das Datum des 20. Januar 1757 tragendes Ueberreichungsschreiben zu diesem Rapporte enthält außerdem noch die Besprechung eines in Petersburger, Hamburger und Altonaer Blättern im Dezember 1756 veröffentlichten, die Ehre der sächsischen Generalität schwer verunglimpfenden, von Brühl inspirirten Zeitungsartikels, welchen er ebenso wie den Urheber der Publikationen in charakter- und geistvoller Weise einer herben Kritik unterwirft[38].

Die kriegsgefangenen Offiziere vom Obersten abwärts wurden in vier bestimmten kleineren Städten internirt. Traktament erhielt Niemand. Die Mehrzahl von ihnen litt bitteren Mangel.

Dies war nun bei Gersdorff nicht der Fall. Bei der Generosität, die unter allen Verhältnissen ihn auszeichnete, ist zu vermuthen, daß er von Rengersdorf aus manchem armen sächsischen Offiziere in den nicht allzu fernen Detentionsorten Guben und Lübben ein Nothhelfer gewesen sei. Die gerade in der Görlitzer Gegend häufigen preußischen, beziehentlich österreichischen und russischen Truppendurchmärsche und Ansammlungen, die schweren Kontributionen, auch kriegerische Ereignisse in der Nähe, das Alles mag die Thätigkeit und die Geldmittel des Guts- und Gerichtsherrn von Nieder-Rengersdorf stark in Anspruch genommen haben.

Nach dem Abschlusse des Hubertusburger Friedens (15. Februar 1763) war der König-Kurfürst (der am 20. Oktober 1756 vom Königstein nach Warschau sich begeben hatte) mit dem Grafen Brühl nach Dresden zurückgekehrt; an die Stelle Rutowski’s war der zum Generalfeldmarschall beförderte Chevalier de Saxe getreten. Die nach jeder Hinsicht schwere Aufgabe, die Armee neu zu organisiren, löste derselbe, wie hier eingeschaltet werden mag, binnen einer kurzen Reihe von Jahren mit ebensoviel Geschick als verständnißvoller Rücksichtnahme auf die Verhältnisse des durch den Krieg finanziell ruinirten Landes.

[102] Auch Gersdorff trat aus seiner gezwungenen militärischen Unthätigkeit heraus.

Auf den Vortrag des Chevalier de Saxe vom 21. Mai 1763 wurde er unterm 28. dess. Mts. zum Generallieutenant der Infanterie ernannt. Weil aber Hinterleute von ihm, die unter dem Prinzen Xaver mit in Frankreich gestanden hatten, zum Generallieutenants-Range schon früher gelangt waren, so erfolgte die Zurückdatirung seines Patentes auf den 23. Oktober 1757[39]. Weiter wurde ihm durch Reskript vom 17. August dess. Js. (1763) „das Commando über das Ingenieur-Corps, benebst dem Directorio derer Fortifications- und sämmtlicher Festungs- und Militär-Gebäude“ übertragen (des „Obermilitärbauamtes“, wie die nachherige Bezeichnung dieser Behörde lautete). Aus den an das Geh. Kriegsraths-Kollegium unterm 17. und 18. August 1763 ergangenen Verordnungen ersieht man, daß bei Antritt dieser Stellung noch eine besondere Verpflichtung durch Ausstellung eines Reverses gebräuchlich war und daß das reglementsmäßige Traktament der Generallieutenants, welches Gersdorff vom 1. Mai 1763 ab bezog, 275 Thlr. monatlich, jährlich sonach 3300 Thlr.=9900 Mk. betrug. Mit diesem Gehalte wurde er „angesetzet, ohne daß es künftig etwa zur Consequenz vor die Successores beim Ingenieurcorps angezogen werden möchte“. – In der Bestallung und ausführlichen Instruktion für Generallieutenant von Gersdorff findet sich die Bemerkung: daß er „allein von Uns (dem König-Kurfürsten) und von dem jederzeit von Uns bestellten Generalfeldmarschall oder kommandirenden General en Chef dependire, bei dessen Abwesenheit aber nur von Uns“. (Das Ingenieurcorps war eines der sogenannten „eximirten Corps“.)

An der Spitze dieses wissenschaftlichen Corps, bei welchem er 33 Jahre zuvor seine militärische Laufbahn begonnen hatte, war er, als Mann von ausgebreitetem Wissen, als Mathematiker und als praktischer Ingenieur so recht eigentlich an seinem Platze.

Später hatte er eine Reihe von Jahren auch als Direktor des Generalkriegsgerichts zu fungiren, welchem, außer dem den Vorsitz führenden aktiven Generale, der Generalauditeur und der Generalauditeur-Lieutenant als Mitglieder angehörten.

Inzwischen war am 5. Oktober 1763 der viel geprüfte Monarch, Kurfürst Friedrich August II. (als König von Polen August III.) infolge eines Schlaganfalles aus dem Leben abgerufen worden und nur um wenige Wochen überlebte der Premierminister seinen allzu gnädigen Gebieter, den er während dessen ganzer Regierungszeit nicht zum Heile des Landes beeinflußt hatte. Graf Brühl starb am 28. Oktober 1763 nach kurzem Kranksein, 63 Jahre alt. Der neue Landesherr, Kurfürst Friedrich Christian, der den Premierminister sofort entlassen und mit klarem Blicke nur eben begonnen hatte, den Staat auf segenbringende Bahnen zu leiten, wurde von den im Lande herrschenden Pocken ergriffen und nach wenigen Tagen, 17. Dezember 1763, 41 Jahre alt, nach einer Regierungszeit von nur zehn Wochen dahingerafft.

Für seinen Sohn und Nachfolger, den am 23. Dezember 1750 geborenen, also erst dreizehnjährigen Kurprinzen, nunmehrigen Kurfürsten Friedrich August III. führte dessen Oheim, der Prinz Xaver, als Vormund und Administrator, die Regierung des Kurstaates bis zum 15. September 1768, an welchem Tage der junge Kurfürst, der spätere erste König von Sachsen, die Regierung selbst übernahm.

Nach diesen Zwischenbemerkungen kehren wir zu Gersdorff zurück. Daß nach den Verwüstungen des siebenjährigen Krieges ihm in seiner Eigenschaft als Vorstand des Militär-Bauwesens ein reiches Feld der Wirksamkeit sich darbot, bedarf kaum der Erwähnung. In Einzelheiten einzugehen würde zu weit führen. Die Thätigkeit des Ingenieurkorps wurde damals auch in nichtmilitärischer Hinsicht in Anspruch genommen, indem zur Leitung kurfürstlicher Privat- und Staats-Bauten oft auch Offiziere verwendet wurden. In einem gewissen Zusammenhange hiermit steht die damalige Zweitheilung des Ingenieurkorps in eine Feld- und eine Landbrigade; deren jede unter einem Obersten oder Generalmajor stand. Daneben, unter einem Stabsoffiziere als Directeur, bestand die Ingenieur-Akademie zur Heranbildung von Ingenieur-Offizieren. Die Ingenieur-Scholaren wurden nach Ablegung einer Prüfung zu Ingenieur-Unteroffizieren ernannt, welche Letzteren in ihrer sozialen Stellung dem Offiziersrang nahestanden[40], neben ihrer dienstlichen Verwendung aber auch noch Lehrstunden bei der Akademie zu besuchen hatten[41]. Diesem Institute hat Gersdorff in wissenschaftlicher und in personeller Hinsicht seine besondere Fürsorge und Förderung angedeihen lassen, – auch später noch, als er Kabinetsminister geworden war. – Unter dem vielen Zweckmäßigen, das seiner Anregung verdankt wird, möge hier die Landesvermessung und die Anfertigung einer „Kriegskarte des [103] Kurstaates“ erwähnt werden, die er im Jahre 1774 in Vorschlag brachte[42]. Bei dem Neubau des Ständehauses auf der jetzigen Landhausstraße (an Stelle des 1760 in Trümmer geschossenen Flemming’schen Palais) war er einer und anscheinend der maßgebendste der drei mit der Direktion des Baues betrauten landesherrlichen Kommissarien (1770/75)[43].

Aus Gersdorff’s Privatleben ist nachzutragen, daß das Jahr 1769, in welchem er sein 64. Altersjahr vollendet hatte, ihm eine zweifache Familientrauer brachte. Am 23. September 1769 starb sein älterer Stiefsohn Rudolph Ernst von Gersdorff auf Mückenhain und Horcka im erst angetretenen 41. Lebensjahre[44] und zwei Monate darauf, am 26. November desselben Jahres, raubte ihm der Tod seine Gattin. Sie verschied zu Rengersdorf nach zurückgelegtem 61. Lebensjahre infolge einer kurzen Krankheit, die sie sich bei dem in Horcka stattgefundenen Begräbnisse ihres eben genannten Sohnes erster Ehe zugezogen zu haben scheint. Am 1. Dezember 1769 ward sie in der Gruft zu Rengersdorf beigesetzt[45]. Das Rittergut Nieder-Rengersdorf erbte ihr einzig überlebender jüngster Sohn erster Ehe Adolf Traugott von Gersdorff auf Meffersdorf, Wigandsthal u. s. w.[46] und sein Stiefvater übergab ihm dasselbe im nächstfolgenden Jahre.

Nach jenem Schicksalsschlage und bei seiner häuslichen Vereinsamung scheint General von Gersdorff neben der amtlichen Thätigkeit in erhöhtem Maße seinen Lieblingsstudien sich hingegeben zu haben. Hierin wurde er dadurch begünstigt, daß 1771 seine Ernennung zum Chef des Ingenieurkorps erfolgte und die Kommandogeschäfte dem Obersten Fäsch übertragen wurden. Als Chef blieb er nicht blos in enger Verbindung mit dem Korps, sondern auch in allen wichtigeren Angelegenheiten maßgebend für dasselbe.

Nach dem auch anderwärts bestätigten Zeugnisse der „Gersdorff’schen Familien-Nachrichten“ (Quedlinburg, 1818) ist er der Verfasser eines anonym und ohne Jahreszahl erschienenen Buches, welches den Titel führt: „Allgemeine und besondere Anmerkungen vom einheimischen und fremden Handel, von Sammlung einiger Abgaben, welche an sehr vielen Orten übel verstanden und noch schlimmer ausgeübet und angebracht werden“. Als Druckort ist, wohl zu mehrerer Wahrung der Anonymität des Verfassers, der erfundene Ortsname „Cosmopolis“ angegeben. Das Buch ist, wie sich aus einigen darin enthaltenen Bemerkungen ergiebt, im Jahre 1774 vollendet worden und wohl auch erschienen. Es hat unzweifelhaft Aufsehen erregt und ist bald vergriffen gewesen. Denn eine „Zweyte verbesserte Auflage, Leipzig, bei Johann Friedrich Junius, 1776“ ist schnell gefolgt[47]. Auf den 188 Quartseiten, denen eine Einleitung von 8, in der zweiten Auflage von 10 Seiten vorausgeht, wendet sich der in der deutschen, französischen und englischen volkswirthschaftlichen Litteratur in hohem Grade belesene Autor, allenthalben mit besonderer Bezugnahme auf die gewerblichen, merkantilen und sonstigen allgemeinen Verhältnisse in Kursachsen, zunächst gegen die allzugroße Begünstigung des fremde Waaren, hauptsächlich Luxusbedürfnisse, einführenden Handels, giebt dann eine von Gesetzkenntniß zeugende ausführliche Geschichte der unter Johann Georg I. im Jahre 1613 eingeführten und nach und nach immer mehr erhöhten und erweiterten Accise und unterwirft diese Steuerschraube mit einem Freimuthe, der nicht selten zu bitteren Zwischenbemerkungen führt, einer ebenso eingehenden als einsichtsvollen Kritik. In der Accise, wie sie zu seiner Zeit sich ausgebildet hatte, erblickt er das bedeutendste Hinderniß für die dringend nöthige Hebung des Volkswohlstandes, dessen Niedergang, wie er überzeugt ist, keineswegs nur durch die Unbilden der letzten Kriege hervorgerufen sei; er dringt deshalb auf einen vollständigen Bruch mit dem „alten Schlendrian“ und auf Umgestaltung der Steuergesetzgebung, für welche er prinzipielle Vorschläge macht. Das Buch stellt sich dar als das Produkt eines erleuchteten Geistes, der seine Impulse erhält von einem warmen Herzen für das Volk und dessen Wohlfahrt.

Einen weiteren kleinen Beitrag zur Charakteristik des trefflichen Mannes liefern im Besitze des Verfassers befindliche vertrauliche Briefe, die in Dresden zu einer Zeit geschrieben worden sind, zu welcher Gersdorff Chef des Ingenieur-Korps war. Aus dieser Korrespondenz geht hervor, daß der Generallieutenant von Gersdorff mit seinen Untergebenen keineswegs nur dienstlich verkehrte, [104] sondern sie, auch die jüngsten Lieutenants, in zwangloser Weise gastfrei um sich vereinigte, und daß er das Wohl des Einzelnen in wahrhaft väterlicher Weise mit Rath und That zu fördern suchte, wo es noth that. Hier nur ein Beispiel, welches seinen wohlwollenden und edeln Charakter kennzeichnet. Ein seit länger als vier Jahren als „aggregirt“ geführter Souslieutenant (der sohin nur den Unteroffiziersgehalt, monatlich 9 Thaler, incl. Holzgeld, bezog) hatte in einer an den Chef gerichteten Eingabe um Fürsprache an allerhöchster Stelle gebeten, daß die durch den kürzlich erfolgten Tod eines verabschiedeten Ingenieurlieutenants zur Erledigung gelangte Pension im Betrage von 12 Thalern monatlich ihm zu Verbesserung seiner gedrückten Lage als persönliche Zulage verabfolgt werde. Auf dieses Ansuchen konnte aus Etats-Rücksichten nicht eingegangen werden. Da aber Gersdorff den Petenten als einen strebsamen Offizier kannte, der von elterlicher Seite nur geringfügige pekuniäre Unterstützung genoß, so gewährte er von Stund an und bis an sein Lebensende jenem Offizier eine fortlaufende Zulage von 12 Thalern monatlich aus seiner Tasche.

Wie aus einem in vieler Beziehung denkwürdigen, in französischer Sprache abgefaßten Manuskripte vom Jahre 1769 sich ergiebt, welches, mit glossirenden Nachträgen aus dem Jahre 1828 versehen, dem Archive des vormaligen geheimen Kabinets angehört[48], stand der General von Gersdorff in der Dresdner Gesellschaft allgemein in hoher Achtung als Mann von Geist, Kenntnissen und Verdiensten. Einen Beleg hierfür entnehmen wir einer anderen Quelle[49]. Im Winter 1775/76 war in den vornehmen Kreisen das Gerücht verbreitet, der bekannte Oberst Agdolo, ein intriguanter Lebemann und Abenteurer, stehe in Gemeinschaft mit zwei anderen, völlig makellosen Hof- und Staatsbeamten an der Spitze einer Kabale zum Sturze der Kabinetsminister Frhr. von Ende und Graf von Osten-Sacken. Agdolo, der den Wirkl. Geheimrath Grafen von Bolza, wohl grundlos, für den Urheber jenes Gerüchtes hielt, hatte sich in Bezug auf diesen in den gewaltsamsten Drohungen ergangen und die Sache fing an, für die Betheiligten eine ernste und bedenkliche Wendung zu nehmen. Da zog man den General von Gersdorff und einen zweiten General in’s Vertrauen. Gersdorff veranstaltete eine Zusammenkunft mit den beiden Gegnern, hielt eine Ansprache an dieselben und es gelang seinem Geschicke und Takte, den aufbrausenden Agdolo niederzuhalten und eine vollständige Aussöhnung zu Stande zu bringen.

Ueber 13 Jahre lang hatte Gersdorff an der Spitze des Ingenieurkorps gestanden, als der nun bereits 71 jährige unterm 21. Dezember 1776 zum General der Infanterie[50] und Tags darauf zum Kabinets-Minister und Staatssekretär der Militärkommando-Angelegenheiten ernannt wurde. Die Ernennung erfolgte zur allgemeinen Ueberraschung, aber auch zu ungetheilter Freude der Armee und des Publikums[51]. Seit dem im Jahre 1769 erfolgten Tode des Generals Grafen Bellegarde war das Departement vakant und die Erledigung der Geschäfte desselben inzwischen durch veränderte Einrichtungen ersetzt worden. Die Wahrnehmung der Militärangelegenheiten „in Land- und Wirthschaftssachen“ war und blieb auch ferner dem Staatssekretär für das Domestique-Departement (Minister des Innern) übertragen. Das Geheime Kriegsraths-Kollegium war hauptsächlich die militärische Finanzbehörde.

Gersdorff, der zeitlebens von mehr zarter als kräftiger Gesundheit gewesen war, hat nun noch eine ziemliche Reihe von Jahren eine Arbeitskraft entwickelt, wie sie in dem Alter zwischen 70 und 80 Jahren zu den Seltenheiten gehört. Außer dem Amte des Staatssekretärs blieb er, nach wie vor, Chef des Ingenieurkorps und Direktor des Ober-Militär-Bauamtes bis an sein Lebensende.

Wenige Monate nach Uebernahme seines neuen hohen Amtes wurde er in die Nothwendigkeit versetzt, seinen beiden nunmehrigen Kollegen, den oben erwähnten Kabinets-Ministern Frhr. von Ende und Graf v. d. Osten-Sacken, in einer recht heikeln Angelegenheit sich gegenüber stellen zu müssen. Am 26. März 1777, Mittwoch der Charwoche, ließ der Kurfürst vor der Mittagstafel den Kabinetsminister von Gersdorff zu sich rufen und ertheilte ihm die Weisung, sich zum Grafen Sacken (Staatssekretär des Auswärtigen) und dann zum Frhrn. von Ende (Staatssekretär des Innern) zu verfügen und jedem von ihnen zu eröffnen, daß sie ihrer Stellen enthoben und die Portefeuilles von ihnen abzugeben seien; auf etwaiges Befragen nach der Ursache dieses unerwarteten Befehles solle er ihnen sagen: der Kurfürst könne kein Vertrauen mehr in sie setzen. Gersdorff erledigte beide Aufträge am nämlichen Tage Nachmittags.

Bis zur Ernennung der Nachfolger, des Gesandten am Berliner Hofe, Generals von Stutterheim, für das Auswärtige und des Grafen Christian vom Loß für das Innere leitete Gersdorff diese beiden Departements [105] interimistisch und fungierte solchergestalt längere Zeit als alleiniger Kabinetsminister[52].

Im Militär-Departement hatte Gersdorff nun sehr bald bedeutende Aufgaben zu lösen, als deren nächstes Resultat ein von ihm gegengezeichneter Befehl des Kurfürsten vom 12. März 1778 sich darstellt, welcher eine sorgsam erwogene neue Formirung der Armee anordnete, hervorgerufen durch die Voraussicht, daß der letzteren neue kriegerische Thätigkeit bevorstehe. Im April 1778 wurde die Armee auf den Kriegsfuß gesetzt und bei Dresden zusammengezogen. In dem nun folgenden bayrischen Erbfolgekriege focht dieselbe an der Seite der preußischen Truppen unter dem Oberbefehle des Prinzen Heinrich von Preußen bis zu dem Abschlusse des Friedens zu Teschen vom 13. Mai 1779.

Die Wiederherstellung des Friedensfußes, eine veränderte Dislokation der Truppen im Lande, später, in den Jahren 1780 und 1782 wiederholte Erhöhungen des Etats der Infanterie-Regimenter, 1786 auch der Kavallerie, nahmen die Thätigkeit Gersdorff’s weiter in Anspruch. Für die Stellung des Staatssekretärs der Militärkommando-Angelegenheiten begann übrigens damals bereits, jedoch nur außeramtlich, die Bezeichnung „Kriegsminister“ in Gebrauch zu kommen.

Noch ist ein in wenige Worte gefaßtes Urtheil über den Kabinetsminister von Gersdorff beizubringen, welches der zur Beurtheilung des Mannes Kompetenteste im Lande ausgesprochen hat. Es ist dies kein Geringerer, als der Kurfürst Friedrich August III. (der nachmalige König Friedrich August der Gerechte). In seinem „Politischen Testamente v. J. 1787“, einer Schrift, die in weiteren Kreisen noch viel zu wenig bekannt ist, sagt der Kurfürst bei Besprechung der Geschäfte des Staatssekretärs der Militär-Angelegenheiten Folgendes: „Ich habe das Glück gehabt, in der Person des Generals von Gersdorf einen Mann zu finden, der militairische Wissenschaft mit einem im Kriege gegründeten Rufe, einer vollkommenen Rechtschaffenheit und einer richtigen Beurtheilungskraft vereinigt“. Hinzugefügt ist: „Daß seine Kräfte ihm noch lange erlauben werden, die Pflichten seines Amtes zu erfüllen, ist mehr zu wünschen, als zu hoffen“[53].

In welch’ gnädiger Weise der Monarch wohlwollende Rücksichten auf seinen treuen Diener nahm, der i. J. 1785 bereits das 80. Lebensjahr vollendet hatte, zeigt folgende Randbemerkung an einer anderen Stelle des „Politischen Testaments“: „Das Alter des Cabinetsministers von Gersdorf und die mindere Wichtigkeit der currenten Militairsachen haben mich veranlaßt, ohne einen mündlichen Vortrag von ihm anzuhören, in den dazu bestimmten Stunden ihm bloß meine Resolution oder Zweifel zu sagen und seine Meinung zu begehren“[54].

Ueber zehn Jahre lang, bis an seinen Tod, hat der würdige Greis das Staatssekretariat und die oben genannten Nebenämter verwaltet. Die zunehmende Schwäche des Körpers, welche die letzten Altersjahre ihm brachten, beeinträchtigten seine Arbeitskraft nur wenig. Von der Außenwelt mehr und mehr zurückgezogen, führte er das stille Leben eines Weisen; die Ruhe und Heiterkeit seiner schönen Seele verblieb ihm bis an das Ende seiner Tage.

In dem von ihm bewohnten Hause des Geheimerath von Fritsch auf der Moritzstraße Nr. 760[55] ist er ohne vorherige Krankheit am 11. Februar 1797 früh gegen 7 Uhr im fast vollendeten 82. Lebens- und 57. Dienstjahre sanft entschlafen.

Am nämlichen Vormittage verschritt das Generalkriegsgericht unter Hinzuziehung von Vertretern des kurfürstl. Geheimen Cabinets und des Ingenieurkorps im Sterbehause zur Versiegelung aller Behältnisse, welche amtliche Skripturen etc. enthielten, und zur Eröffnung des zwei Jahre zuvor bei dem Generalkriegsgerichte niedergelegten Testaments an den Premierlieutenant des Ingenieurkorps Carl Leopold Rodewitz[56].

Dieser Offizier, seit 1768 Lehrer der Architektur an der Ingenieur-Akademie, war zum Universalerben ernannt. Er hatte von langer Zeit her der besonderen Gunst Gersdorff’s sich zu erfreuen, der ihm wahrhaft väterlich zugethan war. Familiär vereinsamt, wie der alte Herr war, hatte er in seinen letzten Lebensjahren ihn mit in seine Wohnung aufgenommen[57].

[106] Seine große Sammlung von Stadt- und Festungsplänen, Ordres de Batailles, Etâts des Armées, Exercices und Manoeuvres etc. vermachte er dem Kurfürsten. (Der Katalog in den Akten des Geheimen Kabinets füllt 44 Folioseiten).

Von seinen Blutsverwandten war Niemand mehr am Leben. Sein Stiefsohn, der obengenannte Adolf Traugott von Gersdorff auf Rengersdorf, erhielt ein Legat von 10,000 Thlrn.; außerdem waren drei jüngere Offiziere mit Vermächtnissen von 3000 Thlrn., die Bediensteten seines großen Hausstandes: der Kammerdiener mit 4000 Thlrn., der Koch mit 200 Thlrn., die drei Livreebedienten, der Kutscher, der Reitknecht und die Küchenmagd mit kleineren Legaten bedacht. Seine sehr bedeutende Büchersammlung fiel an den Universalerben; ihr Verzeichniß füllte zwei Folianten[58].

Als etwas der damaligen Zeit Eigenthümliches möge erwähnt werden, daß auf gehaltene Anfrage „Se. Churfürstl. Durchlaucht das Parade- und Sterbepferd des Generals von Gersdorff nicht verlangten, sondern dem Testamentserben zu schenken gnädigst geruhten“.

Nachdem der Gouverneur der Residenz, General d. Inf. Freiherr von Riedesel zu Eisenbach, die Entschließung des Kurfürsten in Betreff der Beerdigung eingeholt hatte, erfolgte dieselbe in der Rathsgruft des Johannis- oder böhmischen Kirchhofs[59] am 16. Februar 1787 Nachmittags mit einer von dem General der Kavallerie von Benkendorf[60] kommandirten Trauerparade, an welcher 9 achtpfündige Geschütze und, je mit Fahne und der Regiments-Musik, theilnahmen: 1 Bataillon Leib-Grenadier-Garde, 1 Bataillon Prinz Maximilian und 2 Bataillone Prinz Xaver, jenes Regiments, welches der Verstorbene so oft an den Feind geführt. Der großartige Kondukt bewegte sich von der Moritzstraße, den Neumarkt entlang, durch die Pirnische Gasse (jetzige Landhausstraße) nach dem Johanniskirchhofe. Als der Zug sich der Bilder-Galerie (dem jetzigen Johanneum) näherte, erschien auf der Freitreppe dieses Gebäudes der Kurfürst mit der ganzen kurfürstlichen Familie und ehrte dadurch in ungewohnter Weise den von ihm geschätzten Mann noch im Tode.

Am Grabe hielt der Platzmajor von Dresden, Major von der Infanterie Karl Heinrich von Trautschen eine Standrede, würdig der Bedeutung des Heimgerufenen als Soldat, Organisator und Staatsmann, den die Armee als ihren „Vater“ anzusehen sich gewöhnt habe; als Mensch aber habe er das christliche Gebot der Nächstenliebe in dem größten Maße erfüllt, Liebe und Wohlthun um sich her verbreitet und Arme und Dürftige unterstützt, oft ohne daß sie selbst es geahnt[61].

Nach der Einsenkung des Sarges erfolgte die dreimalige Salve der 9 Kanonen, welche auf der Bürgerwiese an der Kaitzbach aufgefahren waren, und das dreimalige Ehrenfeuer der 4 Infanterie-Bataillone auf der Langengasse (jetzigen Zinzendorfstraße)[62].

Die Leipziger Zeitung vom 15. Februar 1787 fügt der Anzeige von dem unerwartet eingetretenen Tode des Cabinets-Ministers von Gersdorff die Bemerkung hinzu: „Se. Kurfürstliche Durchlaucht schenkten diesem ehrwürdigen Greise das unbeschränkteste Vertrauen bis auf den letzten Augenblick seines Lebens. Der Verlust eines so allgemein geschätzten Mannes wird von jedem Patrioten aufrichtig beklagt und sein Andenken bei der Armee, die ihn als Vater ehrte und liebte, unvergeßlich bleiben“[63].


  1. Nachstehender Aufsatz ist der Auszug aus einer umfänglicheren, die politische und die Armee-Geschichte des betreffenden Zeitraumes miteinbeziehenden Arbeit, welche am 13. Oktober und 8. Dezember 1897 in dem Dresdner Geschichtsvereine vorgetragen worden ist. Neben den in den Anmerkungen aufgeführten Quellen sind benutzt worden: Graf v. Beust, Feldzüge der Kursächs. Armee, Camburg, 1803, – Schuster u. Francke, Geschichte der Sächs. Armee, Leipzig, 1885, – und (Graf Karl Vitzthum), die Geheimnisse des Sächs. Kabinets, Ende 1745 bis Ende 1756, Stuttgart, 1866. – Der Familienname „Gersdorff“ ist in dieser jetzt allgemein üblichen Schreibweise wiedergegeben, obwohl Carl August v. G. seinen Geschlechtsnamen „Gerßdorff“ zu schreiben pflegte.
  2. nicht in Meffersdorf, wie einige Nachrichten besagen. Nach dem Kirchenbuche der evangel. Hofkirche zu Dresden ist er am 15. März 1705 hier getauft worden.
  3. Meffersdorf, Rittergut mit Schloß und großem Parke, Gersdorff’sches Mannlehn, 3 Stunden südlich von Marklissa, im Queiskreise der damals sächsischen Oberlausitz, jetzt Regierungsbezirk Liegnitz, Kreis Lauban.
  4. Taufnachricht bei von Feilitzsch, zur Familiengeschichte des Deutschen, insonderheit des Meißnischen Adels. 1896. S. 76, sub e. – Trauungsnachricht aus dem Kirchenbuche der evangel. Hofkirche zu Dresden. Der Vater, Christian August Freiherr von Friesen auf Rötha und Cotta, Kaiserl. Reichshofrath, Domprobst zu Meißen, Domherr zu Magdeburg, Kursächs. Kammerherr und Amtshauptmann zum Hayn (Großenhain), ist den 10. Oktbr. 1681, 35 Jahre alt, gestorben und in Cotta beigesetzt. (Mittheilung des Herrn Generalmajor z. D. Ernst Freiherr von Friesen, aus dessen Familien-Archive).
  5. Archiv des K. Amtsgerichts Bautzen: Akten, das Rittergut Plieskowitz betr., Bl. 88 f., 90, 91 f.
  6. Nach damaliger Verfassung des Markgrafenthums Oberlausitz war der Landeshauptmann der Vorstand der landesherrlichen Finanzverwaltung. Zur Kontroleführung war ihm ein anderer hoher Beamter beigeordnet, welcher den Titel „Gegenhändler“ führte.
  7. Vgl. Lausitzisches Magazin, 20. Jahrg. 1787, S. 74, wo sie jedoch, ebenso wie an anderen Stellen, irrthümlich „Marie Eberhardine“ genannt ist.
  8. Manuskript (Quartband) im Archive des v. Gersdorff’schen Geschlechtsverbandes, Nachrichten über verschiedene Mitglieder der Familie v. Gersdorff enthaltend, von Carl Julius von Gersdorff (gestorben als K. Sächs. Major v. d. A., den 18. September 1858 in Dresden).
  9. Fast gleichlautend wird diese Geschichte ebenfalls aus Venedig erzählt von A. G. Meißner, zuerst im „Teutschen Museum“, 1777, Juliheft, dann in seinen „Skizzen“, I. S. 90 ff. der 3. Ausgabe von 1792, später auch von Rivethal im „Lukumon“ (Leipzig 1799) II. S. 294 ff., allenthalben jedoch mit der Abänderung, daß im Mittelpunkt der Geschichte ein Erbprinz von Württemberg steht, dessen Reisebegleiter, Kammerherr v. E–l (Etzel?) das satirische Dramolet am Vorabende der geheim gehaltenen Abreise des Prinzen am Schlusse eines von demselben gegebenen opulenten Festes der erstaunten venetianischen Aristokratie soll haben vorführen lassen, zur Strafe dafür, daß man wiederholt bei privaten Theatervorstellungen in Gegenwart des dazu eingeladenen Prinzen Spöttereien über deutsches Wesen sich gestattet hatte. Jener Erbprinz soll der nachmalige Herzog Carl Alexander (1684–1737) gewesen sein. Hinwiederum wird in Heinr. Wagner’s „Geschichte der hohen Carlsschule“ (Würzburg 1857–59), II. S. 50. dieselbe Anekdote, jedoch ohne Erwähnung des Kammerherrn v. E–l, dem Sohne Carl Alexanders, dem nachmal. Herzoge Carl Eugen (1728–93), Stifter der Carlsschule, zugeschrieben, was in Wolfgang Menzel’s Literaturblatt, 1859, S. 418 Widerlegung findet. – Die Grundidee zu der dramatischen Satire ist der lateinischen Dichtung „Julius Caesar et M. T. Cicero redivivi“ des württemberger Philologen Nicodemus Frischlin (1547–99) entnommen, worauf Hofrath Kästner im „Teutschen Museum“, Februarheft 1779, zuerst aufmerksam gemacht hat.
  10. 27,100 Mann mit 72 Geschützen.
  11. Uniform: dunkelgrüner Rock mit ponceaurother Verbrämung und Silber (noch jetzt die der sächsischen Pioniere).
  12. Akta der Geh. Kabinetskanzlei, das Ingenieur-Korps betr. Vol. I. Bl. 143 f. (Haupt-Staats-Archiv, Loc. 1080).
  13. Haupt-St.-Archiv. Abth. III. v. Gersdorff, Vol. V. – Die „Erlernung“ der Artillerie stellt ein Ueberbleibsel dar aus der früheren zunftartigen Verfassung der „Artolerey“.
  14. Registrande des Geh. Kabinets in milit. Angelegenheiten v. J. 1735 Haupt-St.-Archiv Abth. XVI Nr. 1521.
  15. Friedrich Heinrich Graf v. Seckendorf hatte bis 1717 in Sachsen gedient und hier ein gutes Andenken hinterlassen. Vgl. Frhr. ô Byrn, Chevalier de Saxe. Als Manuskript gedruckt. Dresden, 1876, S. 91.
  16. Die Angabe des in Anmerkg. 7 erwähnten Manuskripts, daß Gersdorff der Belagerung von Philippsburg (im jetzigen Großherzogthum Baden) beigewohnt habe, ist irrig. Diese Festung, den 18. Juli 1734 von den Franzosen eingenommen, ist während der Rheinkampagne 1735 nicht belagert, sondern freiwillig von den Franzosen geräumt worden. 1800 wurde sie geschleift.
  17. Frhr. ô Byrn. a. a. O.
  18. Dies hebt Frhr. ô Byrn a. a. O. S. 168 Anmerkg. 148 hervor. Bei der bekannten Gewissenhaftigkeit des Antors ist die Wahrheit dieser Angabe nicht anzuzweifeln, wiewohl kein Beleg beigebracht ist.
  19. Leichenregister der evangel. Hofkirche.
  20. Bl. 108 f. der alleg. Akten, Plieskowitz betr.
  21. Registrande des Geh. Kabinets in Mil. Angelegenh. v. 1741, S. 67. (Haupt-St.-Archiv 1. c.) – Hierdurch wird der Irrthum berichtigt, der in den ältesten kursächs. Ranglisten (bekanntlich Privatarbeit eines Sekretär Bachenschwanz) Eingang gefunden und von da in andere Druckwerke übergegangen ist, daß Gersdorff 1736 Major geworden sei. Es liegt eine Verwechselung vor mit seinem nächstjüngeren Bruder Wigand Gottlob, der den 18. März 1735 aggreg. Major ward. Richtige Angaben enthält Joh. Adolf v. Göphardt’s „Alphabetisches Verzeichniß Sächsischer Offiziere“, geschriebener Folioband in der K. Bibliothek zu Dresden sub Misc. Dresd. K. 6 m (sogen. Codex Göphardteus).
  22. Uniform: dunkelgrüner Rock mit ponceaurother Verbrämung und Golddekoration, in den Grundfarben noch jetzt die Uniform der sächs. Artillerie.
  23. Geb. 1696, gest. 1750. Sein Grabdenkmal in der Thomaskirche zu Straßburg ist ein bekanntes Kunstwerk.
  24. Registrande des Geh. Kabinets in Mil. Angelegenh. v. 1742. (Haupt-St.-Archiv Abth. XVI Nr. 1521.)
  25. Uniform: weiße Röcke mit hellblauer Verbrämung und gelben Knöpfen.
  26. Haupt-St.-Archiv a. a. O. (Anmerkung 23).
  27. Haupt-St.-Archiv Loc. 426. Mil. Ranglisten der Geh. Kabinets-Kanzlei Vol. I. Derselbe war den 12. Juni 1707 geboren und 1729 bei dem Löwendal’schen Inf.-Regimente in die Armee getreten. Lausitz. Magazin, 20. Jahrg. (1787) S. 83 ff.
  28. Er war den 5. April 1704 geboren, wurde 1743 Reichshofrath, 1751 Generalintendant des Commerz in Sachsen, seit 1753 mit dem Charakter als Geheimer Rath, und starb 4. Juni 1755 an einem Schlagflusse, unvermählt. Vgl. Lausitz. Magazin a. a. O.
  29. Bl. 112–120 der oben unter 4. und 19. angezogenen Akten.
  30. Die kursächsischen Infanterie-Regimenter hatten nur 2 Bataillone zu je 4 Musketier- und 1 Grenadier-Kompagnie. Im Felde waren jedem Bataillon 2 Geschütze beigegeben und die beiden Grenadier-Kompagnien je zweier Regimenter wurden gemeiniglich zu einem selbständigen Grenadier-Bataillon vereinigt.
  31. Mit Friederike von Pauli (welche später, als Wittwe, sich anderweit mit dem Geheimen Rathe Frhr. von Fletcher verheirathet hat). Vorher, seit 1738, war Wigand Gottlob v. G. bereits mit einer Freiin von Fletcher vermählt gewesen. Vgl. Lausitzer Magazin, XX, 83 ff.
  32. Mit einem Gehalte von 183 Thlr. monatlich, also jährlich 2196 Thlr. – Uniform (seit 1735): weiße Röcke, rothe Westen, beides mit Goldstickerei, rothe Beinkleider; während 1753 wieder rothe Röcke, Westen und Beinkleider, je mit Goldtressenbesatz, eingeführt wurden, wie sie die Generalität unter August dem Starken getragen hatte. Endlich erhielten die Generäle 1766, unter Beibehaltung der rothen Unterkleider, dunkelblaue Röcke mit reicher Goldstickerei.
  33. Carl Ernst von Gersdorff, geb. 13. Dezember 1689, ist lt. des Todtenregisters in den alten evangel. Kirchenbüchern zu Görlitz am 21. Juni 1745 daselbst gestorben und in der Familiengruft zu Rengersdorf bei Görlitz beigesetzt worden. Er wird als verabschiedeter Obristlieutenant des „Kadischen“, soll heißen: Katteschen (später Prinz Sondershausenschen) Dragoner-Regiments bezeichnet. Durch Vorstehendes werden einige irrige Angaben im Lausitzer Magazin, 1770. S. 7 f. und in: „Gersdorff’sche Familien-Nachrichten“ (Quedlinburg, 1818) S. 83, berichtigt.
  34. Vgl. den französischen Wortlaut in (Graf Carl Vitzthum’s) „Die Geheimnisse des sächs. Cabinets“ II S. 441 f.
  35. Im Frühjahr 1758 war aus diesen, in Oesterreich untergebrachten sogen. „Revertenten“ ein Korps von 10,000 Mann organisirt, welches unter der vom Kurfürsten gestellten Bedinggung, nicht gegen den König von Preußen geführt zu werden, in den Dienst des Königs von Frankreich trat und in diesem Verhältnisse unter der Führung des Prinzen Xaver bis zum Ende des siebenjährigen Krieges verblieb. Nach ihrer Rückkehr bildeten diese Truppen und die in Polen gestandenen vier Reiter-Regimenter, welche auf österreichischer Seite am Kriege theilgenommen und u. A. zu dem Siege bei Kolin (18. Juni 1757) den Ausschlag gegeben haben, den Kern für die Neuorganisation der sächsischen Armee.
  36. Es liegt in der Richtung nach Niesky zu und ist nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen, bei Marklissa gelegenen Gute.
  37. Wörtlich bei Graf Vitzthum a. a. O. II S. 444–450.
  38. Vgl. Vitzthum a. a. O. II S. 310 ff.
  39. Acta der Geh. Cabinetscanzley, Bestellung derer Generallieutenants, Vol. III. – Haupt-St.-Archiv Loc. 1028. – Die Angabe der gedruckten Ranglisten, daß G. bereits 1757 zum Generallieutenant aufgerückt sei, welche zu der Annahme verleitet, daß er am siebenjähr. Kriege nach dem Jahre 1756 noch theilgenommen habe, bedarf der obigen Erläuterung.
  40. Sie werden deshalb auch in den Ranglisten aufgeführt.
  41. Haupt-St.-Archiv. Akta der Geh. Kab.-Kanzlei, das Ingenieurkorps betr. Conv. VIII. B. 43. ff. 46. Loc. 1081.
  42. Acta cit. Conv. VII. B. 34. – Loc. 1081.
  43. Die Mitkommissarien waren der Oberkammerherr Graf Vitzthum und der Vize-Obersteuerdirektor von Nizschwitz, sowie auf Vorschlag der Stände ernannt: der Geheime Kammer- und Bergrath von Heynitz und der Rath zu Dresden. – Acta der Geh. Cabinets-Canzley, die Erbauung eines Land- und Steuerhauses betr. d. ao. 1763 ff. – Haupt-St.-Archiv Loc. 1436.
  44. Geboren 3. August 1729 zu Rengersdorf, zeitlebens schwächlich, aber zweimal (mit einem Fräulein von Uechtritz und nach deren Tode mit einer von Zedlitz) verheirathet, hinterließ die Letztere und 5 Kinder aus beiden Ehen. Lausitzer Magazin II (1769) S. 368 f.
  45. Sterberegister des Rengersdorfer Kirchenbuches und Lausitzer Magazin III (1770) S. 7.
  46. Er war den 24. März 1744 zu Nieder-Rengersdorf geboren, verheirathete sich den 16. Oktober 1770 zu Budissin mit Rahel Henriette von Metzradt aus dem Hause Malschwitz, Tochter des Hauptmann Karl Gottlob v. M. und dessen Gattin Johanne Henriette Christiane, geb. von Kalbe. (Chronik von Rengersdorf, im Pfarr-Archive daselbst.)
  47. Beide Auflagen sind in der Kgl. öfftl. Bibliothek zu Dresden sub Hist. Saxon. M. 241 z. u. 242 zu finden.
  48. Vgl. Dr. Karl von Weber im Archiv für die sächsische Geschichte, Bd. 8 (1870) S. 1 ff., insbesondere S. 26.
  49. Friedr. Bülau, Geheime Geschichten und räthselhafte Menschen. Leipzig, 1830. I. S. 201 f.
  50. Akta der Geh. Kab.-Kanzlei, Vol. VI. B. 364. Haupt-St.-Archiv. Loc. 1081.
  51. Bülau a. a. O. S. 213.
  52. Ausführlich bei Bülau, a. a. O. S. 213 ff. Daß Gersdorff es war, der den beiden Ministern ihre Entlassung zu verkünden hatte, wird in dem oben erwähnten Aufsatze von Weber’s bestätigt.
  53. Dr. Karl von Weber’s Archiv für die Sächs. Geschichte. X. (1872) S. 337 ff., insbes. S. 382. Da das „Politische Testament“ das Datum des 6. Dezember 1787 trägt, während Gersdorff bereits am 12. Februar dess. Js. verstarb, so geht hieraus hervor, daß die Niederschrift des „Polit. Testaments“ mindestens ein Jahr zuvor begonnen worden ist.
  54. Archiv f. d. Sächs. Geschichte a. a. O. S. 343.
  55. Dasselbe ist beim Durchbruche der König Johannstraße mit gefallen; an seiner Stelle steht jetzt das neben Meinholds Sälen gelegene Eckhaus Moritzstraße 8b.
  56. Acta, den Nachlaß des Cabinetsministers etc. C. A. v. Gersdorff etc. betreffend. – K. S. Kriegsarchiv, Vermögensrechtl. u. gerichtl. Angelegenheiten der Offiziere und Beamten, G. Nr. 177.
  57. Rodewitz, geb. d. 10. Juli 1744, wurde d. 1. November 1790 während des sächs. Vicariates in den Reichs-Adelstand erhoben (Acta, Reichs-Vicariatssachen, Gratiosa, Vol. II Bl. 133, Vol. IV Bl. 48 f., 50, 62, 117. – Haupt-St.-Archiv Loc. 3128), nahm mit dem Charakter als Major später den Abschied und starb zu Dresden am 20. Dezember 1813 ohne männliche Erben. Ueber seinen Nachlaß, der gewiß Manches über Gersdorff enthalten hat, ist leider nichts zu ermitteln gewesen.
  58. Hasche in seiner „umständlichen Beschreibung Dresdens“, 1783 II. S. 755 führt unter „Bibliotheken“ die Bücherei „dieses thätigen Greises und Patrioten“ als eine hervorragende auf.
  59. 1858 säkularisirt; an seiner Stelle befindet sich jetzt die Johann Georgen-Allee.
  60. Dem ältesten aktiven Generale, der durch seine Reiterangriffe bei Kolin berühmt geworden war.
  61. Diese Standrede, welche werthvolle biographische Andeutungen enthält, ist gedruckt erschienen. Ein Exemplar besitzt die K. öffentl. Bibliothek zu Dresden (Hist. Saxon. D. 475, 42).
  62. Ausführliche Beschreibung der Trauerfeier in Hasche’s Magazin der sächs. Geschichte, 1787, Thl. IV, S. 117 ff.
  63. Ein Bildniß Gersdorff’s aus seinen letzten Lebensjahren, in Sepia gedruckter Kupferstich (16x24 cm.), von dem Hofkupferstecher und Akademieprofessor Christian Friedrich Stölzel 1788 radirt und muthmaßlich auch gezeichnet, befindet sich im Kgl. Kupferstichkabinet, im Stadtmuseum und in Privatbesitz.