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Carl August von Gersdorff,
Kursächs. General d. Inf. und Kabinetsminister.
Von Oberjustizrath L. von Göphardt[1].

Einem der ältesten Geschlechter der Oberlausitz entsprossen, wurde unter der Regierung Kurfürst Friedrich August’s I. oder des Starken (als König von Polen: August II.) Carl August von Gersdorff am 14. März 1705 zu Dresden[2] geboren. Im nahezu vollendeten 82. Lebensjahre ist er am 11. Februar 1787 in Dresden verstorben. Von vier Brüdern, welche Alle ihrem Vaterlande mit Ehren gedient haben, war er der zweitälteste.

Ueber seine Eltern ist Folgendes zu bemerken: Sein Vater Christoph Ernst von Gersdorff aus dem Hause Meffersdorf[3], geboren 1667, den 27. September, war Kgl. Polnischer und Kurfstl. Sächsischer Kammerherr und Oberstlieutenant der Garde zu Pferde, als er am 14. März 1703 zu Dresden Marien Christinen Freiin von Friesen (ein „Kammerfräulein“ der Königin-Kurfürstin) als Gattin heimführte. Dieselbe war 1677 als Tochter des Amtshauptmann Freiherrn von Friesen in Großenhain geboren und bereits im Alter von vier Jahren vaterlos geworden[4]. Ein Jahr nach seiner Vermählung, im Monat März 1704, erkaufte Gersdorff sen, von Katharina Elisabeth von Zezschwitz, geb. von Könneritz, das Rittergut Plieskowitz bei

Bautzen (welches er zeitlebens besessen hat) um 25,700 Thaler. In der Kaufsurkunde ist er nur als „Kammerherr“ aufgeführt[5]. Es ist daher zu vermuthen, daß er die Stellung als Oberstlieutenant der Garde zu Pferde bald nach seiner Vermählung, aufgegeben hat. Später wurde er Geheimer Rath und Gegenhändler des Markgrafenthums Oberlausitz[6].

Unser Carl August von Gersdorff hatte nur erst sein 12. Lebensjahr erfüllt, als am 22. Mai 1717 ihm die Mutter durch einen frühzeitigen Tod entrissen wurde[7]. Gewiß hat dieses, die Seele des Knaben erschütternde Ereigniß nicht unwesentlich beigetragen, den Grund zu legen zu dem sittlichen Ernste, durch welchen später der Mann sich auszeichnete. Sein Vater ließ es sich angelegen sein, die früh schon hervortretenden glücklichen Geistesgaben des Sohnes durch eine sorgsame Erziehung zur Entfaltung zu bringen. Letzterer that hierzu redlich das Seinige durch unermüdlichen Fleiß, eine Eigenschaft, die gar nicht immer die Gefährtin des Talentes ist, die ihn aber bis in sein Greisenalter begleitet hat. Auf mehreren Universitäten lag er den Studien ob, vornehmlich in den mathematischen und den Staatswissenschaften. Daneben betrieb er mit Geschick allerlei ritterliche Uebungen; er war ein treffsicherer Pistolenschütze und sein mit ruhiger Besonnenheit gepaarter Muth hat in seiner späteren kriegerischen Laufbahn sich vielfach bewährt. Wie es in damaliger Zeit einem jungen Kavaliere ziemte, unternahm er nach Abschluß der Universitätsstudien eine längere Reise durch Frankreich und Italien. Aus der Zeit seines Aufenthalts in Venedig, wo es ihm, als einem geistvollen jungen Manne von Distinktion, nicht schwer geworden sein wird, in den ersten Gesellschaftskreisen Fuß zu fassen, berichtet die Familien-TraditionManuskript (Quartband) im Archive des v. Gersdorff’schen Geschlechtsverbandes, Nachrichten über verschiedene Mitglieder der Familie v. Gersdorff enthaltend, von Carl Julius von Gersdorff (gestorben als K. Sächs. Major v. d. A, den 18. September 1858 in Dresden) eine Anekdote, welche hier wiedergegeben werden mag, obwohl, was den ersten Theil derselben betrifft, nach dem in Anmerkung 8 Dargelegten es nicht als feststehend bezeichnet werden kann, daß unser Gersdorff der Held der Geschichte gewesen sei. Die Tradition lautet folgendermaßen:


  1. Nachstehender Aufsatz ist der Auszug aus einer umfänglicheren, die politische und die Armee-Geschichte des betreffenden Zeitraumes miteinbeziehenden Arbeit, welche am 13. Oktober und 8. Dezember 1897 in dem Dresdner Geschichtsvereine vorgetragen worden ist. Neben den in den Anmerkungen aufgeführten Quellen sind benutzt worden: Graf v. eust, Feldzüge der Kursächs. Armee, Camburg, 1803, – Schuster u. Francke, Geschichte der Sächs. Armee, Leipzig, 1885, – und (Graf Karl Vitzthum), die Geheimnisse des Sächs. Kabinets, Ende 1745 bis Ende 1756, Stuttgart, 1866. – Der Familienname „Gersdorff“ ist in dieser jetzt allgemein üblichen Schreibweise wiedergegeben, obwohl Carl August v. G. seinen Geschlechtsnamen „Gerßdorff“ zu schreiben pflegte.
  2. nicht in Meffersdorf, wie einige Nachrichten besagen. Nach dem Kirchenbuche der evangel. Hofkirche zu Dresden ist er am 15. März 1705 hier getauft worden.
  3. Meffersdorf, Rittergut mit Schloß und großem Parke, Gersdorff’sches Mannlehn, 3 Stunden südlich von Marklissa, im Queiskreise der damals sächsischen Oberlausitz, jetzt Regierungsbezirk Liegnitz, Kreis Lauban.
  4. Taufnachricht bei von Feilitzsch, zur Familiengeschichte des Deutschen, insonderheit des Meißnischen Adels. 1896. S. 76, sub e. – Trauungsnachricht aus dem Kirchenbuche der evangel. Hofkirche zu Dresden. Der Vater, Christian August Freiherr von Friesen auf Rötha und Cotta, Kaiserl. Reichshofrath, Domprobst zu Meißen, Domherr zu Magdeburg, Kursächs. Kammerherr und Amtshauptmann zum Hayn (Großenhain), ist den 10. Oktbr. 1681, 35 Jahre alt, gestorben und in Cotta beigesetzt. (Mittheilung des Herrn Generalmajor z. D. Ernst Freiherr von Friesen, ans dessen Familien-Archive).
  5. Archiv des K. Amtsgerichts Bautzen: Akten, das Rittergut Plieskowitz betr., Bl. 88 f., 90, 91 f.
  6. Nach damaliger Verfassung des Markgrafenthums Oberlausitz war der Landeshauptmann der Vorstand der landesherrlichen Finanzverwaltung. Zur Kontroleführung war ihm ein anderer hoher Beamter beigeordnet, welcher den Titel „Gegenhändler“ führte.
  7. Vgl. Lausitzisches Magazin, 20. Jahrg. 1787, S. 74, wo sie jedoch, ebenso wie an anderen Stellen, irrthümlich „Marie Eberhardine“ genannt ist.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 2 (1897 bis 1900). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1897 bis 1900, Seite 91. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Zweiter_Band.pdf/94&oldid=- (Version vom 9.7.2024)