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„die löbliche Artillerie und zwar die sechzehnpfündige Probe auf seine eigenen Kosten zu erlernen“, während „die dazu erforderliche Munition gratis gereicht“ wurde. Unterm 30. Juni 1731 stellt er aus diesem Anlaß einen Revers aus, in welchem er, unter Abstattung unterthänigsten Dankes für jene allergnädigste Verwilligung, das Versprechen ablegt, die zu erlangenden Kenntnisse niemals gegen Se. Königl. Majestät in Polen und Kurfürstl. Durchlaucht zu Sachsen in Anwendung zu bringen[1].

Als nach August des Starken Tode (1. Februar 1733) dessen einziger Sohn und Nachfolger in der Kurwürde Friedrich August II., zum nicht geringen Theile auf das Betreiben des Kabinetsministers Heinrich (späteren Reichsgrafen) von Brühl, zu den Waffen gegriffen hatte, um sich, seinem Rivalen Stanislaus Lesczinski gegenüber, den Besitz der polnischen Königskrone (als August III.) zu sichern, nahm Gersdorff, wie dies im vorigen Jahrhundert häufig vorkommt, als Freiwilliger Antheil an den Feldzügen gegen die Konföderirten in Polen, dem sogenannten polnischen Erbfolgekriege, von Ende 1733 bis Anfang 1735.

Die sächsische Hauptmacht war zunächst in und um Krakau zusammengezogen. Hier wird Gersdorff am 14. Januar 1734 dem festlichen Einzuge und am 17. der Krönung des Königs beigewohnt haben. Der größte Theil der Truppen wurde im März 1734 nach dem entfernten Danzig in Marsch gesetzt, wo der Gegenkönig Stanislaus sich festgesetzt hatte und von den verbündeten Russen eingeschlossen gehalten wurde.

Ein Bruder der verstorbenen Mutter Gersdorff’s, der (1675 zu Großenhein geborene) Generallieutenant Christian August Frhr. von Friesen, hatte ein Kommando in diesem sächsischen Korps und Gersdorff’s jüngster Bruder, Christoph Leopold (geb. 1710), war sein Adjutant. Da Carl August v. G. an dieser Kampagne (seiner ersten) als Volontär theilnahm, so ist die Annahme völlig gerechtfertigt, daß er unter dem Befehle des Oheims und in der Nähe des Bruders sich befunden habe. Seine Erlebnisse sind daher folgende gewesen.

Nach einem Marsche, der überaus reich an Beschwerden gewesen und durch Kämpfe mit den polnischen Konföderirten aufgehalten worden war, langte das von dem Herzoge Johann Adolf von Weißenfels befehligte Korps am 25. Mai vor Danzig an, schlug Lager bei Oliva auf, griff am nächstfolgenden Tage in die Belagerung ein und nahm in der Folge die große Westernschanze und das Fort Weichselmünde. Am 27. Juni 1734 fielen Stadt und Festung, nachdem Stanislaus Lesczinski, als Bauer verkleidet, nach Schweden entflohen war, die Sachsen besetzten das Oliva’sche Thor und zogen am 11. Juli mit den Russen als Sieger ein.

General von Friesen verblieb mit den ihm unterstellten Truppen in Polen. Erst Anfang April 1735 war nach weiteren, theilweise ziemlich blutigen Kämpfen die Unterwerfung und Pazifikation des Landes beendet. Inzwischen hatte der Kurfürst, zu einer Zeit, als er in Polen noch stark beschäftigt war, auf den Wunsch Kaiser Karls VI. ein Reichskontingent von 6000 Mann bewilligt, welches bestimmt war, dem am Rheine stehenden österreichischen Heere den Einfall der Franzosen in Deutschland abwehren zu helfen. Den Oberbefehl führte dort der trotz seiner 72 Jahre wunderbar frische Prinz Eugen von Savoyen, dessen Name noch immer von zaubervoller Wirkung auf die ihn vergötternden Soldaten war. Die Führung des im Frühjahr 1735 auf den Kriegsfuß gesetzten sächsischen Hilfskorps war durch Immediat-Erlaß des König-Kurfürsten d. d. Warschau, den 3. März 1735[2] wiederum dem Generallieutenant Freiherrn von Friesen übertragen worden, mit dem gleichzeitigen Befehle, zu diesem Zwecke unverzüglich nach Sachsen zurückzukehren. Diesem Auxiliarkorps ließ Gersdorff erneut als „Freiwilliger“ sich zutheilen. Man wird nicht fehlgehen, wenn man auch diesen Entschluß Gersdorff’s in Verbindung bringt mit der Person des ebengenannten, verwandtschaftlich ihm nahestehenden Befehlshabers. Jenes Hilfskorps brach Anfang Mai 1735 aus Sachsen nach dem Rheine auf und wurde dort der österreichischen Armee-Abtheilung des Feldzeugmeisters Grafen Seckendorf zugetheilt[3]. Als von Friesen später erkrankte, trat an seine Stelle der Generallieutenant von Diemar. Abgesehen von kleineren Scharmützeln sind aus diesem Feldzuge zu nennen: der durch die Wachsamkeit der Sachsen vereitelte und in eine Niederlage verwandelte französische Ueberfall bei Lorch in der Nacht vom 11. zum 12.  Juli und später, nach Ueberschreitung des Rheins, das siegreiche Treffen bei dem Trier’schen Augustinerkloster Clausen oder am Salmbache vom 20. Oktober 1735[4]. Das sächsische Kontingent, welches sich die besondere


  1. Haupt-St.-Archiv. Abth. III. v. Gersdorff, Vol. V. – Die „Erlernung“ der Artillerie stellt ein Ueberbleibsel dar aus der früheren zunftartigen Verfassung der „Artolerey“.
  2. Registrande des Geh. Kabinets in milit. Angelegenheiten v. J. 1755 Haupt- St.-Archiv Abth. XVI Nr. 1521.
  3. Friedrich Heinrich Graf v. Seckendorf hatte bis 1717 in Sachsen gedient und hier ein gutes Andenken hinterlassen. Vgl. Frhr. ô Byrn, Chevalier de Saxe. Als Manuskript gedruckt. Dresden, 1876, S. 91.
  4. Die Angabe des in Anmerkg. 7 erwähnten Manuskripts, daß Gersdorff der Belagerung von Philippsburg (im jetzigen Großherzogthum Baden) beigewohnt habe, ist irrig. Diese Festung, den 18. Juli 1734 von den Franzosen eingenommen, ist während der Rheinkampagne 1735 nicht belagert, sondern freiwillig von den Franzosen geräumt worden. 1800 wurde sie geschleift.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 2 (1897 bis 1900). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1897 bis 1900, Seite 93. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Zweiter_Band.pdf/96&oldid=- (Version vom 9.7.2024)