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und seinen Degen wieder zur Verfügung zu stellen. Die Antwort darauf ging dahin, daß „der Ingenieur-Capitaine Carl August von Gersdorff durch Allerhöchsten Beschluß vom 30. Januar 1741 zum Adjutanten des Generals der Infanterie Grafen Rutowski in dessen Eigenschaft als Obrister Hauß- und Land-Zeugmeister (d. h. Chef der Artillerie) mit Beylegung des Obristlieutenants-Charakters, jedoch ohne einiges Traktament gnädigst deklariret“ sei[1]. Er übersprang sonach die Majors-Charge und wurde als Oberstlieutenant nunmehr bei der Haus-Artillerie-Kompagnie geführt[2].

Im Stabe Rutowski’s wird Gersdorff zunächst an den Mobilmachungsarbeiten theilgenommen haben, welche Ende März in der Hauptsache beendet waren. Im Monat Mai lag er mit seinem Generale, der vorerst nur die eine Hälfte der wenig mehr als 20,000 Mann starken mobilen Armee kommandirte, im Lager bei Torgau. Später wurden Kantonnements bezogen.

Im September 1741 trat Kursachsen der bayerisch-französischen Allianz bei und damit zugleich thatsächlich auf die Seite Friedrich’s II. – Merkwürdiger Weise wurden offiziell die preußischen Truppen nicht als Alliirte bezeichnet.

Dem Grafen Rutowski wurde Ende Oktober 1741 das Oberkommando über sämmtliche marschbereite sächsische Truppen übertragen. Von nun an hat Gersdorff jedenfalls Gehalt bezogen und zwar, wie eine spätere Avancements-Ordre erkennen läßt, den eines Generaladjutanten, d. h. nach damaligem Sprachgebrauche: des Adjutanten eines Generals en chef. – Mit Rutowski verließ Gersdorff am 5. November 1741 die Residenz Dresden. Am 9. November wurde bei Zinnwald die sächsisch-böhmische Grenze überschritten. Vierzehn Tage später standen die Sachsen vor der Stadt und Festung Prag, Schulter an Schulter mit den französisch-bayrischen Truppen, welche von dem in französischen Diensten stehenden Grafen Moritz von Sachsen [3] befehligt wurden. In der Nacht vom 25. zum 26. November erfolgte der Sturm auf Prag. Sächsischerseits war derselbe auf den schwierigsten beiden Angriffspunkten, gegen die Neustadt, über zwei Inseln der Moldau hinweg – und auf der Kleinseite, im Norden des Hradschin, gegen das Karlsthor gerichtet. An letzterer Stelle war es, wo Gersdorff Gelegenheit hatte, in hervorragender Weise sich auszuzeichnen. Sämmtliche sächsische Grenadierkompagnien, in Bataillone formirt und dem Generalwachtweister von Weissenbach unterstellt, waren ausersehen, die erste Sturmkolonne gegen das Karlsthor zu bilden. Die Führung eines dieser Grenadierbataillone hatte Gersdorff übertragen erhalten. Nach 3 Uhr Morgens begann der Angriff, in welchem nur eine kurze Stockung eintrat, als der ebengenannte General v. Weissenbach durch eine Flintenkugel getödtet worden war. Derselbe wurde sofort durch den rangältesten Obersten Graf von Cosel ersetzt. Unter Benutzung mitgebrachter Balken und Bretter wurde der Graben überschritten und zu beiden Seiten des Karlsthores der von den Oesterreichern tapfer vertheidigte Wall auf Sturmleitern erklommen. Gersdorff, seinen Grenadieren voran, erstieg als der Erste des von ihm geführten Bataillons den Prager Festungswall.

Der Angriff war auch auf den anderen Seiten ein erfolgreicher gewesen und am 26. November 1741 zogen die Verbündeten in die eroberte Stadt ein.

Die den Sachsen in die Hände gefallenen 13 Fahnen und Standarten wurden dem Kurfürsten nach Dresden übersendet. –

Auf die weiteren Vorkommnisse im ersten schlesischen Kriege bis zu Ende des Jahres 1741 in Böhmen und im Jahre 1742 in Mähren ist nicht näher einzugehen, da über besondere Erlebnisse Gersdorff’s keine Nachrichten vorliegen.

Rutowski kehrte Anfang März 1742 nach Sachsen zurück, nachdem er das Kommando interimistisch an den Generallieutenant Chevalier de Saxe abgegeben hatte, in dessen Stabe annehmbar Gersdorff bis zur späteren Rückkehr Rutowski’s sich befunden und an der Einschließung Brünn’s theilgenommen haben wird.

Anfang April 1742 vollzog sich die Trennung der sächsischen Truppen vom preußischen Heere und noch vor dem am 28. Juli 1742 zu Berlin erfolgten Friedensschlusse kehrte Gersdorff mit der Armee nach der Heimath zurück.

Seine Leistungen in der Campagne hatten vollste Anerkennung gefunden. Bereits unterm 4. April 1742 erhielt er, 37 Jahre alt, den Charakter als Oberst mit Beibehaltung des dermalen als „Generaladjutant“ bei dem General Grafen Rutowski von ihm bezogenen Traktaments und mit der, eigenthümlicher Weise offiziell ausgesprochenen „Versicherung, daß er dereinst anstatt dessen“ (nämlich des Adjutanten-Traktaments) „nach


  1. Registrande des Geh. Kabinets in Mil. Angelegenh. v. 1741, S. 67. (Haupt-St.-Archiv 1. c.) – Hierdurch wird der Irrthum berichtigt, der in den ältesten kursächs. Ranglisten (bekanntlich Privatarbeit eines Sekretär Bachenschwanz) Eingang gefunden und von da in andere Druckwerke übergegangen ist, daß Gersdorff 1736 Major geworden sei. Es liegt eine Verwechselung vor mit seinem nächstjüngeren Bruder Wigand Gottlob, der den 18. März 1735 aggreg. Major ward. Richtige Angaben enthält Joh. Adolf v. Göphardt’s „Alphabetisches Verzeichniß Sächsischer Offiziere“, geschriebener Folioband in der K. Bibliothek zu Dresden sub Misc. Dresd. K. 6 m (sogen. Codex Göphardteus).
  2. Uniform: dunkelgrüner Rock mit ponceaurother Verbrämung und Golddekoration, in den Grundfarben noch jetzt die Uniform der sächs. Artillerie.
  3. Geb. 1696, gest. 1750. Sein Grabdenkmal in der Thomaskirche zu Straßburg ist ein bekanntes Kunstwerk.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 2 (1897 bis 1900). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1897 bis 1900, Seite 95. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Zweiter_Band.pdf/98&oldid=- (Version vom 9.7.2024)