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Auch Gersdorff trat aus seiner gezwungenen militärischen Unthätigkeit heraus.

Auf den Vortrag des Chevalier de Saxe vom 21. Mai 1763 wurde er unterm 28. dess. Mts. zum Generallieutenant der Infanterie ernannt. Weil aber Hinterleute von ihm, die unter dem Prinzen Xaver mit in Frankreich gestanden hatten, zum Generallieutenants-Range schon früher gelangt waren, so erfolgte die Zurückdatirung seines Patentes auf den 23. Oktober 1757 [1]. Weiter wurde ihm durch Reskript vom 17. August dess. Js. (1763) „das Commando über das Ingenieur-Corps, benebst dem Directorio derer Fortifications- und sämmtlicher Festungs- und Militär-Gebäude“ übertragen (des Obermilitärbauamtes“ wie die nachherige Bezeichnung dieser Behörde lautete). Aus den an das Geh. Kriegsraths-Kollegium unterm 17. und 18. August 1763 ergangenen Verordnungen ersieht man, daß bei Antritt dieser Stellung noch eine besondere Verpflichtung durch Ausstellung eines Reverses gebräuchlich war und daß das reglementsmäßige Traktament der Generallieutenants, welches Gersdorff vom 1. Mai 1763 ab bezog, 275 Thlr. monatlich, jährlich sonach 3300 Thlr.=9900 Mk. betrug. Mit diesem Gehalte wurde er „angesetzet, ohne daß es künftig etwa zur Consequenz vor die Successores beim Ingenieurcorps angezogen werden möchte“. – In der Bestallung und ausführlichen Instruktion für Generallieutenant von Gersdorff findet sich die Bemerkung: daß er „allein von Uns (dem König-Kurfürsten) und von dem jederzeit von Uns bestellten Generalfeldmarschall oder kommandirenden General en Chef dependire, bei dessen Abwesenheit aber nur von Uns“. (Das Ingenieurcorps war eines der sogenannten „eximirten Corps“.)

An der Spitze dieses wissenschaftlichen Corps, bei welchem er 33 Jahre zuvor seine militärische Laufbahn begonnen hatte, war er, als Mann von ausgebreitetem Wissen, als Mathematiker und als praktischer Ingenieur so recht eigentlich an seinem Platze.

Später hatte er eine Reihe von Jahren auch als Direktor des Generalkriegsgerichts zu fungiren, welchem, außer dem den Vorsitz führenden aktiven Generale, der Generalauditeur und der Generalauditeur-Lieutenant als Mitglieder angehörten.

Inzwischen war am 5. Oktober 1763 der viel geprüfte Monarch, Kurfürst Friedrich August II. (als König von Polen August III.) infolge eines Schlaganfalles aus dem Leben abgerufen worden und nur um wenige Wochen überlebte der Premierminister seinen allzu gnädigen Gebieter, den er während dessen ganzer Regierungszeit nicht zum Heile des Landes beeinflußt hatte. Graf Brühl starb am 28. Oktober 1763 nach kurzem Kranksein, 63 Jahre alt. Der neue Landesherr, Kurfürst Friedrich Christian, der den Premierminister sofort entlassen und mit klarem Blicke nur eben begonnen hatte, den Staat auf segenbringende Bahnen zu leiten, wurde von den im Lande herrschenden Pocken ergriffen und nach wenigen Tagen, 17. Dezember 1763, 41 Jahre alt, nach einer Regierungszeit von nur zehn Wochen dahingerafft.

Für seinen Sohn und Nachfolger, den am 23. Dezember 1750 geborenen, also erst dreizehnjährigen Kurprinzen, nunmehrigen Kurfürsten Friedrich August III. führte dessen Oheim, der Prinz Xaver, als Vormund und Administrator, die Regierung des Kurstaates bis zum 15. September 1768, an welchem Tage der junge Kurfürst, der spätere erste König von Sachsen, die Regierung selbst übernahm.

Nach diesen Zwischenbemerkungen kehren wir zu Gersdorff zurück. Daß nach den Verwüstungen des siebenjährigen Krieges ihm in seiner Eigenschaft als Vorstand des Militär-Bauwesens ein reiches Feld der Wirksamkeit sich darbot, bedarf kaum der Erwähnung. In Einzelheiten einzugehen würde zu weit führen. Die Thätigkeit des Ingenieurkorps wurde damals auch in nichtmilitärischer Hinsicht in Anspruch genommen, indem zur Leitung kurfürstlicher Privat- und Staats- Bauten oft auch Offiziere verwendet wurden. In einem gewissen Zusammenhange hiermit steht die damalige Zweitheilung des Ingenieurkorps in eine Feld- und eine Landbrigade; deren jede unter einem Obersten oder Generalmajor stand. Daneben, unter einem Stabsoffiziere als Directeur, bestand die Ingenieur-Akademie zur Heranbildung von Ingenieur-Offizieren. Die Ingenieur-Scholaren wurden nach Ablegung einer Prüfung zu Ingenieur-Unteroffizieren ernannt, welche Letzteren in ihrer sozialen Stellung dem Offiziersrang nahestanden[2], neben ihrer dienstlichen Verwendung aber auch noch Lehrstunden bei der Akademie zu befuchen hatten [3]. Diesem Institute hat Gersdorff in wissenschaftlicher und in personeller Hinsicht seine besondere Fürsorge und Förderung angedeihen lassen, – auch später noch, als er Kabinetsminister geworden war. – Unter dem vielen Zweckmäßigen, das seiner Anregung verdankt wird, möge hier die Landesvermessung und die Anfertigung einer „Kriegskarte des


  1. Acta der Geh. Cabinetscanzley, Bestellung derer Generallieutenants, Vol. III. – Haupt-St-Archiv Loc. 1028. – Die Angabe der gedruckten Ranglisten, daß G. bereits 1757 zum Generallieutenant aufgerückt sei, welche zu der Annahme verleitet, daß er am siebenjähr. Kriege nach dem Jahre 1756 noch theilgenommen habe, bedarf der obigen Erläuterung.
  2. Sie werden deshalb auch in den Ranglisten aufgeführt.
  3. Haupt-St.-Archiv. Akta der Geh. Kab.-Kanzlei, das Ingenieurkorps betr. Conv. VIII. B. 43. ff. 46. Loc. 1081.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 2 (1897 bis 1900). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1897 bis 1900, Seite 102. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Zweiter_Band.pdf/105&oldid=- (Version vom 10.7.2024)