« Kapitel B 19 Beschreibung des Oberamts Sulz Kapitel B 21 »
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Renfrizhausen
mit einem einzelnen Wohnsitz.

Gemeinde III. Klasse mit 582 Einw. wor. 5 Kath. a. Renfrizhausen, Dorf, 567 Einw. b. Bernstein, Hof. c. Kirchberg, Hof, 15 Einw. – Filial von Mühlheim, mit Ausnahme der Parzelle Bernstein, welche Filial von Bergfelden ist; die Katholiken sind nach Wiesenstetten, OA. Horb, eingepfarrt.

Das Dorf Renfrizhausen liegt 5/4 Stunden östlich von Sulz und 1/4 Stunde südöstlich von dem Mutterort im Mühlbach-Thale, am Fuß des Rindelbergs, einer vielfältig durchschnittenen Keuperterrasse, welche sich im Südosten des Orts ziemlich steil erhebt und durchgängig mit Wald bestockt ist. Auf einem der Ausläufer des Rindelbergs stand 1/4 Stunde südöstlich vom Ort eine Burg, von der noch Graben und Wall sichtbar ist; die Stelle wird der Burgstall genannt.

Der nicht große, ziemlich unregelmäßig angelegte Ort ist mit reinlichen, durchaus gekandelten Straßen versehen und hat neben minder ansehnlichen Gebäuden, manches schöne, zum Theil massiv erbaute Bauernhaus aufzuweisen.

Die Kirche und der an dieselbe grenzende, ummauerte Begräbnißplatz liegen erhöht am nördlichen Ende des Dorfs; sie wurde im Rococogeschmack im Jahr 1725 erbaut, während der viereckige, mit einem Satteldach versehene, in seinem unteren, theilweise mit Buckelsteinen erbaute Thurm sehr alt ist und der romanischen Periode angehört. Der obere, neuere Theil des Thurms wurde nach einer an demselben angebrachten Jahrszahl 1574 erbaut. Von den beiden Glocken ist die größere von Heinrich Kurtz in Stuttgart 1816 gegossen und die kleinere trägt die Umschrift: Anna Maria hais ich, was ich Gutes hab ibergeb ich ... 1482. Das Innere der Kirche hat nichts Bemerkenswerthes.

Das am nordöstlichen Ende des Orts gelegene Schulhaus ist im Jahr 1829 neu erbaut worden; es enthält ein Lehrzimmer und die Wohngelasse für den Schulmeister.

Das Rathhaus, ein altes, mitten im Dorfe gelegenes Gebäude.

Zwei gemeinschaftliche Backhäuser und zwei Gemeinde-Waschhäuser sind vorhanden.

| Durch Vicinalstraßen nach Mühlheim und Bergfelden ist der Ort mit der Umgegend in Verbindung gesetzt.

Mittelgutes, theilweise etwas gypsführendes Trinkwasser liefern hinreichend vier laufende und vier Pumpbrunnen; der Mühlebrunnen führt das beste Wasser, das nicht selten auch von Kranken aus der Umgegend getrunken wird. Der Mühlbach berührt den Ort an der westlichen Seite und nimmt daselbst den mitten durch das Dorf fließenden von Süden herkommenden Furthbach auf. Der Mühlbach, welcher im Ort eine Mühle mit drei Mahlgängen und einem Gerbgang, einer Säge und Hanfreibe in Bewegung setzt, tritt unterhalb des Dorfs öfters aus seinem Bett und überschwemmt nicht selten mit namhaftem Schaden die wiesenreiche Thalebene. Das Fischrecht in demselben ist in Privathänden.

Im Allgemeinen ist die Markung hauptsächlich in ihrem südlichen Theile, ziemlich quellenreich und bei lang anhaltendem Regenwetter tritt auch ein sog. Hungerbrunnen zu Tage.

Die Einwohner sind im Allgemeinen in körperlicher Beziehung nicht besonders ansehnlich, jedoch gesund und werden nur höchst selten von Epidemieen heimgesucht, dagegen zeigen sich unter ihnen leichte Spuren von Kretinismus. Die Lebensweise ist einfach und die Nahrungsmittel bestehen größtentheils in Mehlspeisen, Gemüsen und Milch, selten Fleisch; die Getränke sind Bier und Branntwein.

Trotz des beinahe allgemeinen lobenswerthen Fleißes der Einwohner sind dieselben in minder günstigen Vermögensverhältnissen; der sog. Mittelstand verschwindet immer mehr und bald wird es nur noch Wohlhabende und Arme geben. Der begütertste Bürger besitzt 100 Mrg. Felder und 40–50 Mrg. Waldungen, der mittelbegüterte 42 Mrg. Felder und 5–6 Mrg. Waldungen und die ärmere Klasse 3–5 Morgen. Etwa acht Personen genießen gegenwärtig Unterstützung von Seiten der Gemeinde. Die Hauptnahrungsquellen bestehen in Feldbau und Viehzucht; von den Gewerben sind außer einer Schildwirthschaft, ein Krämer und die nöthigsten Handwerker zu nennen, einige Schmide und Wagner, welche verbesserte Ackergeräthe für die ganze Umgegend fertigen, und die Steinbrecher und Steinhauer, welche in den zwei vorhandenen, Privaten gehörigen Keuperwerksteinbrüchen hinlänglich Arbeit und Verdienst finden. Der hier gewonnene feinkörnige Sandstein wird zu Bausteinen, Grabmonumenten, Brunnentrögen, Krautstanden etc. vortheilhaft verwendet und in der ganzen Umgegend abgesetzt.

Der Boden ist sehr verschieden und kann im Allgemeinen, mit| Ausnahme von 1/5 guter Felder, nur als mittelmäßig bezeichnet werden; er besteht theils aus den Verwitterungen der verschiedenen Keuperschichten, die jedoch meist für die Waldkultur benützt werden, theils aus den Zersetzungen der oberen Glieder der Muschelkalkformation, die zuweilen ein fruchtbarer Diluviallehm überlagert. In den Thalebenen haben sich Alluvionen abgesetzt, die meist aus der Keuperformation stammend, häufig thonig erscheinen. Die Feldgüter der mittelgroßen Markung, von der jedoch ein namhafter Theil mit Wald bestockt ist, liegen meist eben, während die Waldungen die steilen, mit Schluchten vielfältig durchzogenen Abhänge und Höhenzüge einnehmen.

Das Klima ist mild aber feucht und Nebel kommen häufig vor, auch schaden Frühlingsfröste nicht selten der Obstblüthe; Hagelschlag gehört zu den Seltenheiten, wenn er aber je eintritt, so ist er sehr bedeutend. Die Gewitter ziehen entweder gegen das Neckarthal oder gegen die Alp.

Die Landwirthschaft hat sich im Allgemeinen durch Benützung verbesserter Ackergeräthe (Suppinger Pflüge, Hohenheimer Eggen etc.) und bessere Benützung des Düngermaterials, wie durch Vermehrung der Düngungsmittel, als Compost, Gülle, Hallerde etc. gehoben und erlaubt nun auch einen größeren Viehstand.

In der üblichen dreizelglichen Flureintheilung baut man Dinkel, Gerste, Haber und vorherrschend Weizen; in der zu 2/3 angeblümten Brache zieht man dreibl. Klee, Luzerne, Esparsette, Wicken, Kartoffeln, Rüben und von Handelsgewächsen nur für den eigenen Bedarf Reps, Hanf, etwas Flachs und Hopfen. Der durchschnittliche Ertrag eines Morgens beträgt an Dinkel 6–8 Schffl., Gerste 3–4 Schffl., Haber 5–6 Schffl. und an Weizen 4–5 Schffl. Die Ackerpreise bewegen sich von 40–600 fl. per Morgen. Über den eigenen Bedarf werden jährlich etwa die Hälfte des Getreideertrags nach Außen, meist auf der Schranne in Sulz abgesetzt.

Der verhältnißmäßig ausgedehnte Wiesenbau, dem theilweise Wässerung zukommt, liefert durchschnittlich von dem Morgen 25 Ctr. Heu und 15 Ctr. Öhmd. Die Preise eines Morgens Wiese steigern sich von 80–800 fl. Das erzeugte Futter wird im Ort verwendet und überdieß noch ziemlich viel von Außen zugekauft.

Die Obstzucht, welche sich vorzugsweise mit späten Mostsorten und Zwetschgen beschäftigt, hat sich in neuerer Zeit gehoben, liefert jedoch selten einen erheblichen Ertrag. Zwei Gemeindebaumschulen sind vorhanden.

| Auf der Markung befindet sich ein südlich gelegener, 1 Morgen großer Weinberg, dessen bis jetzt erzielter Ertrag jedoch nicht geeignet ist zu einer größeren Ausdehnung des Weinbaus aufzumuntern.

Was die Viehzucht betrifft, so beschränkt sich diese bei den Pferden auf die Nachzucht von einem mittleren, kräftigen Landschlag. Die Stuten kommen auf die Beschälplatte nach Sulz. Der Handel mit Pferden ist nicht von Belang. Die Rindviehzucht hat durch Veredlung des Landschlags mittelst Kreuzung mit Schweizer Vieh einen namhaften Aufschwung genommen. Zur Nachzucht sind zwei Farren aufgestellt, die ein Bürger Namens der Gemeinde hält. Mit Vieh wird auf benachbarten Märkten ein nicht unbedeutender Handel getrieben.

Auf der Brach- und Stoppelweide, wie an den begrasten Bergabhängen lassen Ortsbürger etwa 250 Stück Schafe laufen, was der Gemeindekasse nebst der Pferchnutzung jährlich gegen 900 fl. einträgt. Die Wolle wird meist auf dem Wollmarkt in Sulz abgesetzt.

Eigentliche Schweinezucht besteht nicht, indem die Ferkel von Außen aufgekauft und für den eigenen Bedarf gemästet werden.

Die Bienenzucht wird getrieben, liefert jedoch geringe Ausbeute.

Die Gemeinde besitzt etwa 300 Mrg. Waldungen, deren jährlicher Reinertrag von 400–500 fl. in die Gemeindekasse fließt; außer dem Leseholz kommt dem Ortsbürger keine Nutzung aus den Gemeinde-Waldungen zu.

Südlich vom Ort stand auf dem sog. Burgstall eine Burg, von der noch Graben, Wall und einzelne Grundmauern sichtbar sind. Auf der Flur „Kirche“, wo nach der Sage die ursprüngliche Kirche gestanden seyn soll, stößt man zuweilen noch auf Mauerreste.

Renfrizhausen, alt Ramfrideshousen, um 1180 im Schenkungsbuch des Klosters Reichenbach, welches damals ein hiesiges Gut erhielt. (Wirt. Urk.-Buch 2, 413), Rentfritzhusen (1341), Rendfriedshausen (1444) gehörte zur Herrschaft Rosenfeld, deren Schicksal es theilte. Besitzungen allhier hatten auch die Grafen von Hohenberg (Schmid, Gr. v. H. 371).

Antheile am Zehnten gehörten Kunz von Haigerloch und gelangten von diesem vor 1342 durch Kauf an das Kloster Kirchberg (Schmid, Mon. Hohenb. 367). Er ging ursprünglich von der Grafschaft Hohenberg zu Lehen. Im Jahre 1444 wurde von Herzog Albrecht von Österreich im Namen seines Bruders K. Friedrichs IV. und seines Vetters Herzog Sigmunds hiesiger Zehnte, damals „des Hauses zu Österreich Lehenschaft“ an Konrad von Weitingen| verliehen (Historisch statistische Zeitschrift für Hohenzollern 3, 215).

Zu der Gemeinde gehören:

b. Bernstein, ein ehemaliges Kloster, jetzt Staatsdomäne, liegt freundlich, wohl geschützt, übrigens abgeschieden in einem still romantischen Seitenthälchen des Stunzthales, etwa 3/4 Stunden südöstlich von dem Mutterort. Das stattliche dreistockige Klostergebäude, das im Jahr 1729 vollendet wurde, ist nunmehr vom jeweiligen Pächter der Domäne bewohnt. Die Gänge des massiv erbauten Klosters sind mit Kreuzgewölben versehen und im obern Stockwerk desselben befinden sich ehemalige Klosterzellen. An das Kloster lehnt sich die im Jesuitenstyl erbaute, nunmehr als Holzstall benützte Kirche, deren Decke mit Stuckverzierungen und Malereien geziert ist. Über dem Eingang steht 1732. Im Souterrain derselben befindet sich die Gruft mit mehreren, noch wohlerhaltenen, übermauerten Grabstätten. Außer dem Kloster sind noch ansehnliche Öconomiegebäude, das ehemalige Jägerhaus, eine Ziegelhütte, ein schön angelegter Garten etc. vorhanden. Das Ganze ist theilweise mit einer Mauer umgeben. Der Ort ist mit Trinkwasser hinreichend versehen und an einem der beiden vorhandenen in Gewölben gefaßten Brunnen steht eine Inschrift, welche die Wiedereinfassung desselben im J. 1620 berichtet und den damaligen Altvater Hier. Held und 8 Brüder, auch den Steinmetz Johannes Conrad Alther von Rorschach benennt. Das Wasser dieses sog. Bittbrunnens wird für heilsam gehalten und wurde daher öfters von Kranken besucht.

Allhier bestund bis 1806 ein Haus der Eremitenlaienbrüder vom dritten Orden des heil. Franziskus; es soll dies am Ende das einzige, noch übrig gebliebene Kloster dieser Art gewesen seyn (nach Marian [Fidler] Austria sacra 1, 346). Es waren ursprünglich ein paar Waldbrüder, als Kuntz, Hermann und Heinz von Zimmern den ganzen, ihr Haus umgebenden Wald Bernstein sammt dessen Zugehörde von ungefähr 90 Jaucherten am 12. Juni 1361 an Hermann von Ow und dessen Söhne Hans und Burkhard verkauften. Da das Ganze, wobei sich auch eine Kapelle befand, Lehen vom Abt von Reichenau war, so begab sich letzterer auf Ansuchen genannten Hermanns von Ow aller Ansprüche, welche er daran hatte, woraus der von Ow am folgenden 21. Juli den Brüdern diese Wildniß zum Eigenthum überließ. Die Zahl der Brüder stieg jetzt auf zwölf, und hatte alle Zeit über wenige Schwankungen. Auch ihre Besitzungen erweiterten sie nicht. Sie nährten sich durch Handarbeit.| Im Jahr 1370 weihte ihnen Heinrich, Bischof zu Constanz, ihre erste und eigenthümliche Kirche. Im Jahre 1445 aber, als die Brüder zum öftern vielen feindlichen Anfällen ausgesetzt waren, nahm sie Albrecht, Erzherzog von Österreich, auf ihr Ansuchen in seinen Schutz auf und begabte sie mit verschiedenen Freiheiten, welche 1516 von K. Maximilian I., 1525 von Erzherzog Ferdinand, 1624 von Erzherzog Leopold, 1671 von K. Leopold, 1713 von K. Karl VI. bestätigt wurden (Gärth). Im Jahre 1503 nahmen sie die von P. Leo X. gutgeheißene Regel des dritten Ordens des heil. Franciscus an, kraft der sie an allen, dem ganzen Orden je verliehenen Gnaden und Privilegien Theil nahmen. Anfangs zwar gehörten sie zur straßburgischen Franciscanerprovinz, aber im Jahre 1580 sind sie der neu errichteten tyrolischen einverleibt worden, wie sie denn stets einen Priester dieses Ordens zu ihren geistlichen Diensten bei sich hatten. Sie stunden zwar unter dem Provincial von Tyrol, doch nur allein in geistlichen Sachen; in Betreff des Zeitlichen waren sie von dorther ganz unabhängig und standen unter dem Altvater (nach Fidler a. a. O. 347–48).

B. gehörte zur Herrschaft Hohenberg, mit der es 1381 an Östreich, 1805 an Württemberg kam.

c. Kirchberg, eine Staatsdomäne mit einem Areal von 5601/8 Morgen 35 Ruthen, welche ein zusammenhängendes, beinahe rings mit Waldungen umschlossenes Gut bilden, mit Ausnahme von 80 Morgen im Thal bei Heiligen-Zimmern gelegener Wiesen, zu denen auch ein daselbst stehendes Schafhaus gehört. Das ehemalige Kloster Kirchberg liegt an der Landesgrenze, 2 Stunden östlich von der Oberamtsstadt auf einem zwischen zwei tief eingeschnittenen Thälchen steil abfallenden, schmalen Bergvorsprung, von dem man eine ausgedehnte, reizende Aussicht an die Alp genießt. Noch ausgebreiteter als vom Ort selbst ist die Aussicht auf dem nahe (westlich) gelegenen sog. Wandbühl, wo die Alp vom Plettenberg bis zum Hohenstaufen sichtbar wird und sich überdieß dem Auge ein herrliches Panorama erschließt.

Die großartige Gebäudegruppe des ehemaligen Klosters mit Kirche, Garten und Nebengebäuden ist mit einer Mauer umfriedigt und schließt einen sehr geräumigen Hofraum ein, zu dem an der Westseite ein im Rococogeschmack schön ausgeführtes mit einem Wappen und drei aus Stein gefertigten Heiligenbildern geziertes Portal führt. Das ehemalige, aus drei Stockwerken bestehende Kloster steht im Osten des Gebäudecomplexes und bildet mit der Kirche ein regelmäßiges| Viereck, das den ehemaligen Klostergarten einschloß; im Rücken desselben liegt der Begräbnißplatz und ein zum Kloster gehöriger Baumgarten. Von dem Klostergebäude ist der vordere, gegen den Hofraum gekehrte Flügel in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts im einfachen Rococogeschmack erbaut worden. Über dem Eingang befindet sich das Klosterwappen mit der Unterschrift: sIt LaVs soLI Deo eX hoC et VsQVe In aeternVM. 1733. Der südliche und östliche Flügel des Klostergebäudes ist aus früher Zeit und der an demselben befindliche Kreuzgang enthält ausgezeichnet schöne Fenster aus der Blüthezeit des germanischen Styls. Im südlichen Kreuzgang befindet sich überdieß oberhalb der Innenseite eines Eingangs eine sehr alte, noch aus der romanischen Periode stammende Lünette, ein Agnus Dei innerhalb eines Eichenlaubkranzes und unter demselben drei roh gearbeitete Thierfiguren enthaltend. Den nördlichen Flügel bildet die im Rococostyl erbaute Klosterkirche, welche aus der gleichen Periode wie der Vorderflügel des Klosters stammt. Das Innere der Kirche bewahrt einen seltenen Reichthum von prachtvollem, im Zopfstyl ausgeführtem Schnitzwerk an Kanzel, Altären, Orgel, Kirchen- und Chorstühlen; an einem der letzteren ist die Jahrszahl 1743 angebracht. Besonders interessant ist der sog. Convent mit seinen ausgezeichnet schönen Chorstühlen. Die reich mit Schnitzwerk gezierte Kanzel enthält an der Brüstung gut aus Holz geschnitten den S. Vincentius, S. Dominicus, S. Thomas und S. Petrus Mart. Die in den drei Altären angebrachten, ziemlich gut gemalten Ölbilder stellen die Himmelfahrt der Maria (Hauptaltar), den heiligen Dominicus und den h. Joseph mit dem Christuskinde (Seitenaltäre) dar. In dem Chor liegen zwei sehr interessante, etwa aus dem 13. Jahrhundert stammende Grabplatten. Eine mit den gräflich hohenbergischen und fürstenbergischen Wappenschilden ließ der berühmte Graf Albrecht von Hohenberg, † 1298, Schwager K. Rudolfs, seiner zweiten Gemahlin, geb. Gräfin von Fürstenberg, fertigen, wie er dann selbst neben dieser Gattin und seinem Vater allhier beerdigt wurde (Schmid, Gr. v. Hohenb. 107). Die andere enthält das Wappen der Herrn v. Eberstein und der Pfalzgrafen von Tübingen mit der blos theilweise erhaltenen Umschrift: ... fuit natione de Eberstein ... de Tubingen. – Comes palatinus et mat. sua Beatrix (vollständig bei Stälin, Wirt. Gesch. 2, 426).

Das Klostergebäude ist außer einer für den Forstwart eingerichteten Wohnung nicht bewohnt und enthält die leeren Zellen; die Räume im oberen Stockwerk werden als Fruchtspeicher benützt.

| In der Mitte des Hofraums steht frei das sog. Herrenhaus, in welchem die Geistlichen und Verwalter wohnten, gegenwärtig die Wohnung des Vorstehers der im Jahr 1850 hier gegründeten Ackerbauschule, der zugleich Pächter der Staatsdomäne Kirchberg ist. Am Eingang in den Hof steht links die Ackerbauschule von einem Lehrer und zwölf Zöglingen bewohnt. Überdieß sind noch 6 Öconomie- und Stallgebäude, die Wohnung des Aufsehers und ein Gasthaus mit Brauerei und Brennerei vorhanden. Außerhalb des Gebäudecomplexes stand die St. Wendelins-Kapelle, von der in jüngster Zeit noch Grundmauern ausgegraben wurden.

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Das Gut hat im Allgemeinen eine wenig ebene, theilweise stark abhängige Lage und einen sehr verschiedenen Boden, welcher theils aus den Verwitterungen der thonigen und sandigen Schichten des Keupers (Mergel und Stubensandstein), theils aus den unteren Schichten des Lias (Liassandstein und Liasmergel) etc. besteht. Wegen der Verschiedenheit der Lage und des Bodens, verbunden mit dem rationellen Betrieb des Guts, eignet sich Kirchberg vortrefflich für eine Ackerbauschule, die sich seit ihrer Gründung eines sehr guten Fortgangs erfreut. Bei dem Betrieb des Guts ist neben der Dreifelderwirthschaft eine siebenschlägige Frucht- und eine siebenschlägige Weid-Wechselwirthschaft eingeführt; der Dreifelderwirthschaft sind die schweren Thonmergelböden, aus der Verwitterung des (oberen) Keupermergels und des (unteren) Liasmergels, im Ganzen 226 Morgen, zugetheilt. Diese Böden sind sehr schwierig zu bearbeiten, leiden durchgängig an Nässe und gestatten den Anbau von Reps, Hackfrüchten etc. gar nicht, oder nur mit einem unverhältnißmäßigen Aufwand an Düngung und Culturkosten. Die Aussaat von rothem Klee ist auf diesen Böden unsicher, deßhalb wurde die Aussaat von Klee im Gemenge mit englischem und italienischem Raygras gewählt, welche ganz sichere Erträge liefert und die Möglichkeit einer mehrjährigen Benützung gewährt, wodurch das Verhältniß zwischen Stroh- und Futtererzeugniß günstiger wird, als bei der landüblichen Dreifelderwirthschaft, und somit für die Viehhaltung und Düngerproduktion besser gesorgt ist. Die Aussaat von Kleegras erstreckt sich auf 1/3 der betreffenden Zellg und geschieht im Frühjahr unter dem Dinkel, nicht wie sonst gebräuchlich, unter der Sommerfrucht, so daß das erste Nutzungsjahr in das Sommerfeld, das zweite Nutzungsjahr in das Brachfeld fällt. Die übrigen 2/3 der Brachfelder werden entweder als reine Brache behandelt, oder, wenn Boden und Witterung solches zulassen, zur Hälfte mit Ackerbohnen angebaut, zur| Hälfte in reiner Brache bearbeitet. Die Fruchtfolge ist demgemäß folgende:

1) Brache.
2) Dinkel mit untergesäetem Kleegras.
3) Kleegras.
4) Kleegras zum Abmähen oder Abweiden.
5) Dinkel.
6) Haber.
7) Ackerbohnen (oder Brache).
8) Dinkel.
9) Haber.

oder

A. Brachfeld 1/3 Brache, 1/3 Kleegras im zweiten Jahr zum Abmähen oder Abweiden.
B. Winterfeld. Dinkel.
C. Sommerfeld 1/3 Kleegras im ersten Jahr, 1/3 Ackerbohnen, 1/3 Haber.

Die aus der Verwitterung des Stubensandsteins hervorgegangenen Böden haben viel grobkörnigen Sand, und bei geringer Tiefe der Ackerkrume viel Steine, und eignen sich vorzugsweise zum Anbau von Roggen, Haber, Kartoffeln, Gras u. dgl. – Es wurde auf diesem Theil des Gutes eine Weid-Wechselwirthschaft eingeführt, welche sieben Schläge à 10 Morgen, im Ganzen also 70 Morgen in folgender Fruchtfolge umfaßt:

1) Winterroggen.
2) Kartoffeln, Rüben, Kraut.
3) Haber (theilweise Gerste).
4) Kleegras.
5) Kleegras-Weide.
6) Kleegras-Weide.
7) Weide bis Johannis, dann Brache zu Roggen.

Die Weideschläge werden theils mit Schafen, theils mit jungem Rindvieh, welches den Sommer hindurch auf der Weide ernährt wird, befahren.

Auf den bessern Feldern des Guts, welche ziemlich fruchtbaren Lehmboden haben, wird eine siebenschlägige Frucht-Wechselwirthschaft mit Repsbau betrieben, welche 7 Schläge von circa 16 Morgen, im Ganzen 115 Morgen in sich begreift. Die Fruchtfolge ist hier:

1) Brache.

2) Reps.
| 3) Dinkel.

4) 1/2 Runkeln zum Viehfutter. 1/2 Erbsen und Bohnen zum Reifwerden.
5) Gerste.
6) Klee.
7) Weizen.

Die Erträge des Ackerfeldes betragen in 10jährigem Durchschnitt per Morgen:

Kohlreps 3 Schffl. 2 Sri.
Winterweizen 3 2
Dinkel 7 3
Roggen 2 6
Gerste 3 6
Haber 4 4
Erbsen 3 3
Ackerbohnen 3
Runkeln 140 Centner.
Kartoffeln 150 Simri.
Klee, Kleegras, Luzerne 35 Ctr. Dörrfutter.
An Wiesen hat Kirchberg nahezu 200 Morgen, welche, da Boden und Klima dem Graswuchse zusagen, viel und gutes Futter liefern, und zwar durchschnittlich 30 Ctr. Heu und Öhmd, ohne die Frühjahrs- und Herbstweide, welche mit den Schafen, theilweise im Herbst mit dem Rindvieh, benützt wird. – Etwa 60 Morgen Wiesen sind mit Obstbäumen besetzt und liefern gutes Wirthschaftsobst; leider wird im Frühjahr durch Nachtfröste der zu hoffende Ertrag hin und wieder vernichtet. – Sicherer ist der Ertrag an Zwetschgen, welche hier gut gedeihen. – Außerdem sind auf einem Theil der natürlichen Weiden ganz neue Obstpflanzungen angelegt worden. Bei der bedeutenden Wiesenfläche, und da überdieß auf dem Ackerfelde noch viel Futter producirt wird, spielt die Viehzucht eine ziemlich namhafte Rolle. Es wird hier neben dem nöthigen Zugvieh von 8–10 Pferden und 10–12 Zugochsen ein Rindviehstand von ungefähr 50 Stück und eine Schafheerde von etwa 300 St. gehalten. Der Rindviehstand gehört dem Neckarschlage an, und ist durch Simmenthaler Blut ziemlich hoch veredelt, derselbe zeichnet sich durch Milchergiebigkeit aus, und beträgt der durchschnittliche Milchertrag per Kopf und Jahr 1700 Maas. Die Milch wird, soweit solche nicht für den Hausgebrauch und die ziemlich ausgedehnte Nachzucht verwendet wird, in frischem Zustande, in das eine Stunde| entfernte preußische Städtchen Haigerloch zu 6 kr. per Maas abgesetzt. Die Schäferei besteht aus Mutterschafen mit entsprechendem Nachwuchse und gehört dem Bastardschlage an, liefert 3–4 Pfund Wolle per Kopf für welche durchschnittlich 100–120 fl. per Ctr. erlöst wird. In kleinerem Maßstabe wird auch Pferdezucht und Schweinezucht betrieben. Den 9. April 1851 wurde dahier die Ackerbauschule eröffnet, welche von 12 Zöglingen, vorzugsweise aus dem Schwarzwaldkreise besucht ist, und die Aufgabe hat, junge Männer, vornehmlich aus dem Bauernstande, durch passenden landwirthschaftlichen Unterricht und durch Einübung in der mit der Schule verbundenen Wirthschaft theils zu einer bessern Bewirthschaftung des eigenen Grundbesitzes zu befähigen, theils zu tüchtigen Pächtern und Gutsaufsehern heranzuziehen. Die Zöglinge zahlen kein Lehrgeld, erhalten den nöthigen Unterricht, Kost und Getränke, Bett, Heizung, Beleuchtung und Unterrichtsmittel unentgeldlich, müssen sich dagegen bei ihrem Eintritte zu einer 3jährigen Lehrzeit verpflichten und sich allen in der Wirthschaft vorkommenden Arbeiten unterziehen. Sie erhalten im Winter in täglichen 3–4 Stunden und Sommers in 2–3 Stunden den ihrer Bildungsstufe angemessenen landwirthschaftlichen Unterricht durch den Vorsteher der Schule, und durch einen vom Staate angestellten Lehrer aus dem Stande der Volksschullehrer, welchem überdieß die unmittelbare Aufsicht über die Zöglinge in ihren Freistunden obliegt. Außerdem wird im Winterhalbjahre durch einen Thierarzt ein populärer Unterricht in der Thierheilkunde und durch einen Forstwart ein solcher im Waldbau ertheilt. Dadurch, daß die Zöglinge während ihrer Lehrzeit zu sämmtlichen in einem geordneten landwirthschaftlichen Betriebe vorkommenden Arbeiten der Reihe nach verwendet werden, haben dieselben Gelegenheit, solche gründlich zu erlernen. Die Schule, welche anfangs mit dem gewöhnlichen Vorurtheile gegen Alles Neuere zu kämpfen hatte, erfreut sich jetzt eines guten Fortgangs.

Kirchberg (alt Kilchberg) war in frühen Zeiten eine gräflich hohenbergische Burg. Es nannten sich hievon Dienstmänner dieser Grafen, wie Arnold, welcher 1095 auf dem Schlosse Haigerloch als Zeuge einer Stiftung an Kl. St. Georgen auftritt (Mone, Zeitschr. 9, 219). Graf Albrecht von Hohenberg verkaufte die Hälfte der Burg an seinen Schwager K. Rudolf (castrum Kirchperg laut Urkunde des letzteren vom 22. Sept. 1285. Schmid, Mon. Hohenb. 76). Damals war aber bereits daneben eine Klosterstiftung, in welcher die nach 1285 aus der Geschichte verschwindende Burg, wie dieß öfters vorkam, ganz aufging.

| Schon im Anfang der 1230ger Jahre gründeten einige fromme Personen, wahrscheinlich aus dem auch späterhin gegen das Kloster wohlthätigen Hause Hohenberg[1] in „Kilchberg,“ damals im Besitz des Grafen Burkhard von Hohenberg, ein Frauenkloster Augustiner-Ordens, wozu genannter Graf 1237 für 50 Mark den Ort abtrat (Schmid, Mon. Hohenb. 13).

Die erste Priorin hieß Williburg; sie gilt für eine Gräfin von Hohenberg und ist wohl mit der, in der Anmerkung genannten, eine und dieselbe Person. Sie soll selbst nach Lyon zu P. Innocenz IV. gewallfahrtet seyn; jedenfalls nahm dieser Papst im J. 1245 das neue Kloster in seinen und des päpstlichen Stuhles Schutz; er unterstellte dasselbe dem besonderen Zweige des Augustiner-Ordens, dem Dominicaner-Orden, bestätigte ihm alle seine Besitzungen, gegenwärtige wie künftige, befreite es vom Novalzehnten und gestattete ihm freie Aufnahme von Nonnen, Haltung des Gottesdienstes zur Zeit eines Interdicts, das Recht der Grablege, freie Wahl der Priorin etc. Auch die Grafen von Hohenberg als Schutzvögte nahmen sich des Klosters rührig an. – Im Jahre 1265 kommt vor eine Priorin Gisela (St. A.).

Gegen Ende des 13. Jahrhunderts zählte das Kloster 80 Nonnen und Laienschwestern; neben einem Priester hatte es auch Laienbrüder, „Schaffner und Schaffnerinnen“. Im Laufe der Zeit gelangte dasselbe zu stattlichem Wohlstande. In seiner nächsten Nähe hatte es aber noch 1265 dem Kl. Alpirsbach Feldstücke und einen Wald abzukaufen. Begütert wurde es nach und nach – außer in der allernächsten Umgebung und bei Renfrizhausen – in Zimmern, Weildorf, Imnau, Bietenhausen, Rangendingen, Steinhofen, Gruol, (diese 7 Orte sämmtlich in Neupreußen), Dornhan, Binsdorf, Schömberg, Balingen, Zepfenhan, Anhausen (bei Bubsheim), Mühringen, Schwalldorf, Niedernau, Rottenburg, Wurmlingen, Seebronn, Ergenzingen, Baisingen, Rohrdorf, Eutingen, Horb, Schietingen, Nagold (Belege meist bei Schmid, Mon. Hohenb.).

Schutzheiliger des Klosters war der h. Johannes der Täufer.

Manche Töchter angesehenen Geschlechts ließen sich hier als Nonnen einkleiden. In den geweihten Räumen fanden mehrere Glieder der Grafenhäuser Hohenberg und Tübingen ihre Grabstätte (siehe| oben und Schmid, Grafen von Hohenberg 445). Die Ritter von Weitingen erbauten sich hier eine eigene Grabkapelle.

Mit der Herrschaft Hohenberg ging 1381 die Schutzvogtei an Österreich über.

Im Zeitalter der Reformation, als das Bruderhaus ob Dettingen bei Rottenburg, weil die dortigen Brüder ausgesprungen, gänzlich einging, wurden dessen Einkünfte an das Kl. Kirchberg übergeben. Im Jahre 1564 nahm das Kloster die aus Pforzheim vertriebenen Nonnen auf.

Zur Anerkenntniß der Schirmherrlichkeit des Erzhauses Östreich wurde jährlich dem jeweiligen Landvogt und sämmtlichen Oberamtsräthen zu Rothenburg je ein Schwein um Weihnachten verehrt; auch wurde an das kk. Schultheißenamt zu Schömberg jährlich 1 fl. 30 kr. abgegeben, welche zur Kammer verrechnet wurden[2].

In seinen letzten Zeiten zählte das Kloster 31 Nonnen; 1805 kam es an Württemberg und wurde 1806 aufgehoben.


  1. Nach der Aufzeichnung in dem Schwesterbuch der Nonnen: Elisabeth Gräfin von Büren, Williburg und Kunigund, beide leibliche Schwestern und Gräfinnen von Hohenberg. (Schmid, Grafen von Hohenberg 21.)
  2. Vergl. über dieses Kloster überhaupt Petrus Suevia sacra 459–61. Fidler a. a. O. 1, 317–320.
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