« Kapitel B 18 Beschreibung des Oberamts Sulz Kapitel B 20 »
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Mühlheim am Bach,
mit untere Mühle und Weiherhof.

Gemeinde III. Klasse mit 572 Einw. wor. 3 Kath. – Ev. Pfarrei; die Kath. sind nach Bochingen, OA. Oberndorf, eingepfarrt.

Das Pfarrdorf Mühlheim, durch den Beisatz „am Bach“ von den vielen Orten gleichen Namens unterschieden, liegt 5/4 Stunden nordöstlich von der Oberamtsstadt am Mühlbach, welcher 1/4 Stunde unterhalb des Dorfs in den Neckar mündet.

Der ansehnliche, freundliche Ort ist theils in das anmuthige, ziemlich tief eingeschnittene Mühlbach-Thal, theils an die steilen Thalabhänge hingebaut und gegen rauhe Winde geschützt. Auf den nahen Anhöhen, besonders auf dem Empfinger Berg, genießt man eine ausgebreitete Aussicht über den Schwarzwald. Im Ort führt eine im Jahr 1805 erbaute steinerne Brücke über den Mühlbach.

Die beinahe in der Mitte des Orts gelegene Pfarrkirche, welche die Gemeinde zu unterhalten hat, ist in einem einfachen, modernen Styl erbaut und enthält nichts Bemerkenswerthes. Der Chor schließt mit einem halben Achteck und der viereckige, im Jahr 1715 erneuerte Thurm trägt ein einfaches Satteldach; auf demselben hängen zwei Glocken, von denen die größere folgende Umschrift trägt: in S. Lux, Marx, Mathäus, Johannes Er gos mich Pantleon Sydler von Eßlingen in Fünfzehen (XV) hundertesten Jar. Auf der kleineren stehen die vier Evangelistennamen und O rex glorie Christe veni cum pace.

Der früher um die Kirche gelegene Begräbnißplatz wurde im Jahr 1839 aufgegeben und ein neuer zwischen dem Ort und Renfrizhausen angelegt.

Das Pfarrhaus ist im Jahr 1843 am östlichen Ende des Dorfs neu erbaut worden, dagegen ließ man das frühere Pfarrhaus abbrechen, wodurch die Kirche an Licht und Wärme gewonnen hat. Die Unterhaltung desselben liegt dem Staat ob.

Das anfangs dieses Jahrhunderts erbaute, im Jahr 1828 von der Gemeinde angekaufte Schulhaus enthält in seinem unteren Stockwerke ein großes Lehrzimmer und im oberen die Gelasse für den Gemeinderath; der an der Schule angestellte Schulmeister wohnt in seinem eigenen Haus und bezieht von der Gemeinde eine Miethentschädigung.

Ein Gemeinde-Waschhaus und zwei öffentliche Backhäuser, die jedoch Eigenthum von Ortsbürgern sind, bestehen.

Der Ort bezieht sein Trinkwasser aus 3 laufenden und etwa 40 Pumpbrunnen; im Ort treibt der Mühlbach eine Mühle mit| zwei Mahlgängen und einem Gerbgang, nebst einer Öl- und Reibmühle, wie auch die 1/4 Stunde unterhalb des Orts gelegene untere Mühle mit zwei Mahlgängen und einem Gerbgang. Der von Osten her aus dem Weiherthälchen kommende Weiherbach wird oberhalb des Orts mittelst einer Rinne über den Mühlbach in den Mühlkanal geleitet und ein weiteres Bächchen kommt gleichfalls von Osten her aus dem Seethal und mündet bei Mühlheim in den Mühlbach.

Der Mühlbach lauft bei schnellem Schneeabgang und Wolkenbrüchen öfters so sehr an, daß er dem Ort gefährlich wird; die Fischerei in demselben, welche sich auf Schuppfische und Grundeln beschränkt, gehört dem Staat. Durch den Ort führt die 1787 angelegte Staatsstraße von Sulz nach Horb und überdieß besteht eine Vicinalstraße nach Renfrizhausen.

Die im Allgemeinen fleißigen, ziemlich bemittelten Einwohner finden ihre Haupterwerbsquellen in Feldbau und Viehzucht, während die Gewerbe meist nur den örtlichen Bedürfnissen dienen. Außer den schon angeführten Mühlen sind noch drei Schildwirthschaften und zwei Krämer vorhanden.

Der vermöglichste Bürger besitzt 40 Mrg. Felder, und 10 Mrg. Waldungen, der sog. Mittelmann 15–20 Mrg. Felder nebst 2–3 Morgen Waldungen und die minder bemittelte Klasse 2–5 Morgen.

Gemeindeunterstützung erhält gegenwärtig Niemand.

Die ziemlich große Markung, welche mit Ausnahme der Gehänge gegen das Neckarthal, gegen das Mühlbachthal und dessen Seitenthälchen meist eben ist, hat im Allgemeinen einen sehr fruchtbaren, leicht zu bebauenden Lehm- und Malmboden, der besonders in mäßig nassen Jahrgängen alle Arten von Halm- und Hülsenfrüchten hervorbringt. Das Klima ist gesund und feinere Gewächse wie Bohnen, Gurken etc. gedeihen noch. Hagelschlag kommt sehr selten vor.

Die Landwirthschaft wird mit Anwendung verbesserter Ackergeräthe in dreizelglicher Eintheilung sehr gut betrieben; man baut die gewöhnlichen Getreidearten und in der zu 2/3 angeblümten Brache Futterkräuter, Reps, Hanf, Flachs und Kartoffeln; letztere zieht man vorzugsweise im Haberfeld und auf den Allmanden. Bei einer Aussaat von 8 Simri Dinkel, 4 Sri. Weizen, 5–6 Sri. Haber und 4 Sri. Gerste erntet man durchschnittlich 8–10 Scheffel Dinkel, 4–5 Schffl. Weizen, 6 Schffl. Haber und 4 Scheffel Gerste per Morgen. Die Ackerpreise bewegen sich von 100–600 fl. und die| Preise der Wiesen von 200–700 fl. Von den Getreideerzeugnissen können etwa die Hälfte verkauft werden.

Der sehr ausgedehnte Wiesenbau liefert reichliches und gutes Futter und zwar 25–30 Ctr. Heu und 12–15 Ctr. Öhmd per Morgen.

Die im Zunehmen begriffene Obstzucht beschäftigt sich vorzugsweise mit späten Mostsorten und Zwetschgen; die Jungstämme werden aus den zwei vorhandenen Gemeindebaumschulen bezogen. Das Obst reicht bis jetzt nicht ganz für das eigene Bedürfniß.

Einige Pferdezucht wird betrieben und die Stuten kommen zur Bedeckung auf die Beschälplatte nach Sulz. Der ausgedehnte Rindviehstand besteht vorzugsweise aus einer tüchtigen Landrace, welche theilweise durch Schweizerfarren veredelt wird. Für die Nachzucht sind 2–3 Farren aufgestellt, die ein Bürger unter Aufsicht der Gemeinde anschafft und unterhält. Der Handel mit Vieh ist beträchtlich.

Was die Schweinezucht betrifft, so werden die meisten Ferkel von Außen bezogen und theils für den eigenen Bedarf, theils zum Verkauf gemästet.

Auf der Brach- und Stoppelweide lassen die Ortsbürger 200 bis 300 Stück deutsche und Bastardschafe laufen. Das Weidegeld und der Pferch trägt der Gemeinde etwa 600 fl. ein.

Die Bienenzucht ist nicht beträchtlich und Geflügel wird nur für den eigenen Bedarf gezogen.

Die Gemeinde besitzt etwa 80 Mrg. Waldungen, die ungefähr 150 fl. Reinertrag in die Gemeindekasse liefern. Überdieß bezieht die Gemeinde von dem Staat jährlich 13 Klafter Gerechtigkeitsholz.

Jeder Bürger darf gegen einen geringen Geldabtrag etwa 3/4 Mrg. Allmanden benützen.

In der Nähe des Orts kommt die Benennung „Burgstall“ vor und die von Rottweil herkommende Römerstraße „Hohgaß, Heerstraße“ führt durch den Ort.

Als besondere Merkwürdigkeit ist noch die früher bestandene, sog. Weiberzeche zu erwähnen; sie mußte jährlich an Fastnacht den Weibern von Mühlheim im Kloster Kirchberg gegeben werden, bis das Kloster solche im Jahr 1739 mit 400 fl. ablöste. Hierauf wurden die Zinse aus diesem Kapital zu einer Mahlzeit in einem Wirthshause in M. verwendet. Alle Weiber und Wittwen des Dorfs fanden sich dabei ein, weil jede 16 kr. zu verzehren hatte, wofür Sauerkraut mit Schweinefleisch, Brod und Wein gereicht wurde; jede| mußte ihr eigenes Eß- und Trinkgeschirr mitbringen und in das Pfarrhaus sind auch drei Portionen geschickt worden. Im J. 1812 hörte die Weiberzeche auf, indem das Kapital zum Schulhausbau verwendet wurde.

Zu der Gemeinde gehört, außer der schon angeführten unteren Mühle

Der Weiherhof, 3/4 Stunden südöstlich von dem Mutterort am Anfang des Weiherthälchens gelegen; der Hof vom Kl. Kirchberg, um 1470 angelegt und ehemals zu diesem gehörig, ist nun eine Staats-Domäne, welche verpachtet wird.

Unterhalb des Hofs lagen früher zwei Weiher, welche schon 1452 vorhanden waren und von denen der Hof den Namen erhielt. Von einem Wolkenbruch angeschwellt durchbrachen im Jahre 1738 die Weiher den Damm und überschwemmten das ganze Weiherthälchen; sie wurden hierauf nicht wieder hergestellt, sondern in Wiesengründe verwandelt, welche theilweise zur Hohenzollern-Sigmaring’schen Herrschaft Wehrstein gehören.

Der Weiherhof ist im Jahr 1843 von dem Gemeindeverband Renfrizhausen getrennt und der Gemeinde Mühlheim zugetheilt worden.

Mühlheim tritt erstmals in die Geschichte ein im J. 772, als das Kloster Lorsch an der Bergstraße hiesige Besitzungen erhielt[1]. Der Ort gehörte den Grafen von Sulz und kam von ihnen 1390 mit Holzhausen an die Herren von Geroldseck, theilte auch die Schicksale des letztgenannten Ortes (s. H.) Auch die Grafen von Hohenberg hatten allhier Rechte (Schmid, Gr. v. H. 447).

Ursprünglich war Mühlheim Filial von Empfingen, hatte aber eine eigene Kapelle. Eine Pfarrei wurde erst nach der Reformation errichtet. In Folge der Verödung durch den 30jährigen Krieg war das Dorf zeitweilig Filial, 1636–40 von Bergfelden, 1640–53 des Diaconats in Sulz oder eigentlich Subfilial von Holzhausen.

Widum und Zehnten in Mühlheim und Renfrizhausen verpfändeten im Anfang des 15. Jahrhunderts die von Geroldseck an Berchthold Schilling, genannt Gerstlin. Da dieser 1433 tief verschuldet starb, so wurde es Pfand seiner Gläubigerin, einer Klosterfrau in Oberndorf, und diese trat solchen Besitz 1438 mittelbar an Wolf von Bubenhofen ab (Steinhofer 2, 804).

Das Kl. Alpirsbach machte 1331 Eigenthumsrechte an den hiesigen Selhof geltend (Schmid, Mon Hohenb. 283).

| An Reibungen mit dem benachbarten Kloster Kirchberg fehlte es nicht; Streitigkeiten wegen des Waidgangs wurden 1474, 1667, wegen des Zufahrtsrechtes, welches das Kloster auf dem Weiherhof hatte, 1547 beigelegt (Köhler 384. 388).
  1. Muleheim. Cod. Laur. 3, S. 70. 71; wegen der Deutung gerade auf dieses M. siehe eb. 69: in Amphinger marca in Muliheim.
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