| I.
Beschreibung der Röhne und der darauf liegenden Ortschaften Frankenheim und Birx.
Illic et nebulas, illic consistere nubes
Iussit et humanas motura tonitrua mentes
Et cum fulminibus facientes frigora ventos
Ovid. Metam. lib. I.
Eine Gebirgkette, wie die Röhne, von einer so beträchtlichen Länge, Breite und Höhe, verdient gewiß eine umständlichere Beschreibung, als man bisher von ihr hatte. Wenn sich auch jemand die Mühe gab, sie zu bezeichnen, so hielt er sich doch mehr dabey auf, ihre eigentlichen Gränzen zu bestimmen, als ihre wahre Beschaffenheit dem Wißbegierigen anzuzeigen. Ich wage es demnach, diese Gebirgskette so genau zu beschreiben,
| als mir möglich war, sie kennen zu lernen, nachdem ich sie selbst bereist, und meine Bemerkungen über sie angestellt habe.
Den Ursprung des Namens Röhne kann ich nicht bestimmen. Einige glauben, er komme von dem Worte Rauh – Roh; – allein ich kann eben so wahrscheinlich muthmaßen, daß Röhne von dem Worte Räin durch Auslassung des Selbstlauter i herkomme, so wie in dieser Gegend überhaupt wenige Doppellauter ausgesprochen werden. Vermuthlich sahen die Bewohner des um diese Gebirgkette liegenden Thals ihre obgleich bergichte Gegend dennoch in Rücksicht dieser hohen Berge für eine Ebene an, und nannten also nur diesen gleichsam in einem fortlaufenden hohen Berg eine Anhöhe oder Räin, woher endlich durch eine Ausartung das Wort Rön, oder Röhn entstanden seyn mag.
Die Röhne läuft von dem sogenannten Kreuzberge in zwey Armen einer Seits bey Gersfeld hinauf in das Fuldische, anderer Seits verliert sie sich bey Zell in das Eisenachische. Ihre Länge beträgt beyläufig 6 Teutsche Meilen, ihre Breite an manchen Orten eine ganze oder halbe Meile, und ihre Höhe 5, oder 10000 Schuhe. – Rings um diese beträchtliche Gebirgskette entdecket
| man noch heute Spuren ausgeloschener Vulcanen, welche die Aufmerksamkeit des Naturforschers mit Recht auf sich ziehen. Vor einigen Jahren sahe ich solche, nun freylich verfallene Schlünde ohnweit Gersfeld, und nun beobachtete ich dergleichen auch auf der andern Seite bey Sundheim, und diesseits der Röhne unweit dem Städtchen Tann. Die kegelförmige Gestalt dieser beynahe isolirt stehenden Berge, die meistens von kleinen Hügeln umgeben sind, muntert schon zur Betrachtung auf, und die gegen diese Berge an manchen Orten aufrecht stehenden großen schwarzen und eisenvesten Steine, die Menge der vielen kleinern Basalten, die graue lavaartige Erde, die sich vorfindenden Steinkohlen, die noch merklichen Schlünde auf diesen Bergen, u. s. f. verscheuchen die Bedenklichkeit, in dieser Gegend Vulcanen anzunehmen. Vor mehrern tausend Jahren öffneten sie vielleicht zum letztenmahle ihre Schlund; allein durch Länge der Zeit überzog endlich das Moos die kahlen Gebirge, ward durch Fäulniß zur Erde, und legte so nach und nach einen Grund, daß Reiser und Büsche keimen konnten, keimten und fielen, und durch ihren Fall die Erde vermehrten. Freylich ging diese heut zu Tage
| sichtbare Veränderung nicht so geschwind und merklich vor sich, und auf einmahl füllte sich wohl nicht der Schlund, indem man noch jetzt hier und da die Vertiefungen bemerket, woraus sich der Strom ergoß.
Die ganze Röhne streckte wahrscheinlich ehedem ein kahles steinichtes Haupt empor, welches sich aber, da es fast immerhin mit Wolken bedeckt ist, wegen der vielen Feuchtigkeit um so eher mit Moose überzog, und durch eine Metamorphose desselben Erde zum Keimen, und endlich eine artige Haube von grünem Wasen erhielt. Noch liegt die Erde nicht hoch; sie hat eine schwarzbraune Farbe, und gar selten Steinchen in sich. – Auf der Röhne selbst findet man keine Spuren von Vulcanen, sondern dieselben bieten sich, wie gesagt, nur auf der Seite dem Auge dar, ein sicheres Zeichen, daß diese ganze Gebirgkette aus den vestesten Steinen bestehe, welche den Ausbruch des feurigen Stoßes verhinderten, und ihn nach einem Ort verwiesen, wo er leichter hervorbrechen könnte. Es mag seyn, daß im Eingeweide derselben Erzstoff enthalten ist. Dem Anschein nach besteht diese ganze Kette aus einer Eisenmine.
| Das Wasser ist nicht im Stande in diese Gebirge zu dringen, und sieht sich gezwungen, nach der Abneigung derselben zu fließen, und sich da, wenn es keinen weitern Ausfluß hat, zu stämmen. Daher kommt es, daß man allenthalben auf der Röhne, sogar auf ihrer größten Höhe häufige Quellen bey einem wenig feuchten Jahre findet, sehr viele saure und wasserreiche Wiesen antrifft, und sogar zu zwey großen Sümpfen kommt, auf die man sich, ohne Gefahr zu versinken, in gewissen Zeiten nicht wagen darf. Der Landmann, welcher sich die Ursache dieser zwey beträchtlichen Sümpfe (das
rothe und
schwarze Moor genannt) nicht erklären konnte, verfiel auf ein Geschichtchen, kraft dessen er hier zwey Städtchen versinken ließ. Allein es ist so unwahrscheinlich, daß ein jeder Reisender gar kein Bedenken trägt, es für eine Fabel zu halten, indem eben an jenen Orten die Kälte am heftigsten ist, und die Menschen gewiß einen gelindern Ort zu ihrer Wohnung ausgesucht hätten. In hitzigen Jahrszeiten wird auf diesen zwey Sümpfen viel Futter für das Vieh gemacht, welches aber ganz natürlich sauer ist. Das eine Moor wird deswegen das rothe genannt, weil die Übersicht deßselben
| dem Auge eine Röthe darbietet, und aus einer eben solchen Ursache kömmt auch die Benennung des schwarzen Moors. Man machte vor einiger Zeit den Versuch, aus diesen Sümpfen Torf zu verfertigen, allein man ließ bald davon ab, weil man in der Nähe noch Holz genug zum Brennen hatte. Vielleicht wagt man es zu einer andern Zeit mit besserm Fortgange wieder.
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Die Ursache des vielen Wassers auf diesen Gebirgen liegt eben in ihrer Höhe. Fast täglich in Wolken gehüllt zieht theils der moosichte Boden im Überflusse Wasser, theils veichen es Regen und Schnee, welche sich häufig daselbst einfinden. Man kann sagen, daß durch zwey Theile des Jahrs diese Gebirge mit Schnee bedeckt sind, und da, wo die Sonne allmählich sich entfernet, fällt auf der Höhe immerhin Schnee, wenn es auf der Seite im Thale regnet. Man kann hieraus auf ihre Höhe, und die daselbst herrschende Kälte schließen. – Kaum überziehet der Schnee die Oberfläche der Röhne, als sich schon eine grimmige Kälte einstellt. Wegen Ungangbarkeit findet man alsdenn keine Spur eines sichern Weges, und manche Reisende wurden daher ein Opfer der tödenden
| Kälte. – Der Fürstbischoff Franz Ludwig ließ deswegen vor einigen Jahren an den zugehenden Wegen alle 30 Schritte hölzerne Pflöcke setzen, die gleichsam zur Richtschnur dienen sollten: allein bey ihrer Durchkreuzung weiß der oft schon von Kälte starrende Wanderer nicht, welchem Zeichen er folgen soll, und leicht mag zur Winterzeit ein starker Nebel oben auf der Ebene liegen, wie es fast immer geschieht, so verliert er selbst diese Pflöcke aus dem Gesichte, und fällt erstarret zur Erde. Ich selbst kann aus Erfahrung reden.
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Um 3 Uhr des Nachmittags, wo es also noch ziemlich hell war, befand ich mich nach einem zurückgelegten ausserordentlich schlimmen Weg, über den mein Fuhrmann nicht genug fluchen konnte, auf der hohen Röhne, eine Viertelmeile von dem darauf liegenden Örtchen
Frankenheim. Zum Unglück lag ein so dichter stinkender Nebel, daß man nicht 15 Schritte weit sehen konnte. Alle Spur eines Wegs war durch den Wind mit Schnee bedeckt, und mein Wegweiser, den ich gemiethet hatte, und der mit einem großen Stocke voran ging, mußte gleich einem Hunde nur aus dem Geruche die ächte
| Bahn nach Frankenheim erkennen. Nun mußte mich auch dieß Unglück treffen, daß seine Nase an diesem Tage verstopft war, und er mich zu weit links gegen das rothe Moor führte. Wir kreuzten zwey Stunden lang auf dieser unübersehbaren Ebene, und wußten zuletzt nicht, wo wir waren. Mein Führer sah nun selbst, daß er uns irre geführt habe; er erblaßte, und gestand mit zitternder Stimme, daß er nicht wisse, wo wir uns befänden. Nun überfiel uns die Nacht, und mit ihr Angst und Schauder; denn wir sahen nichts als den Tod vor Augen. Meinem Fuhrmann war es um seine Pferde, meinem Gleitsmann, den ich von Neustadt mit nahm, um seine Frau und Kinder, und meinem Wegweiser und mir um unser junges Leben zu thun. Jeder also hatte seine eigene Sorge. – Die Pferde waren matt und halb erstarret; dennoch fuhren wir noch ein wenig Rechts in die Tiefe, und hielten in kurzen Gesträuchen. Todenstille umgab uns; nirgends war ein Laut von Vieh oder Menschen. – Endlich nahmen wir die letzten Kräfte zusammen. Wir wadeten mit äusserster Anstrengung noch weiter Rechts durch den Schnee, und schrien aus vollem Halse um Hülfe und Rettung. Allein
| vergebens – wir stacken hüflos in dieser Einöde; meine Kleider und Haare waren mit Duft und Schnee bedeckt und gefroren, und ermattet setzte ich mich endlich auf den Schnee nieder, um so langsam meinem Ende entgegen zu sehen, als ein dumpfer Schall in meine Ohren drang, und Hoffnung einiger Rettung in meiner Seele stralte. Endlich näherten sich uns von Ferne Menschenstimmen. Freyer schlug nun mein Herz, und allmählich durchströmte wieder neues Leben meine erstarrten Glieder, bis sie kamen, die Engel des Himmels, unsere Erretter. – Die Nachbarn aus Frankenheim hörten bey stiller Nacht unser klägliches Geschrey, eilten uns von Menschenliebe angeflammt zu Hülfe, und führten uns nach ihrem Dörfchen in Sicherheit. – So endigte sich eine Scene der Angst und des Schauders, in welche ich keine Seele versetzt wünsche.
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Frankenheim und Birx sind die zwey einzigen Örtchen auf der Oberfläche der Röhne, da, wo sie sich in das Eisenachische erstrecket. Obgleich ihre Lage tief ist, so ist sie doch zur Winterszeit fürchterlich. Dem tobenden Wind ausgesetzt, sehen sich oft ihre Bewohner in ihren Strohhütten vom Schnee ganz eingehüllt,
| aus denen sie sich von den Dächern aus manchmal eine Bahn zu ihrer Stallung oder Scheune brechen müssen. Sie entfernen sich daher selten aus ihren Wohnungen, um nicht in den Windwehen ihren Tod zu finden. Aus dieser Ursache kommen zu Zeiten ihre Kinder erst nach einem Vierteljahre zur Taufe. – Von allem Prunk entfernt leben sie sehr mäßig, und unserm Bedünken nach dürftig. Ein schwarzes Brod von gemahlenen Grundbirnen, Haber und Gerste, oder von wenigem Korne, eine kalte Grundbirn mit Salz, ein wenig Käs, oder ein wenig Kraut und dürres Fleisch, machen ihre Nahrung aus, und ihr Getränk besteht in Wasser und schlechtem Biere aus Gerste und Haber, und in Fruchtbrantewein. Sie sind von mittelmäsiger Größe, bleich von Farbe, braungelb von Haaren, welche ihnen stracks um den Kopf hängen, und meistens aufrichtige Leute, die nur Herzenssprache reden. Sie kennen in ihrer Aussprache fast durchgängig keinen Doppellauter, nennen einen jeden Fremden mit dem trauten Wörtchen du oder ihr, und haben hie und da ganz besondere Benennungen. So heist bey ihnen
Serges ein Frauenrock von Petermann;
Terges die darin befindliche Tasche. u. s. f.
| Die Mannsleute tragen meistens Rock, Westen und Hosen von einem Zeuge aus Garn und Wollen von ihnen selbst verfertiget, und Petermann genannt, wollene Strümpfe, und im Hause hölzerne Schuhe. Die Weibsleute tragen auf ihrem Haupte entweder eine gedruckte Leinwand, oder ein kleines Häubchen, worunter ihr langes Haar entweder versteckt ist, oder in langen Zöpfen über den Rücken hängt. Wann sie sich verehlichen, schneiden sie oft die Zöpfe ab, und verkaufen sie um einen hohen Preis. Zur Winterszeit spinnt groß und klein vom weiblichen und männlichen Geschlecht bey einem Spane, welcher in der Mitte ihres Kreises auf einem eisernen Stängchen angezündet, ihnen Licht und Wärme gibt, und im Sommer liegt alles auf dem Felde. Kaum verliert sich der Schnee, so kriecht der Bewohner von Frankenheim und Birx aus seiner Hütte hervor, treibt sein Vieh vom Stalle gerade auf den grünen Wasen, raucht zufrieden sein Pfeifchen Taback, ergreift muthig den Pflug, und streut unverdrossen seinen Saamen aus, voll der Erwartung, ob er wieder so vielen guten Saamen einernden werde, als er aussäete. Birx, da es noch tiefer liegt, als Frankenheim, ist eben deswegen auch gesegneter, und
| es darf immer hoffen, daß seine Früchte da gedeihen, wo dem Frankenheimer von Kälte alles verdirbt. Es zieht auch in aller Rücksicht mehr Getraide. Frankenheim aber muß sich mit Haber und wenig Gerstenbau begnügen.
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Im Betreff der Aussaat des Habers geht der dasige Landmann sonderbar zu Werke. Er wählt sich ein Stück Wasen, pflügt es um und säet darauf seinen Haber, welcher vom Wasen gedüngt bey einer guten Witterung reichlich ausgibt. Nach einigen Jahren läßt er dieß Erdreich liegen, und vom neuem mit Wasen überziehen, um dadurch für den Haber wieder einen Dung zu erhalten, während er ein anderes Stück Wasen umpflüget. – Ist die Aussaat geschehen, so gibt er sich mit dem Bau von Grundbirnen, Kohlrüben und Kraut ab, welche Gemüse auf dieser Oberfläche viel besser gedeihen, als in der umliegenden Gegend, und die er den Thalbewohnern verkauft, um sich daher Korn und andere Früchte zu verschaffen. – Bald hierauf nimmt er die Sichel zur Hand, um der Röhne ihr grünes Gewand wieder abzuziehen, und für seine Heerden auf die langen Wintertage die Nahrung zu speichern. Der große Raum des Wasens ersetzt ihm die Menge
| des Futters, welche er bey einem kleinern Bezirke nicht erhalten würde. Denn das Gras, welches großen Theils wegen des vielen Wassers sauer ist, und nur auf der grössern Anhöhe ein gutes, wiewohl mageres Futter reichet, wächst nur einen Schuh hoch, und kann auch nur einmahl im Jahre abgeschnitten werden. Dennoch werden von der Oberfläche der Röhne viele tausend Ladungen Heu, sowohl von den Thalbewohnern auf beyden Seiten, als von den Inwohnern von Frankenheim und Birx aufgespeichert, und die Viehzucht bleibt für sie eine reichliche Nahrung. Ist die Ernde geschehen, so verschließen sie sich gleichsam wieder in ihre Hütten, und erwarten die langen kalten Wintertage.
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Den Ursprung dieser beyden Örtchen konnte ich nicht erfahren. Wahrscheinlich waren es Anfangs einzelne Bauernhöfe, deren Familie sich nach und nach vermehrte, daselbst ansässig machte, und dadurch ein solches Dörfchen gründete, wodurch es noch heutzutage fortdauert, während andere Bauernhöfe auf der Röhne sich wieder verloren, vielleicht weil die Nachkömmlinge keine Lust fühlten, jährlich einen so langen beschwerlichen Winter zu verleben, und nur noch einige Spuren
| ihres Seyns zurückliessen. So findet man dergleichen Spuren oberhalb Hausen, wo einst eine Wohnung stand, die dem Edlen von Bastheim angehörte, und wovon noch der Keller und die umliegenden Krautgärten sichtbar sind, welche bis jetzt ihren Namen fortführen. So wenig ich indessen ihren Ursprung bestimmen kann, eben so wenig kann ich ihre ersten Besitzer und Beherrscher bestimmen. Dermahlen sind die Bewohner Hennebergisch-Eisenachische Unterthanen. Doch wenn ich alles erwäge, so hatte vielleicht der Junker von Tann aus dem sogenannten gelben Schlosse auf dem Flecke dieser beyden Dörfchen zwey Mayerhöfe stehen, deren
Grund und Boden dem Fürsten von Wirzburg gehörte. Durch Vermehrung und Ansetzung der Bauernfamilie entstanden nach und nach mehrere Hütten, und endlich ein kleines Dorf. Junker von Tann blieb bis dahin ihr Lehenherr und Richter in vorfallenden kleinen Streitigkeiten, dem sie ihre jährlichn Abgaben entrichten mußten, Wirzburg aber übte als
Territorialherr die größere Gerichtbarkeit aus.[1] Da sich die Grafen von Henneberg
| so sehr verbreiten, und ihre Macht so ansehnlich ward, zogen sie, (es mag seyn auf was für eine Art es will) auch diese Örtchen an sich. – Ursprünglich waren sie wohl nicht Hennebergisch. Die Wahrscheinlichkeit meiner Vermuthung liegt hierinnen: Der Herr von der Tann aus dem gelben Schlosse erhebt bis jetzt daselbst den Census, und übt auch die kleine Gerichtbarkeit aus, weswegen er einen Amtsschultheißen hält. Doch bleibt es den Unterthanen frey, sich nach dessen Ausspruch auf Eisenach zu wenden. –
| Beyde Orte liegen noch ausser dem so genannten Höck, oder Landwehr (einer aufgeworfenen, mit Gesträuchen bewachsenen und fortlaufenden kleinen Anhöhe, welche das ganze Hennebergische umgibt, und sogar da, wo im J. 1545. die Grafen von Henneberg das Unterwied u. s. f. ganz an sich zogen, über den Staufen oder Stafelberg gegen den rothen Hauk hinan geführt wurde, und Unterweid in sich schloß) gegen Wirzburgischen
[WS 1] Grund und Boden. – Wirzburg
[WS 2] behauptet noch jetzt, obgleich beyde Oertchen Hennebergisch-Eisenachisch sind, die 4 hohen Rugen. – Ferner darf der Junker von Tann gemäß eines Recesses vom Jahre 1614 (zwar
ex mera gratia, wie es heißt) zu Besetzung der Schuldienste in Frankenheim und Birx zwey Candidaten vorschlagen, von denen Eisenach nach Gutdünken wählt, dennoch aber Rücksicht nimmt, wenn Tann ein besonderes Augenmerk auf einen Candidaten hat, so wie dieß auch aus dem letzten ganz neuen Fall zu sehen ist, wo der Schullehrer von Frankenheim für seinen Sohn, als seinen Nachfolger bat, und dieser deswegen vom Hrn. v. Tann der Regierung zu Eisenach vorgestellt wurde, welche auch, ob sie gleich den Herrn von Tann auffoderte, noch einen Candidaten
| zu stellen, um wählen zu können, dennoch den erstern genehmigte. Deswegen gibt Herr von Tann dem Schullehrer ein Klafter Holz, welches aber dem von Birx entzogen wurde, weil der Herzog denselben vor einigen Jahren ohne Präsentation von Tann setzte. – Auch wird gemäß jenem Receß dem Herrn v. Tann, wenn er stirbt, in Frankenheim und Birx geläutet, und nach der neuesten Verordnung von Eisenach soll dieß sogar geschehen, wenn auch ein Kind aus diesem Hause stirbt. – Nimmt man demnach die Lage der beyden Orte noch ausserhalb des Höls, die Rechte Wirzburgs, und die Vorzüge des Herrn v. Tann in Erwägung, so wird meine Vermuthung gewiß wahrscheinlich, mit der ich den Ursprung und die Herrschaft dieser beyden Örtchen erklärte.
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Die Einwohner sind protestantischer Religion, weswegen sie einst einer verlassenen Heerde glichen. Gegen das Jahr 1534, wo Luthers Lehre in dieser Gegend verbreitet und allgemein wurde, entsagten auch diese Örtchen der katholischen Religion, und bekannten sich zu Luthers Lehre. So lange Fladungen, ein Städtchen an einer Seite
| der Röhne dieser Lehre zugethan blieb, zählten sie sich dahin zur Pfarre; allein kaum wandte sich jener Ort wieder zum Katholicismus, so entwichen sie demselben, und pfarrten auf Wüstensaxen. Doch bald wurde auch die katholische Religion daselbst wieder herrschend, und sie waren vom neuen gezwungen sich eine Pfarre auszusuchen. Eben (1614) wurden sie Hennebergische Unterthanen, und die Grafen stellten es ihnen frey, sich hinzuwenden wohin sie wollten. Nun war ihnen freylich die neuerrichtete Pfarre Oberweil am gelegensten; allein ihr Lehnjunker von Tann, noch uneins mit den gefürsteten Grafen von Henneberg, besonders wegen der ihm entzogenen Pfarrechten Unterweid, sahe dieß nicht gerne, und sie wählten daher Westheim zu ihrer Pfarre. Indessen lag dieser Ort zu entfernt von ihnen, sie konnten ihre Kinder oft nicht zur Taufe bringen, und nur mit großer Beschwerniß den Kirchenverrichtungen beywohnen. Deswegen wandten sie sich nach Absterben des Pfarrers Johann Georg Kriegker, welcher einige Jahre lang wegen des Kriegs Westheim und Oberweid von diesem Orte aus versah, als diese beyde Pfarren wieder vertheilt wurden, im J. 1652 an die Regierung und das
| Consistorium zu Eisenach, und suchten um Oberweid als ihre Pfarre an. Aus dieser Ursache ritten bey der General- Kirchen- und Schulvisitation im J. 1653. am 29 April Nicolaus Hauewater, Vicekanzler und Consistorialpräses, und Herr Johannes Wagner, Superintendent zu Suhl von Westheim aus nach Frankenheim, und von da nach Oberweid, nahmen die Lage in Augenschein, und versprachen, daß ihrem billigen Begehren statt gegeben werden sollte. Dennoch blieb die Sache liegen, bis, nach dem Tode des damahligen Westheimer Pfarrers, Johann Conrad Schadner, bey Erledigung dieser Pfarre im J. 1657 von Kursachsen ein Befehl an das Amt und Decanat erging, kraft dessen sie zur Pfarre Oberweid geschlagen, und dieß den sämmtlichen Pfarrkindern angezeigt wurde.
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Traurig ist in diesem Jahre 1790 die Lage der Einwohner Frankenheims. Ungewohnt eines so gelinden Winters wurden viele aus ihrer Mitte durch eine böse Krankheit (faules Fieber) hingerissen. Dieses schreckte die Bewohner der nahen Gegend von der Einkehr daselbst ab, und verursachte ihnen einen beträchtlichen Schaden, indem sowohl ihr Vieh im Stalle stehen blieb, als auch
| ihr Verdienst im Betreff des Spinnens sehr schlecht war. Dennoch trug die benachbarte Gegend so viel Mitleid für diese gleichsam verlassene Frankenheimer, daß sie von freyen Stücken Getraid sammelten, und es denselben zu ihrer Nahrung zuführten. – Wie groß die Entvölkerung durch diese Krankheit war, ungeachtet nur gegen 30 Menschen starben, kann man daraus abnehmen. Frankenheim enthält nur 35 Wohnungen, und zählte im J. 1789 ungefähr 228 Seelen; hatte also seit 1779 an 28 Seelen zugenommen. Von 1779 bis 1789 kann man sagen, daß jährlich nur 6 Menschen starben; wie beträchtlich ist also der Verlust in wenigen Monaten durch eine solche Krankheit! – Nun hat es immer wieder mehrere Jahre zu einer solchen Bevölkerung nöthig, indem nach der Berechnung, die ich von den letzten 10 Jahren anstellte, jährlich 9 gebohren wurden und 6 starben; folglich, da ich höchstens alle Jahre nur 3 Seelen zum Anwachs der Einwohner rechnen darf, wieder ganze 10 Jahre erfordert werden, bis die Anzahl der Seelen heraus kommt, wie sie im J. 1789 war.
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Birx blieb zu seinem Glücke von dieser Krankheit verschont, indem es einen jeden
| Verlust weit heftiger empfunden hätte: denn es hat nur 20 Wohnungen, und zählte im Jahr 1789 nur 95 Seelen, also 13 Seelen mehr als im J. 1779. Nach der Berechnung von den letzten 10 Jahren werden jährlich 3 Menschen geboren und 2 sterben. Gesetzt also, es hätte verhältnißmäßig nur 12 Seelen verloren, so würde es schon 12 Jahre, also 2 Jahre mehr als Frankenheim, zum Ersatz nöthig haben. Da diese Bewohner der Röhne wenig Frucht bauen, und oft ihr Verdienst sehr schlecht ist, so fällt es ihnen fast jährlich schwerer, ihre Abgaben zu entrichten; und ungeachtet der langen Wintertage und ihrer dürftigen Nahrung bleiben sie doch auf ihre Gegend so ersessen, daß sie fast nirgends gewohnen können. Dieß haben sie vermuthlich mit allen Bergbewohnern gemein.
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Die große Kälte, der viele Schnee, das wenige Erdreich und die vielen Quellen verhindern fast gäntzlich auf der hohen Oberfläche der Röhne das Fortkommen der Bäume. Der saure wilde Apfel gedeihet kaum, und nicht einmahl die Schleenhecken können eine Frucht hervorbringen. Wen das Unglück trifft, daß er zur Winterszeit diese Gegend
| passiren muß, wird sich kein traurigeres Bild machen können. Desto mehr aber wird sie der Reisende zur Sommerszeit rühmen. Denn kaum steigt die Sonne zu einer beträchtlichen Höhe, so verwechselt die Röhne ihr weisses Gewand mit einem angenehmen Grün. Das Auge des Wanderers verliert sich in ferne Gegenden, erblickt in einem weiten Umfange Städtchen und Flecken, wie auf einer Karte vor seinen Füssen, ein sanftes Lüftchen verwandelt der Sonne feurige Strahlen in die angenehmste Wärme; das Ohr wird vom Gesang der Lerchen ergötzt; blöckende muntere Heerden irren auf einer weit sich verbreitenden Wiese, und man dünkt sich in ein Elysium versetzt. Und thürmen sich gar an schwülen Sommertagen schwarze Wolken am Himmel, welch ein herrliches Schauspiel der Natur erblicket man alsdann! Man sieht unter seinen Füssen den schnellen Blitz bald über die Wolken vor seinem Auge in den Lüften verschwinden, bald mit dem schrecklichsten Knalle bgleitet in der Erde sein Grab finden. Herrlicher kann gewiß kein Anblick seyn, als ein Donnerwetter unter seinen Füssen, und die Erde mit Regengüssen zu einer Zeit überschwemmt zu sehen, wo man im Freyen vom
| schönsten Sonnescheine gelabt, nicht einen Regentropfen empfindet. Da zaudert der Fuß, in das Thal zurück zu kehren. Und welche bezaubernde Reize bieten sich erst bey der Übersicht des am Fuße liegenden Thals dem Auge dar! – Hier findet man wirklich jene schönen Gefilde zur Sommerszeit, die romanhafte Schilderungen oft nur im Traume zeigen. Hier stürzt das Wasser über den Felsen herab, zeigt durch seine Verstiebung in den Lüften die schönsten Farben des Regenbogens, fließt dann sanft säuselnd durch kurzes Gesträuch, fällt hierauf plötzlich wieder über einen breitern Felsen in die Tiefe, schafft den hellsten Spiegel und stellt einen Wasserfall dar, den die Kunst nicht so schön zu bilden vermag. Hier erblickt man die schönsten Wiesen an einem kühlenden Wäldchen, durch welche die klärste Quelle sanft fließet, da in ihrer Mitte eine kleine Hütte des Landmanns, mit Bäumen und Gesträuchen umwachsen, da die Gattin mit ihren Kindern im Schatten auf dem Wasen um einen Milchtopf gelagert. Hier sieht man die schönsten Früchte, hier frohe Heerden auf den Höhen weiden; da hört man das tönende Horn des Hirten. Hier spielen die muntern Fische in dem krystallhellen Wasser
| der Olster; da scherzet die Forelle, und schnell schießet der Aal durch den Strom. Doch sehen und fühlen muß man: denn diese Reizungen lassen sich nicht beschreiben.
Freuen sollte ich mich, wenn ich durch diese Beschreibung der Röhne manche meiner Landsleute aufmunterte, eine Gegend zu besuchen, die sie nur immer von ferne zu sehen gewohnt sind, und meistens aus einer nachtheiligen Beschreibung kennen, ob sich gleich nirgends so viel Stoff zum Nachdenken darbietet. Denn wo finden sie so viele einst sich ergossene Vulcane? Wo Gebirge von Steinkohlen? Wo so seltsame Versteinerungen in Gestalten von Muscheln und Fischen? Wo einen solchen Schlag von Menschen, bey denen noch so viele Einfalt der Natur herrschet?
- ↑ Hier irrt sich der Herr Verfasser in seiner Muthmaßung. In Schulteß vortrefflicher diplomatischer [247] Geschichte des gräflichen Hauses Henneberg Th. I. S. 89. steht eine Urkunde Graf Ottens des Jüngern von Bodenlaube Henneberg. Geschlechtes über den Verkauf der beyden Schlösser Hildenburg und Lichtenberg nebst den dazu gehörigen Gütern an den Bischoff Hermann zu Wirzburg um 4300 Mark Silbers vom Jahre 1230, darinnen heißet es: „Nomina autem bonorum sunt: Grumbach (nach Herrn Schulteß Erklärung die dermalige Wüstung Grimmelbach im Amte Kalten Nordheim) Schwarzbach, Sachssen (jetzo Wüste-Sachsen im Amte Fladungen) Frankenheim, Lauterbach et advocatia in superiori Fladungen in Salchenburg, in Brucken (Brucks im Amte Fladungen) in Kotzenliten, in Heitenhusen“ etc. – In der Folge der Zeit ging in diesen Gegenden mehrmahls Wiederkauf, Tausch, Einlösung zwischen Henneberg und Wirzburg vor. S. Journal von und für Franken Stück 1. ohne daß man von an sich ziehen reden darf. Bischöffe und Klöster haben sich selten etwas entziehen lassen.
Anmerkungen (Wikisource)