Werke Bearbeiten


Titel. EA; Sammlung

  • Theaterstücke
    • ... ist wohlgetan,... ist wohlgetan Die Tragödie aller Marionetten.
    • Nr. 42 Ein Albdruck.
    • Titti, das Schneelämmchen auf der Pfarrwiese.
  • Gedichte Unterhaltungsbeilage zum DGA vom 12.4.1914, Nr. 102.
    • Anemonen
    • Die Angst
    • Frühling

Abkürzungen Bearbeiten

  • DGA = Düsseldorfer General-Anzeiger
  • S = Der Säugling und andere Tragikomödien. Ernst Rowohlt Verlag, Leipzig 1911
  • K = Buch der Katastrophen. Kurt Wolff, Leipzig 1916
  • Mauzfies = Professor Mauzfies und andere Tragödien, München 1941

Die Bahnhofsmission Bearbeiten

  • Die Bahnhofsmission Simplicissimus vom 12.2.1906 Jg. 10 Heft 46 HAAB

Seite 546

Die Bahnhofsmission

von Hermann Harry Schmitz

Unsere gute Tante Berta trug stets Zeugstiefel und war sehr fromm. Außerdem war sie nicht unvermögend, aus welchem Grunde sie in unserer Familie ein erhebliches Ansehen genoß. Sie hatte sich seit Jahren angewöhnt, die Sonntage bei uns, als ihren Lieblingsverwandten, zu verbringen, teils weil bei uns nicht schlecht gekocht wurde, teils weil sie ihrem Dienstmädchen keine Sonntagsarbeit zumutete. Im übrigen widersprachen wir ihr nie. Mein Vater sagte stets: „Erbtanten haben immer recht, wenigstens so lange sie leben, und müssen gut, sogar direkt üppig gefüttert werden.“ –

Es gab keinen Missions-, Kirchenbau- oder dergleichen Verein, die ihre ersprießliche Tätigkeit in der Hauptsache in Kaffeekränzchen zu entfalten pflegen, in dem sie nicht eine führende Rolle spielte.

Eines Sonntags eröffnete sie uns nun bei Tisch, daß ihr das Stricken von Pulswärmern und Jacken für die unglücklichen Ureinwohner von Borneo – hochwillkommene Kleidungsstücke in jenen Breiten – als Ausdruck einer aktiven Frömmigkeit keine vollkommene Befriedigung mehr gewähre – mein Vater erbleichte: das Wort „Stiftung“ durchzuckte sein Hirn; meine Mutter stellte das Eingemachte weg – und sie mit einigen gleichdenkenden Damen einen Verein zur Rettung gefährdeter Mädchen, verbunden mit einem Asyl gegründet habe. Ein besonderes Augenmerk sollte aus den Schutz alleinreisender Mädchen geworfen werden, zu welchem Zwecke sich abwechselnd ein Vereinsmitglied. mit einer neidgelben Rosette geschmückt, am Bahnhofe auszuhalten hatte.

Da die Geldfrage durch die Stiftung einer anderen Dame, deren Verwandte vielleicht nicht gut kochten oder widersprachen, erledigt wurde, beruhigte sich mein Vater und legte der Tante zwei saftige Bruststücke eines idealen Kapaunen auf den Teller.

Der Verein hatte nun schon seit drei Wochen seine Tätigkeit aufgenommen, und die blütenweißen Bettchen des Asyls standen noch unberührt.

Man war erstaunt, so wenig Unsittlichkeit in der Welt vorzufinden.

Am meisten versprach man sich von der Bahnhofsmission, und allabendlich versammelte sich der Verein im Asyl, um die Dame des Bahnhofdienstes zu erwarten, in der sehnlichsten Hoffnung, nun endlich die bereits gezückten Fittiche der christlichen Liebe über dem ersten Schützling ausbreiten zu können.

Abend für Abend die gleiche Enttäuschung. Ausgefroren, staubbedeckt, mit müden Beinen und verdrossen erschien dann zu später Stunde die Erwartete. Allein. Man hörte resigniert den Bericht über die Erlebnisse des Tages, der so ganz jeder in das Gebiet des eigentlichen Vereinszweckes fallenden, interessanten Note entbehrte.

Einige abgestandene Mädchen vorgeschrittenen Jahrgangs, die leider auch nicht mehr die geringste Aussicht halten, moralisch gefährdet zu werden, wandten sich wohl ab und zu Auskunft heischend an die Rosettengeschmückte und wurden auch in den meisten Fallen mit großer Geschicklichkeit in die falschen Zuge oder auf einen unrichtigen Bahnsteig gewiesen. Man war enttäuscht und im Inneren wütend über die herrschende Sittlichkeit. Man bereute bereits die Gründung, von der man sich erheblich mehr versprochen hatte. Die Erwartung, so mancherlei Pikantes im Namen der christlichen Liebe zu erleben, hatte sich nicht erfüllt.

Es herrschte allgemeine Verdrossenheit und Amtsmüdigkeit, um so mehr, da einigen Damen in Ausübung des Bahnhofdienstes mancherlei Mißgeschick widerfahren war.

Der Stifterin des Vereins war gleich im Anfang im dichten Gedränge, in welches sie sich mit einem Fanatismus für die gute Sache gestürzt hatte, das Portemonnaie gestohlen worden. Eine andere Dame wollte einer alten Frau, die zwar sittlich nicht in Gefahr war, es jedoch durchsetzen wollte, ihren mit Messing beschlagenen Koffer quer durch die Coupétüre zu schaffen, behilflich sein. Hiebei war ihr das ziemlich schwere Gepäckstück natürlich mit einer Messingecke auf den Fuß gefallen, was deren Enthusiasmus immerhin um erhebliches dämpfte.

Ein besonders eifriges und vor altem äußerst sittenstrenges Mitglied (die betreffende Dame, eine Witwe, war durch ihren studierenden Sohn binnen kurzer Frist dreifache Großmutter geworden, woran sie allmonatlich durch drei Postanweisungen, die sie an drei verschiedene Adressen losließ, unangenehm erinnert wurde) wäre bald eine Märtyrerin der guten Suche geworden. Sie bemerkte eines Abends ein nettes, sauber gekleidetes Mädchen, welches auf dem Bahnhof umherirrte und scheinbar seine Mutter suchte. Ein Herr ging fortgesetzt vor ihm her. Die gelbe Rosette witterte Gefahr und stellte sich dem sauber gekleideten Mädchen als Mitglied des Vereins zum Schutze alleinreisender Mädchen vor, was seitens der reizenden Person mit einem „Olle Missionsunke, kümmern Sie sich um Ihren Dreck; ich rett’ mir alleene“, beantwortet wurde. Sprach’s und verschwand mit dem Herrn.

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Meine Tante Berta war die einzige, welche trotz alledem stets mit ganzer Seele bei der Suche war. Sie hatte die Hoffnung noch nicht aufgegeben, und ihrem Einfluß war es zuzuschreiben. daß sich das an der herrschenden Moral krankende Unternehmen noch nicht aufgelöst hatte.

Ihrem Eifer hatte sie die Krone ausgesetzt, indem sie für die streifenden Mitglieder Bahnhofsdienst fast täglich versah.

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Zu jener Zeit war ich Referendar am Amtsgericht eines Landstädtchens, ca. anderthalb Stunden Eisenbahnfahrt von meiner Vaterstadt D. entfernt, und hatte wieder einmal das Bedürfnis, meine meine kleine Aenne wiederzusehen.

Aenne nannte sich euphemistisch Schauspielerin; sie war auch tatsächlich gegen 60 Mark Gage am Stadttheater in K. angestellt. Zwar verdankte sie ihre Karriere weniger ihrem schauspielerischen Talente, als ihren wohlgeformten Beinen. Sämtliche Höschenrollen bis zu dreißig Worten lagen in ihrer Hand.

Sie war ein fesches, kluges Kerlchen, stets im Dalles und mir sehe zugetan.

Offiziell kam ich nur Sonntags nach Hause, pflegte jedoch mit Rücksicht auf meine Lokalkenntnis auch meine „Kleinen Mädchen“ Betriebe in meiner Vaterstadt vor sich gehen zu lassen.

So hatte ich also mit meiner Aenne nach umständlichem Briefwechsel wieder mal in D. ein Rendezvous vereinbart. Da Aenne noch im ersten Akte mitzuwirken hatte und ich in den meisten Fällen, namentlich wenn ich was vorhatte, bis in die Abendstunden durch einen allzu eifrigen Amtsrichter festgehalten wurde, so wollten wir uns erst um 10 Uhr abends aus dem Bahnhof in D. treffen. Aenne kam einige Minuten vor mir von K. an und sollte mich an meinem Zuge, der Punkt 10 Uhr einlief, erwarten.

Ich hatte mich wahnsinnig auf den Abend gefreut und langer Hand ein kalifornisches Freudenfest mit einigen trefflichen Gespielen und deren Gespielinnen bereitet.

Der bewußte Tag kam heran.

Natürlich dauerte die Gerichtssitzung. in der ich als Protokollführer fungierte, bis nach sieben. Es blieben mir immerhin noch anderthalb Stunden bis zur Abfahrt des Zuges, Zelt genug, um mich umzuziehen und mich noch in köstlicher Weise zu verschönern.

Ich stürmte in Eilmärschen meiner Wohnung zu. –

Ich weiß nicht, was das Schicksal gegen mich hat. Ich brauche nur den Entschluß zu fassen, irgend etwas zu unternehmen, schon stellt sich eine Kette von fortgesetzten Widrigkeiten ein, die die Ausführung in den meisten Fällen unmöglich macht oder doch bedeutend erschwert.

An jenem denkwürdigen Tage begann der Reigen damit, daß mir, noch ca. fünf Minuten von meiner Wohnung entfernt, eine kleine Mücke in das Auge flog und sich in ihrer Todesangst unter dem Augendeckel verkroch. Ich tastete mich unter einem furchtbaren Tränenerguß an den Häusern vorbei meiner Wohnung zu. Leute, die mir begegneten, mußten unbedingt annehmen, meine sämtlichen Verwandten und lieben Bekannten wären alle auf einmal einer tückischen Seuche zum Opfer gefallen.

Mit Mühe und Not, nicht ohne daß ich mir vorher an der Treppe das Schienbein gestoßen hatte, gelangte ich in mein Zimmer. Nach halbstündiger Tätigkeit gelang es mir, die Mücke, wenn auch tot, zu bergen.

Mittlerweile war es bereits 8 Uhr geworden.

8.30 fuhr mein Zug. Fünf Minuten rechnete man bis zum Bahnhof. –

Schreckliche Entdeckung! Die Stärkewäsche ist noch nicht da. Ich stürze zur Wirtin. Es werden Boten ausgesandt. 8.5. Ich entledige mich vorsichtig des alten. Kragens und rasiere mich. Schneide einen ausgewachsenen Pickel an. Furchtbare Blutung, die erst 8,15 gestillt ist. 8.18 erscheint endlich die Waschfrau; zum Ueberfluß mit der Quittung über Waschgeld für die letzten Monate.

Triefend freundliche, längere Klarlegung der Umstände unter Hinweis auf den Ersten. 8.20. Die Waschfrau zieht ab. Ein Kragen mag an den Stellen, die aus dem Rocke hervorragen, noch so weich sein, an den Knopflöchern ist er immer steinhart. Anlegen des Kragens unter groteskem Indianertanz. Endlich ist er zu, aber bereits zerdrückt. Er fliegt in die Ecke. Neuer Indianertanz. Das Hemdenknöpfchen zerspringt. 8.26. Wutanfall. Suche Ersatz in allen Schubladen. 8.28. Kragenfrage erledigt. Der Zug hat gewöhnlich Verspätung. Schnell in die Schuhe. Der Schuhriemen reißt. 8.30 stürze ich aus dem Hause und komme noch gerade früh genug zur Bahn, um die bunten Endlichter des Zuges in der Ferne verschwinden zu sehen. Dieses war der letzte Zug nach D. – Arme Aenne! Adjeu, schönes Fest! Aenne mußte, daß für mich nur dieser Zug in Frage kam. Was blieb ihr anderes übrig, als, wütend über mein Ausbleiben, mit dem nächsten Zug nach K. zurückzukehren. So nahm ich an.

Ich setzte sie noch durch eine Karte von meinem Mißgeschick in Kenntnis und habe mich dann gräßlich betrunken.

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Zwei Tage später erhielt ich von Aenne folgenden Brief:

Mein lieber Stropp!

Du bist ein ekelhaftes Scheusal. Ich hatte extra die duchbrochenen Strümpfe angezogen und die netten Brüsseler Höschen von Dir. Ich hätte mich ja an dem Abend so gerne gerächt für Deine Tappigkeit. Wenn ich nur jemanden gehabt hätte mit wem. Aus Deiner Karte sehe ich, daß Du wieder einmal Deinen verkorksten Tag hattest, vielleicht ist es noch ganz gut, daß Du den Zug verpaßt hast: wer weiß, was sonst noch alles passiert wäre.

Höre, was ich Merkwürdiges erlebt habe.

Ich hatte mir mit Ach und Krach das Fahrgeld für eine einfache Karte dritter Klasse zusammengepumpt: 10 Pfennig hatte ich noch übrig. Die Rückreise solltest Du mir schmeißen. In D. angekommen, habe ich mich sofort an unserer Ecke aufgebaut. Pünktlich lief Dein Zug ein, wie ich bald heraus hatte, ohne Dich. – Ich hatte eine blöde Wut auf Dich. Kein Fahrgeld zur Rückfahrt!Keine Bekannten in D! Was tun? Ich rannte auf dem Perron auf und ab und hatte mir fest vorgenommen, mir sofort einen netten Kerl aufzutun. Natürlich der ganze Bahnhof wie ausgestorben. Nur ein Herr, weißt Du, so einer, dem immer die Beine unter dem Bauch wegfliegen, schlurfte über den Perron. Ich ging einige Male an ihm vorbei und ließ meine durchbrochenen Waden sehen. Er schlurfte ruhig weiter. Pfui, was gibt es doch gemeine Menschen! Verzweifelt habe ich mich auf eine Bank gesetzt, als plötzlich eine Hand meine Schulter berührte, und vor mir stand eine ziemlich verfehlt angezogene, alle Tante mit einer mächtigen, gelben Rosette auf der Brust. weißt Du. von so einem Verein, über den Du immer schimpfst und behauptest, die Damen sähen Dich immer so vorwurfsvoll an. Also die gute Frau frug mich mit milder Stimme, ob sie mir helfen könnte. Ich schluchzte einigemal in kläglicher Weise. machte mein Madonnengesicht und stammelte irgend etwas von einer Tante, die mir im Gedränge abhanden gekommen, daß mit das Portemonnaie gestohlen worden wäre; daß ich nicht wüßte, wo ich die Nacht bleiben sollte und daß mich der Herr immer verfolgte: warum müßte ich nicht. Die Dame war erdrückend lieb und sagte, ich solle mir nur keine Sorgen machen und meine Tränen trocknen, ich wäre in guten Händen. Sie sagte, es wäre selbstverständlich, daß ich für die Nacht ihr Gast sein müßte. Ohne das ich noch weiter zu Wort kam, legte sie mütterlich den Arm um mich und zog mich mit sich. Wir kamen in ein gemütlich eingerichtetes Haus, wo ein ganzes Rudel alter Damen mich wie einen lieben, langerwarteten Besuch mit ausgesuchter Liebenswürdigkeit empfing. Ich war einfach platt. Man nahm mir meinen Schirm und Jackett ab, frug, ob ich keine nassen oder kalten Fuße habe. Man brachte wir zu essen, kalten Kalbsbraten und Eier. Man saß uns mich herum und bestaunte mich wie ein Wundertier. Dann wurde man auch neugierig und wollte wissen, wer ich wäre. Ich habe nur gemurmelt, es wäre so traurig, und angefangen zu schluchzen. Von Tränen erstickt, habe ich einige Male „armes Mütterlein“ gesagt. Dann sagte die Dame, die mich mitgebracht hatte, man solle mich in Ruhe lassen, ich wäre noch durch die Ereignisse des Abends zu erregt, man wolle jetzt die Abendandacht abhalten und mich dann zur Ruhe bringen. Die Geschichte begann mit einem Choral. Die Damen frugen mich nach meinem Lieblingschoral. Ich wußte bei Gott nicht, was ich sagen sollte. Alle die Lieder, die ich kenne, sind eigentlich keine Kirchenlieder, und als ich das einzige einigermaßen fromme Lied, welches mir einfiel ,“Gott erhalte Franz den Kaiser“ nannte, sagten sie, das wäre kein Choral oder stände wenigstens nicht in ihrem Gesangbuch. Ich sagte leise. bei mir hätte es drin gestanden. Dann haben sie endlich ein anderes frommes Lied gesungen, von dem sie behaupteten, daß ich es sicher kennen würde. Ich habe ja gesagt, und weil die anderen so furchtbar brüllten, haben sie nicht gemerkt, daß ich nur so mitgebrummt und nur den Mund auf- und zugemacht habe. Ich war heidenmäßig froh, als beschlossen wurde, mich nunmehr zu Bett zu bringen. Die ganze Gesellschaft gab mir das Geleite. Ich bekam auch eine Wärmflasche. Meine schönen Höschen und Strümpfchen wurden beguckt. Ich schämte mich und sagte, das hätte ich in einem Missionsverein gewonnen. Die Damen gaben sich zufrieden und ließen mich dann endlich in Ruhe. Ich schlief wie ein Dachs. Als ich am anderen Morgen gegen 10 Uhr wach wurde, saß schau eine Dame an meinem Bette und frug, ob ich lieber im Bett frühstücken wollte. Natürlich sagte ich ja: – das hat man nicht alle Tage. Als ich dann nachher in das Zimmer kam, waren fast alle Damen vom vorherigen Abend versammelt. Alle schüttelten mir die Hand: eine gütige Matrone legte mir auch die Hände auf den Kopf und verkorkste meine Frisur. Alle erkundigten sich, ob ich auch gut geschlafen hatte. Dann war wieder Andacht. Zuerst wurde gebetet; ich kam immer in die zehn Gebote. Darauf gesungen, wie am Abend. Ich habe wieder gefuscht; niemand hat es gemerkt. Man wollte mich erst nicht weglassen. Ich habe gesagt, ich müsse unbedingt schleunigst nach K. zurück, mein Mütterlein wäre sicher in großer Sorge. Ich bekam noch Butterbrote eingepackt und man schenkte mir noch einen ganzen Stoß Missionsblätter, Traktätchen und fromme Blättlein, die ich Dir zur Strafe schenken werde. Das war ein ergreifender Abschied. Drei Damen brachten mich zur Bahn, die anderen haben an der Haustür gestanden und mir nachgeschaut. Es war einfach rührend. Nun erst der Abschied am Bahnhof. Die Damen lösten mir ein Billett, gaben mir noch für alle Falle 5 Mark mit und steckten mich unter Segenswünschen und Bibelsprüchen in ein Frauencoupé zweiter Klasse, was mir weniger gefiel, da in dem Nebencoupé, wo nur ein junger Herr saß, bedeutend mehr Platz war. Die guten Damen haben noch lange dem Zuge nachgewinkt. Unterstehe Dich noch einmal und schimpfe über so einen Verein. So gute Leute und so fromm. Ich will setzt auch fromm werden. Schreibe, ob ich Dich nächste Woche bestimmt treffen kann. Setze Dich dann aber zur Vorsicht schon mittags auf den Bahnhof. Dies ist der längste Brief. den der brave Steuermann je geschrieben hat.

Es küßt Dich Dein Pusselchen.

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Acht Tage später erzählte Tante Berta stolz am Familientisch von der ersten Rettung eines sittlich gefährdeten Mädchens.

Ich mußte furchtbar husten.