Textdaten
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Autor: Wilhelm Marr
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Titel: Bayreuther Festtagebuch
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 34, 35, 37, S. 568–571, 584–586, 619–622
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1876
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[568]
Bayreuther Festtagebuch.
Nr. 1. Vom 10.–13. August.


Bayreuth, 10. August.     

Nach einer durchrüttelnden Eisenbahnnachtfahrt und einem zweistündigen Aufenthalte auf der Station Neumarken, wo der Kellner chronisch finstere Gesichter schneidet, weil er schon um sechs Uhr Morgens seine reisenden Mitmenschen bedienen muß, langte ich in Bayreuth, der vielgenannten Stadt, an, vielgenannt im vorigen Jahrhunderte wegen ihrer glanzvollen markgräflichen Miniaturtyrannen, vielgenannt heute als Sitz des Kunstreformtyrannen Richard Wagner, als Schauplatz von dessen in’s Leben tretendem Traum eines Theaters der Zukunft. Wahrheit oder Irrthum – wenn nach einem dreißigjährigen Kriege mit dem Leben, mit der Welt und ihren Urtheilen und Vorurtheilen ein Ideal erreicht worden ist, so muß ihm eine culturgeschichtliche Bedeutung zugesprochen werden.

Der blaue Himmel lachte über der mit Festflaggen und Guirlanden geschmückten Stadt, welche zum 12. August den deutschen Kaiser erwartete, der ja auch zugleich „Patronatsherr“ des Wagner-Theaters ist, wie hier mit Wohlbehagen betont wird, und welcher wenigstens den ersten Festabend, die Aufführung des „Rheingold“, mit seiner Anwesenheit beehren wird. Der Hauptprotector des Unternehmens, König Ludwig von Baiern, war am 8. August schon wieder abgereist, nachdem er mit unsichtbarer Theilnahme einer Generalprobe beigewohnt und den „Meister“ als Zeichen der Anerkennung umarmt hatte, wie erzählt wird. Eine Galerie von Kaisern und Fürsten steht zum 13. August bevor, denn auch der Kaiser von Brasilien wird erwartet. Ja, lebte Abdul-Azis noch (ebenfalls Patronatsherr), ließe es die Lage der orientalischen Frage zu, wir würden auch einen türkischen Sultan und einen Khedive von Aegypten (denn auch Letzterer ist Patronatsherr) in Bayreuth sehen. Aber Weimar, Coburg, Meiningen etc. etc. werden dynastisch vertreten sein, wie sie und die ganze Welt artistisch vertreten sind.

Die Scene, welche sich in Bayreuth abspielt, ist wirklich eine Scene aus dem großen Schauspiele des Daseins aller Dinge, welches Culturgeschichte heißt. Wenn die Gemüther sich erst wieder gesammelt haben, wird vielleicht Mancher über die eigene Rolle lächeln, die er in diesem lebenden Stimmungsbilde gespielt hat. Keiner aber möchte die so völlig exceptionellen Eindrücke, die er hier empfangen, nicht erlebt haben. Und so bin ich denn auf den Gedanken gekommen, für diese Mittheilungen aus der Wagnerstadt die Form des Tagebuches zu wählen, weil sie mir im Hinblicke auf das durch die große Auflage der „Gartenlaube“ unvermeidliche späte Erscheinen meiner Berichte als die zwangloseste und anspruchloseste erscheint, um den Lesern ein anschauliches Bild über das Ereigniß zu geben, das hier in’s Leben trat.

Nachdem diese meine Wenigkeit, welche „Ich“ heißt, also den Waggon verlassen hatte, trat ich mit der vollen Zuversicht eines routinirten Touristen mein erstes allerwichtigstes Amt, das des Selbstquartiermachens, an, obschon meine Nachbarn im Coupé, darunter der Referent der „Vossischen Zeitung“, Professor Engel, mir große Schwierigkeiten prophezeiten, ein Quartier zu finden, welches rationellen Ansprüchen genügen würde. Die Jägerstraße entlang schlendernd, dann die Maximilianstraße bis zum Markte verfolgend, klopfte ich unterwegs wohl an ein halbes Dutzend Thüren, und überall waren noch Zimmer frei. Die Bayreuther hatten auf eine kleine Völkerwanderung gerechnet und vergessen, daß ein ganzer Patronatsherr dreihundert Thaler wiegt, ein Drittel desselben hundert Thaler, und daß fünfundzwanzig Thaler dazu gehören, um nur einen Abend im Theater zubringen zu können. Im „Bayreuther Tageblatt“ las ich wenigstens ein Dutzend Offerten von Eintrittskarten zur ersten Vorstellung, die wahrscheinlich von speculativen Billetverkäufern angekauft waren. Allerdings waren die Miethforderungen im Anfange meiner Wanderung etwas naiv geschraubt, allein die Statistik der vacanten Quartiere, die ich den Herren Quartiergebern darlegen konnte, stimmte ihre Forderungen herab, und für einen Thaler pro Tag ward ein allerliebstes Parterre-Zimmer in der Nähe des Marktes mein, und zwar inclusive Frühstück und Bedienung. Ich hatte also das Glück, schon am ersten Tage von meinen Bekannten beneidet zu sein, die sich durch Zeitungsreclamen zu Gunsten der Hauswirthe hatten einschüchtern lassen und doppelte und dreifache Preise zahlen mußten.

Weniger gut ging’s mit dem Essen. Die Küche in Bayreuth ist herzlich billig und herzlich schlecht. Weshalb sollte es auch anders sein? Die Bayreuther hatten die Illusion einer Völkerwanderung gehegt, keine Umstände gemacht für Leute, die ja unter allen Bedingungen kommen mußten, und vergessen, daß das Hauptcontingent aus Künstler- und Schriftstellerkreisen, oder den Gesellschaftssphären, welche diesen nahe stehen, sich bildete. Und in Wahrheit, es klimperte; es fiedelte; es trompetete aus unzähligen offen stehenden Fenstern. Mir gegenüber wohnt gottlob keine Posaune, sondern eine Harfe, und ich kam davon mit den Sätzen dieses Instruments bei „Brunhildens Erwachen“ im „Siegfried“, welche der Künstler gar eifrig repetirte. Es waren ja Erholungstage, die Generalproben vorüber. Aber noch vor acht Tagen soll die Stadt ein wahres Mosaikbild von Tönen des Gesanges und der Instrumente abgegeben haben. Jetzt schonen Sänger und Musiker ihre Kräfte für die vier großen Schlachttage vom 13. bis 16., denen man allseitig mit einer Spannung entgegensieht, die auch auf den Phlegmatischen ansteckend wirken muß, die aber auch die größten Wagner-Enthusiasten aus dem Zustand der Ueberschwänglichkeit herausgebracht hat. Ich habe mich gewundert, mit welcher Ruhe über die Sache discutirt wird, mit welcher Herzlichkeit hier Bekanntschaften geschlossen werden, wo ich sicher glaubte, daß man einander gegenseitig erst scharf auf den Zahn fühlen würde, ob der Glaube an Richard Wagner auch jeder Feuer- und Wasserprobe gewachsen wäre, ehe man mit einem neuen Bekannten eine Wein- und Bierprobe riskirte.

Meine armen Collegen von den großen Zeitungen, namentlich die Engländer und Amerikaner, haben es herzlich sauer, denn sie telegraphiren oft stündlich den Inhalt des Bayreuther Tageblättchens, so weit derselbe nur entfernt mit dem Wagner-Theater in Beziehung steht.

Der „Meister“ – diesen Titel führt Wagner hier jetzt officiell, officiös und im gewöhnlichen Leben – ist für die profane Welt unsichtbar, denn er hat alle Hände voll zu thun, und die Arbeitskraft des dreiundsechszigjährigen Mannes ist wahrhaft staunenerregend. Auch soll er einige nicht allzu angenehme Erfahrungen [569] mit Personen gemacht haben, die zu der zahlreichen und widerwärtigen Classe der Aufdringlichen gehören und die für berühmte Leute eine wahre Plage sind. Die nachstehende kleine Anekdote gehört zu dem Culturbilde der Festtage in Bayreuth. Ein Herr So und So, Banquier seines Glaubens und ostensibler Kunstmäcen, hatte sich dermaßen an- und aufgedrängt, daß er Zutritt in die „Villa Wahnfried“ (Wagner’s bekanntes Haus) erhielt. Gleich am ersten Empfangsabende glaubte er mit dem Meister musikalische Conversation pflegen zu müssen und – sprach über Meyerbeer. Meister Richard quälte sich, den essigsauren Ausdruck seines Gesichtes zu verbergen. Der „Mäcen“ aber ließ nicht nach und schloß mit den „Donnerworten“ für Wagner:

„Gott! wenn Meyerbeer noch lebte und Sie, Meister Wagner, hätten mit ihm zusammen gearbeitet, was hätten Sie Beide mit vereinten Kräften Großes leisten können!!“

Seit jener Zeit ist man in Villa Wahnfried menschenscheuer geworden und fürchtet vielleicht gar den Vorschlag einer Compagnieschaft mit Jakob Offenbach.

Jeder Eisenbahnzug bringt neue „Völker“, um Theil zu nehmen an dem „großen Ereignisse“ und ein herrliches Künstlerleben in dem freundlichen Städtchen zu führen. Das ist ein zwangloses Begrüßen und Händeschütteln, frei von jedem Ceremoniell, wie es sonst wohl auf Sänger- und Schützenfesten herrscht. Wirklich, außer im unvergeßlichen Italien, habe ich unter Künstlern und Schriftstellern nie einen so frohen, humanen Ton gefunden, wie hier in Bayreuth.

Eine „unvermeidliche“ Kneipe, eine Art Kunstbörse für Alle, bildete sich auch hier. Angermann’s Bierlocal ist etwas besser als eine Anzahl Spelunken, aber nicht viel. In zerstreut liegenden niedrigen Zimmern, auf primitiven Stühlen und bei wunderbar saumseliger Bedienung herrscht ein fröhlicher Meinungsaustausch, und das summt durcheinander wie in einem Bienenkorbe. Damen und Herren, nirgends ein individuelles Hervordrängen, Touristentoiletten und – sehr viel Tabaksrauch, vor dem die Sänger und Sängerinnen natürlich sich scheuen müssen, ebenso die „Mannen“ und „Manninnen“. (Meinen verehrten Leserinnen klingen diese Ausdrücke etwas fremd. Aber sie gehören zur Sprachtechnik der Tage, und der Humor acceptirt sie. „Mannen“ heißen nämlich die Inhaber der männlichen Nebenrollen „Manninnen“ die der weiblichen, und ich rede ein paar talentirte junge Sängerinnen, Töchter eines alten Freundes in Hamburg Namens Kalmann, nie anders an als: Mannin „Ida“ und Mannin „Meta“.) Für die Musiker sind die Tage bis zum 13. wirkliche Erholungstage, und sie haben Recht, Theil zu nehmen an der glücklich situirten Majorität der Fremden, denn es stehen ihnen saure Tage bevor.


11. August.     

Ein artistischer Calvarienberg! Ich konnte mit dem besten Willen diesen Ausruf nicht unterdrücken, als ich heute bei zweiundzwanzig Grad Réaumur schon um zehn Uhr Morgens nach einer Fußtour von einer halben Stunde die Anhöhe erreicht, auf welcher das Wagner-Theater erbaut ist.

Ich kann mir nicht helfen und muß es, so sehr ich mit Wagner sympathisire, aussprechen: die Wahl der Stelle des Theaters ist ein Fehlgriff. Die Aussicht von dem Hügelplateau ist reizend. Das Plateau selbst ist kahl und schattenlos wie die Felsen von Brunhilde. Droschken giebt es in Bayreuth etwa vierzig, und die Herren Kutscher verweisen den Tarif in die Zeit der Götterdämmerung. Diesen Spaziergang muß Jeder in voller Sonnengluth machen, denn die Vorstellungen beginnen um fünf Uhr Nachmittags, und in Schweiß gebadet erreicht er die Anhöhe. – Aber man denke sich jetzt einen solennen Platzregen oder einen soliden Landregen! Durchnäßt bis auf die Haut – das ist alsdann die Kehrseite der Medaille. Das thut nichts. O nein, gewiß nicht, aber ich möchte doch behaupten, es übt einen sehr bedenklichen Einfluß auf die Stimmung der Zuschauer aus. Zwei große schöne Restaurationslocale sind vorhanden, aber es sitzt der Mensch bei schönem Wetter doch gern im Freien, zumal die Zwischenpausen über eine Stunde dauern sollen, und es ist nicht angenehm, mit nassen Kleidern in der Restauration oder im Theater zu sitzen. Die Idee, das Theater contemplativ und fern vom Geräusche der Straße zu bauen, ist wohl schön, aber ohne Rücksicht auf den Stand des Barometers ausgeführt. Es stempelt das Theater selber zu einem Privilegium für Equipagenbesitzer. So wird man also gezwungen sein, auf dem „Kunstcalvarienberge“ gleichsam zu bivouakiren, um von den Extremen der Witterung nicht niedergedrückt zu werden.

Der bekannte Bau ist einfach, aber stylvoll gehalten. Die Einrichtungen des Zuschauerraumes sind eine Beschämung für der Bau unserer modernen Theater, und würden in den amphitheatralisch aufsteigenden Sitzreihen einige Ecksitze wegfallen, von denen aus man nur die Hälfte der Bühne sieht, so wäre ein vollendetes Meisterstück des Praktischen und Bequemen geschaffen. An jeder Seite führen von dem weiten Foyer sehr bequeme Eingänge zu den Prosceniumssitzen. In zehn Minuten kann der ganze Zuschauerraum sich leeren, und die Bauart ist ganz geeignet, uns einen Ruf der Bewunderung zu entlocken. Kein Kronleuchter! Kein störendes Licht sticht unsere Augen; keine Seitenlogen lenken unsere Blicke ab. Die „Fürstengallerie“ befindet sich ganz oben nach hinten. – Ueber die Bühne und das unsichtbare Orchester kann ich erst ein Urtheil abgeben, nachdem ich einer Vorstellung beigewohnt habe. Das Wenige, was ich in den Verwandlungsnummern gesehen, welche auf der Bühne probirt wurden, geschah ohne Beleuchtung und hatte mehr technische Uebungen zum Zweck.

Zurück zur Stadt bei noch zwei Grad mehr Wärme! Nachmittags nahm ich eine Einladung zu einer Fahrt nach Schloß „Fantaisie“ an und erfrischte meine Nerven an dem wundervollen landschaftlichen Stimmungsbild des herrlichen Waldparkes. Die Copien antiker Bildwerke übten auf mich keinen Reiz aus, desto mehr die trauliche Landschaft und der Rückweg im Waldthale, den wir zu Fuß machten.

Der Tag schloß mit einer freudigen Ueberraschung. Kaum betraten wir die Angermann’sche Unvermeidlichkeit, als ich von allen Seiten meinen Namen rufen hörte. Meine Speciallandsleute, Künstler und Collegen und einige mir befreundete Kaufleute, waren angelangt. In den andern Zimmern ging’s nicht minder laut her. Die Abendzüge hatten Neuangekommene aus allen Theilen Deutschlands herbeigeführt, aber auch aus England, der Schweiz, Italien und selbst Frankreich, und die Sprachen und Dialekte wirbelten durcheinander, wie ein conversationelles Charivari.

Der morgende Tag wird uns zwei Kaiser bringen. Deutschlands und Brasiliens Herrscher.

12. August.     

„Dieser Tag gehört dem Kaiser“ – das war die Parole, und selbst die „Beckmesser“ – verbalinjuriöse Schmeichelei, welche die Wagnerianer der äußersten Linken den Gegnern von der äußersten Rechten machen – also selbst die „Beckmesser“ machten ein Sonntagsgesicht und bildeten – aus „Patriotismus“ – Spalier, als Seine Majestät um fünf Uhr seinen Einzug in die Stadt hielt, die „vor Flaggen und Kränzen kaum zu sehen war“, wie ein patriotischer Berliner in einer Stimmung von + 30 Grad Réaumur sich ausdrückte.

Das übliche und längst sprüchwörtlich gewordene „Kaiserwetter“ that auch heute seine Schuldigkeit. Der Himmel lächelte große Gala, und die Menschen drängten sich auf den Straßen wie bei den respectiven Siegeseinzügen von 1871, als die Kanonen donnerten, welche die Ankunft des Zuges verkündeten, der den Kaiser brachte. Mit dem Kaiser trafen auch die „Civilisten“ ein, das heißt derjenige Theil des Publicums, welcher weder zu den Künstler- noch Schriftstellerkreisen gehört, und – – die Herren Taschendiebe. Einer Dame, welche leichtlebiger Weise ihre Baarschaft in einer sogenannten „Gretchentasche“ trug, wurde dieses allzu sichtbare Portemonnaie abgeschnitten, und neunhundert Mark empfahlen sich auf Nimmerwiedersehen. Dem Sänger Dr. Gunz aus Hannover wurde eine kostbare goldene Uhr nebst Kette unsichtbar. Dem Dichter Mosenthal gönnten die Pickpockets weder die Tantièmen, noch seine Patronatskarte. Diese und fünfhundert Mark trennten sich von ihrem Besitzer. Das geschah Alles auf dem Perron des Bahnhofes oder auf dem Wege zur Stadt.

Eine Stunde vor dem Kaiser war der Großherzog von Weimar eingetroffen. Diesem wurden die artistischen Empfangshonneurs durch Franz Liszt gemacht, der den großherzoglichen Zug in die Stadt, allein in seiner Equipage, wie ein Kunstfürst beschloß, nach rechts und links mit freundlicher Würde den Acclamationen des Publicums dankend. Der Kaiser wurde von [570] den Spitzen der Behörden und vom Imperator Richard Wagner empfangen, und dann zog die lange Wagenreihe durch die Stadt nach dem Schlosse Eremitage hinaus, woselbst Abends noch ein Fackelzug stattfand. Der Kaiser war in Civil. Sein Aussehen erregte geradezu Staunen. In der That und ohne jegliche höfische Schmeichelei: wenn von dem Verjünger des deutschen Reiches behauptet würde, er besäße das Lebenselixir des Grafen Saint Germain, man könnte es glauben. Das offene frische Gesicht, noch mehr aber die männlichfeste und doch leichte Haltung des alten Herrn spotteten seiner Jahre, denen Kriegsstrapazen, Klima und Wetter nichts anhaben konnten. Jeder stimmte in den Jubel ein; es war ja nicht nur ein Held und Kaiser, es war ein rechtschaffener deutscher Mann, wie es deren wenige gegeben hat auf den Thronen und wie sie auch im Alltagsleben nicht gerade allzu dick gesäet sind, dem ein brausendes „Willkommen!“ entgegenschallte.

Die Stimmung erwärmte sich heute Abend mächtig. Es war wie ein Rausch. Das Künstlervolk, die Bürger von Bayreuth, Alles fraternisirte, und im Carneval von Venedig geht es nicht lustiger zu, als am Abend dieses Tages auf den Straßen. Wenn ich für jeden Menschen und für jede Berühmtheit, deren Bekanntschaft ich heute in den hochgehenden Wogen des Enthusiasmus machte, einen Thaler zahlen sollte – ich wäre ruinirt. Die Menschen waren wie die Kinder geworden. Neid und Mißgunst verstummten. Schade, daß so Etwas selten von langer Dauer ist! – –

13. August.     

Heute war denn also der „erste Schlachttag“. Eine Gluthhitze wie bei Waterloo und Sedan, und die Gastwirthe erhöhten zur Feier des Tages ihre Preise um fünfundzwanzig bis dreißig Procent. In dichten Schaaren strömte die Bevölkerung der Umgegend in die Stadt. Es gab ja so Viel zu sehen. Der deutsche Kaiser war gestern angekommen, und der Kaiser von Brasilien kam heute um fünf Uhr Nachmittags an. Mit Rücksicht auf diesen überseeischen Cäsar wurde der Anfang der Vorstellung im Wagnertheater von fünf Uhr Nachmittags, wie es anfangs bestimmt war, auf sieben Uhr Abends hinausgeschoben, und diese Anordnung durch Plakate bekannt gemacht. Schon um vier Uhr Nachmittags aber traten wir die Wallfahrt nach dem „artistischen Calvarienberg“ an, wo das Theater aus der Mitte einer hocheleganten Volksversammlung hervorragte. Die „schwarzen Fracks“, welche man als obligatorisch in der Presse angekündigt hatte, waren freilich, und gottlob, ein Märchen. Aber daß die Toiletten elegant waren, versteht sich von selbst; daß sie zwanglos und bequem waren und ungespreizt, gebot schon die Hitze. Das Plateau, auf welchem das Theater gebaut ist, bot einen hochinteressanten Anblick dar. Zu Tausenden waren die Leute dort versammelt, und bis in die Stadt hinein war der Weg mit Wagen und Fußgängern bedeckt. Die „Auffahrt“ geschah sehr langsam. Der letzte, aber der pünktlichste Ankömmling war der deutsche Kaiser, denn mit dem Glockenschlage Sieben trat er in die „Fürstengallerie“ ein, empfangen vom Jubel des Publicums.

Da saß nun Alles auf seinem Platze. Der amphitheatralische Zuschauerraum von beiden Seiten aus wohlthuend mild beleuchtet. Vor uns die Bühne ohne Souffleurkasten, dann das unterirdische und unsichtbare Orchester. Zwischen diesem und dem Publicum der „mystische Abgrund“. – Eine Fanfare, die aus der Erde zu kommen schien, gebot Sammlung. Eine zweite signalisirte den Beginn der Aufführung; eine Stille, in welcher man das Athemholen hören konnte, trat ein.

Man brauchte kein Enthusiast zu sein und mußte doch die Wirkung jenes unterirdischen Orchesters mächtig ergreifend finden, als da der langgehaltene Ton auf Es das Vorspiel einleitete. Es waren nicht instrumentale Individualitäten, wie wir sie in unseren Theatern gewohnt sind, es war wie eine einheitliche Interpretation und Begleitung, in deren Ganzem die einzelnen Instrumente aufgingen und wo der Totaleindruck der Wirkung einer Orgel noch am nächsten kam. Absolut kein instrumentaler Lärm und Spectakel. Kein Moment im Verlaufe des ganzen Abends, wo die Stimmen und die Sprache der Darsteller nicht zur vollsten Geltung kamen. In dieser Hinsicht, glaube ich, hat Wagner etwas noch nicht Dagewesenes hergestellt und Recht behalten, als er auf den Vorwurf des „Zu viel Blech“ antwortete, die Schuld läge an der Anlage der Orchester in unserm modernen Theater. Ein unbefangener, parteiloser Zuhörer konnte sich dem überwältigenden Eindrucke, den die die Handlung begleitende Instrumentation machte, gar nicht entziehen. Und als der Vorhang auseinander ging (denn die Gardine theilt sich im Wagner-Theater) und die Rheintöchter (die Damen Lilli und Marie Lehmann und Minna Lammert) das so ominös gewordene „Wogela-Weia!“ anstimmten, ging ein Hauch des Staunens durch das ganze Haus ob der wirklich wunderbaren und zugleich melodiösen und charakteristischen Musik und des herrlich ausgeführten Gesanges der Nixen. Franz Liszt hat diese Stelle für den Glanzpunkt gesanglicher Leistung erklärt und behauptet, daß gerade diese vielbespöttelten Wortbildungen einen so mächtigen Eindruck hervorbrächten.

Ich will über die Wahl des Sujets, den Bankerott der alten Götter und seine starken Freiheiten in der Handlung nicht reden. Die Ansichten hierüber gehen auseinander und werden stets auseinander gehen, wo die Menschen auf der Bühne sich mythologische Liturgie herausnehmen, wie es z. B. in der „Walküre“ geschieht. In dieser Beziehung darf und muß ich auf den Text der Dichtung selbst verweisen. Aber ich darf sagen, daß schon in „Rheingold“ eine gesangliche und dramatische Vollendung bei den Darstellern in die Erscheinung trat, wie ich sie nie zuvor gesehen und gehört habe. Was ein Gura (Donner), Betz (Wotan), Vogel (Loge), Hill (Alberich), Schlosser (Mime), Eilers und Reichenberg (Fasolt und Fafner) leisteten, zeigt, daß hier nicht blos zahllose Proben, sondern auch Vertiefungen in den Stoff, Discussionen und Vorträge stattgefunden haben, in Folge welcher die Darsteller sich in ihre Charaktere hineingelebt haben. Und so war es auch. Die Assembleen bei Wagner glichen solchen belehrenden Conversationsabenden, und der Enthusiasmus in diesen Kreisen wurde so groß, daß sich die Herrschaften unter einander bei ihren Bühnennamen anredeten.

Nicht wahr, Richard Wagner wird glücklich gewesen sein ob seines Erfolges? –

Nein. Und zwar leider nicht mit Unrecht, denn wenn ich weit entfernt davon bin, an dieser Stelle eine Parteimeinung über die Richtung Wagner’s zu äußern, so darf ich doch nicht verschweigen, daß die decorative Inscenesetzung, auf welche der Meister einen so starken Accent legt („höchste Täuschung durch Kunst“), manches, ja – Vieles zu wünschen übrig läßt. Mögen die Aufgaben, die er sich in den Verwandlungen gestellt hat, zu groß sein, – die Maschinerie des Ganzen ging matt und zerstückelt von Statten, und geradezu störend wirkten einzelne Dinge, wie das Erscheinen der Schlange, in die sich Alberich verwandelt, die einen komischen Eindruck machte, und ebenso der seltsam placirte und recht häßliche Farbentöne zeigende Regenbogen, auf welchem die „Götter“ am Schlusse nach Walhall wandeln. Mit einem Worte, es „haperte“ oft sehr bedenklich im decorativen Theil der Inscenirung, und der grandiose äußere Erfolg ist der Musik, der Instrumentation und den Darstellern zu verdanken.

Die Stimmung in den artistischen Kreisen war denn auch nach der Vorstellung sehr wenig exclusiv mehr. Wir sprachen auch von anderen Dingen, als von den Nibelungen. Es war ein gedrücktes Gefühl, und mehr als einmal gab man sich den Alltagstrost: „Niemand kann für Malheur,“ wo Alles oft von der Nachlässigkeit oder von einem Fehlgriff eines Theaterarbeiters abhängig ist.

Als man Wagner am Schlusse herausrief, erschien er nicht. Der Hervorruf wuchs orkanartig an; er dauerte mehr als zehn Minuten – zwei Kaiser und diverse andere Monarchen und Notabilitäten warteten in der „Fürstengallerie“ auf das Erscheinen des Meisters. Aber Richard Wagner kam nicht. War es, weil er es als gegen die Etiquette in seinem Theater erachtete? Dann hätte man auf das Unzulässige der Demonstrationen aufmerksam machen müssen. Ich glaube, es war Mißmuth über die Nachlässigkeit, welche die decorativen Momente zeigten.

Fasse ich die Eindrücke dieses Abends zusammen, so mache ich aus meiner Bewunderung des Musikdramas kein Hehl, aber die erwähnten Schnitzer der Inscenirung machten uns Alle gedrückter Stimmung, denn sie beeinträchtigten sogar die Kraft des Urtheils, und ich kann mich lebhaft in die Stimmung eines [571] so heißblütigen Mannes, wie Wagner, hineindenken, der als musikalischer und dichterischer Triumphator eine so starke Verlustliste bei der decorativen Waffengattung zu registriren hat.

Ganz Bayreuth war bis Mitternacht glänzend und geschmackvoll illuminirt. Ein funkelnder Sternenbaldachin wölbte sich über die Landschaft. Raketen stiegen zur Feier des Tages in die Höhe, und vom Himmel wurde das Feuerwerk mit zahlreichen fallenden „Sternschnuppen“ beantwortet. Die Blumen dufteten aus den Gärten lieblich. Es war eine „Götternacht“, und „Wotan“ konnte sich freuen. Wotan-Wagner aber, der dreißig Jahre seines Lebens an das Werden dieser Götternacht gesetzt hatte, konnte wohl mürrisch und verstimmt sein, wo die alten nordischen Götter von – Theaterarbeitern um ihre Illusionskraft gebracht werden können.
Wilhelm Marr.
[584]
Nr. 2 Vom 14.–17. August.


14. August.     

Die Bezeichnung „Sommerfrische“ klingt wie ein Spott, wenn man sie auf unsere Bayreuther Festtage anwenden will. Wenn der Regen in Strömen vom Himmel fiele, so könnte man nicht mehr aufgespannte Schirme erblicken, als sie auf den Straßen gegen die liebe Sonne gebraucht werden. Mein scherzhaftes Bonmot vom „artistischen Calvarienberg“ macht also mit Glück die Runde, und da ich zu den bestaccreditirten Verehrern des Meisters zähle, auch als solcher bekannt bin, so dürfen mich die Torquemadas und Peter Arbues der „Zukunftsmusik“ nicht einmal deshalb verbrennen. Es wäre auch zu heiß, um noch Scheiterhaufen anzuzünden. Ist aber ein „schlechter Witz“ einmal in die Welt gesetzt, so ist er fruchtbar und mehrt sich, und ein grimmiger Gegner Wagner’s will meinen „Calvarienberg“ bereits mit Erbsen pflastern und uns auf den Knieen zum Theater hinaufrutschen lassen. Der Vorschlag war eines Hanslick oder Bernuth oder Gumprecht würdig, aber von diesen Dreien hat ihn keiner gemacht, denn es wäre gefährlich ihn zu machen. In solchen Situationen darf es nur die Selbstironie wagen, die Wahrheit zu sagen, und mein Humor schützt mich vor allem Fanatismus der orthodoxen Wagner-Verehrer.

Das materielle Leben in Bayreuth wird mit jedem Tage schlechter. So weit ich gereist bin, nie habe ich miserabler gegessen und getrunken. Der Mensch, auch der enthusiastischste, lebt nicht allein von „Motiven“ aus Wagner’s Musikdramen. In der Theaterrestauration auf dem „Calvarienberg“ ist es besser. Sie könnten für fünf Mark eine leidlich civilisirte Table d’hôte finden, aber mit Hindernissen, bei welchen, meines Erachtens, die Qualität [585] der Getränke vor Trunksucht schützt. Man wird in Bayreuth also mit Geschick immer mehr entmaterialisirt, und so fuhr ich heute per Droschke zur Table d’hôte auf den Calvarienberg, um wenigstes nicht total kampfunfähig zu sein, wenn die Vorstellung um vier Uhr beginnen würde.

Glauben Sie mir, es erquickt Leib und Seele, wenn nach den materiellen Misèren des Tages das Reich Wagner’s beginnt und nach den Heuschrecken- und Wildhoniggenüssen der Quell dieser seltenen Kunstoriginalität sprudelt. Was poesievoll ist, versteht Freund Wagner auch im Aeußerlichen einzurichten. Kurz vor Beginn jedes Dramas wird das Pubicum durch eine Fanfare zum Eintritt in das Theater aufgefordert, und höchst sinnig wird jedesmal ein „Motiv“ aus dem darzustellenden Stück geblasen. So im Rheingold das „Rheingoldmotiv“, in der Walküre das „Schwertmotiv“, im Siegfried das „Siegfriedmotiv“, in der Götterdämmerung das „Walhallamotiv“. Es setzen uns diese Signale unwillkürlich in eine andere Stimmung. In zehn Minuten ist, dank der vortrefflichen praktischen Einrichtungen, das Haus gefüllt. Zu spät darf Keiner kommen, um die Anwesenden nicht zu stören, und ohne Gedränge füllt und leert sich das Haus.

Die „Walküre“. – Die Fanfare wiederholt sich. Der deutsche Kaiser tritt ein. Ein begeistertes Hoch empfängt den greisen Imperator; er grüßt freundlich zurück; die Lampen verdunkeln sich und das unsichtbare Orchester fällt ein.

Wie ein Orgelton.

Es ist eigenthümlich, wie tolerant ich hier gegen die Gegner Wagner’s werde. Nicht, daß ich muß; die Menschen sind verschiedenartig organisirt und verschieden empfänglich. Das ist es nicht allein. Nein, ich begreife jetzt vollkommen, daß selbst poesievolle und phantasiebegabte Naturen sich ablehnend der Wagner’schen Musik gegenüber verhalten können, denn das ganze Wesen dieser Musik – ist nicht für das moderne Theater gemacht. In diesem ist eine andere Akustik als hier in Bayreuth. Die Blasinstrumente erdrücken den Gesang; es kommen immer neue Einzelheiten zur Geltung, und ich verstehe es vollständig, daß auf der eine Seite die Gegnerschaft eine aufrichtige, auf der andern Seite der Enthusiasmus zum großen Theile ein affectirter sein konnte.

Man sehe und höre die Walküre im Wagner-Theater, und man wird die „unendliche Melodie“ nicht mehr für eine Phrase halten. Man sehe und höre sie in unseren modernen Theatern, und die Gegnerschaft wird vielleicht berechtigter sein als der Enthusiasmus. Eine mächtig anziehende Poesie athmet durch den ganzen ersten Act. In der stark-mythologischen Liebesscene zwischen Bruder und Schwester (Siegmund und Siegelinde) erreichen das Melodiöse und die orchestrale Interpretation ihren Höhepunkt. Wir fühlen uns mitten in die Göttersagen hineinversetzt und rechten nicht mehr mit dem Texte. Der dämonische Gesang der Walküren auf dem Walkürenfelsen im zweiten Acte regt, verbunden mit der Scenerie und dem vielbewegten Leben auf der Bühne, dem Jagen der Wolken, dem Zucken der Blitze, unsere Phantasie so gewaltig auf, daß wir ganz vergessen würden, im Theater zu sein, wenn nicht – in der Scene des bezeichneten Walkürenrittes ganz miserable Pappfiguren als wildes Heer in der „Wolfsschlucht“ vorüberzögen, eine Scene, die in München durch als Walküren verkleidete Reiter zehnmal besser dargestellt wurde. Ueberhaupt hat der Maschinist Brand die vorangegangenen Reclamen nicht gerechtfertigt. Horizont und Himmel, Gewitter und Sturm sind vorzüglich. Der Maschinismus im Uebrigen läßt viel zu wünschen übrig, und die Scene, wo Hunding den Siegmund tödtet, indem das Schwert des Letzteren an Wotan’s Speer zerspringt, ging durch schlechtes Manöver der Wolken total in die Brüche. Ebenso war der „Feuerzauber“ am Schlusse ziemlich bescheiden. Alles Andere, Musik und Gesang, war großartig schön in diesem Theater.

Nach jedem Acte eine Stunde Pause. In abgekühlter freier Luft promenirt man draußen, stärkt sich durch einen Imbiß, plaudert, und der ganze Platz bietet den Anblick einer hocheleganten Soirée à la stella dar.

Die Vorstellung war vorüber. Erschöpft gingen wir zur Stadt zurück. Ich fastete eine Cotelette zum Souper, das ich nicht mehr bekommen konnte, begnügte mich mit Brod und Käse und legte mich zur Ruhe.

15. August.     

„Siegfried“. Heute Morgen reiste der Kaiser ab, aber das „Kaiserwetter“ blieb. Der alte Herr hat ohne jegliche Ostentation alle Herzen gewonnen. Eine Französin von Distinction, welche sonst nicht gerade für uns Deutsche schwärmt, sagte mir doch ganz plötzlich, als sie den Kaiser sah:

„Je comprends, c’est un homme qu’il faut estimer!“

Und ich war so malitiös galant, zu bedauern, daß Seine Majestät dieses „Hochachtungszeugniß“ aus so schönem Munde nicht persönlich habe entgegennehmen können.

Flüchtig sah und sprach ich gestern Abend Liszt im Theater. Es ist erstaunlich, wie dieser grand seigneur der Kunst, je älter er wird – schöner wird. So wenig die Profile einander ähneln, macht die ganze Erscheinung doch einen Eindruck, der an Dante erinnert, als er noch in Florenz weilte und die Düsterkeit des Exils noch keine Wolken auf seine Stirn gelagert hatte. Franz Liszt ist ja so recht eigentlich der Lord-Protector der „Zukunftsmusik“ gewesen, wie Hans von Bülow, der leider nicht hier ist, ihr geistig bedeutendster Kämpfer war.

Daß mit Liszt zugleich Schaaren von Clavierjünglingen und -Jungfrauen nach Bayreuth geströmt sind, versteht sich von selbst. Liszt braucht ja nur zu einem musikalische Nebenmenschen „Guten Tag“ zu sagen, und der „Schüler“ oder die „Schülerin Liszt’s“ ist fertig. Die „Männchen“ sind kenntlich an den langen Haaren à la Liszt, und die „Weibchen“ zeichnen sich durch einen keck-schief aufgesetzten Hut à la Tirolienne aus. Aber auch sonst blitzt manche originelle Erscheinung aus dem Menschengewühl auf. So ein Russe, dessen „Nam’ und Ort“ Niemand kennt, und der – eine Art von Damenfederhut auf dem Kopfe trägt. Ein anderer Quidam, ein Yankee, höchst modern gekleidet, trägt – Sandalen. Was solche exceptionell sein wollende Existenzen eigentlich bezwecken, mögen die Götter wissen.

Zwischen zwölf und ein Uhr annectirten mich zwei Hamburger Kaufleute, ein Paar alte Freude von mir. Ohne Widerstand zu leisten, ließ ich mich in ihren Wagen setzen und wir dinirten leidlich auf dem Calvarienberge, als uns der Champagner verdorben wurde durch das Gerücht, die Vorstellung werde heute nicht stattfinden, indem der Sänger Betz heiser geworden sei. Anfangs sträubte sich Jeder, an die Nachricht zu glauben. Der Castellan des Theaters, bei dem wir anfragen ließen, wußte von Nichts. Da kam ein Bekannter aus der Stadt und bestätigte die Nachricht. Er hatte die Absageplakate selbst gelesen.

„Und Wagner hat bei einer so wichtigen Sache nicht für eventuellen Ersatz gesorgt?!“

Das war die Frage, die ringsum laut wurde.

Ich schließe meine heutige Aufzeichnung mit dem ersten Worte, mit welchem sie begann: Was wir heute nicht zu sehen und zu hören bekamen, war –

„Siegfried.“

16. August.     

Zur gewohnten Zeit, gegen zwei Uhr, fuhr ich wieder den Calvarienberg hinauf, der auch heute ein Blumenbeet von Namen war und wo sogar – die orientalische Frage vertreten war. Die Vertretung hatte eine Dame von junonischer Schönheit am Arme und hieß – Graf Andrassy. Sie sehen also, der Friede ist vorläufig als gesichert zu betrachten. So lange Andrassy in Bayreuth weilt, gehen die Uchatiuskanonen nicht los. Ich habe den Grafen einst auch persönlich gekannt. Das war in jenen Tagen, wo der Strick und die Kugel sich den Patrioten als Verlobte empfohlen, in jenen Tagen schöner, aber gefährlicher Jugend-Illusionen. – Der Graf hat sich wunderbar conservirt. Wenn sein glänzend schwarzes Haar Original und kein Nachdruck ist, so beneide ich ihn darum. Er ist ein vollendeter Elegant, ohne geckenhaft zu sein, und bewegt sich auf dem Boden der Bayreuther Kunstrepublik so sicher, als sei er mit anderen Noten ebenso vertraut, wie mit den diplomatischen. Die Egalité herrscht übrigens vollständig. Man spricht Jeden an und wird von Jedem angesprochen. Die Großherzöge von Mecklenburg und Weimar, die Herzöge von Anhalt und Meiningen promeniren und plaudern unter der Menge und mit ihr. Die schönen Frauen schimmern wie Blumen, obgleich man nicht leugnen kann, es sind eine Menge welker Lilien mit künstlichen Rosen gefärbt darunter. –

„Fragen Sie doch nicht, wer hier ist, fragen Sie: wer ist [586] nicht hier?“ rief ein exaltirter Wiener recht bezeichnend aus.[1] Bodenstedt, , Wilhelmj, Liszt, Makart, Hellmesberger – ich greife auf’s Gerathewohl in’s volle Leben hinein und an allen Fingern sitzen die Namen – Rothschild (der Chef der Wiener Firma).

Apropos, dem Letztgenannten soll bei der Aufführung der „Walküre“ ein Malheur passirt sein. Er kam zu spät und mußte den ganzen ersten Act draußen bleiben, denn sowie die zweite Fanfare geblasen ist, werden die Eingangsthüren geschlossen, damit die Zuschauer durch Nichts mehr in ihrer Illusion gestört werden, damit ihnen kein Ton, kein Wort verloren gehe. Die Freiheit hört auf; die Gleichheit beginnt. Uebrigens ist dies eine neue nachahmungswerthe Strenge.

Mit dem Drama „Siegfried“ – – – (ich muß hier eine Parenthese machen und bemerken, wenn ich es nicht bereits gethan habe, daß das Wort „Oper“ für die Werke Wagner’s gar nicht in Anspruch genommen wird, weshalb denn auch billiger Weise manches müßige Parteigezänk ohne Gegenstand wird) – also mit dem Drama „Siegfried“ verschwindet immer mehr Alles, was an den Charakter des Liedes nur noch erinnern könnte, des Liedes oder der selbstständigen „Melodie“. Die Sänger müssen streng als Schauspieler auftreten; der Gesang wird zur gesungenen Rede, welche wie die Sprache den Tanzrhythmus der Melodie nicht mehr gestattet. Der Gesang bedeutet das Pathos der Rede. Faßt man diese Werke von diesem Gesichtspunkte auf, so haben wir eine große culturgeschichtliche Erscheinung vor uns: die Umgestaltung des Drama. Es wird uns dann leichter, die Harmonie schön zu finden, als wenn wir den Begriff der Oper nicht fahren lassen. Leider wird es nur den Parteien auch in der Kunst leichter zu streiten, als sich ruhig zu verständigen.

Die musikdramatischen Effecte im „Siegfried“ sind großartig, aber sie strengen die Nerven des Zuschauers auf’s Höchste an. Man braucht nur die Herren unseres Berufs der Feder hier anzusehen. Das Schreiben wird ihnen meistens schwer, denn die Hand zittert vor Ueberspannung der Nerven. Der Styl, den die „Paulusse“ des Meisters in ihren Episteln schreiben, gestaltet sich schwülstig; was die „Saulusse“ in die Welt schicken, ist eckig und holperig, und ich behaupte dreist, erst nach Monden wird es möglich sein, beiderseitig eine wirkliche Stellung zu der Erscheinung von Bayreuth zu nehmen.

Denken Sie sich z. B. den „Gesang des Waldvögleins“ im „Siegfried“, den der Held in Folge eines eingenommenen Tropfens Drachenblut versteht. Ein gesungenes Zwitschern mit einer orchestralen Begleitung, das Sie förmlich träumerisch macht. Vorher aber haben Sie die Ausgeburt einer hitzköpfigen decorativen Phantasie gesehen. Einen Kampf mit einem Drachen! Das Vieh kommt wirklich auf die Bühne, und die mächtige Stimme des Herrn von Reichenberg, der durch ein Sprachrohr die Worte, welche der Drache zu sagen hat, singt, dröhnt durch das Haus und macht uns, was der biedere Pappdrache nicht im Stande wäre, „gruselig“. Dann die Geistererscheinung der Mala, die dem Wotan den Untergang der Götter verkündigt. Am Schlusse wieder die Feuerlohe aus der „Walküre“. Siegfried dringt durch die Gluthen, erblickt die schlafende Brunhilde und – „lernt das Fürchten“. Die Schönheit des Weibes macht den Helden zaghaft. Die Fülle von Motiven und Reminiscenzen, welche jetzt aus dem unterirdischen Orchester zum Ausbruch kommen, wie aus einem Vulcane, der klingende Blumen auswirft, ist unbeschreiblich großartig, aber sie ist ein Phänomen, eine Elementarerscheinung, über welche nur die Eitelkeit ein absolutes Urtheil zu fällen sich vermessen kann.

17. August.     

Wie es scheint, geht es bei Richard Wagner nicht ohne eine Schlußdissonanz ab.

Nachdem das letzte Drama des Cyclus, „Götterdämmerung“, mit einem Beifalle aufgenommen war, wie es bei einem so unerhört auserlesenen Publicum noch nie dagewesen ist, sprang am Schlusse der Aufführung ein Enthusiast auf seinen Sitz und forderte die Versammlung auf, dem Meister ein „dreifach donnerndes Hoch“ zu bringen. Was thun? Obgleich Wagner sehr tactvoll erklärt hatte, es würden keine persönlichen Auszeichnungen gewünscht, damit der Rahmen der Kunst völlig sachlich bleibe, „donnerten“ wir drei Mal los, und dieser moralische Zwang, den ich durchaus mißbillige, und mit mir wohl die meisten der Anwesenden, brachte den Meister zum Erscheinen – im Paletot, ganz einfach. Er dankte für die Theilnahme, aber es entschlüpften ihm zum Schlusse die Worte: „Was wir können, haben Sie gesehen. Es liegt in Zukunft an Ihnen, ob Sie eine Kunst haben wollen.“

Das war stark! So generell zu sprechen, als ob bisher der Begriff Kunst nur eine Fabel gewesen wäre! Das Auditorium war geradezu verblüfft, als der Meister wieder abtrat. Zum Glück befanden sich im Hause eine Anzahl Jünglinge, die glaubten, sie brauchten sich für ihr Geld Nichts entgehen zu lassen. Die Bahn des Hervorrufens schien gebrochen und die Nimmersatten machten jetzt einen recht niedlichen Lärm, daß man sich in die italienische Oper versetzt glaubte. „Alle!“ „Capellmeister Hans Richter!“ jodelte es durch den Saal. Aber es kam keiner der Gerufenen, und nachdem der See zehn Minuten „gerast“ hatte, ohne sein „Opfer“ zu finden, floß er in’s Freie.

Meine Mißstimmung ist heute zu groß, als daß ich wieder die Nacht durch schreiben könnte. Der decorative Theil des Drama, auf den Wagner ein so großes Gewicht legt, daß er böse wird, wenn wir ihn für nicht ebenso wesentlich halten, wie seine Dichtung und Musik und wie den Gesang – dieser decorative und maschinistische Theil hatte heute Momente, die erbarmungswürdig waren und auf keiner Bühne vorkommen dürften.

Lassen Sie mich also ein wenig „Mosaik“ plaudern!

Ich habe heute auf dem Corso des artistischen Calvarienberges recht herzlich lachen müssen. Denn das Bayreuther Bühnenfestspiel wird ein Resultat haben, das sich in die Worte zusammenfassen läßt: „Keine Heiserkeit mehr!“ Wer ist jener hochgewachsene elegante blonde Herr? Sänger und Sängerinnen umgeben ihn. Er ist ein Chemiker aus Hamburg und hat – „Bronchial-Pastillen“, glaube ich, heißen die Dinger – erfunden. „Also auch hier ist man nicht sicher vor Johannes Hoff!“ rief ich aus. Da kam ich aber schön an. Niemann, Betz, Siehr, Nachbaur, Franz Abt, Clara Ziegler und unzählige andere Celebritäten schwören „den heiligen Schwur der Rache“, daß die Dinger probat sind, und – gebrauchen sie. Nun, meinetwegen! Der Chemiker ist ein Gentleman; er ist gern gesehen in allen Kreisen unserer Gesellschaft. Franz Liszt soll sich anschicken, der Erfindung seinen Segen zu geben; der Meister soll sie als neues Moment für das Gedeihen der Zukunftsmusik prüfen wollen. Unser Zukunftsdrama-Hofchemiker regalirt die Sänger und Sängerinnen gratis, und mein unverbesserlicher Unglaube, die Erkenntniß, daß ich es nie dahin bringen werde, weder das hohe noch das tiefe C singen zu müssen, treibt mich nun zu der Erklärung: Schön schmecken die Pastillen gerade nicht. –

Da ich heute erfuhr, daß mein Bonmot vom „artistischen Calvarienberge“ in Aller Munde ist, so gebietet es mir das Gerechtigkeitsgefühl, diesem Witze die Spitze abzubrechen. Wagner konnte sein Theater an keinen andern Ort bauen. Der Schloßgarten war ihm zur Verfügung gestellt, allein er brauchte fünfundvierzig Fuß Tiefe zu dem Raume unter der Bühne und man stößt hier bei fünfundzwanzig Fuß auf Wasser. Sogar auf dem „Calvarienberge“ mußten Bergmannsarbeiten vorgenommen werden, um das Grundwasser abzuleiten. Dies zur Steuer der Wahrheit. – Aber noch ein anderes Malheur ist dem Meister hier passirt, ein Malheur, das einen reizenden Stoff zu einer Causerie auf der Bühne geben würde, wenn die Bühne nur nicht stets ein theoretisches Heirathsbüreau wäre. Ich kaufte mir heute die Namensliste der mitwirkenden Kräfte und fand auf der Hausflur einen Briefkasten mit der lateinischen Inschrift „Richard Wagner“. Nun war dieser „Richard Wagner“ der Inhaber einer alten Kaufmannsfirma, und die Briefe der Kunst – da der Meister alle Titulaturen abwirft – gingen mit postalischer Gewissenhaftigkeit bis vor Kurzem in heilloser Confusion an die Adresse des Kaufmanns.

Aber die Uhr zeigt schon wieder Mitternacht. Es ist Zeit, daß ich soupire. Also morgen mehr über die „Götterdämmerung“!

Wilhelm Marr.
[619]
Nr. 3. Vom 18.–23. August.
18. August.     

Ich hole heute das Versäumte nach und bringe Etwas aber die vierte Vorstellung – „Götterdämmerung“ zu Papier. Ich sage „Etwas“, denn ich besitze nicht das „Mordgenie“ so vieler meiner Herren Collegen, von heute auf morgen fix und fertig mit meiner Weisheit vor das Publicum treten zu können. Da wir nun bekanntlich an dieser Stelle nicht polemisiren, so muß ich – auf dem Bayreuther Standpunkte – erklären, daß die Steigerung der dramatischen Wirkung in der „Götterdämmerung“ ihren höchsten Gipfel erreichte und dabei doch, dank den vielfachen Reminiscenzen der musikalischen Motive, dem Publicum und mir selber leichter verständlich wurde, als wir Alle glaubten.

[620] Ich habe das Textbuch vor mir liegen und begreife, daß Wagner zu diesem Texte nicht anders componiren konnte, und ohne im Stande zu sein, aus dem Gedichte auch nur drei Tacte nachzusummen, klingt nur doch der furchtbar düstere Nornengesang aus den gedruckten Worten heraus. Ebenso die Scene zwischen Alberich und Hagen, die nichts geringeres darstellt, als den Traum während eines sogenannten Alpdrückens. Werden unsere Nerven solchergestalt gefesselt, so leistet der Tonmaler in dem Rheintöchtergesang zu Anfang des dritten Actes so anmuthig Liebliches, daß man plätschernde Wellen in Musik und Gesang verwandelt glaubt, und wenn Männer von Autorität, wie Professor Schelle aus Wien und eine Menge Andere, die mit Wagner artistisch nicht auf Du und Du stehen, in der letzten Rede der Brunhilde am Schlusse des Dramas mit das Größte erblicken, „was im musikalisch-dramatischen Aufbau je geleistet ist“, so darf ich armer Feuilletonist, wenn auch fast invalide geworden durch die Anstrengung des Hörens und Sehens, ebenfalls sagen: Ja, es war großartig in seiner Art. Es war eine Erscheinung in der Kunstgeschichte. Ich thue dies um so lieber, als man auf die „Gartenlaube“ in Bayreuth sehr böse zu sprechen war, in Folge ich weiß nicht welcher Notiz dieses Blattes.[2] Die Parteien verlangen ja, daß man blind in ihr Horn stößt.

Item, mit der „Götterdämmerung“ hat Wagner bei den Fachmusikern gewaltige Steine in’s Brett gewonnen, und die Broschüren werden schon gewetzt, die dafür geschwungen werden sollen, wie „Nothung das neidliche Schwert“. Was mich betrifft, so habe ich mich von aller propagandistischen Beeinflussung fern gehalten und denjenigen meiner Freunde, welche, wie ein Spottvogel bemerkte, am Schlusse des Bühnenfestspiels von Wagner heilig gesprochen werden sollen, rundweg erklärt, die „Gartenlaube“ sei keine Arena und ich kein Gladiator. Ich habe hier nur harmlose Fest-Plaudereien bringen wollen und sie daher auf andere Kampfplätze vertröstet. Die kunstgeschichtliche Bedeutung der Bayreuther Tage wird ja nicht mehr bestritten.

Es war mir heute vergönnt, einen Blick in das vertiefte Orchester zu thun, das sich zum Theil bis unter das Podium der Bühne erstreckt. Da stand Capellmeister Richter und dirigirte in bloßen Hemdsärmeln; der berühmte Violinist Wilhelmj ebenso, und alle Orchestermitglieder hatten es sich in gleicher Weise möglichst bequem gemacht. Ein drolliger Anblick, die Künstler so arbeiten zu sehen! Vom Erhabenen zum Komischen nur ein Schritt. Aber was thut es? Man seufzt und stöhnt über die Strapazen und hält aus.

19. August.     

Heute erwachte ich etwas – übernächtig.

Er hat sich ganz gut aus der Klemme gezogen, in welche ihn seine geflügelten Worte bei Gelegenheit des Hervorrufes am Schlusse der „Götterdämmerung“ gebracht hatten.

Ich rede hier von dem Festbankette, das zu Ehren des Meisters in den Räumen der großen Restauration auf dem Theaterplatze gehalten wurde und wo das Essen wieder so mittelmäßig war, wie man es für fünf Mark das Couvert ohne Wein verlangen kann.

Wohl an tausend Theilnehmer hatten sich eingefunden und das Arrangement war insofern vorzüglich, als Wagner mitten unter der Gesellschaft Platz genommen hatte und mit seinem Sitze keinerlei Ostentation getrieben wurde. Der Meister war in der heitersten Stimmung, und die Frau Meisterin (Frau Cosima) hatte ihre Sonntagsliebenswürdigkeit für Alle. Es dauerte denn auch nicht lange, so ergriff Wagner das Wort, um seine vorgestrigen Worte zu schützen, von „Journalisten und Recensenten“ mißverstanden zu werden, indem er erklärte, er habe eine neue Kunst gemeint, die sich von fremden Einflüssen emancipirt hätte und specifisch deutsch bleibe. Damit löste sich die Dissonanz denn wieder in ein harmonisches Wohlgefallen auf, denn die anfängliche Stimmung bei dem Festbankette war eine ziemlich verlegene. Als später Wagner nochmals das Wort ergriff und ein Hoch auf Franz Liszt ausbrachte, dem er, wie er mit gerührter Stimme betonte, Alles verdanke, brauste der Jubel rückhaltslos. Es redeten auch Duncker aus Berlin, dieser mit Vorbehalt, da die Zukunft erst entscheiden müsse, und nach ihm Graf Appony in magyarisch schwungvoller Begeisterung. Auch Liszt sprach einige wenige Worte, die mit einer Umarmung Wagner’s endeten.

Jetzt entsteht eine allgemeine Bewegung in den Sälen. Ein silberner Lorbeerkranz ist von Frau Lucca aus Italien angekommen. Die Baronin von Schleinitz setzt ihn dem Meister auf’s Haupt und führt diesen durch den Saal. Hier zeigte Wagner, wie liebenswürdig er sein kann, wenn er will. Er scherzte über die ihm widerfahrene Ehre und setzte den Kranz zeitweilig seiner Begleiterin auf’s Haupt, welche bekanntlich in der Wagner-Partei das ist, was Jeanne d’Arc zu Karl’s des Siebenten Zeit war: die Bannerträgerin des Zukunftsdramas.

Mein Tischnachbar war ein von seinen Landsleuten im Gedränge getrennter französischer Journalist, M. Jules de Brayer. Die Höflichkeit gebot mir Reserve gegen den Franzosen, aber dieser legitimirte sich als ein warmer Verehrer Wagner’s und sprach unverhohlen seine Freude darüber aus, daß die Kunst auf deutschem Boden auch das Feindschaftsgewächs von 1870 entwurzeln werde. Es war das erste und letzte Mal, daß ich in Bayreuth von Politik sprach. Die alte Wahrheit! Auf neutralem Gebiete (hier auf dem der Kunst) verständigen sich die Menschen immer sehr leicht.

20. August.     

„Erholungstage“ heißt hier der Zeitraum, der zwischen jedem Cyclus der Vorstellungen liegt. Ich kann diese Bezeichnung nicht zutreffend finden, denn die Gespräche über das Gesehene und Gehörte gestalten sich in den Erholungstagen noch animirter. Aber es tritt ein Decorationswechsel in der Gesellschaft ein. Die Kaiser und Könige sind abgereist. Mit ihnen, ausgenommen die allerdings noch sehr zahlreichen Patronatsherrschaften, auch eine Menge Namen von Berühmtheit. Die zweite Serie brachte neue Menschen, neue Namen. Wir älteren Bewohner Bayreuths finden Muße, auch hier und da einen Blick nebenher und nebenhin zu werfen, wozu uns die Sturm- und Drangperiode des ersten Cyclus keine Zeit ließ.

Täuscht mich mein Ohr nicht? Die Kinder auf den Straßen pfeifen und singen Motive aus dem „Ring der Nibelungen“. Wahrscheinlich haben sie dieselben von der artistischen Einquartierung aufgeschnappt. Am Ende zwitschern die Sperlinge auf den Dächern noch das Waldvöglein-Motiv aus „Siegfried“. Ist es ja doch, als ob eine artistische Epidemie in der Stadt herrschte. Ein ehrsamer Schullehrer hatte im „Siegfried“ die stumme Rolle des Bären übernommen und mimte, in ein Bärenfell gesteckt, auf allen Vieren ganz vorzüglich. Die Turner arbeiten im „Rheingold“ als Nibelungen mit, und zwar brillant. Eine Schaar kleiner Kinder von vier bis sechs Jahre wirkt mit in „Götterdämmerung“ im Hochzeitszuge des Siegfried. Es ist dies ein von Fricke aus Dessau wunderbar poesievoll arrangirtes Bild. Die tänzelnde Kinderschaar säuselt ganz flüchtig, wie Blumen vom Winde getrieben, nur einmal über die Scene, aber der Eindruck ist berauschend schön. Ueberhaupt ist das schauspielerische und Regiewesen in den Vorstellungen das Höchste, was je geleistet worden ist. Eine Scene, wie die zwischen Alberich und Hagen (Hill aus Schwerin und Siehr aus Wiesbaden) kann man geradezu als akademisch-dramatisch bezeichnen. Niemann’s Siegmund in der „Walküre“ ist von imponirender Wirkung. Und die Chöre sind im Arrangement nie, auch nicht annähernd so großartig in Scene gesetzt worden, wie es hier der Fall war in „Götterdämmerung“.

Ich benutzte heute den Erholungstag, um Siehr, den eben genannten Bassisten, zu besuchen. Er wohnt in einem – Irrenhause, uns gegenüber ist das Zuchthaus, in welchem eine Anzahl Orchestermitglieder residiren – mit Kullmann unter einem Dache. Eine köstliche Ironie des Zufalls! Aber es wohnt sich in beiden Gebäude bequem und kühl; die Verwaltung derselben vermiethete Zimmer an Jedermann in Bayreuth.[WS 1] Auch Niemann hat Chambregarnie im Irrenhause genommen, und so kann ich denn die Thatsache nicht leugnen, daß mich mein Aufenthalt in Bayreuth ebenfalls, wenn auch nur auf ein paar Stunden, in’s Tollhaus geführt habe. –

22. August.     

Doch der Mensch soll nicht renommiren. Ich befand mich heute so abgespannt, daß ich das Theater versäumen mußte und beinahe in der Stimmung bin, einen Leitartikel zu schreiben. Auch wird es in unseren Kreisen öder. Die meisten Berichterstatter [621] der Zeitungen sind nach dem ersten Cyclus wieder abgereist. Der schöne Champagnerschaum der Spannung, der uns Alle umsprudelte, ist gefallen. Unsere Kehlen sind heiser; so oft und so viel haben wir uns ausgesprochen. Die Empfangsabende beim „Meister“ in der Gluthhitze gestalten sich auch nur zu einem Ein- und Ausgehen und geben nur Anlaß, die Riesennatur Richard Wagner’s zu bewundern, der ein neues Werk, „Parcival“, vollendet hat und in seiner Sphäre so munter und lebendig bleibt wie der Fisch im Wasser. Oft glaube ich, die Nervenstränge dieses Mannes bestehen aus Baßgeigensaiten, seine Adern aus metallenen Posaunenröhren und seine Herzkammern aus zwei Pauken. Und dabei äußerlich keine Spur von Ermüdung. Stets activ, ohne Ruhe und Rast. – Wenn nur die Hälfte von dem wahr ist, was man mir von seinen Proben erzählt hat, wie er die Sänger, Musiker, Arbeiter geschult und gedrillt hat, so könnte er den seligen Herrn Sisyphus ablösen; er brächte den Stein gewiß über den Berg.

23. August.     

Es ist vollbracht. Mit dem heutigen Abende ging der zweite Cyclus zu Ende. Die Aufführung der „Götterdämmerung“ war eine vollendete. Uns Allen kam diese seltsame Tonschöpfung heute merkwürdig verständlich vor. Das Wort „populär“ wage ich nicht zu gebrauchen, obschon es die Exaltados im Munde führen, allein, einmal entschlossen, keinen Vergleich mit der Oper anzustellen, sondern das Werk schauspielerisch-musikalisch aufzufassen, möchte ich beinahe die Behauptung aussprechen, „Götterdämmerung“ sei das am leichtesten zu fassende der vier Musikdramen.

Am Schlusse der Vorstellung brach ein Jubel aus, der – nach der Uhr gesehen – über zehn Minuten dauerte. Man wollte den Meister sehen, trotz seines Decrets, daß im Interesse der künstlerischen Einheit keine Demonstrationen stattfinden sollten. Also einfach eine Enthusiasmusrebellion, und die Damen waren die ärgsten Rebellen. Die Rebellion besaß zwar Tact genug, keinen Namen zu rufen, aber das Bravo und die Hochs wollten kein Ende nehmen.

Endlich öffnete sich die Gardine, und Richard Wagner erschien.

Athemlose Stille.

Der Meister bleibt in der Oeffnung der Gardine stehen, blickt nach rechts und links, macht ein Gesicht, das ganz deutlich zu sagen scheint: „Ich habe Euch ja erklärt, daß ich solche Demonstrationen verboten habe,“ und tritt mit einer stummen Verbeugung ab.


Es möge mir jetzt gestattet sein, aus dem Rahmen des „Tagebuches“ herauszutreten, um diesen Rahmen von Aufzeichnungen, Eindrücken und Arabesken durch ein übersichtlicheres Bild auszufüllen.

Den Mittelpunkt desselben bildet natürlich Richard Wagner selbst, obgleich er, verhindert, durch seine artistische Thätigkeit, welche ihn fast unausgesetzt in Anspruch nimmt, nicht so individuell scharf hervortritt, wie man wohl zu glauben versucht ist. Sein Aeußeres hat sich – man darf es sagen – zu seinem Vortheile verändert. Der verbissene, zusammengekniffene Mund ist weicher geworden; die stechenden Augen schillern mehr in Bonhomie hinein; der ganze, früher so scharfkantige habitus zeigt mehr Glätte als sonst, als hätte „Wahnfried“, wenn auch den „Frieden“ selbst noch nicht, so doch den Weg zum Frieden gefunden. Eines ist unbedingt an dem merkwürdigen Manne anzuerkennen, daß er nicht „Pose“ lebt, wozu die Huldigungen von Kaisern und Königen, Fürsten und künstlerischen Celebritäten doch so leicht verführen. Er hat sich im Umgange und in der Conversation die ungenirteste Natürlichkeit bewahrt, und diese ist durchaus nicht eine gesuchte.

Das Amt des „Repräsentirens“ hat Frau Cosima, die Tochter Liszt’s, übernommen. Diese Dame ist für den Meister eine wahre Perle; sie ist eine Arbeitskraft; sie erfüllt in der Gesellschaft für ihn alle Formen, zu deren Erfüllung ihr Mann nicht immer Zeit und Lust hat. Sie hat ein merkwürdiges Talent, ein echt französisches Talent, Jedermann irgend ein paar Worte zu sagen, über die man sich freut, und ein Dutzend Gespräche auf einmal zu leiten. Aber man sieht es ihr an, daß sie ihr eigentliches Element in den Kreisen der haute volée lieber erblickt, als in den Künstlerkreisen, und daß sie des Weihrauchs nicht entbehren kann. Man ist nicht ungalant, wenn man behauptet, sie sei auf ihren Mann noch mehr eitel als stolz. Es ist dies Frauenart. Die Damen lieben es, die Situation zu beherrschen, und wenn sie es können, ohne sich Blößen zu geben, so ist es verzeihlich.

Franz Liszt, untrennbar von den beiden Genannten, bildet gleichwohl einen Contrast zu seiner Tochter Frau Cosima. Auch ihm ist der „Hofsonnenschein“ Bedürfniß. Er ist ein musikalischer Tasso, der ohne platonische Leonoren nicht existiren kann. Aber Liszt hat sich in dieser Atmosphäre der Verwöhnung einen bezaubernd liebenswürdigen Charakter bewahrt, dessen Liebenswürdigkeit nie eine gesellschaftlich gezwungene ist. Sein ganzes Wesen ist in der That das eines Grandseigneur der Kunst.

Dies ist das Dreigestirn, welches man den Mittelpunkt der Gesellschaft zu Bayreuth nennen könnte, wenn nicht das ganze Leben und Treiben eine solche kunstrepublikanische Zwanglosigkeit zeigte, daß von einem directen Einfluß der drei Hauptpersonen im Kaleidoskop der Bayreuther Gesellschaft keine Rede sein konnte.

In „Villa Wahnfried“ findet allwöchentlich ein Empfangsabend statt, der selbstverständlich in der Bühnenfestspielzeit mehr von den Mäcenen als von den ausübenden Künstlern besucht wird. Frau Cosima vereinigte hier ihren weiblichen Generalstab, an der Spitze die Baronin von Schleinitz und die Verehrerin Liszt’s erster Classe, Baronin von Meyendorf aus Weimar. Um diese gruppiren sich dann Damen, wie die Comtesse Usedom, die Gemahlin des italienischen Ministers Minghetti, eine neapolitanische Schönheit, die französische Schriftstellerin Madame Catulle Mendès, eine Tochter Theophile Gautier’s etc. Eine gewisse exclusive Färbung läßt sich hier allerdings nicht wegleugnen.

Desto „aufgeknöpfter“ erscheint das Herrenpublicum. Die ungarischen Grafen Festetics und Appony, die Maler Meyerheim und Makart (dieser hat Wagner sein Gemälde „Das ägyptische Mädchen“ zum Geschenk gemacht, ein königliches Geschenk, denn für das Bild ist die Kleinigkeit von dreißigtausend Gulden geboten und ausgeschlagen worden), die Musikschriftsteller Richard Pohl, Schuré, der Leibarzt des Khedive von Aegypten, ein Dr. Sachs, der seinem Namen ein „Bey“ angehängt hat, der berühmte Chirurg und Anatom Esmarch, der bekannte Banquier Plato aus Berlin etc. bilden ein stehendes Corps an den Empfangsabenden.

Aber dennoch verschwindet deren sociale Bedeutung, weil der Hauptmagnet das Theater ist und bleibt. Doch darf eine Persönlichkeit aus dem Generalstab des Meisters nicht unerwähnt bleiben. Es in dies der Rentier Feustel aus Bayreuth selbst, die administrative Seele des ganzen Unternehmens. Ein stattlicher, ernsthafter Herr und durchaus frei von den Eigenthümlichkeiten sogenannter Theaterenthusiasten, wie denn Wagner wirklich das seltene Glück gehabt hat, daß sich fast durchweg Ausnahme-Naturen von Anfang an für sein Unternehmen erwärmten. Aber, wie gesagt, ein compacter gesellschaftlicher, tonangebender Mittelpunkt konnte sich in der artistischen Republik, die in der Festspielzeit von selbst entstand, nicht bilden, und es ist nicht ohne Interesse, zu constatiren, daß die meisten Stammgäste von „Villa Wahnfried“ von diesem Sammelplatz aus das Angermann’sche Bierlocal aufsuchten und sich sehr gemüthlich demokratisierten. War „Villa Wahnfried“ das „Capitolium“ des Senats, so blieb die Angermann’sche „Kneipe“, das „Forum“, wo die „Senatoren“ am häufigsten anzutreffen waren.

Auffallend schwach war in der Gesellschaft die hohe Finanzwelt vertreten, obgleich sie sich an der Zeichnung von Patronatsscheinen betheiligt hatte. Vermuthlich ruhte sie in den Bädern von den Börsenstrapazen aus und hatte über ihre Karten zu Gunsten Anderer verfügt. In Summa könnte man, um das gesellschaftliche Bild zu kennzeichnen, dasselbe ganz passend eine „Molecularbewegung“ nennen. Menschen mit bekannten Köpfen tauchten auf und verschwanden, um wieder aufzutauchen. Die mangelhaften Localitäten verboten sogar, daß sich bestimmte Personen bei Tische regelmäßig zusammenfanden, wie es in Badeorten zu geschehen pflegt. Die Bayreuther Gesellschaft war das Bild der ewigen Unruhe: sie fieberte, wie die Klänge der „Zukunftsmusik“ selber.

Damit gelangen wir denn zu einem Schlußblicke auf das Kunstwerk.

Wenn ich wiederholt bekenne, daß ich an die Einbürgerung dieses Kunstwerks auf unseren Bühnen nicht glaube, oder, falls [622] sie doch zeitweilig versucht werden sollte, nur eine vorübergehende Modesache darin erblicken würde, so wird man mich nicht zu den Fanatikern zählen, die in Bayreuth bereits das Bethlehem der neuen Kunstreligion bejubeln. Das Werk imponirt und muß imponiren. Aber vom „Hosiannah!“ bis zum „Kreuzige!“ ist nur ein Schritt. Wie es in der Dichtung einen Sprung in die uralten Göttersagen zurück macht, so eilt es in seinen Anforderungen an die Darstellung in solche Zukunftsfernen, daß die alte culturgeschichtliche Erscheinung sich auch hier bewahrheiten wird – daß wie in der Politik, so auch in der Kunst die Revolutionen ihre Ideale nie verwirklichen. Es ergreift uns das unsichtbare vertiefte Orchester gewaltig, aber welcher Zeit bedarf es, die Sänger auf der Bühne mit dieser orchestralen Begleitung in den richtigen Rapport zu setzen! Der Sänger declamirt singend. Das Orchester geht seinen Weg nebenher, schließt sich dem Gesange zwar an, bleibt aber in einer größern Selbstständigkeit, als die Gewohnheit des Publicums es zuläßt. Man brauchte auf dem Festplatze nur die abgehärtetsten Wagner-Enthusiasten in der Erholungsstunde anzusehen; um zu begreifen, daß der Kampf des gesungenen Drama mit dem recitirenden noch weit, weit davon entfernt ist, – ein „nationaler“ zu sein. Das Wagner’sche Kunstwerk ist eine großartige Erscheinung, welche aus der Nation hervorgegangen ist wie ein Meteor. Ob sie aber in die Nation, diese national durchdringend, getragen wird, muß ich bezweifeln. Der Enthusiast sagt guten Glaubens: Ja. Der Culturhistoriker und – der Physiologe werden Nein sagen.

Ich persönlich und die meisten Wagnerianer können zwar die Behauptung nicht unterschreiben, daß Wagner „den Schwerpunkt in’s Orchester verlegt“. Aber wer mit der Theorie nicht vollständig vertraut ist, wird allerdings ein Recht zu dieser Behauptung haben, und in der That, die Instrumentation wird selbst von den Anhängern Wagner’s in ihren Schriften und Reden unwillkürlich am meisten betont. Von einzelnen kleinen Phantasiescherzen, wie der singende Drache, schweigt man lieber, oder sagt ganz ehrlich und gerade hinaus: Solche Kurz- und Spielwaaren-Buhmänner sind dem modernen Schönheitsgefühl nicht sympathisch. Wir „graueln“ uns bei ihrem Anblicke doch nicht, die wir uns kaum bei Delmonico’s fünf lebendigen Löwen im Circus „graueln“, und wir müssen in der That verstummen, wenn uns die Antiwagnerianer fragen: „Warum singen die Bäume, die Stühle und die Tischfüße nicht auch?“

Habe ich mich in meinen Tagebuchaufzeichnungen dem Zauber und den Eindrücken des Augenblicks willig überlassen, so darf ich in diesen Schlußworten dem deutschen Volke nicht die Zumuthung stellen, dieser großartigen Erscheinung bereits die nationale Bürgerkrone zu geben, denn wir stehen bis jetzt noch sehr vereinzelt da, und die Geschichte macht keine Riesensprünge. Es wird diese Erscheinung in Bayreuth ihr Gutes und Segensreiches in der Praxis haben. Sie wird dazu beitragen, die Trivialität aus der Oper immer mehr zu verbannen, ob sie aber Aussicht hat, das recitirende Drama zu verdrängen, das muß – ganz bescheiden ausgedrückt – abgewartet werden.

Und nun – Hand auf’s Herz! – hatten wir Alle in Bayreuth die nothwendige Sammlung, Muße und Stimmung, um wirklich zu prüfen? – Nein. Die ganze Erscheinung war eine zu exotische dazu. Wie sie mich und tausend Andere berauschte, machte sie Manche verbissen, und ich komme immer wieder darauf zurück: vor der Hand haben wir es mit einer kunstgeschichtlichen Erscheinung zu thun.

Eine solche sind auch die berühmten, alle zehn Jahre sich wiederholenden Oberammergauer Passionsspiele. In ähnlichem Sinne kann auch der „Ring der Nibelungen“ sich einbürgern und wird es, wenn ihm das nöthige Mäcenatenthum und die opferfreudigen mitwirkenden Kräfte, welche in Bayreuth sich eingefunden hatten, nicht fehlen.

In den Annalen der Kunstgeschichte werden die Tage von Bayreuth einen hervoragenden Platz finden. Der reale Erfolg für die Zukunft wird abzuwarten sein.
W. Marr.
  1. Eine treffende Antwort auf diese Frage findet der Wiener unseres Herrn Referenten in dem geistvollen Artikel von Karl Frenzel in Nr. 389 der „National-Zeitung“.
    D. Red.
  2. Diese Notiz (in Nr. 31) bestritt die nationale Bedeutung des Bayreuther Unternehmens, ein Protest, den wir auch heute noch aufrecht erhalten müssen.
    D. Red.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. vergl. dazu Erklärung