BLKÖ:Zay von Csömör, Marie Elisabeth Helene Gräfin

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Zaytz, Giovanni
Band: 59 (1890), ab Seite: 227. (Quelle)
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Zay von Csömör, Marie Elisabeth Helene Gräfin (deutsche Dichterin, geb. zu Tóth-Próna Ungarn am 23., nach Anderen 25. Februar 1779, gest. zu Oedenburg 1. April 1842). Sie ist eine geborene Freiin von Calisch. Ihr Vater Johann von Calisch, ein schlesischer Edelmann, war in Ungarn begütert, und die Mutter Johanna geborene Prónay, gehörte einer angesehenen Ungarfamilie an. Vater und Mutter bekannten sich zur evangelisch-lutherischen Confession. Der Name Calisius, unter dem die Familie Calisch öfter erscheint, ist nur die in Ungarn früher oft gebräuchliche Latinisirung des Eigennamens. Gräfin Marie erhielt im Elternhause eine vortreffliche Erziehung, an welcher sich ausgezeichnete Pädagogen, Johann Genersich [Bd. V, S. 133] und der Superintendent Johann Wächter [Bd. LII, S. 36] betheiligten. Indessen, obwohl sie von Natur sehr lebhaft und reizbar war, entwickelten sich ihre geistigen Anlagen nicht eben nach Wunsch der Eltern, und ein schmerzliches Augenleiden förderte auch ganz und gar nicht das Erziehungswerk. Doch kam sie in Erlernung der Sprachen ziemlich vorwärts, da ihr Vater sie dieselben nach der Campe’schen Methode nicht grammaticalisch lehrte, sondern die Fehler ihrer Aufsätze ohne weitere Belehrung so lange verbesserte, bis sie dieselben endlich mechanisch vermied. So erlernte sie außer ihrer Muttersprache, der ungarischen, mit ziemlicher Fertigkeit das deutsche, slavische und französische Idiom. Dabei besaß sie große Leselust, doch wurde ihre Lecture strenge überwacht, Romane kamen ihr nie in die Hände, wohl aber Reisebeschreibungen, Gedichte u. d. m. Obwohl sie eigentlich keine poetische Begabung verrieth, schrieb sie schon in sehr jungen Jahren ein kleines Drama: „Die dankbare Tochter“, das aber verloren ging. Auch musicalisch nicht veranlagt, brachte sie es doch im Pianospiele zu großer Fertigkeit, spielte mit Ausdruck und fand in Mozart ihr musicalisches Ideal. Nachdem sie im Mai 1794 in Wien, wohin sie im Herbst 1793 mit ihren Eltern übersiedelt war, eine sehr schmerzliche Augenoperation mit großer Standhaftigkeit ertragen hatte, kehrte sie im Frühling 1795 mit den Ihrigen auf ihr Landgut zurück und heiratete 1796, im Alter von 17 Jahren den österreichischen Kammerherrn Emmerich Freiherrn von Zay, den Sproß einer höchst angesehenen und uralten ungarischen Adelsfamilie. Das junge Paar nahm seinen Winteraufenthalt in Oedenburg, wohnte aber den Sommer über auf seinem Landgute Bucsán. Die Bekanntschaft mit M. Therese von Artner [Bd. I, S. 73], wozu sich später noch jene mit Marianne Neumann von Meißenthal [Bd. XX, S. 279] und zuletzt mit Karoline Pichler [Bd. XXII, S. 242] gesellte, bildete einen wahren Lichtpunkt im Leben dieser begabten, aber ebenso schüchternen als zu schriftstellerischem Schaffen nichts weniger als geneigten Frau. Indessen brachte ein unglückliches Familienereigniß große Veränderung in ihrer Familie hervor. Ihres Gatten jüngster und geistvoller Bruder Siegmund starb in der Blüte der [228] Jahre, und Marias Gatte, wie ihr noch unmündiger Sohn Karl (geb. 1797) waren die letzten Sprossen ihres Geschlechtes, sonach fiel die Herrschaft Zay-Ugrócz im Trencséner Comitate Ungarns Ersterem als Erbschaft zu. Nun lebte sie mit ihrem Gatten abwechselnd in Zay-Ugrócz, Bucsán, Oedenburg, wo sich überall um das edle Gattenpaar ein Kreis auserlesener Menschen versammelte. Wir nennen aus demselben den Obersten von Steigentesch, Baron Medniansky, Grafen Salm, Baron Ocskay, Grafen Majláth. Unter solchen Umständen erwachte Mariens Schaffenstrieb, und es entstanden kleine Lustspiele, Erzählungen u. d. m., wobei sie aber nie an eine Veröffentlichung derselben dachte. Später gesellten sich diesem Kreise noch General Jetzer [Bd. X, S. 173] und Grillparzer zu. Ein brieflicher Verkehr mit dem k. k. Appellationspräsidenten Grafen von Enzenberg, durch einen Aufsatz des Letzteren über Viehzucht eingeleitet, vervollständigte die geistigen Genüsse der geistvollen, aber immer etwas kränkelnden Dame. Dabei führte sie den Zeichenstift mit großer Gewandtheit und erwies sich als Gutsfrau in einer Zeit, wo die Aerzte auf dem Lande noch dünn gesäet waren, wie eine hilfreiche Fee in den Wohnungen ihrer Unterthanen. Um aber wirklich helfen zu können, las sie mit allem Eifer auch Medicinisches, und Magnetismus wie Homöopathie waren Gebiete, auf denen sie sich werkthätig zeigte. In der Vorhalle auf dem Ugróczer Schlosse und in ihrem Vorzimmer in Bucsán ging es zu, wie in den Vorzimmern der gefeiertesten Aerzte der Gegenwart, es wimmelte von Kranken und Hilfesuchenden, aber auch von Armen und Dürftigen, für welche sie immer Spenden bereit hielt. Von ihrer schriftstellerischen Beschäftigung – die immer nur sprungweise und nie mit der Absicht, etwas drucken zu lassen, geübt wurde – sprachen wir bereits. Ihre ersten Arbeiten reichen bis 1813 zurück, dann entstanden mehrere in den Jahren 1815 und 1816; im Druck erschienen aber die ersten 1818 im „Sammler“ und in der Schikh’schen Wiener „Modezeitung“, zuletzt gesammelt in 3 Bändchen und unter dem Pseudonym ihres einfachen Taufnamens Maria, erst auf dem dritten nannte sie sich mit ihrem ganzen Namen. Die Titel dieser Schriften sind: „Feierstunden. 1. bis 3. Bändchen“ (Brünn 1820–1823, Traßler, gr. 8.°) 1. Bändchen: Erzählungen, 1. Theil: „Die Prise Tabak“; – „Iwan und Ilena“; – „Opfer und Lohn“; – „Die Seereise“; – 2. Bändchen: Lustspiele: „Die drolligen Wirthe“; – „Der Schooshund“; – „Die geheilte Eifersucht“; – „Das Bild“; – „Der unsichtbare Liebhaber auf der Probe“; – 3. Bändchen: Erzählungen, 2. Theil: „Wie die Saat, so die Ernte“; – „Vergehen und Sühne“; – „Die Grabesbraut“; – „Das große Loos“. Dann folgten noch ein 4. und 5. Bändchen unter dem Titel: „Neue Erzählungen“, 1. und 2. Theil. Von anderen in Zeitschriften erschienenen Arbeiten aus ihrer Feder ist mir nur noch bekannt: „Die Bergfahrt“. Seit vielen Jahren leidend, nach dem Tode ihres Gatten allmälig allen Verkehr einschränkend, zog sie sich, nachdem sie ihrem Sohne die Güter übergeben, nach Oedenburg zurück, verlebte aber die Sommermonate mit ihren Kindern und Enkeln auf dem Lande. Dabei aber machte ihr Brustleiden immer weitere Fortschritte, bis sie ein sanfter Tod von demselben erlöste. Frau Karoline Pichler gibt ein anziehendes Bild der [229] ebenso geistvollen als anspruchslosen Dame und des geistigen Stilllebens mit deren wenigen, aber auserlesenen Freunden und Freundinen.

Brümmer (Franz). Deutsches Dichter-Lexikon. Biographische und bibliographische Mittheilungen über Dichter aller Zeiten. Mit besonderer Berücksichtigung der Gegenwart (Eichstätt und Stuttgart 1877, Krüll’sche Buchhandlung, schm. 4°.) Bd. II, S. 531. – Frankl (Ludw. Aug.). Sonntagsblätter (Wien, gr. 8°.) I. Jahrg., 14. August 1842, Nr. 33: „Nekrolog“. – Goedeke (Karl). Grundriß zur Geschichte der deutschen Dichtung. Aus den Quellen (Hannover 1859 u. f., Ehlermann, gr. 8°.) Bd. III, S. 690 und 846. – Pichler (Karoline). Sämmtliche Werke (Wien, 12°.) 60. Bändchen. S., 38 u. f. – Schindel (Karl Wilh. Otto Aug.). Die deutschen Schriftstellerinen des neunzehnten Jahrhunderts (Leipzig 1825, Brockhaus, 12°.) Bd. II, S. 470–485.