BLKÖ:Wurmbrand-Stuppach, Johann Wilhelm Graf
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich | |||
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Band: 58 (1889), ab Seite: 306. (Quelle) | |||
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[WS 1] Linie. Der erstgeborene Sohn des Freiherrn Johann Eustach und Maria Isabellas Freiin von Speidel. Die österreichische Linie der Wurmbrand, welcher Johann Wilhelms Vater angehörte, war in den stürmevollen Zeiten der damals in Oesterreich üblichen Religionsverfolgungen aus Anhänglichkeit an die neue von Luther gestiftete Lehre in Verbannung außer Landes gegangen. Als dann die in Religionssachen mildere Gesinnung des Kaisers Leopold I. vielen Edlen die Rückkehr in die Heimat ermöglichte, befand sich auch Johann Wilhelms Vater, Graf Johann Eustach, unter ihnen und erhielt von diesem Monarchen von den der Familie gehörigen Gütern diejenigen wieder zurück, welche noch nicht vergeben waren. Indessen bereitete sich Johann Wilhelm auf der Hochschule zu Utrecht, welche, obgleich damals nicht viel über ein halbes Jahrhundert alt, sich doch des Rufes, ausgezeichnete Lehrkräfte zu besitzen, erfreute, für die Laufbahn im Staatsdienste vor und veröffentlichte, nachdem er seine Studien beendet hatte, seine erste Schrift: „Forum sacri imperii romano-gemanici principum“ (Utrecht 1692 und Leipzig 1733, 4°.). Frühzeitig trat er in den Staatsdienst und fand nach dem vorschnellen Tode seines Vaters, welcher, erst 42 Jahre alt, das Zeitliche segnete, während dessen ältester Sohn erst 17 Jahre zählte, in dem Grafen Dominik Andreas Kaunitz, des berühmten Staatskanzlers Großvater, der, selbst ein gewiegter Diplomat, sein Genie als solcher durch den Abschluß des Ryswyker Friedens (1697) bewiesen, einen liebevollen und welterfahrenen Leiter seiner Jugend. Er wurde am, 2. December 1697 zum wirklichen Reichshofrathe befördert und sofort in seine Stelle eingeführt, im Jahre 1708 von Kaiser Kaiser Joseph I. in dieser Würde bestätigt und zum Kämmerer ernannt, dann nach Josephs frühem Tode zu der am 12. October 1711 vorgenommenen neuen Kaiserwahl nach Frankfurt a. M. abgeordnet, endlich von Kaiser Karl VI. in seinen Aemtern als Reichshofrath [307] und Kämmerer bestätigt und im Mai 1716 zum geheimen Rathe erhoben. 1722 kehrte er mit seiner ganzen Familie in den Schoos der katholischen Kirche zurück und erhielt noch im November desselben Jahres die Vicepräsidentenstelle des Reichshofrathes. 1723 ward er während der Abwesenheit des Kaisers in Prag Mitglied des in Wien deputirten geheimen Rathscollegiums und am 29. Jänner 1728 Präsident des Reichshofrathes. In dieser Eigenschaft leitete er in Gemeinschaft mit dem Reichs-Vicekanzler Grafen von Metsch alle Reichsgeschäfte am kaiserlichen Hofe. Seine vieljährige Thätigkeit beim Reichshofrathe führte ihn in den Kreis archivalischer Studien, in welchen er zur genauen und eindringlichen auf den Urquellen beruhenden Information über Lehen und Gesetzgebung, über die Verhältnisse des Kur- und Fürstencollegiums und aller Stände zu einander, über Erbfolgen, Hausgesetze und Hausobservenzen, über Ansprüche auf auswärtige Staaten und Titel der durch Documente beglaubigten landesherrlichen Machtvollkommenheit in einer Gründlichkeit und einem Umfange wie kaum ein Anderer gelangte. Und in der That hat er viele Fragen in allen erwähnten Punkten und über dieselben beleuchtet und vieles theils Vergessene, theils ganz unbekannt Gebliebene aus Tageslicht gebracht. Er schuf eine neue Organisation des Reichshofrathes und der Kanzlei desselben. Am 24. Juni 1726 wurde Wurmbrand und die ganze österreichische Linie seines Geschlechtes in einem zu Rothenburg an der Tauber abgehaltenen Grafenconvent in das fränkische Grafencollegium aufgenommen. Ein österreichischer Historiker, dessen die Quellen gedenken, schreibt über den Grafen: „Von seinem Kaiser und dem großen Eugen geehrt und durch den Kreis seiner ausgebreiteten Studien vor allen Anderen hiezu berufen, war er es, der mit dem großen Leibnitz in Correspondenz trat über eine Vereinigung der Katholiken und Protestanten: ein Plan, der bei dem Uebertritt der Fürstin Elisabeth von Braunschweig-Wolfenbüttel als Braut des nachmaligen Kaisers Karl VI. zum Katholicismus, der Mutter der großen Maria Theresia, viel besprochen wurde, den der beredte Bossuet, das Licht und der Ruhm der französischen Kirche, und Leibnitz vielfältig mit einander beleuchteten, den der Kurfürst Georg von Hannover eifrig förderte – und vereitelte, seit er, auf den Thron von Großbritannien berufen[WS 2], sah, in welchem Hasse man in England gegen den Katholicismus aufwogte. Mit Leibnitz besprach der Graf noch einen anderen Plan. Nach dem Tode des ersten Königs von Preußen schien die von diesem und von Leibnitz gestiftete Berliner Akademie der Wissenschaften ganz einzugehen, weil der neue König Friedrich Wilhelm wohl viel Sinn für die Sparsamkeit und das Militär, aber gar keinen für die Musen hatte. Nach Wien an den Kaiserhof sollten sie nun verpflanzt werden, und wo hätte es damals einen günstigeren Ort gegeben, als das schöne Oesterreich, wo im tiefsten Frieden ein milder Fürst herrschte, der die Wissenschaften für die Zierde seines Thrones hielt und ihnen an der Burg seiner Väter den prächtigen Palast der Hofbibliothek baute; wo der edle Prinz Eugen, der wie sein herrlicher Gegner Marschall Villars sagen mochte: „es gibt nur zwei Freuden in der Welt, einen Preis im Collegium davontragen und [308] eine Schlacht gewinnen“, sie mit königlicher Großmuth förderte; wo in den Abteien Melk, Göttweih, St. Blasien auf dem Schwarzwalde (damals österreichisch), Lilienfeld, Kremsmünster und in den Häusern der Jesuiten Untersuchungen vorgenommen wurden, welche heutzutage nur von sehr Wenigen überboten worden. Als Graf Wurmbrand 1741 bei der Kaiserwahl die böhmische Kurstimme führte und die Kaiserkrone an ein anderes Haus als das österreichische kommen sah, legte er vor Schmerz alle deutschen Würden nieder, zog sich von den Geschäften zurück und verfocht in Staatsschriften die Rechte der hart bedrängten Königin von Ungarn und Böhmen. Nach Kaiser Karls VII. Tode half er als erster böhmischer Wahlbotschafter den Kaiser Franz Stephan wählen, und als die Wahl im Frankfurter Dom verkündigt wurde, bot die große Maria Theresia ihrem geehrten Nestor die Fürstenwürde an. Einfach und bescheiden, wie er in Wort, Schrift und That zeitlebens gewesen, lehnte er sie mit ehrfurchtsvollem Danke ab. Ein 80jähriger Greis, starb er in den höchsten Ehren, als Ritter des goldenen Vließes, Reichsconferenzminister und Reichshofrathspräsident. Sein Leichnam wurde bei den Augustinern in Wien beigesetzt.“ Wir ergänzen vorstehende Skizze – dieser Staatsmann hat leider noch nicht den Biographen gefunden, den er verdient – mit Angabe seiner Schriften und seines Familienstandes. Außer der bei Vollendung seiner Studien an der Utrechter Hochschule herausgegebenen bereits genannten Schrift veröffentlichte der Graf noch folgendes: „Collectanea genealogico-historica, ex archivo inclytorum Austriae Ingerioris Statuum ut et aliis privatis scriniis documentisque originalibus excerpta. Accessit de haereditariis Provinciarum Austriacarum officialibus commentatio“ (Wien 1705, Fol.). Dieses vier Alphabete starke Werk, dessen Analyse wir weiter unten beifügen, hat der Graf ohne Angabe seines Namens herausgegeben. Als Anhang zum vorigen erschien im Sonderabdruck: „Commentatio de haereditariis Provinciarum Austriacarum officialibus“ (Leipzig 1737, 4°.). Graf Johann Wilhelm v. Wurmbrand Stuppach war Herr der Herrschaften Steyersberg, Stickelsberg, Hochwolkersdorf, Aschau, Stuppach, Clam und Raittenau. Er hatte sich fünfmal verheiratet: 1) am 15. März 1694 mit Susanne Marie geborenen Gräfin von Prösing; 2) am 5. October 1700 mit Juliana Dorothea Luise geborenen Gräfin von Limburg-Gaildorf, verwitweten Euchar Casimir Grafen von Löwenstein; 3) am 8. Jänner 1735 mit Maria Dominica geborenen Gräfin Starhemberg; 4) am 19. October 1736 mit Maria Bonaventura geborenen Gräfin Starhemberg, Stiefschwester der Vorigen; 5) am 29. August 1740 mit Anna Francisca geborenen Gräfin Auersperg, welch Letztere ihren Gatten um 30 Jahre überlebte. Aus erster Ehe hatte er zwei Töchter, aus zweiter eine Tochter; aus dritter Ehe den Sohn Gundakar Thomas, der die österreichische Linie fortpflanzte.
Wurmbrand-Stuppach, Johann Wilhelm Graf (Ritter des goldenen Vließes, geb. 18. Februar 1670, gest. 27. December 1750), von der österreichischen- Oesterreichische National-Encyklopädie von Gräffer und Czikann (Wien 1837, 8°.). Band VI, Seite 204 u. f. – (Schmersahl’s) Nachrichten von jüngstverstorbenen Gelehrten, Bd. II, S. 556 bis 560. – Steiermärkische Zeitschrift. Redigirt von Dr. G. F. Schreiner, Dr. Albert von Muchar, C. G. [309] Ritter von Leitner, Anton Schrötter (Gratz 1840, 8°.) Neue Folge. VI. Jahrg., 1. Heft. S. 108 u. f. – (Weidlich’s) Geschichte der jetztlebenden Rechtsgelehrten... Theil II, S. 678–680.
- Porträts. 1) Im ornamentirten Rahmen Bruststück mit dem goldenen Vließ. Zwischen Rahmen und Etiquette das Wappen. In der Etiquette: „Johann Wilhelm, | des Heil. Röm. Reichs Graf von Wurmbrand, | Ritter des goldenen Vliesse, Ihro zu Hungarn u. | Böheim königl. Maj. würckl. geheimer Rath und zur kayserl. Wahl und Crönung bevollmächtigter erster Bottschaffter.“ Unterm Bildrande: F. Lippolt pinxit. J. W. Windter sculps. (Fol.). –2) Unterschrift: „Johann Wilhelm Graf von Wurmbrand“. Fendi del., Bl. Höfel sc., Wr. Neustadt (8°.).
- Des Grafen Wurmbrand Collectanea Genealogico-historica. Dieses in der vorstehenden Lebensskizze seinem ganzen Titel nach angeführte Werk, welches seinem Verfasser den Ehrennamen eines Vaters der österreichischen Genealogie einbrachte, beruht auf gründlicher Prüfung und genauen Auszügen von nahezu 4000 im Archiv der österreichischen Stände befindlichen auf Pergament geschriebenen Urkunden. Die Collectanea sind in 68 Capiteln zusammengestellt und die Documenta, unter dem Text als Beweisstücke angeführt, öfter ganz ausgezogen. Es sind in alphabetischer Ordnung folgende 70 Familien aufgenommen: Abensperg, Auer, Auersperg, Falbenhaupt, Fuchs, Fünfkirchen, Galler, Gera, Geyersperg, Geymann, Gilleis, Graveneck, Hager, Haiden, Hardeck, Harrach, Himmelberg, Hoheneck, Hohenfeld, Jörger, Khüenburg, Kirchberg, Lamberg, Laßberg, Leyser, Liechtenstein (Fürsten), Liechtenstein (Grafen), Losenstein, Manningen, Neuhaus, Neydeck, Oed, Ortenburg, Paar, Pappenheim, Polheim, Pötting, Pranck, Prösing, Puchaim, Purckstall, Rappach, Rauber, Rogendorf, Rothal, Sauer, Saurau, Schallenberg, Scherffenberg, Schiffer, Schönkirchen, Seinsheim, Sintzendorf, Spauer, Stadel, Starhemberg, Steinbeiß, Sternberg, Stockhamer, Stubenberg, Teuffenbach, Trautsohn, Vellendorf, Volkra, Weißenwolf, Welsberg, Weltz, Windisch-Grätz, Wurmbrand, Zinzendorf. Ueber die vorgenannten Familien sind in Auszügen aus alten authentischen Urkunden Notizen, Berichtigungen und Ergänzungen zu ihren Stammtafeln mitgetheilt. Den 68 obengenannten Capiteln folgen noch Addenda.