Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 56 (1888), ab Seite: 94. (Quelle)
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Wiest, Franz (Schriftsteller, geb. in Wien 1814, gest. daselbst 1. Juni 1847). Der Sohn eines k. k. Garde-Schneidermeisters, machte er seine Studien in Wien und wendete sich der Arzeneiwissenschaft zu, gab aber diese, nachdem er ein paar Jahre die Hochschule besucht hatte, auf und widmete sich fortan ausschließlich der Literatur, zu welcher ihn sein empfänglicher Sinn für Musik und Theater unwiderstehlich zog. Seine ersten Versuche in genannter Richtung fallen in das Jahr 1833, und bis 1836 begegnen wir seinen Arbeiten in den vormärzlichen am meisten verbreiteten schöngeistigen Blättern Wiens, wie „Morgenblatt“, „Sammler“, „Wanderer“. Er brachte darin Gedichte, Humoresken und Genrebilder, dann aber Kritiken, vornehmlich über die Opernvorstellungen im Kärnthnerthor-Theater, unstreitig das Beste, was zu jener Zeit aus seiner Feder floß, denn er hatte im Elternhause eine gute musicalische Bildung genossen. 1837 trat er als Mitarbeiter der Bäuerle’schen „Theater-Zeitung“ ein, welche damals unter den Blättern der Residenz den Ton angab, und worin seine Aufsätze den Beifall der frohlebigen Wiener fanden. Aber dies dauerte nur so lange, bis Saphir, aus München vertrieben, in Wien erschien, seine Witzraketen in der „Theater-Zeitung“ steigen ließ, Wiest’s Arbeiten, die, so lange sich kein Nebenbuhler gefunden, ihre Schuldigkeit thaten, verdunkelte und jenen Antagonismus[WS 1] zwischen Beiden hervorrief, der sich anfangs in gegenseitigen anzüglichen Plänkeleien, zuletzt aber in Angriff und Abwehr heftigster Art kundgab. Daß Wiest unter solchen Umständen der erklärte Feind Sahpir’s wurde, begreift sich leicht, und daß Letzterer im steten Kriege, in dem Beide lebten, den Sieg davon trug, kann Niemand Wunder nehmen, der Saphir’s Eigenart kennt, welcher ja doch trotz alledem der Großmeister des Witzes, dem diese blendende Gabe des Geistes angeboren, während sie bei Wiest erst angelernt und angelebt war. Endlich gab unser Schriftsteller den Kampf, aus dem er doch nie siegreich hervorgehen konnte, auf und fand es als [95] das Zweckmäßigste, den Schauplatz seiner bisherigen journalistischen Thätigkeit zu verlassen und in der Fremde zu suchen, was ihm die Heimat versagte. Im Jahre 1838 verließ er Wien und gründete in Leipzig ein neues Journal „Die Eisenbahn“, welcher Titel mit der eben beginnenden Aera des Eisenbahnwesens zusammenfiel und einladend und zugleich verlockend klang. Das Blatt, an dessen Redaction sich noch Karl Tropus und Julian Chownitz betheiligten, begann im August 1838 bei Pönnike und Sohn zu erscheinen und fristete sein Dasein bis Juni 1841, doch trat Wiest für seine Person bereits im Herbst 1839 von der Leitung zurück, weil dasselbe eine Haltung angenommen, mit welcher er, zu seiner Ehre sei es gesagt, nicht übereinstimmte. Von Leipzig begab er sich nach Mainz, um sich an einem anderen journalistischen Unternehmen zu betheiligen, nämlich an der von Dr. Rheinländer im October 1837 begründeten Zeitschrift „Das Rheinland“, die er nun von ihrem vierten Jahrgange, 1840, an übernahm und bis 1842 fortführte. Er leitete sie so geschickt, daß sie bald das gelesenste Blatt am Rhein wurde. Mit diesem Unternehmen verband er aber noch die Leitung dreier anderer Blätter. Er gab nämlich während der Sommersaison auch eine Badezeitung, „Der Cursaal“, für die Taunusbäder heraus, in der Wintersaison aber eine Carnevalszeitung, „Die Narrhalle“, welche er während der Jahre 1841 und 1842 redigirte, worauf sie 1843 an Ludwig Kalisch überging. Das dritte Journal, das er ins Schlepptau des „Rheinland“ genommen, war die „Süddeutsche Theaterzeitung“, die es aber nicht über einen Jahrgang, 1842, brachte. Am Rhein verstand er es, durch sein gut redigirtes und bald beliebt gewordenes Blatt einen Kreis von Männern an sich heranzuziehen, welche damals einen guten Klang hatten und in ihren geistvollen frohmüthigen Arbeiten den Alp der Censur vergessen ließen, welcher im Vormärz allenthalben auf der deutschen Journalistik lastete. Von diesen Männern nennen wir: E. M. Oettinger, Dingelstedt, Freiligrath, Kalisch, Schnetzler, Frank von Steinach, welche ab und zu sich in Mainz einfanden. Auch brachte ihn die mit Geist und Witz redigirte „Narrhalle“ in nähere Verbindung mit den Carnevalsgesellschaften von Mainz, Mannheim, Coblenz, Cöln und Düsseldorf, die ihrerseits wieder die Förderung des Frohsinns, welche er mit seinem Blatte sich angelegen sein ließ, dadurch lohnten, daß sie ihn unter ihre Mitglieder aufnahmen. Mit der Herausgabe seines Blattes aber verband er den damals noch nicht abgebrauchten zeitgemäßen literarischen Sport jährlicher humoristischer Vorlesungen, welche er im großen Casinosaale hielt, zu denen das gewählteste Publicum sich drängte, und an denen die auserlesensten Kräfte der Musik, Literatur und Bühne mitwirkten. Im Jahre 1842 vermälte er sich mit einer jungen Eltvillerin, und da ihn Sehnsucht nach seiner Vaterstadt trieb, gab er die Redaction der vorgenannten Blätter auf und übersiedelte mit seiner jungen Gattin nach Wien. Auf der Reise dahin hielt er in verschiedenen Städten Deutschlands, in Wiesbaden, Darmstadt, Karlsruhe, München, dann in Augsburg, Freiburg, Regensburg, Passau und Linz, in mehreren dieser Städte bei Anwesenheit höherer Fürstlichkeiten, öffentliche stark besuchte Vorlesungen, bei denen wieder Künstler der Bühne, wie die Sängerin Sabine Heinefetter, Tenorist Pischek, Tänzerin [96] Luise Weiß, mitwirkten. Im Mai 1843 traf er in Wien ein und reiste zunächst nach Pesth, wo er den Sommer über blieb, drei Vorlesungen gab, in einer derselben mit einem Genre seiner Erfindung, nämlich mit der Darstellung von „Stimmporträts“ debutirend, und außerordentlichen Beifall fand. Er besaß neben seinem unleugbaren literarischen Talent noch die Gabe, die Aeußerlichkeiten von Personen in täuschendster Weise nachzuahmen. Besonders gelangen ihm die Copien zweier in jenen Tagen mit dem Wiener Leben eng verwachsenen Personen, nämlich des Theaterdirectors Karl und des berühmten Komikers Nestroy, welch Letzteren er sich überdies mit besonderer Vorliebe erkoren, da derselbe ihn einmal auf offener Bühne in seiner drastischen Weise persiflirt hatte. Anfangs übte Wiest sein Talent nur in gesellschaftlichen Kreisen, in denen er sich dadurch interessant und beliebt zu machen verstand, später zog er diese Begabung in den Bereich seiner Brodstudien. In den folgenden Jahren 1845 und 1846 hielt er in Wien Vorlesungen theils für sich selbst, theils für wohlthätige Zwecke und machte in der Zwischenzeit Ausflüge in die verschiedenen Provinzstädte der Monarchie. Am 1. März 1846 gab er im Theater an der Wien eine Wohlthätigkeitsakademie, welcher der ah. Hof noch beiwohnte. Es war dies sein letztes Auftreten vor dem Wiener Publicum. Auf einer Reise nach dem Rhein, wohin eine Erbschaftsangelegenheit ihn rief, veranstaltete er noch Vorlesungen in Würzburg, Kissingen, Homburg und Wiesbaden, und bei seiner Rückkunft in Wien sollte er die Redaction einer Zeitschrift antreten, doch bald nahm daselbst ein Leiden, das ihn schon seit längerer Zeit quälte, einen so bösartigen Charakter an, daß sich alle Kunst der Aerzte vergeblich erwies. Um in besserer Luft Erleichterung seiner Qualen zu finden, siedelte er nach St. Veit, einer beliebten Sommerfrische in Wiens unmittelbarer Nähe, über, aber statt der erhofften Besserung trat der Brand ein und raffte ihn im Alter von 33 Jahren hin. Außer seiner journalistischen Thätigkeit als Mitarbeiter und Redacteur von Journalen ist von seinen selbständig herausgegebenen Arbeiten nur sehr wenig zu verzeichnen, nämlich: „Das Jahr 1938 in der Luft. Launiger Vortrag, gehalten im Concert des Flötisten Forstenau am 8. December 1838“ (Leipzig 1839) und „Rococo. Gesammeltes in Bildern, Skizzen, Humoresken und Phantasiestücken“, 2 Hefte (Leipzig 1839 und 1840, 16°.). Er hinterließ seine Witwe mit drei unmündigen Töchtern, denen dieselbe auch schon in wenigen Jahren, am 8. August 1834, durch den Tod entrissen wurde. Was Wiest’s Stellung in der vormärzlichen Presse Oesterreichs betrifft, so waren er und Saphir es, welche das Wiener Publicum mit ihren leichten Witzwaaren von jeder ernsten Lecture ab- und durch wechselseitige Befehdung beständig in Athem hielten. Der „Wanderer“, an dem Wiest vorzugsweise mitarbeitete, bekämpfte die „Theaterzeitung“, in welcher Saphir seine Witzeier niederlegte, bis er im „Humoristen“ sich das eigene Nest für dieselben geschaffen hatte. Wäre Saphir nicht erschienen, Wiest würde lange die Oberhand behalten haben, aber Saphir war ihm an Kenntnissen, Geist, Schlagfertigkeit und Humor weit überlegen, und so mußte Wiest, der noch zuletzt von einem schweren Leiden befallen worden, das Feld räumen, welches jener bis zum Bewegungsjahr 1848 behauptete, in welchem durch den politischen Sturm auch seine [97] Witzspiele und sonstigen Allotria hinweggefegt wurden.

Wiener allgemeine Musik-Zeitung. Herausgegeben von Aug. Schmidt (4°.), 1847, S. 272 und 535. – Figaro. Redigirt von Friedrich Adami (schm. 4°.) 1838, S. 735. – Seidlitz (Julius Dr.). Die Poesie und die Poeten in Oesterreich im Jahre 1836 (Grimma 1837, J. M. Gebhard, kl. 8°.) Bd. I, S. 194. – Allgemeine Theaterzeitung. Von Adolph Bäuerle (Wien, gr. 4°.) XL. Jahrg. (1847) S. 586 : „Biographische Skizze.“

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Antogonismus.