BLKÖ:Wesselényi, Franz (Palatin)

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 55 (1887), ab Seite: 146. (Quelle)
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3. Franz (gest. am 31., nach Anderen schon 23. März 1667). Ein Sohn des Szolnoker Obergespans, königlichen Rathes und Kämmerers Freiherrn Stephan Wesselényi aus dessen Ehe mit Katharina Dersffy, wurde er am Hofe Kaiser Ferdinands II. als Edelknabe erzogen, und da ihn ein rüstiger Körperbau zum Waffendienste besonders befähigte, wählte er diesen und focht in den damaligen Kämpfen gegen die Türken, wobei er durch seine Tapferkeit und sein sonstiges umsichtiges Verhalten in kritischen Fällen die Aufmerksamkeit der Regierungskreise auf sich lenkte. So kam es auch, daß, als König Wladislaus IV. von Polen in den Krieg mit den Moskowitern und Tataren verwickelt ward, Wesselényi den Auftrag erhielt, dem Bedrängten einige ungarische Hilfstruppen zuzuführen und sich am Kampfe zu betheiligen, was dann der König seinerseits mit der Verleihung des Indigenates und einer ansehnlichen Dotation in Polen gelegener Güter belohnte. Bei jeder Gelegenheit that sich der Freiherr hervor, und so ernannte ihn denn der Kaiser zum Comes und übertrug ihm das Commando in der Festung Fülek, welche, von den Türken am meisten bedroht, eines entschlossenen Feldhauptmannes vor Allem bedurfte. Von Fülek aus unternahm Wesselényi zahlreiche Streifzüge gegen die Türken, denen er bei vielen Gelegenheiten durch siegreiche Kämpfe fühlbaren Schaden zufügte. Auf einem dieser Streifzüge in der Nähe des Dorfes Guta hieb Wesselényi mit seinem Sabel einem Türken Kopf und Hand ab, welch letztere die Standarte hielt, die er an das kaiserliche Hoflager sandte. Bald darauf übernahm er den Oberbefehl über die gegen den König von Schweden im deutschen Kriege verwendeten ungarischen Truppen, wurde aber sofort nach Ungarn zurückberufen, als Georg Rákóczy, Fürst von Siebenbürgen, zu den Waffen griff und den Kaiser bedrohte. In diesem Kriege ragt unter seinen Waffenthaten die von der Poesie hochromantisch aufgefärbte Eroberung von Murány hervor, die ja ohne allen poetischen [147] Aufputz immer noch eine schöne und denkwürdige Waffenthat des Helden bleibt. Die Burg Murány war ebenso durch ihre natürliche Lage – auf einem hohen unzugänglichen Felsen – als durch ihre sonstige Befestigung wohl geschützt und mit Mannschaft und Vorräthen reichlich versehen. Trotzdem alle seine Versuche, die Veste zu nehmen, scheiterten, gab er den Gedanken, ihrer Herr zu werden, doch nicht auf, und wenn Gewalt erfolglos war, so sollte List zum Ziele führen. Er mußte nun wohl über die Schloßfrau, die ritterliche Dame Maria Széchy, welche eben die Besatzung befehligte und den Kaiserlichen mannhaften Widerstand entgegensetzte, durch seine Spione genaue Kundschaft erhalten und sich über ihre Sinnesart und ihren Charakter vollständige Kenntniß verschafft haben, so daß er die Ausführung seines Entschlusses, Herr der Burg zu werden, durch die Eroberung des Herzens dieser so heldenmüthigen als auch schönen Frau plante. Hier hatte nun die Phantasie der Poeten hinreichenden Spielraum und nützte denselben auch vollkommen aus, Wir verweisen dieserhalb auf die unten angeführten deutschen Quellen. Wesselényi, welcher Witwer, aber eine stattliche ritterliche Erscheinung war, gestand der Schloßfrau in einem Schreiben seine Liebe und bat um eine Unterredung Diese wurde – wir übergehen schon an anderem Orte von uns erzählte Nebenumstände – ihm gewährt. Das Ende derselben war der angenommene Heiratsantrag und mit der Verwirklichung desselben die Unterwerfung des Schlosses Murány unter die kaiserlichen Waffen, welche 1646 erfolgte. Der Jubel der Kaiserlichen über diesen neuen Erfolg Wesselényi’s war groß. Kaiser Ferdinand lohnte auch die That des Helden, indem er ihm und seinen Nachfolgern die Burg sammt den dazu gehörigen Gütern zum Geschenke machte und ihn zum königlichen Rath ernannte. Auch erhielt Wesselényi das Generalat über Oberungarn, welches er durch eine Reihe von Jahren, ebenso zum Frommen seines Königs, wie zum Schutze der Bewohner mit Umsicht und Thatkraft versah, so daß ihn die Stände in Anerkennung der von ihm ihrem Lande geleisteten Dienste auf dem Landtage am 15. März 1655 einhellig zum Palatin des Reiches ausriefen. In dieser neuen Eigenschaft wohnte er der Huldigung Leopolds als Königs in Ungarn, dann dessen, wie der Krönung Eleonorens, Gemalin Ferdinands III. bei. 1666 schlug er zugleich mit dem Grafen Souches das Lager bei Rakomur auf. um die von Ali Bassa belagerte Stadt Wardein zu beobachten. Als dann Letzterer den siebenbürgischen Fürsten Barcsai hatte verhaften lassen, wendeten sich die Stände Siebenbürgens an Wesselényi, um sich mit ihm über diesen Vorgang und ihr Verhalten dabei zu berathen. Auch unternahm er im nämlichen Jahre eine Reise nach Patak, um die daselbst weilende Witwe Rákóczy’s zu bewegen, in Ersed kaiserliche Besatzung aufzunehmen. was ihm jedoch nicht gelang. Drohender aber gestalteten sich die Zustände des Landes im folgenden Jahre, wo die drückende Besatzung der Truppen Montecuculi’s und Souches’ unerträglich zu werben anfing und die Stände, als die Truppen in Oberungarn Winterquartiere beziehen wollten, ihnen Quartier und Lebensmittel entschieden verweigerten. Wesselényi berief, um den daraus entspringenden schlimmen Folgen vorzubeugen, auf den 2. December die Stände zu einer Berathung nach Kaschau, welche aber resultatlos verlief, denn die Stände erklärten offen, die Truppen seien ohne Vorwissen und Bewilligung des Landes hereingebracht worden, und so sollten auch jene, welche dies gethan, für Quartier und Verpflegung sorgen, und sie überreichten sogar schriftlich dem Palatin ihren Protest. Wesselényi befand sich als Vermittler zwischen dem König und den Ständen in der mißlichsten Lage, welche sich noch steigerte, als er denselben das königliche Schreiben übergab, in welchem die Stadt Kaschau angewiesen wurde, die deutschen Truppen aufzunehmen. Die Stände verweigerten hartnäckig die Aufnahme und drohten allfällige Gewalt mit Gewalt zu erwidern. Als dann 300 deutsche Soldaten dennoch in die Stadt drangen und in der lutherischen Kirche sich einquartierten, erhoben sich Edelleute und Landvolk gegen diesen Gewaltact; an 30.000 Bauern bewaffneten sich gegen die kaiserlichen Truppen, und nur mit Aufgebot aller Kräfte gelang es Wesselényi, den Aufstand zu unterdrücken. Dann nach längeren Verhandlungen mit den Ständen im Jänner 1662 gelang es ihm, deren Zustimmung zu erhalten, daß die kaiserlichen Truppen in einigen der nächstgelegenen Gespanschaften ihre Cantonirungen beziehen durften, jedoch auch nur unter der Bedingung, daß [148] sie sämmtliche Lebensmittel bezahlten und von allem Unfuge, wie sie solchen bisher getrieben, sich enthielten. Auch auf dem Landtage, den Kaiser Leopold der drohenden Türkengefahr wegen 1662 nach Preßburg einberufen hatte, kämpfte Wesselényi mit nicht geringen Schwierigkeiten. Der Kaiser forderte die Ungarn auf, ihr Land in Vertheidigungsstand zu setzen, damit, wenn ein Krieg mit den Türken, welcher in Aussicht stand, ausbrechen sollte, nicht das Reich in Gefahr eines türkischen Einfalles geriethe. Die evangelischen Stände aber wollten von den königlichen Propositrionen so lange nichts hören, als man nicht ihre Religionsangelegenheiten und sonstige Beschwerden in Beratung ziehe und denselben Abhilfe gebe. In dem erbitterten Kampfe, welcher sich in den Verhandlungen der katholischen und evangelischen Stände entspann, bot Wesselényi alle seine Ueberredungskunst auf, um zu vermitteln und die aufgeregten Grmüther zu beschwichtigen, was ihm denn auch gelang, worauf der König in Anerkennung des wichtigen Dienstes, den der Palatin der Krone geleistet, demselben am 15. Juni 1662 im Namen Philipps IV. von Spanien in der Franziskanerkirche feierlich in Gegenwart des zahlreich versammelten ungarischen Adels den Orden des goldenen Vließes umhing. Als dann im folgenden Jahre. 1663. der Krieg zwischen dem Kaiser und dem Sultan wirklich ausbrach, schrieb Wesselényi auf des Monarchen Befehl ein Aufgebot aus, auf welches sich zwanzigtausend Mann Insurrectionstruppen versammelten, deren Oberbefehl er persönlich übernahm. Der Krieg wurde nun mit abwechselndem Glück geführt. Die Ungarn verloren die Festung Neuhäusel, deren Commandant Forgács dieselbe den Türken mit Accord übergeben hatte und darüber processirt wurde. Nach dem Falle Neuhäusels ließ der Kaiser, um den Türken an der verlorenen Festung Stelle einen neuen Damm entgegenzusetzen, die Festung Leopoldstadt in der Neutraer Gespanschaft erbauen, und Wesselényi selbst legte den Grundstein derselben. Aber nun spitzten auch die Gegensätze immer mehr sich zu. Als 1664 der Friede mit den Türken plötzlich abgeschlossen wurde, verlangten die ungarischen Stände neuerdings die Entfernung der deutschen Truppen aus dem Lande. Es kam bei den Verhandlungen zwischen den Ständen und dem kaiserlichen Commissär, einem Grafen Rottal, zu so gehässigen Erörterungen, daß der Palatin, der ja insgeheim den Deutschen auch nie hold gewesen, seine Palatinswürde niederlegte. Die politischen Verhältnisse und Verwicklungen, wie sie damals zwischen dem deutschen Kaiser, den Türken, den Ungarn und den Siebenbürgen bestanden, wie die Interessen auf einer Seite denen der anderen zuwiderliefen, wie die Ungarn sich immer mehr den Türken zuneigten und gegen den Kaiser ein falsches Spiel spielten, in welches sich auch Wesselényi, von seiner fanatischen Frau nur zu leicht überredet, verwickeln ließ, alle diese politischen Intriguen, Zwischenspiele und heimlichen Verschwörungen mit offenem Widerstande, die sich in Ungarn immer wieder, freilich ohne daß die cisleithanische Hälfte des Reiches daraus eine heilsame Lehre zöge, abspielen, dies Alles erzählt in ebenso belehrender als klarer Weise, auf Grundlage authentischer Quellen Julius Pauler offen und ehrlich in dem unten angeführten Werke. Kurz, Wesselényi trat auch der Verschwörung bei, die schon längere Zeit heimlich bestand, und deren Berathungen auf dem Schlosse Murány gehalten wurden. Die Häupter der Verschwörung waren Nádasdy, Frangipan, Zriny, welche ihren Verrath mit dem Kopfe büßten. Wesselényi entging der Strafe durch den Tod, der ihn vor der Entdeckung des Complotes hingerafft hatte. Nach Entdeckung desselben versicherte man sich der Witwe und fand in der Gruft des Schlosses Murány die eompromittirenden Papiere, durch welche man die Fäden der Verschwörung in die Hand bekam. Ueber Maria Széchy’s Geschick brachte erst die neuere Zeit authentische Aufschlüsse, und zwar behandelte Emmerich Hajnik dasselbe in einer Monographie, aus welcher wir – entgegen der bis dahin landläufigen Meinung, daß Maria Széchy in Wien gestorben – erfahren, daß dieselbe zwölf Jahre nach dem Tode ihres Gatten 1679 zu Güns bei ihrem Verwandten Peter Széchy das Zeitliche segnete. Die ganze Geschichte Marias mit all’ dem romantischen Aufputz der Sage, Dichtung, Phantasie und jenes falschen Patriotismus, der in der Rebellion gegen den gesetzmäßigen König die Panacee aller Freiheit sieht, wurde schon im 41. Bande dieses Werkes im Artikel Maria Széchy S. 291, Nr. 2 ausführlich erzählt. Franz Wesselényi hatte nur aus erster Ehe mit Sophie Bosnyak, die bereits 1644 starb, zwei Söhne, [149] Ladislaus und Adam, welche Beide, obwohl verheiratet, keine Nachkommen hinterließen, so daß mit ihnen dieser Nebenzweig des Hadader Astes der Wesselényi erlosch. [Quellen. Feierstunden für Freunde der Kunst,. Wissenschaft u. s. w. (Wien, 8°.) 1833, Nr. 57: „Tapfrer Treu’ ergibt sich jedes Herz“. – (Hormayr’s) Archiv für Geschichte u. s. w. (Wien, 4°.) 1817, S. 289: „Wesselényi’s Brautwerbung“; ebenda 1827, S. 453: im Text; 1828, S. 272: gleichfalls im Text. – (Hormayer’s) Taschenbuch für vaterländische Geschichte (12°.) III. Jahrg. (1822) S. 311 u. f.: „Die Felscapelle an der Waag“ [Geschichte seiner beiden Ehen mit Sophie Bosnyak und Maria Széchy.] – Lesefrüchte. Gesammelt, herausgegeben und verlegt von J. J. C. Pappe (Hamburg, 8°.) 1833, I. Bd. 2. Stück: „Die Brautwerbung“. – Oesterreichische National-Encyklopädie von Gräffer und Czikann (Wien 1832, 8°.) Bd. VI, Seite 82. – Der österreichische Zuschauer. Herausgegeben von Ebersberg (Wien, 8°.) 27. November 1835, Nr. 25: „Wesselényi’s merkwürdige Brautwerbung“. Von Herzenskron. – Ungarischer Plutarch oder Biographien merkwürdiger Personen des Königreichs Ungarn u. s. w. Von C. V. Kölesy und Jacob Melzer (Pesth 1816, Eggenberger, 8°.) Bd. II, S. 114–124 – Családi lapok, d. i. Familienblätter (Pesth, Lex. 8°.) 1856, Nr. 39 bis 41: „Murány“. Von Danielik [mit Abbildung des durch Wesselényi’s Erfolg so berühmt gewordenen Schlosses]. – Wesselényi Ferenc z nádor es társainak összeesküvése, 1664–1671. Irta Pauler Gyula, d. i. Die Verschwörung des Palatins Franz Wesselényi und seiner Genossen, 1664 bis 1671. Von Julius Pauler, 2 Bände (Budapesth 1876. Akademie-Verlag). [Da dieses Werk auf Grund eines umfassenden, genau verzeichneten Quellenmaterials ausgearbeitet ist, unterläßt es Verfasser dieses Lexikons, die übrigen ungarischen Quellen, wie deren in Jos. Szinnyei’s Geschichtsrepertorium „Hazai és külföldi folyóiratok Magyar tudományos Repertóriuma“ (Budapest 1874) und in Széchényi’s „Bibliotheca historica“ verzeichnet sind, aufzuzählen, und begnügt sich, Freunde der Forschung darauf hinzuweisen. Ueber Pauler’s Werk vergleiche man Paul Hunfalvy’s „Literarische Berichte aus Ungarn“ (Budapesth 1878, gr. 8°.), zweiter Jahrg., S. 120 u. f. – Felső Magyarországi Minerva (Kaschau 1827). – Arpadia (Kaschau 1838) Bd. III, S. 227. – Nagy (Iván). Magyar ország és Erdély képekben (Pesth 1854) Bd. III, S. 81. – Palatini Regni Hungariae bello paceque clarissimi e diversis scriptoribus etc. etc. eruti“ (Tyrnaviae anno 1752, typ. S. J., kl. Fol.) pag. 190 et sequ.Porträts. 1) Unterschrift: „Franz Wesselényi“. Stahlstich ohne Angabe des Zeichners (Fendi?) und Stechers (Weiß?). – 2) Unterschrift: „Wesselényi Ferencz“. Holzschnitt ohne Angabe des Zeichners und Xylographen, aus den ungarischen Familienblättern (Családi lapok) [entweder eine Copie des vorigen oder beide der Vorlage eines und desselben Originals nachgezeichnet; der Stahlstich befindet sich auch in Hormayr’s Taschenbuch vom Jahre 1820]. – 3) E. Widemann sc. 1646, (8°.). – 4) Bauer del., Ehrenreich sc. (4°.). –