BLKÖ:Voigtländer, Peter Wilhelm Friedrich von

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 51 (1885), ab Seite: 235. (Quelle)
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Voigtländer, Peter Wilhelm Friedrich von (Optiker, geb. zu Wien am 17. November 1812). Ein Sohn Johann Friedrichs [siehe den Vorigen], erhielt er nach vollendeter Schulbildung von seinem Vater die ersten praktischen Anleitungen in dem Geschäfte, welches er zu so hoher Bedeutung steigern sollte. Zur höheren Ausbildung besuchte er das polytechnische Institut und begab sich dann mehrere Jahre auf Reisen durch Deutschland, Frankreich und England, um seine praktischen Erfahrungen und Kenntnisse zu erweitern. 1835 übernahm er das Geschäft seines Vaters und richtete zunächst sein Hauptaugenmerk auf seine [236] eigene fernere theoretische Ausbildung. In dieser Zeit verlegte er sich eifrig auf die Berechnung des Brechungs- und Zerstreuungsverhältnisses der Glasmassen, construirte Apparate, um gegebene Halbmesser auf 0·0005 auszuführen u. d. m.; auch berechnete und führte er kleinere Fernrohre aus, denen Stampfer, Schuhmacher und Gaus Vorzüge vor den berühmten Fernrohren Frauenhofer’s einräumten. Nun trat er mit Professor Petzval in Verbindung und construirte nach dessen Berechnung das erste photographische Porträtobjectiv, für welches er die Brechungs- und Zerstreuungsindices der verwendeten Glassorten lieferte. Von der Herstellung dieses ersten Porträtobjectives datirt der Aufschwung, ja der eigentliche Bestand der ganzen neueren Photographie, denn für die wenig lichtempfindlichen Präparationen jener Zeit mußte die Optik eine Abhilfe finden, sonst würde der Uebergang zu dem üblichen rasch wirkenden Kollodion niemals ermöglicht worden sein. Voigtländer führte dann die Objective mit Sachkenntniß, Energie und Solidität aus, so daß diese Instrumente seinem Namen rasch in allen Welttheilen Achtung verschafften. Die mit jedem Tage wachsende Ausdehnung des Geschäftes machte die Errichtung einer zweiten Anstalt nöthig, für welche er, mit Rücksicht auf die Heimat seiner Gattin, Braunschweig wählte, wohin er seit dem Jahre 1849 auch seinen zeitweiligen persönlichen Aufenthalt verlegte. Während aber die photographischen Apparate, die aus seinem Institute hervorgingen, doch nur für den beschränkten Kreis der Photographen berechnet waren, einen Kreis, dessen Ringe sich allerdings zu einer mächtigen, sämmtliche Länder des Erdballs umfassenden Kette verschlangen, fanden die im Jahre 1842 von ihm construirten Perspective mit achromatischen Ocularen und Objectiven den Eingang in alle Kreise der Gesellschaft und eine Verbreitung nach allen Richtungen der Welt. Insbesondere sind sie in England unter dem Namen der „Voigtländer“ bekannt und dienen dort zum Gebrauche im Theater, bei Wettrennen, sowie in der Marine und in der Armee. Die oberwähnte Verbindung Voigtländer’s mit dem gelehrten Mathematiker Petzval war nicht von langer Dauer, und Ersterer sah sich genöthigt, als Letzterer die orthoskopischen Objective veröffentlichte, in einer eigenen, auch als Broschüre erschienenen Denkschrift an die Akademie der Wissenschaften den Sachverhalt darzulegen und seine eigenen Erfinderrechte zu wahren, was die bitterste Feindschaft zwischen dem Gelehrten und dem Optiker und Privilegiumsstreitigkeiten hervorrief, die sogar zu gerichtlichen Schritten führten. Aus diesem Streite erwuchs für die Fortentwickelung der Photographie in Oesterreich der sehr empfindliche Nachtheil, daß, während bis dahin in dieser Angelegenheit unser Reich sozusagen die Führung hatte, diese mit der Trennung Petzval’s und Voigtländer’s an die Engländer und Americaner überging. Im Porträtfache jedoch konnte nichts Besseres hervorgebracht werden, als das Petzval-Voigtländer’sche Doppelobjectiv. Die Erzeugung desselben nahm auch ungeheuere Dimensionen an. Im Jahre 1860 feierten die Arbeiter der Voigtländer’schen Fabrik in Braunschweig bei Gelegenheit der 10.000. Nummer eine große Festlichkeit, und 1865 erreichte die Zahl der Objective schon 18.000. Mehr als hundert Arbeiter beschäftigte unser Optiker in den Werkstätten zu Wien und Braunschweig [237] mit der Anfertigung dieser Instrumente. Dabei hatte er sein Geschäft über alle Theile der Erde verzweigt und Repräsentanten desselben in allen bedeutenden Städten des Continents bestellt. Auf dieser Höhe seines Unternehmens sah er sich ohne Rivalen, nur einen gleich berühmten Collegen fand er in Simon Plößl [Bd. XXII, S. 441], der aber eben zu der Zeit starb, als Voigtländer den für unsere Industrie schwer wiegenden Entschluß faßte, sein Geschäft in Oesterreich aufzulösen. Ueber die Motive, welche ihn dazu veranlaßten, drang ins Publicum gar Verschiedenes, da aber allen diesen Nachrichten, wenn auch nicht die Glaubwürdigkeit, so doch die volle Authenticität fehlte, so können wir an dieser Stelle nicht näher darauf eingehen. Doch wie bedauerlich auch die Umstände seien, die ihn zu dem leidigen Schritte drängten, der, wenn man sich der Bedeutung Voigtländer’s ganz bewußt geworden wäre, sicher noch hätte abgewendet werden können, unser Optiker bewies noch im letzten Augenblicke seinen Hochsinn in sprechender Weise. Seiner Majestät dem Kaiser von Oesterreich legte er nahe, daß, wenn auch bedauerliche Vorgänge ihn veranlaßten. sein Haus in Wien aufzulösen, dies seiner tiefsten Ergebenheit und Dankbarkeit für Seine Majestät keinen Abbruch thue, und übergab zugleich dem ungarischen Minister zwanzigtausend Gulden mit der Bestimmung, damit eine Stiftung für industrielle Zwecke zu gründen, welche mit kaiserlicher Genehmigung den Namen des damals neugeborenen kaiserlichen Sprößlings erhielt. Früher schon hatte er für die Wiener photographische Gesellschaft mit dem Betrage von 4500 fl. eine Stiftung gegründet, von deren jährlichen Zinsen hervorragende Leistungen auf photographischem Gebiete zu prämiiren seien. Voigtländer’s Verdienste um seinen Industriezweig wurden vom In- und Auslande ehrenvoll gewürdigt; wir übergehen die Medaillen, die er auf den verschiedenen Industrieausstellungen davontrug, nur bemerkend, daß ihm auf der Pariser Ausstellung 1865, trotzdem die Jury ihn an die Spitze der Optiker sämmtlicher Länder gestellt hatte, durch die Verleihung zweier silberner Medaillen mehr ein Affront als eine Auszeichnung zugefügt ward. Schon im Februar 1866 erhielt er den Adelstand des österreichischen Kaiserstaates und später das Ritterkreuz des Franz Joseph-Ordens. Der Herzog von Braunschweig verlieh ihm Titel und Charakter eines Commerzienrathes; mehrere gelehrte Gesellschaften schickten ihm das Mitgliedsdiplom, Hessen, Sachsen-Coburg, Württemberg, Toscana, Preußen, Schweden aber schmückten ihn mit ihren Ordensdecorationen.

Arenstein (Joseph Prof. Dr.). Oesterreichischer Bericht über die internationale Ausstellung in London 1862 (Wien 1868, Staatsdruckerei, Lex. 4°.) S. 415 und 421. – Exner (Wilhelm Franz Prof. Dr.). Beiträge zur Geschichte der Gewerbe und Erfindungen Oesterreichs von der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts bis zur Gegenwart (Wien 1873, Braumüller, gr. 8°.). Erste Reihe: „Rohproduction und Industrie“. S. 513. – Fremden-Blatt. Von Gust. Heine (Wien, 4°.) 3. Mai 1868, I. Beilage, Nr. 122: „Wilhelm Friedrich von Voigtländer“. – Neue Freie Presse (Wiener polit. Blatt) 1868, Nr. 1325 in der „Kleinen Chronik“. – Oesterreichische National-Encyklopädie von Gräffer und Czikann (Wien 1835, 8°.) Bd. V, S. 530 u. f. – Payne’s Allgemeine Illustrirte Zeitung (Leipzig, kl. Fol.) 1868, S. 188: „Wilhelm Friedrich v. Voigtländer“. – Photographische Correspondenz. Redigirt von Ludwig Schrank (Wien, Gerold, 8°.) II. Jahrg. (1865) Nr. 17, S. 311: „Friedrich Wilhelm von Voigtländer“. – Poggendorff (J. C.). Biographisch-literarisches Handwörterbuch zur Geschichte der [238] exacten Wissenschaften, enthaltend Nachweisungen über Lebensverhältnisse und Leistungen von Mathematikern, Astronomen, Physikern, Chemikern, Mineralogen, Geologen u. s. w. aller Völker und Zeiten (Leipzig 1863, Joh. Amb. Barth, Lex. 8°.) Bd. II, Sp. 1226, 1227. – Presse (Wiener polit. Blatt) 1857, Nr. 242: „Voigtländer’s neuestes fünfzölliges Objectiv zur Lichtbildererzeugung“. – Systematische Darstellung der neuesten Fortschritte in den Gewerben und Manufacturen und des gegenwärtigen Zustandes derselben. Herausgegeben von Stephan Ritter von Keeß und W. C. W. Blumenbach[WS 1] (Wien 1829, Gerold, 8°.) Bd. I, S. 668; Bd. II, S, 583, 584, 587.
Porträte. 1) Unterschrift: „Wilhelm Friedrich Voigtländer“. Holzschnitt ohne Angabe des Zeichners und Xylographen in Payne’s „Allgemeiner Illustrirter Zeitung“ 1868, S. 185. – 3) Unterschrift: „Friedrich Wilhelm von Voigtländer, | Commerzienrath, Ritter des Franz Josephs-Ordens etc.“ Copirt nach Negativen von L. Angerer. Aufgenommen mit Voigtländer’s Doppelobjectiv. Beilage der „Photographischen Correspondenz“ (8°.).

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: W. C. V. Blumenbach.