BLKÖ:Keeß, Stephan Ritter von

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
korrigiert
Nächster>>>
Kegel, Karl
Band: 11 (1864), ab Seite: 120. (Quelle)
[[| bei Wikisource]]
Stephan von Keeß in der Wikipedia
Stephan von Keeß in Wikidata
GND-Eintrag: 100176720, SeeAlso
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Linkvorlage für Wikipedia 
* {{BLKÖ|Keeß, Stephan Ritter von|11|120|}}

Keeß, Stephan Ritter von (Technolog und Director des technischen Cabinets Seiner Majestät des Kaisers, geb. zu Wien 31. October 1774, gest. ebenda 13. Juni 1840). Sohn des Hofrathes [121] Franz Georg Ritter von K. [s. d. Vorigen] aus dessen Ehe mit Ernestine von Albrechtsburg. Beendete die Studien in Wien, trat dann bei der niederösterreichischen Regierung in den Staatsdienst, diente viele Jahre als erster Commissär bei der k. k. niederösterreichischen Fabrikeninspection, in welchem Dienste er die Aufmerksamkeit auf das so wichtige Gewerbs- und Fabrikswesen in Oesterreich richtete. Indem er noch vorher zum niederösterr. Regierungssecretär befördert worden war, erhielt er 1835 die Stelle eines Directors des technischen Cabinets Seiner Majestät des Kaisers. K. war ein technisches Genie, dem die Industrie eine Menge nützlicher Erfindungen und Verbesserungen zu verdanken hat. Um die Hebung der Seidencultur in Ungarn hat er sich im Jahre 1827 bei Gelegenheit der Uebertragung der Seidengaletten-Einlösung an die Großhändler Hofmann [s. d. Bd. IX, S. 165] und Goldstein durch eine wohldurchdachte, wirthschaftliche, den Erzeuger gegen jede Willkür von Seite des Käufers sichernde Maßregel ein wirkliches Verdienst erworben. Zu Droß bei Krems in Niederösterreich fand er zwei Mineralien, welche bis dahin unbeachtet geblieben und durch ihn einer nützlichen Verwendung zugeführt wurden, nämlich eine der sogenannten Bergseife ähnliche Thonart, welche mit Erfolg beim Walken der Tücher und einen feuerfesten Thon, der in der k. k. Porzellanfabrik in Wien benützt wurde. Von seinen Erfindungen sind nennenswerth: eine Maschine zur Verfertigung aller Arten Geschirr und Geräth aus dehnbaren, übrigens sehr dicken Metallblechen. Die Lanzendorfer Metallwaarenfabrik wurde auf diese Erfindung basirt; ein neues zur Bearbeitung der feinsten Schafwollstoffe anwendbares Bettengarn (Patentgarn), es wurde nämlich unfilirte Seide mit einem feinen Wollfaden umschlungen (auf eine eigene Weise zusammengezwirnt) und letzterer, ohne an Feinheit etwas zu verlieren, durch diese Unterlage der Seide sehr haltbar gemacht; ein neues Verfahren zur Gewinnung des Oels aus den Samen ölhaltender Pflanzen auf kaltem Wege; ein neues Verfahren bei Erzeugung von Seifen mit Benützung eines wohlfeilen Fettstoffes, ohne jedoch die Güte des Erzeugnisses zu beeinträchtigen; diese beiden Erfindungen wurden auch in Preußen patentirt; eine neue Methode zum Decatiren der Schaf- und Baumwollgespinnste; als im Jahre 1830 die Cholera in Wien wüthete, und es besonders empfohlen wurde, die Luft in den Gemächern, welche man bewohnte, zu reinigen, erfand er einen sehr einfachen und sinnreichen Luftreinigungsapparat mittelst Essigdämpfen. In seiner Stellung als Director des technischen Cabinets des damaligen Kronprinzen, nachmaligen Kaisers Ferdinand I., organisirte er eine ebenso merkwürdige als interessante und nutzreiche Sammlung aller Fabricate und Manufacturerzeugnisse vom rohen Stande an bis zur höchsten Stufe ihrer Verarbeitung. Dieses kaiserliche Cabinet umfaßte mit Inbegriff der Modelle die ansehnliche Zahl von 30.000 Sammlungsstücken. K. hatte diese Sammlung nach seinem Werke aufgestellt, welches den Titel führt: „Darstellung des Fabrik- und Gewerbewesens im österreichischen Kaiserstaate“. 2 Bände in 3 Theilen mit „Anhang“ (Wien 1820–1824, 4°.). Als eine Fortsetzung und Ergänzung desselben ist zu betrachten sein zweites, in Gemeinschaft mit W. C. W. Blumenbach [Bd. I, S. 444] herausgegebenes Werk: „Systematische Darstellung der neuesten Fortschritte in den Gewerben und Manufacturen [122] und des gegenwärtigen Zustandes derselben“. 2 Bände (Wien 1829, Gerold, 8°.). Diese beiden, in ihrer Art einzigen und noch immer brauchbaren Arbeiten sind als das Werk eines Menschen (erst die Fortsetzung unterstützte Blumenbach’s Mitarbeiterschaft) um so mehr zu bewundern, als in ihnen in präciser und höchst faßlicher Darstellungsweise etwa das schon geleistet ist, was in neuester Zeit die von zahlreichen Fachcomité’s verfaßten Ausstellungsberichte leisten. Für eine künftige Geschichte des Handels- und Fabrikenwesens bilden diese Werke von K. die erste und sicherste Grundlage. Ein ähnliches Museum, wie jenes für den Kronprinzen eingerichtete, nur lange nicht so reichhaltig, hatte K. auch für seine eigenen Zwecke zusammengestellt. Dasselbe, welches an 1300 Rohstoffe und 10.000 Fabrikate umfaßte, ging in Besitz des kön. ungarischen Nationalmuseums über.

Poggendorff (J. C.), Biographisch-literarisches Handwörterbuch zur Geschichte der exacten Wissenschaften (Leipzig 1859, J. Ambr. Barth, gr. 8°.) Sp. 1234. – (Hormayr’s) Archiv für Geographie, Historie, Staats- und Kriegskunst (Wien, 4°.) X. Jahrg. (1819), Nr. 136 und 137. – Oesterreichische National-Encyklopädie von Gräffer und Czikann (Wien 1835, 8°.) Bd. III, S. 171; Bd. VI, Suppl. S. 509. – Erneuerte vaterländische Blätter für den österreichischen Kaiserstaat (Wien, 4°.) Jahrg. 1817, Nr. 20: „„Kees’ technische Sammlung in Wien“; – Jahrg. 1818, Nr. 90 u. 91: „Kees’ Sammlung von Fabriksproducten“; – Jahrg. 1819, Intelligenzblatt Nr. 48: „Acquisition des National-Museums in Pesth an dem technologischen Museum von Keeß“. – Boeckh (Franz Heinrich), Wiens lebende Schriftsteller, Künstler und Dilettanten im Kunstfache (Wien 1821, K. Ph. Bauer, 8°.) S. 130. – Systematische Darstellung der neuesten Fortschritte in den Gewerben und Manufacturen ... von Steph. Ritter von Keeß und W. C. Blumenbach (Wien 1830, Gerold, 8°.) Bd II, S. 507 u. 806.