Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Tuma, A.
Band: 48 (1883), ab Seite: 105. (Quelle)
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Tuma, Franz (Componist, geb. zu Kostelec im Kaurzimer Kreise Böhmens am 2. October 1704, gest. zu Wien im Jahre 1774). Durch die ungemein liebliche Stimme des Knaben fand sich der Vater bewogen, denselben in der Musik unterrichten zu lassen. Er hatte jedoch nicht die Absicht, daß sich der Sohn diese Kunst als eigentlichen Lebensberuf erwähle. Vielmehr sollte Franz für die wissenschaftliche Laufbahn herangebildet werden, und so wurde er denn auf dem Jesuitenseminar zu Prag erzogen. In dieser Stadt wirkte er zugleich als Tenorist unter der Direction Czernohorsky’s, eines wegen seiner Musikkenntnisse berühmten Minoriten, der viele tüchtige Schüler, unter Anderen auch den Geiger Tartini [Bd. XLIII, S. 101] herangebildet hat, an der Minoritenkirche zu St. Jacob, und zwar zur Zeit, als der berühmte Segert [Bd. XXXIII, S. 316] daselbst Altist war. Nach beendeten philosophischen Studien begab er sich nach Wien, und als er daselbst in dem böhmischen Obersten Kanzler Franz Ferdinand Grafen Kinsky [Bd. XI, S. 288] einen wohlwollenden Gönner fand, gab er, um sich ganz der Tonkunst zu widmen, das weitere Studium auf. In Johann Joseph Fux [Bd. V, S. 41], dem kaiserlichen Ober-Hofcapellmeister, erhielt er seinen Lehrer im strengen Satze und Kirchenstyl, überdies wurde er auf den Wunsch des Grafen in der französischen und italienischen Sprache unterrichtet. Im Jahre 1741 von der Kaiserin Witwe Elisabeth zu ihrem Capellmeister erwählt, hatte er in dieser bevorzugten Stellung Gelegenheit, sich auch bei Hofe durch seine Compositionen beliebt und geschätzt zu machen, was ihm namentlich durch seine Kirchenmusikstücke gelang, deren Composition zum größten Theile in diese Zeit fällt. Nach dem Tode seiner kaiserlichen Gönnerin (21. December 1750) erhielt er nebst lebenslänglichem freien Hofquartier das für die damaligen Verhältnisse bedeutende Jahrgehalt von 600 fl. In diesem Ruhestande aber blieb seine Muse nicht unthätig. Von Zeit zu Zeit gingen ihm von verschiedenen Seiten und auch vom Hofe Aufträge zu Compositionen zu. So übersendete ihm die regierende Kaiserin Maria Theresia ihr eigenes Gebetbuch, aus welchem er für sie den Bußpsalm „Miserere mei Deus“ componiren sollte. Sie selbst hatte darin alle jene Stellen bezeichnet, welche sie in der Musik besonders accentuirt und hervorgehoben wünschte, und ließ ihm nach vollendeter Arbeit als huldvolles Zeichen ihrer Zufriedenheit hundert Ducaten in einem goldgestickten Beutel zustellen. Aehnliche großmüthige Spenden erhielt er als Ehrensold für andere Arbeiten, welche er für die höchsten Adelsfamilien vollendete. Als er, in schon vorgerückterem Alter stehend, seine Frau durch den Tod verlor, zog er sich 1768, da er von jeher ein Freund der Natur und Einsamkeit war, in das Prämonstratenserstift Geras in Niederösterreich zurück, wo er, ausschließlich seiner Kunst lebend, nebst vielen Kirchenwerken vorzüglich die meisterhaften Responsorien zu den Lectiones et Lamentationes ad Matutina in Tenebris componirte. Als den Hochbetagten dann kränkelndes Siechthum heimsuchte, verließ er die bisherige Zufluchtsstätte und begab sich wieder nach Wien, wo er im Kloster der Barmherzigen Brüder Aufnahme und Pflege und im Herbst 1774 auch die ewige Ruhe fand. Nach der Schilderung eines Zeitgenossen und Schätzers seiner Werke, besaß Tuma einen lebhaften, ausdauernden, [106] zu streng abstracten Studien stets empfänglichen Geist. Er war in der lateinischen, französischen und italienischen Sprache wohl bewandert, überdies vertraut mit den feinen Sitten der Hofwelt, welche ihm aber nichtsdestoweniger als heterogenes Element erschien. Indem er stehend an seinem Pulte arbeitete, bediente er sich beim Componiren seines Lieblingsinstrumentes, der Gamba, die er mit seltener Fertigkeit spielte. In der kaum glaublichen Frist von drei Tagen vollendete er gewöhnlich eine ganze Messe. Während dieser Zeit blieb er isolirt auf seiner Stube, versagte sich jeden geselligen Umgang und genoß sowohl zum Mittags- als Abendbrod nichts weiter als eine Tasse Chocolade. Seinem ganzen Wesen nach ein Mann ernstesten Schlages, ein Deutscher von echtem Schrot und Korn, war er solid und gründlich in Allem, was er unternahm, streng und rechtschaffen in jeder Handlung und ausgezeichnet durch viele Tugenden, welche ihm die Herzen Aller, die ihm näher traten, gewannen. Bei der ihm angeborenen Gründlichkeit hielt er unwandelbar fest an den von seinem Meister Fux empfangenen Lehrsätzen und schrieb selbst nicht das Unbedeutendste, ohne nicht jeder Anforderung der Kunst zu entsprechen. Ein stets denkender, durch wissenschaftliche Bildung geläuterter, durch praktische Gewandtheit gesicherter Componist, vermochte er nur reelle Werke zu schaffen; kein momentanes Interesse, kein Machtwort vornehmer Gönner wäre fähig gewesen, ihn abtrünnig seinem zur zweiten Natur gewordenen Systeme zu machen; daher gewinnen auch seine Werke bei jeder noch so genauen Zergliederung und sind in artistisch-ästhetischer Hinsicht durch Classicität gestempelt. Ernster, edler religiöser Charakter ist allen seinen zahlreichen Kirchencompositionen aufgedrückt. Es liegt ein Schatz von Wissenschaft in diesen Werken verborgen; nicht flimmernder, sondern solider Reichthum und innere Kraft heben sie über die gewöhnlichen, mitunter scholastisch trockenen Producte ihrer Zeit: Alles in ihnen ist wahrer, reiner Erguß eines andächtigen Gemüthes, und sein ganzes mildes Sein ging einzig dahin, eine gute, in der Ernte sich reichlich vervielfältigende Saat auszusäen. Von Tuma’s Compositionen ist nichts gedruckt, wenigstens sind gedruckte Werke dieses Meisters nicht bekannt. Seine kirchlichen Werke waren ihres edlen religiösen Charakters wegen sehr beliebt und wurden von den Musikarchiven der böhmischen und österreichischen Klöster auf das sorgfältigste gesammelt. In einer der von mir zu Rathe gezogenen Quellen, welche über Tuma’s Leben und Schaffen berichten, wird ausdrücklich Kremsmünster genannt, welches seine Werke gesammelt hätte. Nun suchte ich in der von Georg Huemer herausgegebenen Monographie „Die Pflege der Musik im Stifte Kremsmünster“ (Wels 1877, Joseph Haas, 8°.) im Abschnitt „Das Musikarchiv des Stiftes“ und fand zu meiner großen Verwunderung Tuma nur in der Rubrik „Requiem“ (S. 121), sozusagen nebenbei, erwähnt. Von einer Sammlung seiner Messen und anderen Kirchenmusikstücken ist auch nicht mit einer Sylbe die Rede, eine bei der Bedeutung Tuma’s als Kirchencompositeur auffallende und mit obiger Notiz, daß Kremsmünster viele Werke des Meisters besitze, contrastirende Thatsache. Außer seinen Kirchenwerken wurden auch seine Symphonien a tre gerühmt. Uebrigens sind die lexikalischen Notizen über unseren Componisten, der auch hie und da Thuma geschrieben erscheint, [107] ungemein lückenhaft, und selbst der „Slovník naučný“ behandelt seinen Landsmann ganz stiefmütterlich, ihm weit weniger Aufmerksamkeit schenkend, als irgend einem čechischen Schulmeister, der in Tiraden über Wenzelskrone und čechisches Staatsrecht macht. Von Tuma’s Familie – er hatte drei Töchter und vier Söhne – lebten noch im ersten Viertel des laufenden Jahrhunderts zwei Söhne, von denen der eine im Jahre 1827 zu Prag als Invalidenhauptmann hoch in den Siebenzigern stand, der zweite, Bernard Tuma aber am 7. December 1827 als Senior und Schatzmeister des Stiftes der regulären Chorherren zu Klosterneuburg im Alter von 92 Jahren starb.

Slovník naučný. Redaktoři Dr. Frant. Lad. Rieger a J. Malý, d. i. Conversations-Lexikon. Redigirt von Dr. Franz Ladisl. Rieger und J. Malý (Prag 1872, I. L. Kober, Lex.-8°.) Bd. IX, S. 633. – Oesterreichische National-Encyklopädie von Gräffer und Czikann (Wien 1837, 8°.) Bd. V, S. 443. – Gaßner (F. S. Dr.). Universal-Lexikon der Tonkunst. Neue Handausgabe in einem Bande (Stuttgart 1849, Franz Köhler, schm. 4°.) S. 846. – Neues Universal-Lexikon der Tonkunst. Herausgegeben von Schladebach-Bernsdorf (Offenbach 1861, Joh. André, Lex.-8°.) Bd. III, S. 772. [Dieses und Gaßner bringen für ein Musik-Lexikon ungemein dürftige Notizen.] – Gerber (Ernst Ludwig). Historisch-biographisches Lexikon der Tonkünstler u. s. w. (Leipzig 1792, Breitkopf, Lex.-8°.) Bd. II, S. 649.
Porträt. Oberhalb des Medaillons, das Tuma’s Bildniß zeigt, schlängelt sich ein Band, auf welchem die Worte stehen: „Franciscus Duma“. Unter dem Bildrande: Antonius Hikel del. Joh. Balzer sc. Pragae (8°.). – Sein in Oel gemaltes Porträt gelangte aus dem Besitze seines Sohnes, des Klosterneuburger Chorherrn, in jenen des bekannten Musikgelehrten und Musikfreundes Joseph Sonnleithner [Bd. XXXVI, S. 9). von dem es vielleicht an Leopold von Sonnleithner [Bd. XXXVI, S. 11] überging.