Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Stegmaier, Karl
Band: 37 (1878), ab Seite: 324. (Quelle)
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Stegmayer, Karl (Schriftsteller, geb. in Wien 12. Jänner 1800, gest. ebd. 10. Mai 1862). Der älteste Sohn des Matthäus Stegmayer [s. den Folgenden S. 327] und Bruder des Ferdinand [s. den Vorigen S. 320]. Es ist ein bewegtes, wechselvolles Leben, das an den vormärzlichen Verhältnissen, an der Willkür und dem Polizeisystem derselben scheiterte. Karl beendete seine Studien in Wien und beurkundete frühzeitig in seinen poetischen und prosaischen Arbeiten schriftstellerisches Talent. So befreundete er sich auch damals schon mit gleichgestimmten, talentvollen Collegen, u. a. mit Bauernfeld, dem wir einen kurzen Bericht über jene Studentenverschwörung verdanken, deren Opfer Stegmayer wurde und deren Folgen er sein Lebelang zu tragen hatte. Es wurde nämlich um die Zwanziger-Jahre mit einem Male in Wien eine Studentenverschwörung entdeckt, worüber nachgerade Alles in Aufruhr gerieth. Die jungen Verbrecher, hieß es, kämen insgeheim in einem Bierhause zusammen und sängen dort ganz entsetzliche und verruchte Lieder. Das Ganze war weiter nichts als ein Commers, den Wiener Studenten nach dem Muster deutscher Hochschulen in einer Kneipe geheim abhielten. Die Geschichte war verrathen worden, eine Hausuntersuchung im Parnaßhause eingeleitet, Stegmayer verhört, ihm ein Burschenlied und sogar ein „Ziegenhainer“ abgenommen worden. Die Studenten hatten diese damals in Schwang gekommenen Knüttel getragen, und ein paar zahme Freiheitslieder gesungen. Das war das Verbrechen, worüber sich zwar Wien und Europa alsbald beruhigten, das aber für Stegmayer, wenn auch im Augenblick keine ernsten Folgen, so doch für seinen weiteren Lebensgang jene kleinen Störungen im Gefolge hatte, die Einem das Dasein verleiden und den rechten frischen Lebensmuth nehmen. Der junge Stegmayer, der nun in Wien im „schwarzen Buche“ der Polizei stand, verließ, um aus dem Gesichtskreise solch unberechtigter Bevormundung zu kommen, Wien und wunderte nordwärts. In Galizien und im damaligen Freistaate Krakau war er als Hofmeister und sonst in Privatdiensten thätig. Nachdem er während seines Aufenthaltes in Galizien das berühmte Salzbergwerk Wieliczka besucht hatte, gewann er dem eigenthümlichen und romantischen Berufe des Bergmannes solches Interesse ab, daß er sich für dieses Fach entschied und um Aufnahme in die Bergakademie zu Schemnitz bewarb, welche ihm auch gewährt wurde. Als Zögling der Bergakademie [325] versuchte er, dem einförmigen materiellen Treiben des Bergmannes durch bergmännische Lieder, welche er dichtete, durch Bildung eines Vereines von Gleichgesinnten u. d. m. einen ästhetischen Beigeschmack zu geben. Diese Versuche wurden, wie schon einmal, unstatthaft befunden, S. demagogischer Umtriebe beinzüchtigt, in Untersuchung gezogen und mit mehrwöchentlicher Haft bestraft. Das war im Jahre 1825 geschehen. Eine solche Vergangenheit war für die amtliche Laufbahn, auf welche S. als Candidat des Bergfaches zunächst angewiesen war, nichts weniger als günstig. Mit großer Mühe nur gelang es ihm, im Jahre 1827 als Conceptspraktikant in der montanistischen Abtheilung der allgemeinen Hofkammer Aufnahme zu finden. Daselbst verblieb er bis zum Jahre 1843, dann ging er auf Reisen, auf welchen er Preußen, Sachsen und Ungarn besuchte, wurde alsdann Concipist bei dem k. k. Salinen-Oberamte in Gmunden. Im Jahre 1848 gehörte S., wie Alle, welche aus der vormärzlichen Aera ein freies Denkvermögen bewahrt, der liberalen Partei an. Im Jahre 1849 wurde er dienstlich nach Tirol übersetzt, 1851 in der denkwürdigen Reactionsperiode wegen seiner politischen Haltung im 48er Jahre zur Verantwortung gezogen und zuletzt aus den Staatsdiensten, in denen er über 22 Jahre zugebracht, ohne Pension entlassen! Drastisch interpretirte Bauernfeld der Gattin Stegmayer’s diesen Vorgang, als diese bei ihm Rath und Schutz gegen ein solches Verfahren suchte und dabei bemerkte, daß ihr Mann ja eben nur im Sinne der liberalen Minister gehandelt, die nun aber Minister seien, während man ihren Mann des Dienstes entlassen habe. Bauernfeld erwiederte der Frau auf ihr Argument: „Wenn der Minister liberal sich bewegt habe, so sei das vor dem Portefeuille geschehen; mit einem derlei in der Hand bewege man sich nicht mehr, sondern halte es fest, bleibe selber fest sitzen und lasse allenfalls die Anderen fest setzen“. Stegmayer war also seines Dienstes entlassen. Er suchte nun eine private Anstellung und fand sie auch zuletzt als Berg- und Hüttenamts-Director zu Schladming in Steiermark, in welcher Stellung er einige Jahre verblieb, bis er nach Auflassung des Bergwerkes, ohne eigene Schuld, auch derselben verlustig ging. Von da ab lebte er in den kümmerlichsten Verhältnissen, von schriftstellerischen Arbeiten, die ihm kaum das tägliche Brod für sich und seine Familie gaben. Johann Nep. Vogl ging mit Stegmayer’s Arbeiten von einem Wiener Buchhändler zum anderen, buchstäblich gesagt, hausiren, ohne die Waare anzubringen. Ein an bitteren Erfahrungen reiches Leben war zu Ende gegangen, als Stegmayer im Jahre 1862 im Alter von 62 Jahren starb. Stegmayer’s schriftstellerische Thätigkeit ist eine doppelte, eine fachmännische als Bergmann und eine schöngeistige als Poet. Als Bergmann gab er heraus einen „ Grundriss einer populären Bergwerkskunde. Zum Selbstunterricht.“ Mit 2 Kupfertafeln. (Wien 1843 [Leipzig, Líebeskind] gr. 8°.); – „Die Bergbaufrage. Ein Versuch zu ihrer Beantwortung vom Standpunkte der National-Oekonomie, Finanzen und Politik“ (Wien 1851, Tendler und Comp., gr. 8°.); diese und die nachfolgende Schrift: „Freie Vorträge, gesprochen im Volksvereine zu Gmunden.“ 1. Heft (mit dem Umschlagstitel: „Was vom Staate zu wissen, dem ganzen Volke nöthig“ Steyr 1850 [Haas] gr. 8°.), wurden ihm nebst seinem [326] persönlichen Auftreten insbesondere zur Last gelegt. Die Zahl seiner poetischen Arbeiten ist ungemein groß, aber nur der kleinste Theil ist im Druck erschienen. Die Titel derselben sind: „Probirnadeln. Fünf Erzählungen“ (Wien 1828, Adolph [Cnobloch in Leipzig] gr. 12°.); – „Klänge aus der Grube. Bergmännische Gedichte und Aphorismen“ (Wien 1836, Tendler, 8°.), sinnige und frische Bergmannslieder, welche in der bergmännischen Welt eine freundliche Aufnahme gefunden haben; – „Dramatische Dichtungen, 1. Band: „Bibor der Assassinenfürst“; – „Die letzten Johanniter auf Rhodos“ (Wien 1836, Schaumburg und Comp., 8°.); ein zweiter Band ist nicht erschienen; – „Die Schlacht bei Esseg.“ Historisches Schauspiel in 4 Aufz. (Wien 1843, Stöckholzer und Hirschfeld, gr. 12°.); – „Die Radicalen“ (Innsbruck 1846 [Pfaundler] gr. 8°.); – „Novellen und Novelletten“ (Regensburg 1847, Manz, 8°.). Wie oben bemerkt worden, ist der größere Theil seiner Arbeiten ungedruckt geblieben, hingegen von seinen dramatischen Manches aufgeführt worden. Stegmayer führte eine ungemein rasche Feder und ein Drama – das mitunter mehrere Abende hintereinander gegeben wurde – war bald fertig. Besonders machte er in Schauerdramen, deren Stoffe er französischen Romanen zu entlehnen liebte, welchen Ursprung wohl auch sein Drama „Der Räuber und sein Kind“ haben mochte. Nicht selten arbeitete er die Stücke anderer Dichter, die in ihrer ursprünglichen Fassung nicht aufführbar waren, um und machte sie bühnengerecht. Titel, Personen, Ort und Zeit erfuhren da manche sonderbare Wandlung; der Birch-Pfeiffer’sche „Glöckner von Notre Dame“ entpuppte sich als ein „Astrolog und sein Knecht“, S. besaß ausgesprochenes dramatisches Talent, aber unter der directorialen Zuchtruthe Carl’s, der sein Repertoire in einer nur ihm verständlichen, aber immer lucrativen Weise herstellte, mußte ein solches entweder sich fügen, oder zu Grunde gehen. Stegmayer ging zu Grunde. Mehrere seiner Stücke, wie „Witekind“, „Seeräuberrache“, „Das Mutterherz“ u. d. m., sämmtlich auf Sensation berechnet, wurden auf verschiedenen Bühnen aufgeführt. In seiner amtlichen Stellung, obgleich geschickt und tüchtig, machte er sich durch sein renommistisches Wesen, das er aus seinen Studentenjahren ins Amt hinübergenommen, namentlich unter seinen Vorgesetzten. viele und bittere Feinde. Gewiß hatte er unter denselben manchen, der nicht das Pulver erfunden hatte. Stegmayer glaubte sich nun berechtigt und befand sich damit im Unrecht, seiner satirischen Laune Luft zu machen und seine Vorsteher, die sich ja nicht selbst auf diesen Posten gestellt, persönlich mit Witz- und Spottgedichten zu verhöhnen. Auch sonst war er ein absonderlicher Kauz, der manchen grotesken Schritt ausführte, womit er wohl von sich reden, aber jeden Bedächtigen auch den Kopf schütteln machte. So lud er in den Vierziger-Jahren einmal, als er noch im Hause zur „goldenen Kugel“ am Hof wohnte, die ganze literarische Gesellschaft, welche sich damals in dem denkwürdigen Neuner’schen sogenannten „silbernen Kaffeehaus“ zu versammeln pflegte, darunter Witthauer, Anastasius Grün, Castelli, Seidl, Nikolaus Lenau, Johann Nep. Vogl, zu einem Souper ein. Die Geladenen erschienen und waren nicht wenig erstaunt, reich galonnirte Bediente zu finden, welche den Ankommenden mit Fackeln über die Treppe hinauf leuchteten. [327] Das Souper war vortrefflich, die Gäste hatten einen Abend in köstlicher Stimmung verlebt. Am anderen Morgen wurde Stegmayer – gepfändet! Diese Schrullen, vielleicht aus einer Verbitterung abzuleiten, welche er über amtliche Zurücksetzung und die politischen Zustände seines Vaterlandes empfand, vermögen jedoch nicht den Kern seines Wesens anzugreifen, das durch und durch ein ehrenhaftes, aber im steten Kampfe mit dem Leben verwickeltes war.

Bauernfeld, Gesammelte Schriften. Zwölfter Band. Aus Alt- und Neu-Wien (Wien 1873, Braumüller, 8°.) S. 27 u. f. – Constitutionelle österreichische Zeitung (Wien, Fol.) 1862, Nr. 220: „Karl Stegmayer“. – Presse (Wiener polit. Blatt) 1862, Nr. 131, Abendblatt. – Reichenberger Zeitung 1862, Nr. 121, im Feuilleton: „Wiener Chronik“. – Wiener Abendpost. Abendblatt der Wiener (amtlichen) Zeitung 1867, Nr. 19, im Aufsatze: „Der Wiener Parnaß vor einem Vierteljahrhunderte“. Von Dr. H. Meynert. – Bohemia (Prager polit. und Unterhaltungsblatt, 4°.) 1862, Nr. 115, S. 1148. – Oesterreichischer Parnaß, bestiegen von einem heruntergekommenen Antiquar (Uffo Horn) (Frey-Sing, bei Athanasius und Comp. [Hamburg, bei Hoffmann und Campe], 8°.) S. 32 [mit folgender Charakteristik Stegmayer’s: „Kleine, untersetzte Figur, passirte Züge, etwas graues Haar, hat einen großen, sehr renommirten Pudel, eine kleine, renommirte Frau und ist ein renommirt schlechtes lyrisch-dramatisches Talent, Cyniker, Raisonneur, entsetzlich grob und hat einen großen Schnurrbart. Werke. Verschiedene Dramen. – Gedichte (worunter gute)“].
Porträt. Lithographie von L. Fischer 1836. Ohne Namensunterschrift [auch Titelbild seiner „Klänge aus der Teufe“ (8°.)].