Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 35 (1877), ab Seite: 4. (Quelle)
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Singer, Edmund (Violin-Virtuos und Componist, geb. zu Totis im vormaligen Komorner, jetzt Graner Comitat Ungarns am 18. Oct. 1830). Sein Vater stand oder steht noch in Diensten der israelitischen Gemeinde, zuletzt als Centralcassier derselben in Pesth. Frühzeitig verrieth sich das ungewöhnliche Musiktalent des Knaben, der, den Melodien der Zigeunerbanden lauschend, es versuchte, dieselben auf seiner Kindergeige nachzuahmen. Als im Jahre 1837 der Vater nach Pesth übersiedelte, trug dieser, der das Talent seines Knaben erkannt hatte. Sorge, daß er auch in entsprechender Weise, u. z. im Violinspiel, ausgebildet werde. Nachdem der erste Lehrer nach wenigen Wochen die Erklärung abgegeben, daß der siebenjährige Zögling eines anderen, besseren Mentors bedürfe, erhielt er als solchen den Musikmeister Ellinger und zwei Jahre später den Orchesterdirector der ungarischen Nationalbühne Ridley Kohné, an dessen Seite S. sich durch drei Jahre auf seinem Instrumente ausbildete. Neun Jahre alt, trat er in einem öffentlichen Concerte auf, zwölf Jahre alt, durchzog er mit seinem Lehrer und seiner Violine Siebenbürgen und brachte von seiner ersten Kunstreise die Ehrenmitgliedschaft des Hermannstädter Musikvereins und jene des Klausenburger Conservatoriums mit heim. Nach wenigen Monaten schickte ihn der Vater nach Wien, dort erhielt er Joseph Böhm [Bd. II, S. 20] zum Lehrer, nahm auch bei dem damaligen Dom-Capellmeister von St. Stephan Unterricht in der Compositionslehre und nun brachte der Vater den 14jährigen Künstler selbst nach Paris, wo der talentvolle Ausländer [5] über Verwendung des Freiherrn Salomon Rothschild, die Aufnahme in das Conservatorium erhielt. Etwas über ein Jahr blieb er daselbst, wurde im Hause des berühmten Arztes, aber ebenso großen Musikfreundes Orfila, bei dem allwöchentlich die größten musikalischen und literarischen Berühmtheiten sich zu versammeln pflegten, eingeführt, und verstand es schon damals durch sein Spiel die Aufmerksamkeit des Publikums auf sich zu lenken. Als er dann in seine Heimat zurückkehrte, setzte er mit rastlosem Eifer seine Uebungen fort und nahm, um mit der Orchestermusik sich vertraut zu machen und das Dirigiren an der Violine als Concertmeister sich anzueignen, die Stelle eines Solospielers und Orchester-Directors im Pesther städtischen Theater an, in welcher Stelle er durch zwei Jahre thätig blieb. So künstlerisch ausgerüstet, unternahm er nun im Jahre 1848 Kunstreisen und verweilte auf denselben bis 1853. Er hatte die meisten Hauptstädte Deutschlands besucht, im Jahre 1851 aber in einem Concerte im Leipziger Gewandhause einen solchen Erfolg errungen, daß seitdem sein Name in der deutschen Kunstwelt eingebürgert ist. Das Concert hatte am 18. December g. J. Statt gefunden und den Beifall, den S. erntete, war nach dem Ausspruche der Leipziger „Illustrirten Zeitung“ ein solcher, wie er in den Annalen der Gewandhaus-Concerte selten ist. Im Jahre 1852 befand sich S. wieder in seinem Vaterlande, spielte in demselben zweimal vor Sr. kais. Hoheit Erzherzog Albrecht, damaligen General- und Civil-Gouverneur Ungarns, später vor Sr. Majestät dem Kaiser, im folgenden Jahre vor dem König von Hannover. Im Jahre 1853 erhielt er die Stelle des Hofconcertmeisters in Weimar, dessen Großherzog ihn zu seinem Kammervirtuosen ernannt hatte. In der Folge wurde S. Concertmeister in Stuttgart, wo er wohl noch zur Stunde sich befinden dürfte. Ueberdieß hat S. von Zeit zu Zeit Kunstreisen nach allen Richtungen unternommen und überall glänzende Erfolge gefeiert. Auch als Compositeur war und ist S. noch thätig. Von seinen Compositionen – meist Salonmusik – sind anzuführen: „Adieu a la Patrie. Impromptu hongrois avec Pianoforte“, Lipiński gewidmet, Op. 4 (Mainz, Schott); – „Études“, seinem ehemaligen Lehrer Joseph Böhm gewidmet; – „Prélude“ für die Violine allein, seinem Jugendfreunde Joachim zugeeignet, Op. 5 (Leipzig, Kistner); – „Tarantella“, Op. 6 (ebd.); – „Fantaisie hongroise sur des Motifs de l’Opera: A Kunok, de Császár“, Op. 7 (ebd.); – „L’Arpeggio. Étude de Concert“, Op. 8 (ebd.); – „3 Caprices avec Pianoforte“, Op. 9 (ebd.); – „3 Pièces de Salon, avec Pianoforte“, Op. 10, Nr. 1. „Romance“, Nr. 2. „Csárdás“, Nr. 3. „Air valaque“ (ebd.); – „Souvenir de Berlin. 1er Morceau de Salon, avec Pianoforte“, Op. 12 (Berlin, B. u. Bock); – „La Sentimentale. Fantaisie de Salon, avec Pianoforte“, Op. 13 (Mainz, Schott); – „La Sérénade. Caprice-Étude, avec Pianoforte“, Op. 14 (ebd.); – „Le Carneval hongrois. Variations burlesques“, Op. 15 (ebd.); – „Air varié, avec Pianoforte“, Op. 16 (ebd.); – „Notturno, avec Pianoforte“, Op. 21 (Leipzig, Kistner); – „3 Caprices, avec Pianoforte“, Op. 23 (ebd.); – „La Capriciosa. Valse-Caprice d’après Frz. Liszt, avec Pianoforte“, (ebd.); – „Chant de Berger, de J. Schulhoff. Transcription, avec Pianoforte“ (Mainz, Schott); – „Mazurka, avec [6] Pianoforte“ (Pest, Rózsavölgyi u. Co.); – „Cadenz zu Beethoven’s Violin-Concert“, Op. 61 (Leipzig, Kistner); – in Gemeinschaft mit G. de Bülow[WS 1]: „2 Duos“ (Mainz, Schott): Livr. 1. „Fantaisie conc. sur Ilka, Opèra hongrois de F. Doppler“; Livr. 2. „Hommage à F. Liszt. Fantaisie conc. sur les Motivs de l’Opèra: Tannhäuser de R. Wagner.“

Reich (Ignaz), Beth-El. „Ehrentempel verdienter ungarischer Israeliten“ (Pesth 1856, Alois Bucsánsky, 4°.) 1. Heft. S. 43 u. f. [nach diesem geb. 18. October 1830]. – Fétis (F. J.), Biographie univers. des Musiciens (Paris, Lex.-8°.) 2de. edit. (1867) tome VIII, p. 47. – Neues Universal-Lexikon der Tonkunst. Angefangen von Dr. Julius Schladebach, fortgesetzt von Ed. Bernsdorff (Dresden, Rob. Schäfer, gr. 8°.) Bd. III, S. 579 [nach diesem geb. 14. October 1830]. – Wertheimer, Jahrbuch der Israeliten. Neue Folge II. Jahrg. 5616 (1855/56), S. 192: „Ehrentafel österreichischer Juden“. – Illustrirte Zeitung (Leipzig, J. J. Weber) 1852, Nr. 152, S. 142; Nr. 448, S. 78.
Porträte. 1) Unterschrift: Facsimile des Namenszuges: Edmund Singer, großherzoglich sächsischer Concertmeister. August Canzi (lith.), 1856 bei Engel und Mandello in Pesth. – 2) Facsimile des Namenszuges: Edmund Singer. A. Weger sc. (Leipzig, 4°.). – 3) Facsimile des Namenszuges. Gezeichnet von August Strixner (Pesth 1853, kl. Fol.).

Anmerkungen (Wikisource)