BLKÖ:Schor, Johann Baptist Ferdinand

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Schopf, Franz Joseph
Band: 31 (1876), ab Seite: 234. (Quelle)
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Schor, Johann Baptist Ferdinand (Maler und Professor der Architectur, geb. zu Innsbruck 24. Juni 1686, gest. zu Prag 4. Jänner 1767). Stammt aus einer berühmten Künstlerfamilie, deren in den Quellen S. 238 weitere Erwähnung geschieht. Seine Mutter Barbara war eine geborne Gump von Fragenstein. Sein Vater Aegyd [s. d. Quellen S. 238, Nr. 5] war selbst ein tüchtiger Maler und der erste Lehrer seines Sohnes in der Kunst. Er gab ihm die Werke des berühmten Vignola zum Studium und sorgte auch sonst noch für seine mathematische Ausbildung, so daß Johann Ferdinand noch im Knabenalter in wissenschaftlicher Weise in die Kunst, die er später zum Erwerbe ausüben sollte, eingeführt wurde. Nebstbei wurde er im Latein und in den übrigen Fächern unterrichtet. Nun traten zwei schwere Unfälle störend in das Leben des Jünglings: durch unvorsichtige Behandlung mit Schießpulver verlor er ein Auge und bald darauf durch den Tod seinen, jedoch schon ziemlich betagten Vater. Johann Ferdinand kam nun unter die Obhut seines Oheims Johann Paul. Dieser gab ihn in die Lehre zu dem geschickten Innsbrucker Maler Joseph Waldmann, bei dem S. in der Fresco-, vornehmlich Architecturmalerei die besten Fortschritte machte. Nach mehrjährigem Unterrichte bei Waldmann reiste er mit seinem Oheim nach Rom, wo Michael Angelo Ricciolini, der Chef-Architekt der päpstlichen Kriegskammer und ein Freund seines Vaters, sich des strebsamen und wohlunterrichteten Jünglings mit Wohlwollen annahm und seine weitere Ausbildung überwachte. Ricciolini ließ ihn nach der Natur antike Statuen, woran in Rom kein Mangel, zeichnen; überdieß legte sich S. selbst einen Vorrath architektonischer Zeichnungen, Copien großer Meisterwerke der Baukunst an, die fortan seine Vorbilder blieben. Besonders fleißig besuchte er die Schule Carlo Maratti’s. Nach dreijährigem Aufenthalte in Rom kehrte er in seine Heimat zurück, S. war 22 Jahre alt, als er wieder in Innsbruck eintraf. Bald fand sich Arbeit für den jungen Künstler. Sein Vetter Johann Martin Gump [Bd. VI, S. 32), damals Major und Oberingenieur, hatte für die Klosterkirche zu Wiltau den Plan zur großen Grabvorstellung für die Charwoche entworfen. Bei der Ausführung dieses Werkes half nun Schor mit. Kaum war diese Arbeit, in welcher seine Geschicklichkeit sich kundgab und seinen Namen bekannt gemacht hatte, zu Stande gebracht, als er den Auftrag erhielt, zu Brixen im Saale des fürstbischöflichen Palais für die bevorstehenden Opernaufführungen ein Theater aufzustellen. Nun bewährte sich S. ebenso als geschickter Architekt, wie als tüchtiger Prospect- und Architecturmaler. Von [235] Brixen begab sich Schor nach Prag, um dort für die PP. Karmeliter-Barfüßer ein heiliges Grab auszuführen und den Entwurf zu einem Hochaltar zu machen. In Prag richtete sich durch die mannigfaltigen Arbeiten, welche S. daselbst vollendet und deren weiter unten Erwähnung geschieht, bald die Aufmerksamkeit auf den jungen tüchtigen Künstler, und im Jahre 1726 wurde ihm von den kön. böhmischen Ständen, ohne daß er darum gebeten hatte, die Professur aus dem Ingenieurfache verliehen. So lange noch sein Vorgänger am Leben war, bezog er nur die Hälfte des Gehaltes, der ihm nach dem vier Jahre später erfolgten Tode desselben ganz zufiel. Außerdem arbeitete S. als Wasserbau-Architekt in der Commission, welche die Stände Böhmens zur Räumung des Moldauflusses aufgestellt hatten. Nachdem diese Arbeit vollendet war, eröffnete S. 1734 seine ordentlichen Vorlesungen über sämmtliche mathematische Disciplinen mit Ausschluß der Astronomie. Die Erfolge seiner Vorträge waren glänzend; mehrere seiner Zöglinge wurden nach der ersten öffentlich und feierlich vorgenommenen Prüfung, da sie dieselbe mit Auszeichnung bestanden hatten, von der Generalität sofort in kaiserliche Kriegsdienste mit Officiersrang aufgenommen. Als nach dem Tode Kaiser Karl’s VI., die Kriegswirren ausbrachen, erhielt S. Befehl, die Arbeiten seiner zum Schanzenbaue befehligten Zöglinge zu überwachen, und überhaupt Alles auszuführen, was ihm bei der Eile, mit der Alles zu geschehen hatte, zur Gegenwehr dienlich erscheinen mochte. Als dann Prag in die Hände der Franzofen fiel, setzte S. seine Vorträge in der Stille fort, sobald aber die kaiserliche Armee vor Prag gerückt war, ergriff er mit seinen wenigen Schülern, die ihm in den bedrängnißvollen Zeiten geblieben, heimlich die Flucht in’s Lager des Generalissimus, des Herzogs von Lothringen, wo er der Armee bei der Belagerung gute Dienste leistete. Die ihm in Anerkennung derselben von dem Großherzoge angebotene Majorstelle lehnte S. ab, da er in dankbarer Würdigung des Verhaltens der böhmischen Stände gegen ihn nicht ihren Dienst verlassen wollte. Hingegen traten alle fünf Schüler, die S. auf seiner Flucht aus Prag begleitet hatten, in das kaiserliche Ingenieurcorps. Bei dem zweiten Preußeneinfalle im Jahre 1744 wurde S. neuerdings zur Beaufsichtigung der Schanzenarbeiten in Prag beordert, bald aber beauftragt, für die aus Sachsen heranrückenden Hilfstruppen in Ermangelung der Pontons über die Elbe eine Brücke zu schlagen. In drei Tagen, mit Beseitigung nicht geringer Hindernisse, vollendete S. die Brücke, so daß die ganze sächsische Armee mit Roß, Mann, Wagen und Geschützen den reißenden Strom passiren konnte. Die Stände Böhmens belohnten S. durch eine ansehnliche Vermehrung seines Jahrgehalts. So gewann S. die Theilnahme und das Wohlwollen der höchsten Officiere und Generale der kaiserlichen Armee; Feldzeugmeister Graf von Harsch [Bd. VII, S. 387] ließ sich von ihm Vorträge über Fortification halten und zog ihn in allen wichtigeren, solche Projecte betreffenden Angelegenheiten zu Rathe. Joseph Wenzel Fürst Liechtenstein [d. XV, S. 156] lud S. im Jahre 1749 zu den großen Experimenten ein, welche mit der Unterwässerung bei Tein stattfanden. Den Antrag, mit dem Range eines Artillerie-Majors in der Emanuelisch-Savoyischen Ritterakademie, als Professor einzutreten, lehnte S. auch dieses Mal ab, entwarf [236] aber auf Wunsch des Fürsten einen Plan zur Einrichtung der Schulen daselbst und gab noch andere, das Artilleriewesen betreffende Gutachten. Nicht minder wesentliche Dienste leistete S. bei dem Einfalle der Preußen, der im Jahre 1756 statthatte, wo wieder viele seiner Zöglinge, die sehr gesucht waren, Aufnahme in der kaiserlichen Armee fanden. Im Jahre 1764 wurde S. bei der beabsichtigten Schiffbarmachung des Moldaustromes zu Rathe gezogen; machte auf eigene Kosten die ganze Reise zur Untersuchung und genauen Prüfung des Strombettes und entwarf den ganzen Plan zur Ausführung dieses Werkes. S. hatte sich dieser Arbeit, ungeachtet er damals bereits 78 Jahre alt war, unterzogen. Außer diesen Fortifications- und architectonischen Arbeiten vollendete S. namentlich in früheren Jahren noch manche andere, in welchen seine große Geschicklichkeit als vielseitiger Künstler sich kundgibt. So malte er für die PP. Dominikaner in Prag die Decoration zur Heiligsprechung des sel. Pius, mehrere andere für die Cajetaner, Minoriten u. a.; malte al fresco den Hochaltar bei den irländischen Franziskanern und mehrere Säle in Prag; ferner mehrere andere Hochaltarbilder, u. a. jenes bei Maria Schnee in der St. Michaels-Capelle, den „Erzengel Michael“ darstellend; die große Decoration zur Heiligsprechung des seligen Johannes von Nepomuk, welche von Wussin in Kupfer gestochen wurde; ein sehr großes Frescobild auf die Vorderfaçade der Domkirche, welches bei der darauffolgenden Belagerung zerstört und später von einem anderen Künstler neu gemalt wurde. Als Kaiser Karl’s VI. Krönung in Prag stattfand, führte S. im Auftrage Franz Wenzel’s Grafen von Trauttmannsdorff auf dem kaiserlichen Gestüte zu Kladrub einen Bau zu den daselbst abzuhaltenden Festlichkeiten mit solcher Pracht und Schönheit aus, daß Alles über diese Umwandlung des sonst öden Terrains entzückt war. Auch vollendete er in perspectivischer Aufnahme die Zeichnungen der Krönung in der Domkirche, der Huldigung in der Landtagsstube und der königlichen Tafel im Krönungssaale. Als der Prager Erzbischof, Graf von Kuenburg, den Ausbau der Domkirche zu St. Veit beschloß, zeichnete und entwarf S. in sieben großen architektonischen Plänen den Grundriß, die Profile und das übrige Detail, zu deren Ausführung es jedoch nicht kam. Nach seinen Entwürfen und unter seiner Leitung wurden ferner ausgeführt der Park und die Gartenanlage auf der Graf Waldstein’schen Herrschaft Dux, auf jener des Grafen Wrbna zu Horzowitz und auf jener des Grafen Morzin zu Lukawitz; überdieß rühren von seinem Griffel her eine große Menge von architektonischen und ornamentalen Ausschmückungen an größeren Bauwerken und Palästen, Springbrunnen, Cascaden, Grotten u. dgl. m. in Prag und den umliegenden Gegenden. S. war als Künstler, sei es als Maler oder als Architekt, bedeutend. Aus allen seinen Arbeiten spricht geläuterter Geschmack, der sich an guten und großen, ja an den besten und größten Mustern gebildet. In seinen wenigen historischen Stücken – denn, wie aus seiner Lebensskizze erhellet, widmete er sich bald fast ausschließlich der Architectur – zeigen sich geschickte Gruppirung, frisches Colorit, leichter Faltenwurf. Bei seiner Bescheidenheit und dem Drange, immer Besseres zu leisten, der jede echte Künstlerseele erfüllt, war er selbst mit seinen Arbeiten nie zufrieden und hätte, wenn man ihm das Werk weiter belassen [237] hätte, immer noch daran gebessert. Als Architekt bewährte er einen große und edlen Geschmack als Künstler, der sich ein gründliches Studium der alte Muster der Baukunst angeeignet hatte. Auch in der militärischen Architectur leistete er Vorzügliches, und wie tüchtig gebildet er darin war, beweist ein von seinen Schülern nach seinen Entwürfen und unter seiner unmittelbaren Leitung aus Ziegeln und Thonerde ausgeführtes Fortificationsmodell, das sich lange Zeit in der kaiserlichen Reitschule auf den Prager Schlosse befand und vielleicht noch dort befindet. Die Generalität und Jeder, der sich auf dergleichen verstand, zollte dem Werke Anerkennung, und der Churfürst Xaver von Sachsen, als er dasselbe besehen, zeichnete S. mit einer goldenen Medaille aus. Auf architektonischem Gebiete war S. auch schriftstellerisch thätig. Es sind von ihm ein Werk über bürgerliche Baukunst, für seine Zeit eine ausgezeichnete Arbeit, eine Abhandlung über Feldschanzen, ein Gespräch über das Pulver und eine größere, auf seine Untersuchung des Moldauflusses begründete Arbeit: über die Räumung der Flüsse, u. m. a. vorhanden. Groß ist die Zahl seiner Schüler, unter denen viele dem Namen ihres Meisters Ehre machen; unter jenen, die die militärische Laufbahn ergriffen haben, seien beispielsweise genannt die Brüder Karl und Wenzel Freiherren von Callot [Bd. II, S. 241], General Schröder, Pawlowsky, nach dessen Plänen und unter dessen Leitung die Festung Königgrätz erbaut wurde, und der preußische General Rebentisch. Unter den dem Civilstande angehörenden seien genannt: Karl Joseph von Bienenberg [s. d. Bd. I, S. 363], Herget, der ihm im Lehramte folgte, Johann und Joseph Sechter, Baudirector Ebert, Joachim Misliweczek, ein Bruder des berühmten Tonkünstlers, J. Quirin Jahn[WS 1] und noch viele Andere, und mehrere Ordensgeistliche, deren Arbeiten weniger der Oeffentlichkeit bekannt geworden. S. erreichte das hohe Alter von 81 Jahren. Er war zweimal verheirathet. Seine erste Gattin war eine verwitwete Callot, deren Gemal von dem berühmten Maler Jacob Callot abstammte und in ihrer ersten Ehe zwei Söhne, die oben erwähnten Karl und Wenzel Callot, hatte. Aus seiner zweiten Ehe entstammten zwei Söhne, der ältere, Johann, starb als Hauptmann eines croatischen Regiments vor dem Vater, der zweite diente in der kaiserlichen Artillerie. Näheres über die Familie Schor bringen die Quellen.

Tirolisches Künstler-Lexikon u. s. w. (Innsbruck 1830, Felic. Rauch, 8°.) S. 229 [mit mehreren Unrichtigkeiten]. – Dlabacz (Gottfried Johann), Allgemeines historisches Künstler-Lexikon für Böhmen und zum Theile auch für Mähren und Schlesien (Prag 1815, 4°.) Bd. III, Sp. 64. – Füßli. Allgemeines Künstler-Lexikon, S. 595 u. 596. – Die Künstler aller Zeiten und Völker. Angefangen von Professor Fr. Müller, fortges. von Dr. Karl Klunzinger (Stuttgart 1860, Ebner u. Seubert, gr. 8°.) Bd. III, S. 485. – Nagler (G. K. Dr.), Neues allgemeines Künstler-Lexikon (München 1838, E. A. Fleischmann, 8°.) Bd. XV, S. 503 [auch mit mehreren Unrichtigkeiten, die dem „Tirolischen Künstler-Lexikon“ entnommen sind]. – Jelinek (Carl Dr.), Das ständisch-polytechnische Institut zu Prag (Prag 1856, 8°.) S. 185. – Meyer (J.), Das große Conversations-Lexikon für die gebildeten Stände (Hildburghausen, Bibliographisches Institut, gr. 8°.) Zweite Abthlg. Bd. VII, S. 1258 u. 1259. – Oesterreichische National-Encyklopädie von Gräffer und Czikann (Wien 1836, 8°.) Bd. IV, S. 583. – Porträt. Unterschrift: J. Ferdinand Schor. Zwischen dem Tauf- und Familiennamen ist das Wappen der Schor eingestellt. J. Quirin Jahn pinxit, Balzer sc. Pragae (8°.) [auch in den [238] „Abbildungen böhmischer und mährischer Gelehrten und Künstler“).

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Michael Jahn