BLKÖ:Rzewuska, Alexandra Rosalia Gräfin

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 27 (1874), ab Seite: 340. (Quelle)
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Rzewuska, Alexandra Rosalia Gräfin (kais. österreichische Palast- und Sternkreuz-Ordensdame, geb. im Jahre 1791, gest. zu Warschau 11. Jänner 1865). Sie ist eine Tochter Alexander’s Fürsten Lubomirski aus dessen Ehe mit Rosa gebornen Gräfin Chodkiewicz[WS 1]. Diese merkwürdige Frau wurde in Wien erzogen, heirathete in Wien, verweilte auch in der Folge durch mehrere Jahre in Wien, wo sie viel Gutes gethan, und war, obgleich eine Polin und jenen Kreisen angehörend, wo die Liebe zu Oesterreich eben nicht als Prärogativ zu suchen, Oesterreich und seinen Bewohnern so zugethan, daß man sie in gewissen Warschauer Kreisen, vornehmlich in jenen, in denen man die russische Zuchtruthe mit Inbrunst küßt, spöttisch l’Autrichienne nannte. Diese Einleitung dürfte genügen, um die Aufnahme dieser interessanten Frau in dieses Lexikon zu rechtfertigen. Mit ihrer Kindheit bereits beginnt die Tücke des Geschickes, das ihr Leben bald mehr, bald weniger verdüstert hat. Mit ihrer damals 22jährigen Mutter befand sie sich als kaum einjähriges Kind in Paris. Die Mutter, einem der edelsten Adelsgeschlechter Polens, der Familie Chodkiewicz, entstammend, war eine Freundin der schönen und unglücklichen Prinzessin Lamballe. Das Rasen der Revolution war bereits auf jenen Gipfelpunct gestiegen, daß es genügte, zu einem Mitgliede der französischen Königsfamilie in Freundschaftsbeziehungen zu stehen, um für die Guillotine reif zu sein. Zudem ließ sich die edle Dame so weit ein, eine Freundin, die Fürstin Monaco, vor dem Schreckenstribunale, von dem sie bereits bedroht war, retten zu wollen. In Folge dessen wurde die Gräfin Rzewuska selbst verhaftet und zum Tode verurtheilt. Vergebens verwendete sich der Gatte um ihre Freilassung, vergebens reclamirte sie Kościuszko im Namen der polnischen Nation. Das Revolutionstribunal kümmerte sich weder um Fürsprache noch um Reclamationen, und auf dem Blocke, auf welchem einige Zeit vorher das Haupt der schönen Lamballe gefallen, verblutete auch das der Gräfin Rzewuska. Und ihr Kind, die kaum einjährige Alexandra? Hilflos lag es, dem Untergange preisgegeben, im Kerker der Conciergerie, bis es von einem Freunde der Familie aufgefunden und auf Umwegen zu dem in Polen weilenden Großvater Alexander Fürsten Lubomirski gebracht wurde. Dieser nahm Alexandra in der Folge nach Berlin mit, wo sie aus den Händen des berühmten Bischofs Ignaz Krasicki [Bd. XIII, S. 133] das Sacrament der Firmung [341] erhielt und seitdem an Stelle ihres Taufnamens Alexandra den Namen ihrer unglücklichen Mutter Rosalia annahm und beibehielt. Nachdem sie in Wien eine ausgezeichnete Erziehung erhalten, verheirathete sie sich auch daselbst, nicht ihrer Neigung, sondern dem Wunsche des Vaters folgend, mit dem als Orientalisten und Reisenden berühmt gewordenen Grafen Wenzel Rzewuski, welcher zu jener Zeit in der kaiserlichen Armee diente [siehe die besondere Biographie S. 353]. Zur Zeit der deutschen Befreiungskriege lebte die Gräfin Rosalia in Wien, gehörte durch ihre hohe, regelmäßige Schönheit, Geist und Liebenswürdigkeit zu den glänzendsten Erscheinungen in der Wiener Aristokratie, war auch eine der thätigsten Förderinen des Vereins der adeligen Damen, der unter anderem den wesentlichsten Antheil an der Gründung des Marienspitals in Baden bei Wien hat, wo die Gräfin als Oberin der daselbst befindlichen Filiale dieses Vereins ungemein viel Gutes that. Plötzlich aber war sie wegen zerrütteten Vermögensverhältnissen genöthigt, den Annehmlichkeiten der Residenz, wo man sich eben zu den berauschenden Festlichkeiten des Congresses rüstete, zu entsagen und sich ganz in ländliche Einsamkeit auf ihr Besitzthum Opole im Königreiche Polen zurückzuziehen, wo sie durch zwei Jahrzehnde ausschließlich der Erziehung ihrer Kinder, wissenschaftlichen Studien und der Wiederherstellung ihrer – nicht durch eigene Schuld – zerrütteten Vermögensverhältnisse lebte. Nachdem sie die vorgesteckten Ziele erreicht, kehrte sie wieder nach Wien zurück, wo sie in ihrem Hause einen äußerst angenehmen, geselligen Vereinigungspunct für Gebildete aus verschiedenen Kreisen der Hauptstadt schuf. Man fand in ihrem Salon den Herzog von Salerno, den Marschall Marmont, den Orientalisten Hammer-Purgstall [Bd. VII, S. 267], der sich insbesondere mit ihrem Gatten, dem Grafen Wenzel, befreundet hatte, den Dichter Zedlitz, den Exminister Montbel, den Geographen Balbi [Bd. I, S. 130], Herrn von Prokesch [Bd. XXIII, S. 349]. den Reisenden Siebold, den Architekten Nobile [Bd. XX, S. 376], den Tonsetzer Gyrowetz [Bd. VI, S. 62], Karoline Pichler [Bd. XXII, S. 242], ferner die Grafen Moriz und Johann O’Donnell [Bd. XXI, S. 2. in den Qu., u. S. 4], Prinz De Ligne [Bd. III, S. 213], den Historiker Bucholz [Bd. II, S. 189], den Publicisten Gentz [Bd. V, S. 136], Herrn von Pilat [Bd. XXII, S. 281], Zacharias Werner, die Fürstin Jablonowska mit ihrer Freundin Wrbna, die Gräfin Stürmer u. A. Als im Jahre 1830 die Revolution in ihrem Vaterlande ausbrach, unternahm sie, bei ihrem tiefen Abscheu vor allem, was Revolution hieß – hatte sie doch durch eine solche das Höchste, was der Mensch besitzt, die Mutter, verloren – eine größere Reise, auf welcher sie die Türkei, Italien, Deutschland und die Schweiz besuchte und ihre Beobachtungen in ihr regelmäßig geführtes Tagebuch niederschrieb. Dieses Tagebuch umfaßt in seinen Aufzeichnungen eine Periode von sieben Decennien. es ist im fließenden Französisch geschrieben und enthalt eine Fülle von wenig bekannten Thatsachen, pikanten Anekdoten, lebensvollen Charakterschilderungen, interessanten eigenen Erlebnissen und feinen, nicht selten kritisch gefärbten Beobachtungen. Nach den uns vorliegenden Quellen soll die Gräfin diese interessanten Memoiren ihrem Freunde, dem Baron Ransonnet [342] [Bd. XXIV, S. 350], mit der Verpflichtung, sie zu veröffentlichen, übergeben haben. Nach Angaben, geschöpft aus näherer Kenntniß dieser Schriftstücke, enthalten dieselben insbesondere eine Menge Details über österreichische Zustände und öffentliche Charaktere, die den Forschern um so willkommener sein werden, als die Memoirenliteratur, in Frankreich eine so reiche historische Quelle. hierlands – denn die Machwerke Bäuerle’s und Castelli’s und ja ungenießbar, und was Frau Karoline Pichler brachte, ist doch zu dürftig – nie geblüht hat. Zu Anfang der Dreißiger-Jahre übersiedelte die Gräfin nach Warschau, wo sie fortan lebte und nun eine Reihe von Prüfungen des Schicksals über sich ergehen lassen mußte, die sie mit seltener Standhaftigkeit ertrug. Schon im Jahre 1831 hatte ne ihren Gatten verloren. Sein geheimnißvoller Tod – man vergleiche seine Biographie auf S. 353 – klärte sich in der Folge als gemeiner Raubmord auf. Ihre geniale Tochter Callista, die Verfasserin des Romans: „Łaska i przeznaczenie“, d. i. Gnade und Bestimmung, welchen später ein Vetter von ihr, der als Schriftsteller bekannte Graf Heinrich Rzewuski, unter seinem Namen (Warschau 1851) herausgab. starb als Gattin des römischen Fürsten Michael Angelo Teano, nach Anderen Caldani, in der Blüthe ihrer Jahre; von ihren drei Söhnen gingen auch zwei ihr im Tode voran, der eine an seinem Brustleiden in Krakau in den schönsten Jahren, der andere fiel durch eine Tscherkessenkugel im Kaukasus. Der dritte, Leon, dessen Lebensskizze auf S. 346 folgt, überlebte sie nur um vier Jahre. Ein Zeitgenoß, der diese seltene Frau persönlich kannte, bemerkt über sie, daß, wenn es auch eine lohnende und in psychologischer Beziehung interessante Aufgabe wäre, ein Charakterbild derselben zu zeichnen, dieß doch nicht mit einigen Strichen geschehen könne, weil man einem solchen, im Laufe der Jahre aus sich selbst herausgebildeten, durch Erfahrungen und Schicksalsschläge gestählten Charakter mit seinen Eigenthümlichkeiten nicht mit wenig Worten gerecht werden könne. Das Folgende kann nur ein Schattenriß sein, der jedoch zum Sprechen getroffen ist. Die Gräfin war von stoischer Strenge gegen sich selbst, jedoch voll Güte und Geduld gegen ihre Umgebung; im Stillen übte sie großartige Wohlthätigkeit, und ohne dafür je einen Dank zu erwarten, erfüllte sie selbst immer mit aller Gewissenhaftigkeit die Pflichten der Dankbarkeit. wie jene der Freundschaft. Ihre Bildung war, wie das bei Frauen aus der polnischen Aristokratie meist der Fall ist, eine französische, allein sie strebte nach deutscher Gründlichkeit und las am liebsten deutsche Bücher. Obgleich principiell Gegnerin aller Neuerungen, war sie doch rastlos bemüht, den Ereignissen, politischen Tendenzen und literarischen Erscheinungen der Gegenwart zu folgen, kurz, sich immer auf der Höhe der Zeit zu halten. In Folge dessen war ihre Conversation lebendig, unterhaltend, anregend und nicht selten belehrend, insbesondere, wenn sie aus dem reichen Schatze ihrer Erinnerungen schöpfte. Die Huldigungen, die man einst ihrer Schönheit – man vergleiche das in den Quellen angeführte, unter ihrem lithographirten Bildnisse befindliche Quatrain – später ihrem Geiste zollte, die vielen Beweise von Theilnahme und Hochachtung, die sie von allen Seiten – darunter auch von den Kaisern Nikolaus und Alexander II. – erhielt, ließen sie wohl nicht gleichgiltig, aber thaten nie [343] ihrer ungeheuchelten Bescheidenheit Abbruch. Ihre hohe Gestalt, die aufrechte, edle Haltung und die feinen Gesichtszüge, an welchen die Jahre schonend vorübergegangen waren, gaben ihrer ganzen äußeren Erscheinung das Gepräge einer gewissen Vornehmheit, jedoch ohne Beigabe von Stolz, der ihr überhaupt fremd war. Sie imponirte, ohne es zu wollen, und gefiel stets, wenn sie gefallen wollte. Sie war eben eine große Dame im besten Sinne des Wortes. Sie war kais. österreichische Palast- und seit 1808 Sternkreuz-Ordensdame. Außer ihren Memoiren schrieb sie in jüngeren Jahren noch eine historische Erzählung: „Die Königin Hedwig“ in französischer Sprache, die jedoch nicht gedruckt worden zu sein scheint.

Lada (ein čechisches Frauenblatt, 4°.) 1863, Nr. 17: „Hrabenka Roz. Rzewuska“ [mit der unrichtigen Mittheilung über ihren Gatten, daß er nach Sibirien transportirt worden und dort gestorben sei. Siehe dessen Biographie S. 353]. – Oesterreichs Pantheon. Gallerie alles Guten und Nützlichen im Vaterlande (Wien 1831, M. Chr. Adolph, 8°.) Bd. III, S. 83: „Gründung des Spitals zu Baden“. – Wiener Zeitung 1865, Nr. 15. – Porträt. Lithographie mit der Unterschrift: Rosalie Comtesse Rzewuska née princesse Lubomirska, und den Versen:

Considerez cette forme si belle,
Ces traits si purs si noblment d’accord;
Et vous direz: l’ame qu’elle recelle
Est mille fois plus belle encor

[etwa deutsch: Welch eine Gestalt! seht sie nur an, | Wie sie voll Anmuth und Adel ist!| Und tausendmal schöner ist, sagt ihr dann | Der Geist, den diese Gestalt umschließt].

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Rozalia Lubomirska (Wikipedia).