BLKÖ:Rzesińsky, Johann Kantius H. S.

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Rzepnicki, Franz
Band: 27 (1874), ab Seite: 338. (Quelle)
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Rzesińsky, Johann Kantius H. S. (Rechtsgelehrter und Fachschriftsteller, geb. in Galizien im Jahre 1803, gest. zu Krakau im Juni 1855). Die lateinischen Schulen und die Universität, an welcher sich R. dem juridischen Fache zuwendete, besuchte er in Krakau, wo er einige Zeit an der dortigen Universitäts-Bibliothek als Adjunct Dienste that, worauf er im Jahre 1828 die juridische Doctorwürde erlangte. Im Anbeginn fesselte ihn die schöne Literatur und damals erschienen einige seiner poetischen Arbeiten in verschiedenen polnischen schöngeistigen Blättern zerstreut gedruckt. Aber bald wendete er sich den ernsten wissenschaftlichen Disciplinen zu und wurde im Jahre 1829 Supplent der Philosophie an der Krakauer Hochschule, in welcher Eigenschaft er zwei Jahre thätig war, denn darauf las er als Docent über den Commentar des Gajus, später über das Erbrecht. Als der berühmte Bibliograph Georg Samuel Bandtkie [Bd. I, S. 142] starb, trug R. in den Jahren 1835 und 1836 Bücherkunde vor und versah dann an der Universitäts-Bibliothek einige Jahre die Dienste eines Adjuncten, später jene des Bibliothekars, bis er im Jahre 1848 das Lehramt des Naturrechtes, der juridischen Encyklopädie und des Strafrechtes an der Universität erhielt, welches er im Jahre 1850 mit jenem der Philosophie und des Privatrechtes vertauschte. Im Jahre 1854 wurde aber das Lehramt aus den vorbenannten Fächern einem Andern verliehen und R. zum Professor des alten polnischen Rechtes und Civilrechtes ernannt, welche Stelle er bis an sein Lebensende bekleidete. Ueberdieß versah R. seit 1831 das Amt eines Advocaten bei den Krakauer Gerichten, saß im Jahre 1838 im gesetzgebenden Körper der Krakauer Republik, wurde im Jahre 1844 zum Abgeordneten in den Landtag derselben gewählt, in welchem er die Seele der legislativen Section war, und im Jahre 1848 in das Comité berufen, welches sich mit dem Organisationsentwurfe der neuen Gerichtsverwaltung beschäftigte. R. war in seinem Fache auch schriftstellerisch thätig und hat außer zahlreichen, in Fachblättern und legislativen Sammelwerken abgedruckten einzelnen Abhandlungen noch folgende größere, theils selbstständige Werke, theils Uebersetzungen anderer herausgegeben. Die Titel derselben sind in chronologischer Folge: „De Justino Trogi Pompei epitomatore. Accedii descriptio codicis Cracoviensis cum integra et accurata lectionum varietate inde excerpta“ (Krakau 1826, Universitätsdruckerei, 8°.), R. gab diese Schrift als Inaugural-Dissertation heraus; – „De usuris secundum jus romanum commentatio“ (ebd. 1828, 8°.); – „Rys historyczny prawa rzymskiego podług Edwarda Gibbona przéłożony z angielskiego, a uwagami Gustawa Hugona powiększony“, d. i. Historischer Grundriß des römischen Rechtes, aus dem Englischen des Ed. Gibbon übersetzt und mit den Bemerkungen von Gustav Hugo vermehrt (Krakau 1830, Jos. Czech, 8°.); um seine Zuhörer – R. habilitirte sich eben als Docent der Rechtswissenschaft – in die Geschichte des römischen Rechtes, der Hauptgrundlage des modernen Rechtes, einzuführen, übersetzte er in trefflicher [339] Weise diese geistvolle Schrift Gibbon’s; – „W. B. Tennemanna według przerobienia A. Wendta rys historyi filozofii“, d. i. W. B. Tennemann’s Geschichte der Philosophie nach der Bearbeitung von A. Wendt in’s Polnische übersetzt. 2 Bde. (Krakau 1836 und 1837, R. wollte an dieses übersetzte Werk in der Folge eine Originalarbeit, worin er die Geschichte der Philosophie in Polen behandelte, anschließen, aber er kam nicht zur Ausführung seines Vorhabens; – „Przeklad Scholiów do Gaja napisanych przeż Edwarda Gansa“, d. i. Uebersetzung der von Ed. Gans verfaßten Scholien zum Gajus (Krakau 1830, Jos. Czech, 8°.); bald nachdem Niebuhr aus den Palimpsesten zu Verona die für die Geschichte des römischen Rechtes so wichtigen Commentare des römischen Juristen Gajus entdeckt und Savigny und Göschen daraus die ersten Ausgaben des Gajus veranstaltet hatten, schrieb der seiner Zeit berühmte Berliner Rechtsgelehrte Ed. Gans die Scholien dazu, welche in Fachkreisen nicht geringes Aufsehen erregten und in dieser polnischen Uebersetzung R.’s eine Bereicherung der polnischen Fachliteratur bildeten; – „Proces cywilny krakowski przez rajcow miasta w r. 1544 za panowania Zygmunta I. napisany“, d. i. Der Krakauer Civilproceß im Jahre 1544 unter der Regierung Sigismund I. (ebd. 1840, Czech, 8°.); diese, nach zwei in der Krakauer Bibliothek aufbewahrten Handschriften ausgeführte Schrift ist ein schätzenswerther Beitrag zur Geschichte des Gerichtsverfahrens in Polen im Mittelalter, woraus dessen Unterschied gegen das später eingeführte Magdeburgische Recht wesentlich erhellet; – „Trzy kodekse francuskie. Cywilny, postępowąnia sadowego i handlowy, w przykładzie poprawnym z dolaczeniem zwiazkowych między soba artykułów“, d. i. Drei französische Codices. Der Civilcodex, das Gerichtsverfahren und das Handelsrecht, übersetzt mit Hinzufügung der unter sich im Zusammenhange stehenden Artikel (Krakau 1845, Gieszkowski, 12°.). Mehrere juridische Abhandlungen R.’s befinden sich auch in den vom Jahre 1826 bis 1833 von dem damaligen Curator der Jagiellonischen Universität, dem Grafen Joseph Załuski, herausgegebenen „Rozmaitości naukowy“ und in dem von A. Z. Helcl redigirten „Kwartalnik naukowy“, d. i. Gelehrte Vierteljahrschrift. Vieles aber hat R. in Handschrift hinterlassen, darunter ein vollständiges Handbuch der Philosophie und Metaphysik in 60 Folioheften: eine philosophische Tugendlehre in 40 Heften; Erörterungen über Friedensgerichte in 30 Heften; eine Uebersetzung der von Luden herausgegebenen Abhandlungen aus dem gemeinen deutschen Strafrechte in 97 Heften; eine Uebersetzung des Entwurfes einer juristischen Encyklopädie und Methodologie in die ganze Rechtsgelehrsamkeit von J. N. Pütter mit eigenen Zusätzen in 135 Heften; eine Uebersetzung der Philosophie des Rechtes nach geschichtlicher Ansicht von dem Berliner Professor Fr. Jul. Stahl in 225 Folioheften; eine Uebersetzung des Völkerrechtes von Heffter; eine Uebersetzung der Kritik des Völkerrechtes nach dem heutigen Standpuncte von Kaltenborn in 39 Heften; eine vollständige Uebersetzung des berühmten Werkes über das Erbrecht in geschichtlicher Entwickelung von Ed. Gans. Der wichtigste Theil des Nachlasses, seine Darstellung des polnischen Rechtes, ist unvollendet geblieben; über dieser Arbeit, zu welcher 114 genau copirte alte Urkunden, [340] Diplome, Privilegien u. dgl. m. geboten, welche bis zum Jahre 1835 zurückreichen, überraschte ihn der Tod, sie ist nur bis zum 37. Bogen gediehen und möchte, wie die Anlage des Werkes vermuthen läßt, den 6. Theil des Ganzen bilden. R. war gründlich und vielseitig gebildet, er zählte zu den bedeutendsten Capacitäten der Krakauer Hochschule, und wie er die deutsche Wissenschaft hochschätzte, wie er sich eben an ihr herangebildet, bezeugen am besten die von ihm herausgegebenen und hinterlassenen Schriften.

Czas, d. i. de Zeit (Krakauer polit. Blatt, Fol.) 1855, Nr. 146: Nekrolog; 1856, Nr. 108: „J. H. S. Rzesiński“. – Nowiny, d. i. Neuigkeiten (Lemberger Unterhaltungsblatt, 4°.) 1855, Nr. 81, S. 31. – Woycicki (K. Wl.), Historyja literatury polskiej w zarysach, d. i. Geschichte der polnischen Literatur in Umrissen (Warschau 1846, Sennewald, gr. 8°.) Bd. IV, S. 518. – Encyklopedija powszechna, d. i. Allgemeine (polnische) Encyklopädie (Warschau 1865, Orgelbrand, gr. 8°.) Bd. XXII, S. 632.