Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Regner, Joseph
Band: 25 (1873), ab Seite: 135. (Quelle)
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Reguly, Anton (ungarischer Sprachforscher und Reisender, geb. zu [136] Zircz im Veszprimer Comitate im Jahre 1819, gest. zu Ofen 23. August 1858). Der Vater, Anwalt des Cistercienserordens, gab dem Sohne eine sorgfältige Erziehung und eiferte ihn besonders zum Studium der Geschichte an. Die Schulen besuchte er in Raab, später in Pesth, wo er das Studium der Rechte mit ausgezeichnetem Erfolge beendigte. Im Jahre 1839 unternahm er, theils von dem Verlangen fremde Länder kennen zu lernen, theils zum Zwecke historischer Forschungen, eine Reise nach Deutschland. In Hamburg angelangt, nahm er seinen Weg nach Skandinavien; in Kiel fuhr er mit dem Dampfboote nach Kopenhagen, von dort nach Stockholm, wo er sich bereits mit den Forschungen über die finnisch-ungarische Sprach- und Stammverwandtschaft zu beschäftigen begann. Aus diesem Anlasse begab er sich zunächst nach Abo, wo er die schwedische Sprache erlernte und mit Hilfe derselben die Sagen der finnischen Volksstämme, sowie auch deren Geschichte und Literatur studirte. 1840 ließ er sich in Gesellschaft des Arztes Schilt in Lommasaho, einem finnischen Flecken, nieder und erlernte daselbst die finnische Sprache derart, daß er, nachdem er von der Helsingforser Gelehrten-Gesellschaft zum Mitgliede ernannt worden war, das Dankschreiben an die Gesellschaft in finnischer Sprache schrieb. Im Mai desselben Jahres (1840) ging er noch weiter nach Norden, und zwar nach Karelien, dann nach Lappland, wo er das großartige Schauspiel sah, daß die Sonne von Mitte Juni bis 18. Juli nicht unterging. Laestadius, der berühmte Verfasser der Flora Lapplands, führte den jungen Ungar in das Studium der Sprache der Lappen und ihrer Mythen ein. Von da ging R. nach Kemi, wo er mit dem Gelehrten Castren Bekanntschaft machte. Indessen verbreitete sich Reguly’s Ruf immer mehr und mehr in den wissenschaftlichen Kreisen, und der junge Forscher wurde überall mit großer Achtung empfangen. Anfangs 1841 kehrte er nach Helsingfors zurück, und schon damals erregte die Gewandtheit, mit der er finnisch und lappisch sprach, allgemeines Erstaunen. Um nun die esthnische Sprache zu erlernen, begab er sich nach St. Petersburg und bereitete sich vor, die Volksstämme Ost-Finnlands zu besuchen. Nun begann sich auch im Vaterlande die Theilnahme für den jungen rastlosen Forscher zu regen, und die ungarische Akademie schickte ihm Reisegeld und gab ihm mehrere wissenschaftliche Aufträge. Die Gelehrten Petersburgs aber, Männer wie Baer, Frähn, Sjögren, Köppen, Krug, Schmidt, Stiglitz u. A. interessirten sich für den ungarischen Touristen, und Hofrath Balugyanßky [Bd. I, S. 139], ein Landsmann Reguly’s, nahm ihn gastlich im eigenen Hause auf. In Petersburg verlegte sich R. mit allem Eifer auf Erlernung der russischen Sprache und der ostfinnischen Dialekte, des Sirzenischen, Mordvinnischen, Tscheremißischen und Tschuwasischen, auch begann er um diese Zeit das Studium des Türkischen. Im Mai 1842 schickte er den ersten Bericht über seine Reisen und Forschungen an die ungarische Akademie; diese hatte auch die Absicht, die Kosten seiner Reisen zu bestreiten, konnte aber ob Mangel der erforderlichen Geldmittel ihr Vorhaben nicht ausführen. Die anstrengenden Studien warfen aber R. auf’s Krankenlager. Nach seiner Genesung wurde er von Balugyanßky dem Fürsten Anton Demidoff und dem kaiserlichen Hofe vorgestellt, und nun erhielt der Ungar [137] zur Bereisung Ostfinnlands eine russische Subvention. Inzwischen schickte ihm auch die Akademie einen Unterstützungsbeitrag von 1000 Gulden, auch wurde er im Jahre 1843 von derselben zum Mitgliede ernannt. Am 9. October letztgenannten Jahres begab er sich aus Petersburg auf die Reise nach Uralsibirien. Durch Moskau und Nowgorod, dann die Wolga abwärts, kam er am 27. October nach Kazán. Von dort setzte er seine Reise unter den Volksstämmen der Votyaken und Baschkiren fort, überstieg am 4. December glücklich den Ural, und an der Grenze des bewohnten russischen Uralgebietes in Vßevolodßkoi erlernte er bei den Vogulen deren Sprache, machte sich mit den Zuständen dieses Volksstammes bekannt und schrieb, da derselbe im Aussterben begriffen ist, ein vogulisches Wörterbuch nieder. Seiner Reise Glanzpunct war sein nördlicher Entdeckungsweg. Am 17. März 1844 langte er in Tobolsk an, wo er mit Castrén zusammentraf. Am 24. Juli brach er von Pelim auf und gelangte nach großen Beschwerden und überstandenen Gefahren in das vor ihm noch von keinem gebildeten Touristen betretene Land der Nordvogulen. Von dort begab er sich zu den Ostyaken, kam nach langer Wanderung unter nomadischen Jäger- und Fischerstämmen nach Berzov, wo er längere Zeit, bis März 1845, mit Studien der Ostyakischen Sprache und Sitten sich beschäftigte und die Volksgesänge der Ostyaken sammelte, die er auf mehr denn 80 Bogen niederschrieb. Briefe aus Petersburg nöthigten ihn, nach Kasan zurückzukehren, von wo er in das Kloster von Rajfa übersiedelte und sich dorrt mit dem Studium der Tscheremischen und Tschuwaschen Sprache befaßte. Indessen eröffnete die ungarische Akademie zur Unterstützung des Reisenden eine Subscription, welche ein Ergebniß von 1400 fl. abwarf und ihn nun in den Stand setzte, seine Forschungen und Fahrten fortzusetzen. Obwohl leidend, besuchte er noch die übrigen ostfinnischen Volksstämme, und zwar die Mordwinen und Tschuwaschen. In der Heimat aber war Reguly’s Freund, Franz Toldy, thätig, neue Mittel für den fernen Freund zur Fortsetzung seiner Studien zu schaffen; gründete zu diesem Zwecke die Reguly-Gesellschaft (Regulytarsaság), welche sich die Aufgabe stellte, durch Herausgabe eines Reguly-Albums so viel Geld herbeizuschaffen, daß R. in seinen materiellen Bedürfnissen für die nächsten zwei Jahre, 1846 und 1847, gedeckt war, worauf er mit seinen gesammelten Materialien zur Bearbeitung derselben in sein Vaterland zurückkehren sollte. So hatte sich R. nach und nach mit allen Zweigen der finnischen Sprachenfamilie bekannt gemacht, und nachdem er seine Materialien einigermaßen zusammengestellt, kehrte er am 25. August 1846 nach St. Petersburg zurück. Dort begann er einen Theil der Resultate seiner Reise aufzuarbeiten und die Karte des 180 geographische Meilen umfassenden nördlichen Uralgebietes zu entwerfen. Diese Arbeit, bestehend aus 16 großen Quartblättern, begleitet von einem erklärenden Texte, hatte er Ende 1847 zu Stande gebracht. Sie fand in Petersburg selbst die beifälligste Aufnahme. Um seine durch die Strapazen der vielen Reisen und großen Entbehrungen zerrüttete Gesundheit einigermaßen zu kräftigen, begab sich R. nun nach Gräfenberg, wo er die Wassercur gebrauchte und im September auf kurze Zeit sein Vaterland besuchte, von dem er volle neun Jahre fern gewesen. Bei dieser Gelegenheit wurde auch die von ihm mitgebrachte [138] Sammlung ethnographischer Gegenstände öffentlich ausgestellt. Dieselbe, später dem ungarischen National-Museum einverleibt, enthielt: 1) Die verschiedenen Bekleidungsstücke der von R. besuchten Volksstämme, der Lappen, Samojeden, Vogulen, Ostyaken, Mordwinen, Tschuwaschen u. s. w. beiderlei Geschlechts; 2. Puppen der Männer- und Frauengestalten der Samojeden und Tscheremissen; 3) Modelle der Wohnungen, des Hausgeräthes, der Schlitten u. dgl. m. der genannten Völkerstämme; 4) Verschiedene Alterthümer, als Götzenbilder, Münzen, Erzbilder u. dgl. m. aus den bereisten Gegenden; 5) endlich mineralogische und zoologische Gegenstände, Versteinerungen u. s. w. Im November 1847 begab er sich nach Berlin, um dort seine geschriebenen Materialien zu bearbeiten, aber seine sehr angegriffene Gesundheit nöthigte ihn, seine Arbeiten zu unterbrechen, und im mecklenburgischen Städtchen Lehsen suchte er Heilung seiner Leiden; dorthin erreichte ihn der Erlaß des ungarischen Unterrichtsministeriums, durch den er mit 13. Juni 1848 zum ersten Custos der Pesther Universitäts-Bibliothek ernannt war. Aber krankheithalber war R. außer Stande, seinen Dienst anzutreten, und als er im Frühlinge des folgenden Jahres sich nach Ungarn begab, um seine Stelle anzutreten, wurde er am 3. Mai in Preßburg von den k. k. Militärbehörden verhaftet. Erst, nachdem sich herausstellte, wer er sei, wurde er freigegeben; er trat nun im September 1849 sein Amt an, in welchem er im Jänner 1850 definitiv bestätigt wurde und das er bis an sein Lebensende bekleidete. Nach seiner Rückkehr im Vaterlande war R. beständig sehr leidend und nicht im Stande, das massenhaft von ihm aufgestappelte Materiale auch nur im kleinsten Theile zu sichten und zu ordnen. Am 16. September 1850 hielt er aus Anlaß eines Vortrags, den der Sinolog Gützlaff im August g. J. in der ungarischen[WS 1] Akademie gehalten hatte, seinen ersten akademischen Vortrag; im Mai 1851 erstattete er einen Bericht über die hinterlassenen, auf die finnisch-ungarische Frage Bezug nehmenden Handschriften Maximilian Hell’s [Bd. VIII, S. 262}; im Juni 1856 hielt er noch zwei Vorträge über die Geographie des nördlichen Ural. In den letzten Jahren beschäftigte er sich vornehmlich mit Arbeiten über die vogulische Sprache und führte zugleich seinen akademischen Collegen Adam Hunfalvig [Bd. IX, S. 431] in dieses Gebiet der sprachlichen Forschung ein. Alle Versuche, in Bädern Kräftigung seiner Gesundheit zu erlangen, scheiterten. Einem Blutsturze, der ihn am Morgen des 21. August 1858 aus dem Schlafe weckte, folgten in den nächsten Tagen mehrere neue Anfälle, denen er im Alter von erst 39 Jahren erlag. Freiherr von Eötvös hielt in der Sitzung der ungarischen Akademie der Wissenschaften vom 13. Juli 1863 eine Denkrede auf Reguly, in welcher der berühmte Staatsmann dem Feuereifer des kühnen Touristen alle Gerechtigkeit zollte, jedoch nicht umhin konnte, mit Bedauern auszusprechen, daß so viel Drangsale, so viel Opfer endlich doch ohne ein eigentliches Resultat geblieben seien. Insbesondere legte der Baron darauf Gewicht, daß Reguly nicht gehörig vorbereitet seine Wanderungen unternommen habe. In dem unten in den Quellen angegebenen Werke: „Silhouetten und Reliquien“, werden noch nähere Andeutungen über die Resultatlosigkeit der Reguly’schen Forschungen gegeben, die, ohne der Wissenschaft einen Nutzen geleistet zu [139] haben, vorherrschend ein biographisches Interesse haben, da sie ein glänzendes Zeugniß für die Opferwilligkeit eines Mannes ablegen, der unter anderen Umständen Bedeutendes zu leisten berufen gewesen wäre.

Pester Lloyd (polit. Blatt) 1858, Nr. 197 u. 199, im Feuilleton: „Anton Reguly“; – 1863, Nr. 159, im Feuilleton im Akademiebericht: „Denkrede des Freiherrn von Eötvös auf Reguly“. – Wiener Zeitung 1846, Nr. 77. – Frankl (Ludw. Aug.), Sonntagsblätter (Wien, 8°.) 1842, S. 153. – Kertbeny (K. M.), Silhouetten und Reliquien. Erinnerungen an Albach, Bettina u. s. w. (Prag 1863, I. L. Kober, 8°.) Bd. II, S. 78 u. f.: „Anton Reguly“. – Mittheilungen aus Justus Perthes’ geographischer Anstalt (4°.) Jahrg. 1864, S. 385. – Magyar irók. Életrajz-gyüjtemény. Gyüjték Ferenczy Jakab és Danielik József, d. i. Ungarische Schriftsteller. Sammlung von Lebensbeschreibungen. Von Jacob Ferenczy und Joseph Danielik (Pesth 1856, Gustav Emich, 8°.) I. Theil, S. 383. – Vasárnapi ujság, d. i. Sonntags-Zeitung (Pesth, 4°.) 1859, Nr. 33. – Hölgyfutár (Pesther Blatt, 4°.) 1858, Nr. 199 u. 201. – Auch befindet sich in dem von der Reguly-Gesellschaft im Jahre 1858 herausgegebenen Reguly-Album seine Biographie. – Porträt im „Vasárnapi ujság“ 1859, Nr. 33, Holzschnitt von M. Müller.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: ungaschen.