BLKÖ:Petřina, Franz Adam

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 22 (1870), ab Seite: 116. (Quelle)
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Petřina [sprich: Petschina], Franz Adam (Naturforscher, geb. zu Semil, einem Städtchen im Jungbunzlauer Kreise Böhmens, 24. December 1799, gest. zu Prag, nach Weitenweber am 27. Juni, nach Anderen am 27. Juli 1855). Sein Vater war ein mittelloser Schneider, der später, um seine Lage zu verbessern, das Geschäft eines Webers und Garnhändlers betrieb. So verfloß unter traurigen Verhältnissen die Jugend des Sohnes, der, bereits 17 Jahre alt, noch keine Erziehung erhalten hatte und bei seinem armen Vater als Weberlehrling, später als Geselle arbeitete. Aber dieß sagte dem nach Bildung dürstenden Jünglinge auf die Länge der Zeit nicht zu. Ohne auf eine Unterstützung des Vaters zu rechnen, beschloß er, sich den Studien zu widmen und sich, wie er es bei anderen sah, selbst fortzuhelfen. Er verließ das Elternhaus und begab sich nach Gitschin, um dort das Gymnasium zu besuchen. Da er gar keine Vorkenntnisse besaß, mußte er mit der untersten Classe anfangen, holte aber [117] schon in wenigen Jahren seine weit vorgeschrittenen Collegen ein und hielt mit ihnen nicht nur Schritt, sondern überholte sie auch bald. Im Jahre 1823 bezog er die Prager Hochschule, seinen Lebensunterhalt bestritt er von Privatunterricht, den er ertheilte, wobei es ihm wohl mitunter sehr schlecht erging. Bei seiner Vorliebe für die mathematisch-physikalischen Wissenschaften widmete er sich mit allem Eifer denselben, und nach manchen fehlgeschlagenen Versuchen gelang es ihm im Jahre 1832, die Assistentenstelle bei der Lehrkanzel der Mathematik und Physik an der Prager Universität zu erhalten. Diese Stelle war ihm nun Mittel zur eigenen eifrigsten Fortbildung. Im Jahre 1836, P. war damals schon 37 Jahre alt, erlangte er in Prag die philosophische Doctorwürde und Ende August 1837 die Professur der Physik am Lyceum zu Linz. Da aber bot sich ihm, der über die schablonenhafte Auffassung der vormärzlichen Lehrer, als strebender und denkender Geist, hinaus war, für seinen regen Forschungsgeist sehr wenig Gelegenheit zur Befriedigung. Es fehlte an Allem, was er brauchte, und stückweise mußte er sich sein Terrain erobern. Jahre vergingen, daß er ein physikalisches Cabinet zu Stande gebracht, für welches er die Apparate zum großen Theile selbst gearbeitet, denn, um fertige zu kaufen, oder deren, wie er sie bedurfte, machen zu lassen, gebrach es an Mitteln und den entsprechenden Arbeitern. In jene Zeit eben fiel der epochemachende Aufschwung der Lehre von der Elektrizität und dem Elektromagnetismus, veranlaßt durch die Entdeckungen von Faraday, Gauß, Ohm, W. Weber u. A., und auch P. fühlte sich angeregt, dieses Gebiet, auf dem es noch so viel zu beobachten und zu erforschen galt, seinem besonderem Studium zu unterziehen, was nicht ohne Erfolg geschah. In jene Zeit fallen seine Beobachtungen über die Einwirkung der Flamme auf die Spannungselektrizität, über die Construction einer magnetoelektrischen Maschine mit doppelter Wirkung und mehrere andere, in dasselbe Capitel der Physik gehörige Untersuchungen, wobei P. ein besonderes Geschick in Verbesserung von Apparaten und Methoden an den Tag legte. Er stellte den durch Versuche erhärteten Beweis her, daß kein elektrischer Körper durch einen nicht isolirten Leiter hindurch wirke, beschrieb eine elektro-magnetische Maschine zu ärztlichem und physikalischem Gebrauche, welche bald große Verbreitung fand, erfand eine neue Methode der Messung der Intensität elektrischer Ströme, welche, von mehreren Seiten angefochten, von ihm mit Bekämpfung aller Einwendungen siegreich aufrecht erhalten und in die Lehrbücher aufgenommen wurde. Bei so verdienstvoller Thätigkeit richtete sich auch an maßgebender Stelle die Aufmerksamkeit auf den Forscher, und so erhielt er denn mit Allerh. Entschließung vom 27. August 1844 die eben erledigte Lehrkanzel der Physik an der Prager Hochschule. Daselbst hatte P. seine elektro-magnetischen Versuche fortgesetzt und die Wissenschaften mit manchen neuen Ergebnissen seiner Forschung bereichert. Darunter sind besonders hervorzuheben seine Mittheilung: „Ueber die vortheilhafte Anwendung der Zweigströme bei der Telegraphie“, worin P. nachweist, daß nach seiner Einrichtung eine einzige Local-Batterie für acht Schreibapparate ausreicht und daß für noch so viele, von einer Station ausgehende Linien eine gemeinschaftliche Linienbatterie von der gewöhnlichen Stärke genüge, in welcher [118] dann allerdings der Zinkverbrauch entsprechend der vermehrten Leistung größer sei. In Folge dieser von P. gemachten Erfahrung konnte auf den k. k. Telegraphenämtern eine ansehnliche Verminderung der Elemente durchgeführt werden, und es wurde die Zahl der in Anwendung stehenden Elemente in Wien von 480 auf 84, in Verona von 180 auf 60, in Triest von 150 auf 84, in Salzburg von 180 auf 60, in Oderberg von 96 auf 36 herabgesetzt[WS 1], so daß auf den genannten fünf Stationen statt der bisherigen 1102 Elemente nun 324 ausreichten. In einem anderen Aufsatze, nämlich in jenem: „Ueber elektrische Ströme von veränderlicher Richtung“, theilt P. eine Reihe scharfsinnig combinirter Versuche mit, durch welche die Ansichten der Anhänger und Vertheidiger der chemischen Theorie der Elektricitäts-Erregung in der Voltaischen Säule, zu welcher P. sich auch bekannte, entgegen den Anhängern der Contacttheorie, von experimenteller Seite neue Bekräftigung erhielten. Ferner widerlegte er mehrere Ansichten des k. k. Telegraphen-Directors Dr. W. Gintl, welcher die Coexistenz zweier einen Leiter in entgegengesetzter Richtung ohne Störung durchlaufender Ströme behauptete, während P. ebenso auf experimentalem als auch theoretischem Wege zu der Schlußfolgerung gelangte, daß „von zwei Strömen, die durch einen Leiter in entgegengesetzten Richtungen zugleich gehen sollen, nur die Differenz durch diesen Leiter geht“, daß hiemit Ströme von gleicher Stärke sich in demselben aufheben, oder besser gesagt, sich interferiren; und noch mehr, P. wies auch in sehr scharfsinniger Weise nach, woher die Meinung, als könnten durch einen und denselben Draht gleichzeitig zwei einander der Richtung nach entgegengesetzte elektrische Ströme ohne Störung geleitet werden, entstehen konnte. Zum Schlusse sei noch der von ihm erfundenen „elektrischen Harmonika“ gedacht, eines mit Tasten zu spielenden, seinem Aeußern nach der Physharmonika ähnlichen elektro-magnetischen Inductions-Apparates, der eines einzigen kleinen Elementes bedarf, um beim Anschlagen einer oder mehrerer Tasten einen reinen oder starken Ton oder Accord zu geben. Die Töne werden mittelst einer Reihe besonders eingerichteter Stromunterbrecher hervorgebracht. Zwei gleichgestimmte Instrumente dieser Art, durch fast beliebig lange Drähte mit einander verbunden, bilden einen akustischen Telegraphen, indem ein Stück auf dem einen gespielt, von dem anderen ohne Hilfe vollkommen treu wieder gegeben wird. Es ist dieß – freilich in anderer Weise und in größerem Umfange – ein Weg zur Realisirung der von Steinheil ursprünglich verfolgten Idee eines akustischen Telegraphen. Eine andere Beobachtung aus dem Gebiete der Optik, welche P. in der Sitzung der kön. böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften vom 30. Mai 1853 zeigte, war die folgende: Ein Farbenkreisel erscheint verschieden gefärbt, wenn er hinreichend schnell von rechts nach links oder umgekehrt gedreht wird, eine Erscheinung, welche noch weiterer Beachtung entgegensieht. P. hat theils in selbstständigen Werken, meist aber in Fachblättern seine Forschungen mitgetheilt. Selbstständig sind erschienen: „Magneto-elektrische Maschine von der vortheilhaftesten Einrichtung für ärztlichen und physikalischen Gebrauch u. s. w.“ (Linz 1844, Eurich’sche Buchhandlung, mit 10 in den Text eingedr. Figuren, kl. 8°.); – „Elektro-magnetischer Telegraph auf österreichischen Eisenbahnen. Beschrieben und leichtfasslich erklärt“ (Prag 1848, Gottl. [119] Haase Söhne, gr. 8°., mit 1 lith. Taf.); – in Andr. Baumgartner’s „Zeitschrift für Physik und verwandte Wissenschaften“, V. Bd. (1839): „Entdeckungen im Galvano-Voltaismus“; – in Philipp von Holger’s Zeitschrift[WS 2] u. s. w., VI. Bd. (1840); – „Versuche über Galvano-Voltaismus. Zweite Reihe (S. 38); – „Beiträge zur Kenntniß elektrischer Ströme“ (S. 165 u. 242); – „Ueber die Zink-Eisen- und Zink-Kupferkette“ (S. 289); – VII. Bd. (1842): „Magneto-elektrische Maschine mit doppelter Wirkung nebst einigen damit angestellten Versuchen“ (S. 65); – in Poggendorff’s „Annalen für Chemie“, 49. Bd. (1840): „Kaleido-Polariscop“ (S. 236); – 56. Bd. (1842): „Einwirkung der Flamme auf die Spannungs-Elektricität“ (S. 459); – 57. Bd. (1842): „Zur Galvanometrie“ (S. 111); – 61. Bd. (1844): „Ueber die Unzulässigkeit der Ansicht, daß die Spannungs-Elektricität durch einen nicht isolirten Elektricitätsleiter hindurchwirke“ (S. 116); – 64. Bd. (1845): „Beitrag zur Construction magneto-elektrischer Maschinen“ (S. 58); – ebenda: „Ueber die Beschaffenheit des Widerstandes in einem in den galvanischen Strom eingeleiteten Voltameter“ (S. 356); – in den Abhandlungen der kön. böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften, V. Folge, 4. Bd. (1846): „Neue Theorie des Elektrophors und eines neuen Harzkuchen-Elektroskop“, auch besonders abgedruckt (Prag 1846, gr. 4°., mit 1 Abbildung); – ebenda, 9. Bd. (1855): „Mittheilungen aus dem Gebiete der Physik. 1. Ueber Einrichtung und Wirksamkeit der Ruhmkorff’schen[WS 3] Inductions-Maschine. 2. Neue Versuche über die Frage, ob der Widerstand eines galvanischen Leiters eine Function seiner Oberfläche sei oder nicht? 3. Ueber elektrische Ströme von veränderlicher Richtung u. s. w. 4. Wissenschaftliche Beleuchtung der von Dr. W. Gintl durch seine Versuche über die Gegencorrespondenz gelieferten Beweise für die Coexistenz zweier, einen Leiter in entgegengesetzter Richtung ohne Störung durchlaufender galvanischer Ströme“, auch besonders abgedruckt (Prag 1855, gr. 4°., mit 3 Steindrucktafeln); – im Berichte über die 21. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte zu Gratz, 1844: „Ueber die Theorie großplattiger galvanischer Elemente“ (S. 201); – ebenda: „Ueber einige Erscheinungen bei den Grove’schen Elementen“ (S. 232); – in der von der medicinischen Facultät in Prag herausgegebenen Vierteljahrschrift für praktische Heilkunde, V. Jahrg. (1848), 4. Bd.: „Magneto-elektrischer Apparat nach der neuesten Einrichtung, beschrieben und erklärt“ (S. 98, nebst 1 Taf.); – in den Sitzungsberichten der kais. Akademie der Wissenschaften zu Wien, 1849, October: „Einfluß der Entfernung des Polardrahtes von der Magnetnadel auf das Maximum ihrer Ablenkung“; –1853, Jänner: „Ueber die vortheilhafte Anwendung der Zweigströme bei der Telegraphie“; – Februar: „Beiträge zur Physik: 1. Neuer Versuch über die wechselseitige Anziehung der Windungen einer galvanischen Spirale. 2. Muthmaßlicher Einfluß dieser Anziehung auf den Widerstand einer solchen Spirale. 3. Wink zu einer neuen Auffassung der Inductionstheorie. 4. Neue Erklärung der durch elektrische Ströme im menschlichen Körper erregten Erschütterungen“; – Juli: „Ueber eine Vereinfachung beim telegraphischen Correspondiren in große Entfernungen“; – 1854, Juni: Beiträge zur Physik: 5. Elektro-magnetischer [120] Rotationsapparat mit dreierlei Bewegung bei einer und derselben Stromrichtung. 6. Ueber das Magnetisiren hohler Eisencylinder durch galvanische Spiralen“; – in der böhmischen Museal-Zeitschrift (Časopis českeho Museum). I. Theil (1847), S. 188: „Zweifel an der Richtigkeit der Ohm’schen Theorie des galvanischen Stromes (pochybnost o pravosti Ohm’ovy theorie galvanického proudů), ebd., S. 402: „Der magneto-elektrische Apparat nach der neueren Zusammenstellung“ (magneto-elektrický stroj dle novejšího uspořádání jakož i theorie jeho) – S. 579: „Ueber das Messen elektrischer Ströme“ (o měření galvanických proudů) – 1848, S. 149: „Der elektromagnetische Telegraph, beschrieben und erklärt“ (elektro-magnetický dalekopiš popsán a vysvětlen); – S. 531: „Ein ungewöhnlicher Nebenmond, beobachtet am 8. April 1848“ (Neotyčejný souměsíc 8 dubna 1848 pozorovaný); – S. 225: „Ueber den Magnetismus“ (o magnetosmu); – 1849, S. 37: „Von der Einwirkung des Magnets auf das Eisen (o působeni magnetu na železa); – S. 72 u. 109: „Von dem Gesetze, nach welchem sich die Wirkung des galvanischen Stroms in die Entfernung richtet“ o zákonu, dle ktereho s řidí magnetické působení galvanického proudů do dálky; auch schrieb er noch in Schmidl’s „Oesterreichische Blätter“, I. Jahrg. (1844), Nr. 27 u. 75, zwei Anzeigen, zuerst über Dr. Al. Nowak’s Lehre vom tellurischen Dampfe und über Poppe’s populäre Physik. Etwas über ein Jahrzehend war P. in seinem Lehramte zu Prag thätig, als ihn nach kurzer Krankheit der Tod in einem Alter von 57 Jahren dahinraffte. P.’s Verdienste um seine Wissenschaft sind mehrfach gewürdigt worden; die kaiserliche Akademie der Wissenschaften wählte ihn am 1. Februar 1848 zu ihrem correspondirenden Mitgliede, früher schon thaten es die kön. böhmische Gesellschaft der Wissenschaften, die kais. Leopold-Karolinische Akademie der Naturforscher in Breslau mit dem Beinamen Regius, die k. Gesellschaft der Wissenschaften in Lüttich, die k. k. patriotisch-ökonomische Gesellschaft, das Museum und der Verein zur Ermunterung des Gewerbsgeistes in Böhmen, auch war er emeritirter Decan der philosophischen Facultät und des philosophischen Professoren-Collegiums der Prager Universität. Aus seiner am 21. September 1837 mit Franziska gebornen Wopalka geschlossenen 18jährigen Ehe sind mehrere Kinder hinterblieben.

Weitenweber (Wilh. Rud. Dr.), Denkrede auf Prof. Franz Adam Petřina (Prag 1856, C. Bellmann, 4°.) [aus den Abhandlungen der kön. böhm. Gesellschaft der Wissenschaften, V. Folge, 9. Band]. – Die feierliche Sitzung der kais. Akademie der Wissenschaften am 30. Mai 1856 (Wien, Staatsdruckerei, kl. 8°.) S. 92 u. f. – Prager Zeitung 1855, Nr. 151. – Poggendorff (J. C.), Biographisch-literarisches Handwörterbuch zur Geschichte der exacten Wissenschaften (Leipzig 1859, Joh. Ambr. Barth, gr. 8°.) Bd. II, Sp. 416. – Živa (čechische naturwissensch. Zeitschrift), herausgegeben von Purkyně und Krejci in Prag (gr. 8°.) III. Jahrgang (1855), Nr. 10. – Lumír, belletristický týdenník, d. i. Lumir, belletristisches Wochenblatt. Herausg. von Mikowec (Prag, gr. 8°.) Jahrgang 1855, Nr. 7, S. 224. – Časnik. Národni česko-slovanský obrázkovy kalendář, d. i. das Zeitbuch. Nationaler čecho-slavischer Bilder-Kalender (Wien, 8°.), herausgegeben von Daniel Lichard, 1856, S. 231. – Prazske Noviny, d. i. Prager Zeitung, 1855, Nr. 158. – Giornale dell’ Ingegnere Architetto (Milano, gr. 8°.) Anno III (1856), p. 112.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: herabgesetzt werden.
  2. Vorlage: Zeischrift.
  3. Heinrich Daniel Rühmkorff (Wikipedia).