BLKÖ:Mikowec, Ferdinand Bogelislaw

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 18 (1868), ab Seite: 283. (Quelle)
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Mikowec, Ferdinand Bogelislaw, nach dem Slovník: Břetislaw (Archäolog und Schriftsteller, geb. zu Bürgstein im Leitmeritzer Kreise Böhmens 23. December 1826, gest. zu Prag 22. September 1862). Sein Vater war Amtsdirector zu Bürgstein. Ein Adalbert Jacob von Mikowetz war Kreiscommissär zu Budweis in Böhmen und wurde im Jahre 1799 wegen 65jähriger Dienstleistung mit der großen goldenen Medaille sammt Kette ausgezeichnet. Vielleicht war der Genannte ein Verwandter, wohl gar ein Onkel des in Rede stehenden Ferdinand M. Dieser besuchte das Gymnasium zu Böhmisch-Leipa, setzte dann die Studien in Prag fort, wohin er im Jahre 1842 gekommen war. Aufgeweckten Geistes, mit nicht gewöhnlichen Talenten begabt, schloß er sich bald an einige jüngere Musenfreunde, deren Mehr in der vormärzlichen Censur gedrückten Zeit heimlich rangen und arbeiteten, als später in den Tagen der Freiheit öffentlich auftraten. In Glaser’s „Ost und West“, in der neu entstandenen Zeitschrift „Prag“ und in der alten, ihrem Programme in seltener Consequenz treubleibenden „Bohemia“ trat er mit seinen Erstlingen, die kaum beachtet und auch bald vergessen waren, auf. Im Jahre 1846 durchdrang ihn zuerst das Bewußtsein des Čechismus. Auf deutschem Felde gab es wenig zu ernten, es waren zu mächtige Rivalen da; es den großen Vorbildern nachmachen, lohnte zu wenig, sie übertreffen, dazu fehlten alle Vorbedingungen; nicht so auf den noch nicht ausgetretenen Pfaden der nationalen Richtung. In der Zeitung „Květy“, d. i. Blüthen, erschienen denn auch seine ersten čechischen Geistesblüthen, und schon im folgenden Jahre trat er mit einer selbstständigen, in čechischer Sprache verfaßten Arbeit auf, betitelt: „Tycho de Brahe. Životopisný nástin“, d. i. Tyho Brahe. Biographische Skizze (Prag 1847, 8°.), deren äußerer Anlaß in der dritten Säcularfeier der Geburt des Astronomen zu suchen ist. Da erschien das ereignißreiche Jahr 1848. M.’s äußere reckenhafte Erscheinung, verbunden mit einem lebhaften Wesen und nicht gewöhnlichen Geistesgaben, eigneten ihn vollends zum Führer einer Partei; so stürzte er sich denn rückhaltlos in die stürmische Strömung, und wurde – da die Deutschen in Prag keine Swornost besaßen – einer der Führer der čechischen Swornost, als welcher er in der Charakteristik der Čechenheroen aus der Prager Revolution, welche der Wiener „Charivari“ seiner Zeit (1848) brachte, in nicht eben zu verlockender Weise abconterfeit erscheint. Dem zweiundzwanzigjährigen Helden erging es zuletzt wie vielen älteren, er mußte das Fersengeld nehmen. Nach den Junitagen flüchtete er nach Serbien, wo er kurze Zeit unter Kničanin [Bd. XII, S. 151] gedient haben soll. In welcher Eigenschaft ist nicht bekannt geworden. Denn nachdem die [284] Bewegung im Süden erdrückt war, suchte er Zuflucht in Leipzig, wo von ihm die „Briefe des Johann Hus, geschrieben Konstanz im Jahre 1414 und 1415. Herausgegeben und mit Anmerkungen versehen“ (Leipzig 1850, T. O. Weigel, 8°.) im Drucke erschienen. Ueber seinen anfänglich unfreiwilligen Aufenthalt in Leipzig berichtet einer seiner Freunde wie folgt: „Hier (in Leipzig) lebte Mikowec längere Zeit in Gesellschaft von Gustav Freitag, Julian Schmidt und ähnlichen Männern von Bedeutung (?) und stöberte in Archiven und Bibliotheken nach Beweisquellen für „Wallenstein’s Unschuld“, nicht, um sie selbst zu benützen, sondern für einen Anderen aus dem kleinen Literatenkreise, in dem er lebte. Jeder aufgefundene Beweis für „Wallenstein’s Unschuld“ wurde ihm dann von der Clique auf gemeinschaftliche Kosten mit einem „Glase Schnaps“ bezahlt, da er aber davon allein nicht leben konnte, und seine Mutter ihm mit Entziehung der Unterstützung gedroht hatte, wenn er nicht nach Prag zurückkehren würde, so erfüllte er ihr den Willen und verließ den ihm theuer gewordenen Kreis. Er kehrte in sein Mutterhaus wieder, um als Belletrist, Kunstkritiker, Dramatiker, Historiker, Archäologe und in mancher anderen geistigen Richtung sein Talent im Vaterlande zu entwickeln und auszumünzen.“ Nach seiner Rückkehr gründete er in Prag das čechische belletristische Journal „Lumír“, ein Wochenblatt besserer Art, das neben den Novellen und Erzählungen meist einheimischer Talente ein reiches Feuilleton historischer, archäologischer, kritischer und anderer dergleichen Mittheilungen von bald größerem, bald kleinerem Umfange führte und in der That eine wahre Fundgrube interessanter, auf Böhmen Bezug habender Notizen wurde. Der bibliographische Titel dieses Wochenblattes, das von M. im Jahre 1851 gegründet worden und bis zur Stunde erscheint, ist: „Lumír. Týdenník belletristický a archiv pro dějepis“, d. i. Belletristisches Wochenblatt und Archiv für Zeitgeschichte (Prag, Jeřábek, gr. 8°.); dieses Blatt redigirte M. durch 11 Jahre, seit seiner Gründung bis zu seinem im Herbst 1862 erfolgten Tode, worauf Wenzel Filipek [Bd. IV, S. 228) die Redaction übernahm, die aber schon im folgenden Jahre an Veit Hálek überging und bis zur Gegenwart noch zweimal wechselte, da bald darauf Em. Petřík und nach diesem Eduard M. Valečka an die Spitze des Unternehmens trat, das jedoch nicht mehr die Frische, Mannigfaltigkeit und den Reichthum an schätzbaren Mittheilungen aufzuweisen hat, womit es sein Gründer auszustatten verstand. Dabei beschränkte sich M. nicht bloß auf das leidige Redactionsgeschäft, sondern arbeitete selbst Kritiken, Anzeigen, Theater-Recensionen, größere Abhandlungen, meist historischen oder archäologischen Inhalts, für das Blatt, wie z. B. „Hermann Christoph Rueswurm“ (1861), der auch im Separatdrucke erschien. Seine Stellung als Redacteur, in Folge welcher er ständiger Theater-Referent war, wobei er aber zugleich für die „Bohemia“ das Bühnenreferat in deutscher Sprache besorgte, und seine unbestreitbare poetische Anlage, die sich bei seinem in Alterthum und Geschichte vertiefenden Wesen stärkte und nährte, führte ihn bald auf das dramatische Gebiet, und die vaterländische Geschichte bot ihm reichlichen Stoff. Vollendet und zur Aufführung gebracht hat er nur zwei größere Dramen, welche auch gedruckt erschienen sind: „Záhuba rodu Přemyslovského. Tragédie ve čtyrech jednáních“, d. i. [285] Der Untergang des Geschlechtes der Przemysliden. Tragödie in vier Aufzügen (Prag 1851, 12°.), und „Dimitri Jvanovič. Tragédie v šesti jednáních. S částečným použitím Schillerova zlomku“, d. i. Demeter Iwanović. Tragödie in sechs Acten. Mit theilweiser Benützung des Schiller’schen Fragments (Prag 1856, Pospišil, kl. 8°.). Außer diesen beiden im Drucke erschienenen hinterließ er in Handschrift noch zwei dramatische Arbeiten: „Die Schlacht am weißen Berge“ (Bitva Bělohorská) und „Conrad Wallenrod“, dessen tiefpoetischen Stoff bereits der polnische Dichter Mickiewicz in seinem gleichnamigen epischen Gedichte verewigt hat. Hat sich M. durch die Gründung des „Lumír“, des besten der seit je in čechischer Sprache erschienenen Unterhaltungsblätter, ein nicht zu unterschätzendes Verdienst erworben, ein anderes, nicht minder erhebliches erwarb er sich durch die in Gemeinschaft mit den beiden Künstlern Joseph Hellich [Bd. VIII, S. 280] und Wilhelm Kandler [Bd. X, S. 429] veranstalteten Herausgabe des Bilderwerkes: „Alterthümer und Denkwürdigkeiten Böhmens“ (Prag 1858–1863, Kober, schm. Qu. 4°.), in zwei Bänden, wovon der erste Band (mit 36 Stahlst.) vollendet, der zweite, an dem sich dann K. V. Zap betheiligte, bis zum Jahre 1865 zum 10. Hefte gediehen ist. Dieses Werk erscheint auch in čechischer Ausgabe unter dem Titel: „Starožitnosti a památky země české“. Nach diesen größeren Arbeiten läßt sich die weitere literarische Thätigkeit von Mikowec kürzer zusammenfassen, wenn sie deßhalb auch nicht minder umfassend ist. Er war ständiger Correspondent der „Wiener (amtlichen) Zeitung“, in welcher sein größerer, hie und da in Bruchstücken nachgedruckter Aufsatz: „Die Alchymisten in Böhmen“ erschienen ist; ferner betheiligte er sich an der Bearbeitung des Textes der in L. Hölzel’s Verlag in Wien und Olmütz, 1858 u. f., erscheinenden „Mahlerisch-historischen Skizzen aus Böhmen“, unter denen „Das Stift Hohenfurth“ (1859), – „Die königliche Burg Karlstein“, – „Die Ruine Trosky in Böhmen“ (1861) zu erwähnen sind; dann schrieb er für die čechische Museal-Zeitschrift „Časopis“, und zwei größere Abhandlungen, welche dort abgedruckt waren, sind auch in Separat-Abdrücken erschienen: „Matěj Hutský, malíř arciknížete Ferdinanda Tyrolského. Životopisný nástin“, d. i. Math. Hutsky, Maler des Erzherzogs Ferdinand von Tirol. Biographischer Umriß (Prag 1833, Jeřábek, 8°.) – und „Mikulás Dačický z Heslova a na Kbele“, d. i. Nikolaus Dacicky von Heslo und Kbel (ebd. 1834, 8°.). In letzterer Zeit trug er sich mit dem Gedanken eines historischen Almanachs, aber sein Tod vereitelte die Ausführung dieser zeitgemäßen Idee. Sein geselliger Charakter, der ihn zu einer der populärsten Typen von Prag stempelte, half ihm zur Ausführung eines Gedankens, der ohne ihn wohl nicht so bald zu Stande gekommen wäre. Er begründete nämlich im Jahre 1860 den Künstler- und Schriftsteller-Verein Arkadia, dessen Präsident er war, und mit dessen Hilfe es ihm auch gelang, die von ihm angeregte Idee einer archäologischen Ausstellung, die im Jahre 1861 in unerwartet reichhaltiger Weise beschickt wurde, auszuführen. M.’s Thätigkeit, die eine vorherrschend journalistische war, schien gar nicht ermüden zu wollen. Der Cicerone eines jeden einigermaßen distinguirten Fremden, suchte er mit besonderer Vorliebe, wo er sein mochte, Gelehrte und [286] Schriftsteller auf, um sie persönlich kennen zu lernen, wobei ihm eine scharfe Beobachtungsgabe ganz vortreffliche Dienste leistete. Immer aber fand er noch Zeit, seine schriftstellerischen, vornehmlich archäologischen Zwecke zu verfolgen, und so gelang es ihm, ungerechnet die zahlreichen Correspondenzen, in denen er die Zeit, die Culturzustände seiner nächsten Umgebungen u. dgl. m. schildert, nicht weniger denn an siebenthalbtausend Inschriften von alten Gräbern, Denksteinen, Denkmälern u. dgl. m. im Königreiche Böhmen zu sammeln, welche für einen von ihm beabsichtigten Codex epigraphicus regni Bohemiae bestimmt waren. Seine stattliche, ja fast athletische äußere Erscheinung, verbunden mit einer lebhaften, frischen Gesichtsfarbe, ließ nicht das frühe Ende ahnen, dem er zum Opfer fiel. Eben trug er sich mit dem Gedanken, eine zweite, auf den 30jährigen Krieg bezügliche archäologisch-historische Ausstellung zu veranstalten, als ihn ein anfänglich unscheinbares Unwohlsein befiel, das ihn in den letzten Tagen des Monats Juli bereits an’s Bett fesselte, welches er nicht mehr verlassen sollte. Nach mehrwöchentlichem höchst schmerzlichen Leiden gab er, 36 Jahre alt, seinen Geist auf. Das ansehnliche Leichenbegängniß bezeugte die allgemeine Theilnahme der Bevölkerung über seinen Tod. Sein Freund Joseph Bayer widmete ihm am Grabe einen warmen inhaltvollen Nachruf. Zwei Jahre, später wurde das Grabdenkmal aufgestellt, das ihm die Gesellschaft Arkadia setzen ließ. Eine ausführliche Charakteristik seiner Persönlichkeit und seines mitunter originellen Wesens, die nicht im Bereiche der Zwecke dieses Lexikons liegt, entwarf einer seiner Freunde und theilte sie in Waldheim’s Illustrirten Zeitung (1862, S. 507) mit, auf welche hiemit hingewiesen wird. Aber eines darf nicht verschwiegen bleiben. Wie sehr M. sein Vaterland liebte und sich vom Gefühle der Nationalität erwärmt, als Čeche fühlte, deutsche Sitte, deutschen Geist, deutsche Wissenschaft ehrte er so hoch, daß er den čechischen Ultras gegenüber immer vermittelnd auftrat, und durch den Tod dieses tüchtigen, in ehrlicher und bewußter Weise vermittelnden Čechen hat die deutsche Partei in Böhmen für den Augenblick einen unersetzlichen Verlust erlitten.

Rodinna kronika, d. i. Vaterländische Chronik (Prager illustrirtes Blatt, 4°.) 1864, S. 13 u. 37: „Zpominky na Ferd. Mikovce“, d. i. Erinnerungen an Ferdinand Mikovec. – Lada (Prager Frauenblatt, 4°.) 1862, Nr. 18 [nach dieser geb. am 23. December 1826]. – Slovník naučný. Redakt. Dr. Frant. Lad. Rieger, d. i. Conversations-Lexikon. Redigirt von Dr. Franz Ladisl. Rieger (Prag 1859, Kober, Lex. 8°.) Bd. V, S. 316 [nach diesem geb. 24. December 1826]. – Lumír, belletristický týdenník, d. i. Lumir, belletristisches Wochenblatt. Herausg. von Mikowec (Prag. 8°.) Jahrg. 1862, Nr. 51 u. 52. – Zlatá Praha, d. i. Das goldene Prag (illustr. Journal, kl. Fol.) 1864, Nr. 20. – Unsere Tage. Blicke aus der Zeit in die Zeit (Braunschweig. G. Westermann). IV. Band (1862), S. 447. – Waldheim’s Illustrirte Zeitung (Wien, kl. Fol.) 1862, S. 473 [nach dieser gest. am 21. September 1862], und S. 507 [daselbst wieder ist der 24. December 1826 als sein Geburtstag, der 22. September als sein Todestag angegeben]. – Bohemia (Prager polit. und Unterhaltungsblatt, 4°.) 1862, Nr. 225, S. 693; – dieselbe, Nr. 227, S. 710: „An einem Grabe“, von Julius Gundling; S. 711: Leichenbegängniß. – Charivari (Wiener Spott- und Witzblatt, 4°.) 1848, Nr. 17: „Die Führer der Swornost“ [daselbst entwirft ein E–d kein zu schmeichelhaftes Bild von Mikowec]. – Presse (Wiener Blatt) 1862, Nr. 264: „Correspondenz aus Prag vom 23. September“. – Magazin für die Literatur des Auslandes, von Lehmann (Leipzig, 4°.) 1864, S. 396. – Unsere Zeit (Leipzig, [287] Brockhaus, gr. 8°.) Bd. VII, S. 271. – Ueber sein Denkmal und die feierliche Enthüllung desselben berichten ausführlich: Hlas, d. i. Die Stimme (čechisches Prager Parteiblatt) 1864, Nr. 297, im Feuilleton. – Tagesbote aus Böhmen 1864, Nr. 250. – Bohemia 1864, Nr. 268, S. 1272. – Prager Zeitung 1864, Nr. 257. – Eine Abbildung desselben enthält das illustrirte Blatt Zlata Praha 1864, S. 231. – Das Grabdenkmal für Mikowec. Mikowec liegt auf dem Prager Friedhofe zu Košir begraben. Der Verein Arkadia hatte beschlossen, seinem zu früh geschiedenen ersten Präsidenten ein Denkmal zu setzen. Das Grabmal, ein Werk des Bildhauers Seidan, ist ein mächtiger steinerner viereckiger Grabcippus, der ein in Bronce gegossenes großes Medaillon mit dem wohlgetroffenen Reliefbilde des Verewigten trägt. Darunter befindet sich folgende Inschrift: „F. B. Mikovec, antiquitatum et historiae patriae suae cultor eximius, natus in oppido Bürgstein die XXIII. Decembris anni MDCCCXXVI, defunctus Pragae die XXII. Septembris anni MDCCCLXI. Societas Arcadia in piam sui praesidis memoriam hoc monumentum posuit“. So gibt wörtlich die „Bohemia“ 1864, Nr. 260, S. 1272, die Inschrift an. Wenn die Inschrift wirklich so in den Stein gemeißelt ist, dann ist der Todestag um ein ganzes Jahr zu früh angesetzt, denn Mikowec starb im Jahre 1862 und nicht im Jahre 1861.