BLKÖ:Kalina Ritter von Jäthenstein, Mathias

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 10 (1863), ab Seite: 391. (Quelle)
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Kalina Ritter von Jäthenstein, Mathias (Geschichtsforscher und Landwirth, geb. zu Budweis in Böhmen 10. Jänner 1772, gest. zu Prag 6. Jänner 1848). Sein Vater, gleichfalls Mathias K. (geb. zu Prag 26. November 1737, gest. ebenda 26. Juli 1810) wurde in Anerkennung der Verdienste, die er sich innerhalb 35 Dienstjahren um den Staat und das Gemeinwesen erworben, mit Diplom vom 4. October 1810 in den Adelstand erhoben. Der Sohn besuchte das Gymnasium in Budweis, und die philosophischen Classen 1787 in Prag, Chladek, Cornova, Meißner, Seibt u. A. waren seine Lehrer; Hoser, Jordan, Kunitz, Meynert, Rößler, Seidel, Sommer seine Mitschüler und Freunde. Seine Absicht, die Theologie zu studiren, gab er auf Vorstellungen seines Lehrers Seibt auf und schlug die juridische Laufbahn ein. Er hörte die Rechte in Prag 1791–1794, erwarb am 22. August 1796 die juridische Doctorwürde und wurde 1797 Supplent für die Staatswissenschaften, 1800 und 1801 für das Privatkirchenrecht, 1801 und 1802 außerordentlicher Professor des bürgerlichen Rechts, gab aber im letztgenannten Jahre, nach dem Tode seiner Frau, um sich der Erziehung seiner Kinder widmen zu können, die Professur auf und begann, da er schon 1797 als Advocat geprüft und beeidet war, 1802 die [392] Advocatenpraxis, die er erst 1845 im Alter von 75 Jahren niederlegte. Auf diesem Posten entfaltete K. während einer 43jährigen Thätigkeit eine nach verschiedenen Seiten hin höchst gedeihliche Wirksamkeit. Ueber seinen Vorschlag und auf seinen eindringlichen Rath stiftete der Prager Erzbischof W. L. Ritter von Clumczanský mit der bedeutenden Summe von 160.000 fl. die ersten Realschulen in Böhmen zu Rakonitz und Reichenberg. Für die Bildung und Hebung des Bauernstandes ebenso in der intellectuellen als landwirtschaftlichen Richtung, war K. durch Wort und Schrift vielfach thätig und das von ihm gegründete und herausgegebene „Belehrungs- und Unterhaltungsblatt für den Landmann und kleinen Gewerbmann in Böhmen“, welches von 1838 bis 1845 in deutscher und čechischer Sprache erschien, stiftete großen Nutzen. Nur sein vorgerücktes hohes Alter hinderte ihn, dieses gemeinnützige Unternehmen fortzusetzen. Auf seinem Gute Zwikowetz erbaute er ein Schulhaus, stiftete eine Dorfbibliothek, dotirte in anständiger Weise den Lehrer und war überhaupt für die Hebung des Volksschulwesens unablässig thätig. Seine schriftstellerische Thätigkeit ist eine wissenschaftliche und gemeinnützige. Die erstere umfaßt Arbeiten aus der vaterländischen Geschichte und Alterthumsforschung, und diese sind (die mit einem Stern [*] bezeichneten auch in den Abhandlungen der Gesellschaft abgedruckt); *„Nachrichten über böhmische Schriftsteller und Gelehrte, deren Beschreibungen bisher nicht bearbeitet sind“. 3 Hefte (Prag 1818, 1819, 1827, 8°.); sie enthalten im 1. Hefte die Biographien von Schentigar, Aerichalcus, Proxenus a Sudetis, Polenta a Sudetis, J. Math. a Sudetis; im 2. Hefte von J. Schindel; G. Handsch, Peter, Jacob, Johann, M. Gr. und Benjamin Codicillus, Trojan Nigell von Okořin, Dr. Fr. Kyblin von Waffenburg und Ig. Chr. Kyblin von Waffenburg; im 3. Hefte von Simon Flagellus, Buček, Villaticus, Veit Flagellus aus Pisek, Prokop Lupač, Hieronym Strachotinsky, Martin Lupač, Joseph Azzoni; – *„Biographie des k. k. Rathes und Professors Joseph Ritter von Mader“ (Prag 1818, 8°.); – *„Biographie des Historikers Ignaz Cornova“ (ebd. 1823, 8°.); – *„Lebensgeschichte Sr. Excellenz des Herrn Rudolph Grafen Wrbna“ (ebd. 1827, 8°.); nur der historische Theil dieser Biographie ist von Kalina, der technische ist von Franz Ritter von Gerstner; – „Michael Seidel’s, Sekretärs der k. k. ökon. patriot. ... Gesellschaft, Leben und wissenschaftliches Wirken“ (Prag 1842); – „Nekrolog des Thomas Dolliner, Dr., und Hofrathes“; – „Einige Lebensumstände und Leistungen des böhmischen Schriftstellers J. Nep. Stiepanek“ (Prag 1844); – *„Bemerkungen über die in Böhmen so häufig vorkommenden Verschiedenheiten der Ortsnamen in deutscher und čechischer Sprache“ (Prag 1823); – *„Geschichtlicher Ueberblick des 50jährigen Wirkens der k. böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften“ (Prag 1836, 4°.) – „Böhmens heidnische Opferplätze, Gräber und Alterthümer“ (Prag 1836, 8°., mit 35 Steindr. Tafeln); – *„Winke über den Zustand der Landwirthschaft Böhmens in der heidnischen Vorzeit“ (Prag 1839, 8°.). In den Abhandlungen der königl. böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften sind folgende von K. gehaltene Vorträge abgedruckt: „Geschichte der königl. böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften von December 1817 [393] bis August 1819“ (Bd. VI, 1820); – „Ueber die muthmaßliche Lage des Berges Ossiek“ (Jänner 1841); – „Ueber die Errichtung des Budweiser Bisthums“ (März 1841); – „Nachrichten über gelehrte Budweiser des 14. bis 16. Jahrhunderts, insbesondere über Wenzeslaus Fabri de Budweis“ (1841); – „Ueber Gelehrte, welche in Böhmen geboren und gebildet wurden, dann aber im Auslande sich auszeichneten“ (November 1841); – „Ueber das Jahr der Erbauung der Stadt Budweis und über die daselbst über 200 Jahre blühende Familie der Klaritier“ (März 1842); – „Ueber die in Böhmen vorkommenden heidnischen Schanzen und Wälle“ (Nov. 1843); – „Ueber einige in neuerer Zeit in Böhmen ausgegrabene interessante Alterthümer von Bronze“ (April 1844); – „Ueber die bei einer Grundausgrabung nahe am Dorfe Ressic ausgegrabenen 2 Menschenskelette und dabei gefundenen Ringe“ (December 1844); – „Spuren der wendischen Slaven in Deutschland besonders in Ostfranken“ (December 1847); – in der Zeitschrift des vaterländischen Museums: „Beispiele des Patriotismus der Prager Geistlichkeit im 17. Jahrhundert“ (Märzheft 1828); – „Sigmund von Birken, gekrönter kaiserlicher Dichter ein geborner Böhme“ (Maiheft 1829); – in den Berichten der deutschen Gesellschaft zur Erforschung vaterländischer Sprache und Alterthümer in Leipzig: „Ueber den Namen der Stadt Leipzig“ (1819); – „Ueber die Denkmünze auf den vermeinten Juristen Herkomann“ (1840); – im neuen lausitzischen Magazin: „Bemerkungen über die Grenzurkunde vom Jahre 1241“ (Bd. 14, 1836), worin K. nachweist, daß die durch die Schreibfehler deutscher Abschreiber entstellten Namen slavische Namen seien; – „Bemerkungen über die von Pastor A. Dehmel aufgeworfene Frage: hat Dissa Slaven oder Deutschen seinen Ursprung zu verdanken?“ (Bd. 16, 1 Heft 1837); – im 13. Jahresbericht des Voigtländischen Alterthumsvereins, 1838: „Ueber ein in der Hundhauptner Kirche vorgefundenes, in altböhmischer Sprache geschriebenes Pergamentblatt“; – in de Carro’s Almanac de Carlsbad: „Ueber das Vaterland des berühmten Seefahrers Martin Böheim[WS 1]“ (1834); dieser Aufsatz ist von de Carro in’s Französische übersetzt; – „Ueber Carlsbad[WS 2] vor und zur Zeit Karl’s IV.“ (1835); – in der Bohemia: „Ueber den im Februar 1834 zu München verstorbenen Erfinder des Steindruckes Alois Sennfelder“ (1835, Nr. 9 und 10). Außerdem aber noch verschiedene Aufsätze in böhmischen Journalen und Kalendern. Die gemeinnützige schriftstellerische Thätigkeit K.’s aber umfaßt folgende Schriften, und zwar vor allen das schon erwähnte: „Belehrungs- und Unterhaltungsblatt für den Landmann Böhmens“, von welchem in 8 Jahren (1838–1845) jährlich 12 Hefte (à zu 2 großen Octavbogen), im Ganzen also 198 Druckbogen in beiden Landessprachen erschienen sind und wovon die ersten vier Jahrgänge K.’s Volksroman unter dem Titel: „Wenzel Seemann“ enthalten. Dieses zweckentsprechende und einem wirklichen Bedürfnisse[WS 3] entgegenkommende Unternehmende hatte schon beim ersten Hefte eine Auflage von 3000 deutschen und 2000 čechischen Exemplaren; die deutsche Auflage war bald vergriffen und mußte eine zweite in der Stärke von 2000 Exemplaren gemacht werden. Die übrigen Schriften sind: „Wohlgemeinte, durch Versuche geprüfte [394] Winke, wie bei Getreidetheuerung oder Mangel die Ernährung der Menschen gesichert und erleichtert werden kann“ (Prag 1817); – „Ueber die beste Aufbewahrung und Verwendung der Kartoffeln“ (Prag 1828), aus Anlaß der reichen Kartoffelernte im Jahre 1828 geschrieben, auch in’s Čechische übersetzt und gegen mäßigen Preis zum Besten des Local-Armenfondes auf allen Dominien vertheilt; – „Die Nachhilfe bei Mangel an Futterstroh durch eine theilweise Fütterung mit Holzmehl nebst einer chemischen Untersuchung der Bestandtheile des Birkenholzmehles“ (Prag 1835); – „Der weisse Maulbeerbaum und die auf ihn gegründete Seidenzucht für die meisten Gegenden Böhmens eine reichliche Ernte für den Grundbesitzer“ (Prag 1836); – „Einige wohlfeile und gesunde Nahrungsmittel“ (Prag 1843), anläßlich der hohen Getreidepreise im Jahre 1843 geschrieben; – Unglücksfälle, Jedermann, besonders meinen Landsleuten zur Warnung erzählt“ (Prag 1809), zum Besten der durch den Brand der Stadt Trautenau Verunglückten; – „Gottesdienstordnung der 42 Kirchen Prags“ (Prag 1836), geschrieben, um den Hausgenossen die Theilnahme an den gottesdienstlichen Handlungen zu erleichtern; den Erlös von zwei starken, auf seine Kosten veranstalteten Auflagen dieser Schrift widmete er den Prager Kleinkinder-Bewahranstalten. In seinem handschriftlichen Nachlasse befinden sich Tagebücher, welche die Ereignisse der großen Welt, insbesondere aber der Geschichte seines Vaterlandes, ferner barometrische und meteorologische genaue Aufzeichnungen von einer langen Reihe von Jahren enthalten. Eine so reiche und ersprießliche Thätigkeit konnte an maßgebender Stelle nicht unbeachtet bleiben. Seine Vaterstadt ernannte ihn zu ihrem Ehrenbürger. Außer der königl. böhm. Gesellschaft der Wissenschaften, welcher K. seit 22. Februar 1818 als ordentliches Mitglied angehörte, haben ihn die meisten volkswirthschaftlichen und humanistischen Vereine Böhmens, als: die patriotisch-ökonomische Gesellschaft, der pomologische Verein, der Taubstummen-, der Kirchenmusik-Verein, der Verein des Waisenhauses in Prag, die Kleinkinder-Bewahranstalten zu Pilsen und Rokitzan, überdieß aber viele auswärtige Landwirthschaftsgesellschaften, als: jene zu Brünn, Breslau, Dresden, Leipzig, Moskau, München, Stuttgart, Stockholm, die Gartenbaugesellschaft zu Frauendorf, die pomologischen Vereine zu Brünn und Zittau zum Ehren- oder correspondirenden Mitgliede gewählt. Nicht weniger aber zeichneten ihn auch strengwissenschaftliche Vereine durch die Aufnahme in den Kreis ihrer Mitglieder aus, als die Oberlausitzische Gesellschaft der Wissenschaften, die königl. sächsische Gesellschaft zur Erforschung und Erhaltung der Alterthümer, die königl. dänische Gesellschaft für nordische Alterthumsforschung, der Voigtländische alterthumsforschende Verein, die deutsche Gesellschaft zur Erforschung vaterländischer Sprache und Alterthümer u. m. a. Seine Majestät Kaiser Ferdinand verlieh ihm bei Gelegenheit der Krönung zum Könige von Böhmen im Jahre 1836 taxfrei den erbländischen Ritterstand und das Incolat für Böhmen, Mähren und Schlesien. K. erreichte das hohe Alter von 76 Jahren. Er liegt auf dem Familienkirchhofe seines Gutes Zwikowetz bestattet.

Abhandlungen der königlichen böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften (Prag, 4°.) Fünfte Folge, 6. Bd. (1848–1850), S. 67 [der Geschichte der Gesellschaft]. – Neuer Nekrolog der Deutschen (Weimar, Voigt, kl. 8°.) XXVI. Jahrg. (1848). S. 67. – Adelstands-Diplom vom 4. October 1810. – Ritterstands-Diplom vom 19. December 1836. – Wappen. Das ursprüngliche Adelswappen war ein halb in der Länge und [395] quergetheilter Schild; im rechten oberen Felde in Gold der Zweig der nach Linné viburnum opulus, in čechischer Sprache kalina benannten Staude natürlicher Farbe; im oberen linken Felde in Roth eine weiße Henne, welche einen aufgescharrten blauen Stein mit dem Schnabel aufhebt; die untere Hälfte zeigt in Silber einen dreispitzigen schroffen Felsen. Das Ritterstands-Wappen ist einfacher und zeigt im rothen Schilde einen schroffen silbernen Fels mit drei hohen Spitzen. Auf dem Schilde ruhen zwei zueinandergekehrte gekrönte Turnierhelme. Auf der Krone des rechten ruht ein Zweig der Schneeballenstaude (böhmisch kalina) mit 6 Blättern und zwei unter den beiden obersten Blättern hervorsprießenden Blüthen in natürlicher Farbe. Die Krone des linken Helmes trägt einen silbernen geschlossenen Adlerflug, welcher mit einem schwarzen Querbalken belegt ist. Die Helmdecken beider Helme sind roth mit Silber belegt.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Beheim, Michael (ADB).
  2. Vorlage: Carlsbald.
  3. Vorlage: Bedürnisse.