Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Jagerhuber, Ignaz
Band: 10 (1863), ab Seite: 42. (Quelle)
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Jahn, Johann (gelehrter Theolog und Orientalist, geb. zu Taswitz in Mähren 18. Juni 1750, gest. in Wien 16. August 1816). Besuchte das Gymnasium zu Znaim, hörte die Philosophie zu Olmütz und die Theologie im Prämonstratenserstifte Bruck, in welches er im Jahre 1772 getreten war. Am 19. Juni 1774 legte er das Gelübde ab und am 9. Juli 1775 las er die erste Messe. Dann trat er in die Seelsorge, wurde [43] Pfarrer zu Mislitz, aber bald in das Stift, dem er als Zögling angehört hatte, zurückgerufen, um daselbst als Lehrer morgenländische Sprachen und biblische Hermeneutik vorzutragen. Im Jahre 1782 erhielt er in Olmütz die theologische Doctorwürde und wurde nach Aufhebung des Stiftes Bruck Professor der orientalischen Sprachen und Hermeneutik am Lyceum zu Olmütz. Im Jahre 1789 wurde er als Professor der orientalischen Sprachen, der biblischen Archäologie und Dogmatik an die Wiener Hochschule berufen, an welcher er bis zum Jahre 1806 thätig war, worauf seine Ernennung zum Canonicus am Metropolitancapitel zu Wien – nach dem alten Axioma: promoveatur ut amoveatur – erfolgte. Dieß sind die kurzen Umrisse eines ausschließlich der Wissenschaft und dem Dienste der Wahrheit gewidmeten Lebens, das jedoch von mannigfachen Verfolgungen und Chicanen niedrigster Art getrübt wurde, deren hier nur in der gedrängtesten Kürze gedacht werden kann. Als Jahn im Jahre 1792 seine Einleitung in das alte Testament hatte erscheinen lassen, hob Cardinal Migazzi zwei Sätze aus derselben als irrig und gefährlich heraus, nämlich den einen, welcher lautet: „Man wird es mir nicht verdenken, daß ich bisweilen von meinen gelehrten Vorgängern abgewichen und meinen eigenen Einsichten gefolgt bin“; den anderen, worin die Behauptung aufgestellt ward, daß die Bücher Hiob, Jonas, Judith und Tobias Lehrgedichte seien. Der Cardinal reichte bei Kaiser Franz eine eigene Klageschrift über diese Thatsachen ein und fügte noch hinzu, Jahn erkläre in seinen Vorlesungen, die im neuen Testamente erwähnten Daemonischen seien nicht als vom Teufel besessene, sondern bloß als gefährliche Kranke anzusehen. In Folge dessen wurde eine Commission angeordnet, welche die Sache untersuchte und unter Migazzi’s Einfluß die Entscheidung aussprach (23. April 1792): Jahn solle die bestrittenen Lehrsätze im mündlichen Vortrage, wie in der neuen Ausgabe seines Werkes modificiren; über neue Ansichten lieber ganz hinweggehen, als damit Anstoß geben; sich bei Anführung der Meinungen, welche von der Kirche abwichen, lediglich auf eine historische Angabe derselben beschränken und endlich wurde bestimmt, daß in Zukunft kein Lehrbuch für theologische Studien zugelassen werden solle, bevor nicht ein Gutachten der Ordinariate darüber eingeholt worden sei. Obwohl Jahn jener Weisung genau nachkam, schien doch sein wachsendes Ansehen in der gelehrten Welt, das Mißtrauen gegen ihn zu nähren – genug, sein längeres Verbleiben beim Lehramte wurde für unstatthaft erklärt, und weil man durch seine Enthebung jedes Aufsehen vermeiden wollte, wurde er zum Canonicus befördert und so unfreiwillig seinem eigentlichen Lebenselemente, dem Lehramte, dem er volle 19 Jahre vorgestanden, entrissen. Aber mit seiner Enthebung hatten die Chicanen noch immer kein Ende. Sein Gegner erwirkte nun ein Decret, daß seine Lehrbücher: „Introductio in libros sacros veteris foederis“ und „Archaeologia biblica“' verdammt wurden, ohne daß ihr Verfasser gehört oder verhört worden wäre. Jahn gibt eine getreue Darstellung aller dieser Unbilden und seines Verhaltens, dessen Ruhe und Gemessenheit seine Gegner nur noch mehr reizte, in den Briefen an seinen Freund im Auslande, welche vor den „Nachträgen zu seinen theologischen Werken“ [44] (die Uebersicht seiner Werke folgt weiter unten) abgedruckt stehen. In der That ging diese Verfolgungssucht gegen Jahn so weit, daß er, der ruhige und sich schuldlos wissende Mann, in seinen Arbeiten gehemmt wurde, die Herausgabe seiner „Hermeneutica generalis“ selbst unterdrückte und die Arbeit über die Messianischen Weissagungen, über welche er die Materialien bereits zurecht gelegt hatte, liegen ließ. Noch im Jahre 1814 wurde er in der lateinischen Preßburger Zeitung in einem derselben beigelegten Briefe verketzert, im October desselben Jahres in einer in Ungarn erschienenen Flugschrift als Jugendverführer dargestellt, und im folgenden Jahre in einer Flugschrift sein „Enchyridion hermeneuticae generalis“ heftig angegriffen. Woher diese Verfolgungen kamen, war kein Geheimniß und alle Angriffe, statt Jahn’s Ansehen in der Wissenschaft zu schmälern, steigerten es vielmehr. Als orientalischer Linguist, biblischer Archäolog und Exeget hat Jahn eine literarische Wirksamkeit entfaltet, welche das Andenken an ihn als einen ausgezeichneten Archäologen und bedeutenden Gelehrten dauernd erhalten wird. Seine Werke sind und zwar die philologischen: „Hebräische Sprachlehre für Anfänger“ (Wien 1792, Beck, gr. 8°.), in neuer Bearbeitung erschien dieselbe einige Jahre später unter dem Titel: „Elementarbuch der hebräischen Sprache“. 2 Theile (Wien 1799, Wappler, gr. 8°.), deren zweiter Theil das hebräische Wörterbuch enthält; nachdem auch diese Bearbeitung vergriffen war, gab er eine neue in der für die österreichischen Staaten zweckmäßigeren lateinischen Sprache unter dem Titel: „Grammatica linguae hebraicae. Editio III. retractata aucta et in latinum sermonem conversa“ (Wien 1809, Beck, gr. 8°.), heraus, bei welcher aber das Wörterbuch der 2. Ausgabe fehlt; in einem Anhange zu dieser Ausgabe befanden sich hingegen Sammlungen von Beispielen über die Aussprache des Hebräischen bei den Griechen und Römern und eine „Disputatio de necessitate studii linguarum biblicarum et dialectorum hebraeicae cognatorum“. Für Jahn’s Leistungen auf diesem Gebiete der Sprachkunde spricht vornehmlich der Umstand, daß andere für katholische Schulen und Universitäten bestimmte Lehrbücher der hebräischen Sprache, wie z. B. das Feilmoser’sche[WS 1] nach genauer Prüfung sich eben nur als Auszüge aus Jahn’s Werken darstellen; – „Einleitung in die göttlichen Bücher des alten Bundes“. 2 Thle. in 5 Abtheilungen (Wien 1793–1802; 2. Theil in 2 Aufl. und in 3 Bänden 1804, Beck, gr. 8°.); die Vorrede dieses Werkes, wie oben berichtet worden, war die Ursache der Verfolgungen und Chicanen, die ihm selbst dann noch, als er unfreiwillig das Lehramt aufgegeben hatte, sein otium operosum vergifteten; bedeutend erweitert und vielfach umgestaltet erschien diese „Einleitung“ in der 2. Aufl. (Wien 1802 u. 1803); auch erschien sie in lateinischer Sprache unter dem Titel: „Introductio in libros sacros veteris foederis in compendium redacta“ (zuerst 1804 und die 2. Aufl. 1815); die im Jahre 1825 erschienene „Introductio in libros veteris foederis“ ist Jahn’s Buch nur von Ackermann in einigen Stücken modificirt; – „Aramäische oder Chaldäische und Syrische Sprachlehre für Anfänger“ (Wien 1793, Beck, gr. 8°.), später von A. Oberleitner in’s Lateinische übersetzt unter dem Titel: „Elementa Aramaicae seu Chaldaeosyriacae linguae, latine reddita et nonnullis accessionibus aucta“ (Wien 1820, Beck, gr. 8°.); dazu gehört die „chaldäische Chrestomathie“ [45] (Wien 1820, Beck, gr. 8°.), größtentheils aus Handschriften herausgegeben, welche ohne alle Aenderung, selbst wo die offenbarsten Druckfehler stattfinden, abgedruckt sind; ein Wörterbuch dazu, wie es Jahn herauszugeben vorhatte, ist nicht erschienen; – „Arabische Sprachlehre“ (Wien 1796, Beck, gr. 8°.), in der sehr ausführlichen Vorrede gibt J. einen kurzen Ueberblick der Geschichte der arabischen Sprache. In der Sprachlehre selbst wird das Vulgär-Arabische stark berücksichtigt und werden auch die verwandten Sprachen fleißig verglichen; dazu gehört die „Arabische Chrestomathie, nebst einem Lexikon arabico-latinum“ (Wien 1802, Beck, gr. 8°.); diese Chrestomathie war bis zum Erscheinen der arabischen Chrestomathie von Silvestre de Sacy die reichste und interessanteste; der bei weitem größte Theil davon ist bereits anderweitig gedruckt gewesen; doch enthielt sie manches Neue, so z. B. die 7. und 10. Makame des Hariri und vier sehr instructive Unterredungen, welche ein damals in Wien lebender, mit Jahn befreundeter Syrer, Namens Aryda, nach dem ihm gegebenen Stoffe in der syrischen Mundart des Arabischen entworfen und geschrieben hatte; auch die lateinische Bearbeitung des Wörterbuches hat darin ihren Grund, weil Jahn nur dieselbe der Durchsicht und Verbesserung Aryda’s, welcher der deutschen Sprache nicht kundig war, übergeben konnte. Die zwei Jahrzehende später erschienene „Chrestomathia arabica cum glossario“ (Wien 1823 u. 1824) von Oberleitner ist nur eine erweiterte Ausgabe der Jahn’schen; – „Biblische Archäologie“. 3 Thle. in 5 Bänden (Wien 1797–1805, gr. 8°., mit K. K.; 2. Aufl. 1807–1815, ebd.), der erste Theil enthält die häuslichen, der zweite die politischen, der dritte die heiligen Alterthümer. Jahn beschränkt sich in dem Werke nicht bloß auf die Hebräer, sondern berücksichtigt auch die übrigen in der Bibel mehrfach erwähnten Völker; ein Auszug aus diesem größeren Werke ist die von ihm selbst ausgeführte lateinische Bearbeitung „Archaeologia biblica in compendium redacta“, (Wien 1805, Beck, 2. Aufl. 1814, gr. 8°.); – „Biblia hebraica digessit et graviores lectionum varietates adjecit“. Tom I–IV (Viennae 1806, gr. 8°.); in dieser Handausgabe des alttestamentlichen Textes mit ausgewählten Varianten verließ J. die herkömmliche Ordnung der Bücher und stellte die einzelnen Abschnitte der Chronik ihren Parallelen in den anderen historischen Büchern gegenüber. Endlich, um die bei seinen Glaubensgenossen verschrieene Hermeneutik in Aufnahme zu bringen, verfaßte er, freilich schon in seinen letzten Lebensjahren, noch nachstehende Werke: „Enchiridion hermeneuticae generalis tabularum vet. et novi Testamenti“ (Wien 1812, gr. 8°.); – „Appendix ad hermeneuticam generalem, Fasc. 1 et 2, Vaticinia de Messia“ (ebd. 1813 et. 1815, gr. 8°.); – „Specimen hermeneuticae veteris Testamenti“ (ebd. 1813, gr. 8°.). Von seinen in Fachzeitschriften abgedruckten Abhandlungen sind zu nennen, in Bengel’s „Archiv über die Theologie“: „Ueber die Sprache und die Schreibart der Mosaischen Schriften“ (Bd. II, Stück 3, S. 557); – „Ueber das Fragmentarische der Mosaischen Schriften und die vorgeblichen Anachronismen“ (Bd. III, Stück 1, S. 168, Stück 3, S. 553); diese beiden Abhandlungen sollten mit einer Darstellung der inneren und äußeren Echtheit des Pentateuchs abgeschlossen werden, aber wahrscheinlich vereitelte [46] sein mittlerweile eingetretener Tod die Vollendung dieser Arbeit; – „Erklärung der Weissagungen Jesu von der Zerstörung der Stadt Jerusalem, des Tempels und des jüdischen Staates“ (Bd. II, Stück 4, S. 79, Stück 2, S. 365). Endlich erschienen nach seinem Tode, von einem seiner Freunde, dem er das Manuscript anvertraut hatte, herausgegeben, noch „Nachträge zu seinen theologischen Werken“ (Tübingen 1821, gr. 8°.), welche folgende interessante Abhandlungen enthalten: „Was that Christus während der 40 Tage von seiner Auferstehung bis zu seiner glorreichen Auffahrt?“ – „Was hielten die Kirchenväter von der Accommodation?– „Was lehrt die Bibel vom Teufel, von den gefallenen Engeln, von den Daemonen und bösen unreinen Geistern?“ – „Ist das moralische Bedürfniß eines allmächtigen Richters der erste und einzige Grund für das Dasein Gottes?“ – „Vertrautes Gespräch über die Vereinigung der drei verschiedenen Kirchen in Teutschland“; – „Läßt sich die unumgängliche Nothwendigkeit der Beichte zur Vergebung der Sünden aus den theologischen Principien beweisen? – Im Vorstehenden ist Jahn’s wissenschaftliche Wirksamkeit dargestellt, der Charakter seiner Arbeiten ist ein solcher, daß er in- und außerhalb seiner Confession hohe Achtung genoß und seine Rechtgläubigkeit bei anerkannter Gelehrsamkeit und tüchtiger Forschung doch nur von großer Befangenheit oder bösem Willen angefochten werden konnte. Ueber seine wissenschaftliche Wirksamkeit schreibt einer seiner Biographen: „Jahn’s Wirksamkeit fällt in die denkwürdige Periode, wo in der protestantischen Kirche, vornehmlich durch J. S. Semmler angeregt, eine wesentliche Umgestaltung für die Theologie unaufhaltsam hereinbrach. Es lag in der eigenen Stellung desselben, daß diese Zeit der Gährung, wo in der Schwesterkirche ziemlich allgemein so vieles als veraltet und unhaltbar aufgegeben wurde, seine Aufmerksamkeit auf sich zog und ihn zur Prüfung „dringend“ aufforderte. Ganz nahe an das von ihm cultivirte Gebiet traten heran die kühnen Forschungen der biblischen Kritik und Exegese. Gewonnen wurde er für sie allerdings nicht, aber er berücksichtigte sie doch, soweit die Verhältnisse es ihm gestatteten und setzte seine ganze Gelehrsamkeit und Kraft daran, so manches unerwartete und eben deßhalb anstößige Resultat der Kritik als falsch und nichtig darzustellen. So griff er mehr hemmend in das Rad der Zeit ein, während man nach den Verdächtigungen, die er in seiner Kirche erfuhr, vielmehr erwarten sollte, daß er etwa dazu beigetragen habe, den durch die neuere biblische Kritik schwankenden Boden noch mehr zu erschüttern. Seine Thätigkeit war mehr conservativ, und in einer Zeit allgemeiner Auflösung und schnellen Fortschreitens ist eine solche in der That gar nützlich und förderlich“.

Brunner (Sebast.), Clemens Maria Hoffbauer und seine Zeit. Miniaturen zur Kirchengeschichte von 1780–1820“ (Wien 1850, Braumüller, 8°.) S. 16. – Czikann (Joh. Jak. Heinrich), Die lebenden Schriftsteller Mährens (Brünn 1812, Traßler, 8°.) S. 77. – Döring (H.), Die gelehrten Theologen Teutschlands. Bd. II, S. 7. – Felder, Gelehrten-Lexikon der katholischen Geistlichkeit, Bd. I, S. 347. – Henke, Archiv für die neueste Kirchengeschichte, Bd. II, Stück 1, S. 51 u. f. – Huth (Ph. J. S.), Versuch einer Kirchengeschichte des 18. Jahrhunderts, Bd. II, S. 375 und 376. – Meusel (Joh. Georg), Das gelehrte Teutschland, 5. Ausg. Bd. III, S. 511; Bd. X, S. 13; Bd. XI, S. 394; Bd. XIV, S. 225; Bd. XVIII, S. 254; Bd. XXIII, S. 18. – Oesterreichische National-Encyklopädie von Gräffer und Czikann (Wien 1835, 8°.) Bd. III, S. 11. – Theater-Zeitung, [47] herausgegeben von Adolph Bäuerle (Wien, 4°.) 1841, S. 864 [in der Rubrik: „Wiener Tagesblatt“]. – Nouvelle Biographie générale ... publiée par MM. Firmin Didot frères, sous la direction de M. le Dr. Hoefer (Paris, 1850, 8°.) Tome XXVI, p. 291. – Porträt. P. J. Weindl del. u. sc. (Halbfigur, 8°.) –

Anmerkungen (Wikisource)