BLKÖ:Hartig, Franz de Paula Anton Graf

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 7 (1861), ab Seite: 392. (Quelle)
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Hartig, Franz de Paula Anton Graf (Staatsmann und Gelehrter, geb. 29. August 1758, gest. zu Prag 1. Mai 1797). Der Sproß einer alten Adelsfamilie [siehe S. 396: I. Genealogie der Grafen Hartig] und der Sohn des Grafen Adam Franz, Gesandten am churbayerischen Hofe zu München und nachmaligen Ministers bei den fränkischen und schwäbischen Reichskreisen, aus dessen Ehe mit Maria Theresia Gräfin von Kolowrat. Graf Franz Anton erhielt eine sehr sorgfältige Erziehung, die der gelehrte Vater selbst überwachte. Den Musen hold, dichtete er in einem Alter, in welchem Andere Mühe haben, die Dichter zu verstehen. Er schrieb in französischer Sprache, denn zu jener Zeit war die französische Sprache in der deutschen [393] Adelswelt – wie leider noch heut – nicht nur die herrschende, sondern im buchstäblichen Verstande die einzige Umgangssprache. Den Unterricht in der Mathematik und Physik ertheilte ihm Arbuthnot, Benedictiner-Abt zu Regensburg, wo Graf Franz Anton seit dem 9. Jahre mit seinem Vater lebte, der daselbst als churböhmischer Reichstagsgesandter fungirte. Mit reichen Kenntnissen ausgestattet, sollte Graf Franz Anton durch eine Reise zum Eintritt in’s praktische Leben vorbereitet werden. Deutschland, Frankreich, England, Italien und die Schweiz waren die Länder, die er nach dem väterlichen Willen besuchen sollte, um die politischen Verhältnisse dieser Staaten, ihre Stärke und Schwäche, die Quellen ihrer Macht und ihrer Gebrechen, die Grundsätze der Regierungen, die Sitten und Denkungsart der Völker selbst kennen lernen. Höchst interessant ist betreffs dieser Reise der ausdrückliche Befehl der großen Kaiserin Maria Theresia: „Der junge Reisende sollte von jedem Orte seine politischen Bemerkungen und Entdeckungen unmittelbar Ihr selbst zuschicken.“ Fragmente dieser Briefe – im Alter von 20 Jahren geschrieben – erschienen später im Drucke [siehe weiter unten]. Auf dieser Reise gelangte er auch nach Mailand, wo er 6 Monate blieb und unter der Leitung des ausgezeichneten Karl Joseph Grafen von Firmian [Bd. IV, S. 232] sich für den Staatsdienst vorbereitete, in den der junge Graf auf den Wunsch des Kaisers Joseph treten sollte. Vor seiner Anstellung im Kaiserstaate wollte er aber noch bei einem Justizcollegium in Deutschland praktische Erfahrungen sammeln und wurde also als Hofrath im Judicialfache zu Würzburg angestellt. In Würzburg lernte Graf Franz Anton den Historiker Mich. Ign. Schmidt kennen und veranlaßte später auch dessen Berufung nach Wien in das geh. kais. Haus-, Hof- und Staatsarchiv. Nach zweijährigem Aufenthalte in Würzburg wurde der Graf bei dem böhmischen Landrechte in Prag als Rath angestellt, zugleich aber auch zu den Gubernialcommissionen beigezogen. Da unterbrach ein heftiger Blutsturz, der den Grafen dem Tode nahe brachte, dessen dienstliche Laufbahn, und nachdem er sein Amt niedergelegt, unternahm er vorerst Reisen und suchte dann Stärkung in den Bädern zu Spaa. In diese Zeit fallen die meisten seiner poetischen Arbeiten, die 1788 zu Paris erschienen sind. Zu gleicher Zeit beschäftigte er sich mit wissenschaftlichen Forschungen, zu denen seine Betrachtungen über Aufnahme und Verfall der Feldwirthschaft und seine Untersuchung über die Beschaffenheit der Luft zu zählen sind. Nachdem seine Gesundheit sich etwas befestiget hatte, nahm er 1787 den Gesandtschaftsposten am chursächsischen Hofe an und seine Thätigkeit auf dieser Stelle dürfte nur mit des Grafen eigenen Worten richtig gezeichnet werden: „Da oft Glück und Zufälle den Ruhm eines Menschen bestimmen, so traf dieß auch während meiner siebenjährigen Gesandtschaft bei mir ein. Sachsen war nicht nur durch seine geographische Lage, sondern noch vielmehr durch das Zutrauen, welches die Weisheit des Churfürsten Europa’s Herrschern einflößte, der Mittelpunct vieler Staatsverhandlungen, wodurch ich mir einigen Ruhm zu erwerben und meinem Vaterlande wirkliche Dienste zu leisten Gelegenheit fand. Unter die großen Begebenheiten, die während dieser sieben Jahre alle politischen Triebfedern in Bewegung gesetzt haben, kann man hauptsächlich folgende rechnen: „Den [394] Türkenkrieg; den Ausbruch der Gährungen in Lüttich und in den Niederlanden; die französische Revolution; die Krankheit Kaiser Joseph II. und die während derselben in verschiedenen Cabineten angelegten, theils schon zur Reife gediehenen Plane, die durch einen kostspieligen Krieg und durch innere Gährungen geschwächte österreichische Monarchie zu Grunde zu richten oder doch zu zerstückeln; Joseph’s II. Tod; das Reichsvicariat des Churfürsten von Sachsen; seine, ungeachtet der aus Veranlassung des Fürstenbundes mit Preußen eingegangenen Verbindungen, so billig behauptete bewaffnete Neutralität in dem Augenblicke, als das Kriegsfeuer zwischen Oesterreich und Preußen ausbrechen sollte, wodurch der Plan des gefährlichsten Angriffs durch Sachsen und die Lausitz vereitelt und Böhmen sichergestellt wurde; die Reichenbacher Convention; die Kaiserwahl Leopold’s II.; die neue Constitution in Polen, durch welche dieser Staat für ein Erbreich erklärt und die Krone dem Churfürsten von Sachsen und seiner leiblichen Descendenz angetragen wurde, und die deßhalb am Dresdener Hofe gepflogenen Unterhandlungen; die Zusammenkunft Kaiser Leopold’s und des Königs von Preußen zu Pillnitz und die zwischen beiden Monarchen aus Veranlassung der französischen Revolution dort getroffene eventuelle Convention; den Königsmord in Schweden; Leopold’s II. Tod; das abermalige Reichsvicariat des Churfürsten von Sachsen; die französische Kriegserklärung wider Oesterreich und das deutsche Reich; Franzen’s II. Kaiserwahl; die Opposition des russischen Hofes wider die neue polnische Constitution; den Einbruch der Russen in Polen und die Aenderung der Lage der Dinge in diesem Reiche, wodurch der Churfürst von Sachsen die Aussicht zur dortigen Thronfolge wieder verloren hat; den Feldzug wider Frankreich im Jahre 1792 und seinen ungünstigen Ausgang; die schauderhafte Hinrichtung des Königs und der Königin in Frankreich; die Coalition der größten europäischen Mächte wider die französische Nationalversammlung; die Theilung Polens zwischen Rußland und Preußen 1793; endlich die noch fortwährenden Kriegsoperationen mit ihren politischen Folgen. So wichtige und so mannigfaltige Ereignisse dürften viele Staatsmänner während der längsten politischen Laufbahn nicht erlebt haben. In manchen durch sie veranlaßten ebenso dornigten als wichtigen Verhandlungen lächelte mich das Glück so sehr an, daß ich sie zum Wohl des Vaterlandes und zur Zufriedenheit meines Hofes beendigen konnte. Dafür ernannte mich Kaiser Leopold zum Commandeur des kön. ungarischen St. Stephan-Ordens und bald darauf zum wirklichen Geheimrath; der jetztregierende Kaiser Franz aber begnadigte mich im Jahre 1792 mit dem großen Kreuze eben dieses Ordens“. So bescheiden spricht Graf Hartig von seinen Verdiensten als Staatsmann. Ein neuer Anfall seines Uebels, nachdem er zehn Jahre davon befreit gewesen, entzog ihn neuerdings dem Dienste. Viele Nachtwachen und unausgesetzte Kopfarbeit, insbesondere während des Aufenthaltes des Kaisers Leopold II. in Pillnitz, mochten denselben herbeigeführt haben. Da die Genesung sich sehr in die Länge zog und die Hoffnung auf gänzliche Wiedererlangung der verlornen Kräfte beinahe gänzlich schwand, nahm Graf H. die Entlassung, die er auch 1794 erhielt. Indem er noch das Bad in Pyrmont gebraucht, begab er sich, da ihn der Krieg, [395] an seinem Vorhaben, Italien zu besuchen, hinderte, nach Böhmen, wo er einzig der Wissenschaft lebte und nach des Grafen Lazansky Tode[WS 1] von der kön. böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften zum Präsidenten derselben gewählt wurde. Mit rastlosem Eifer nahm er sich nun der Angelegenheiten der Gesellschaft an, betrieb vorzugsweise geschichtliche und naturwissenschaftliche Studien, und legte zum Behufe der Letzteren, unter Anleitung des böhmischen Astronomen Strnadt, reiche Sammlungen an. Als Gutsherr war der edle Graf der Freund und Sachwalter seiner Unterthanen, und jene Bauernfamilien, deren zu Soldaten ausgehobene Mitglieder ihre Pflicht dem Kaiser und dem Vaterlande treu geleistet, sprach er vom Frohndienste frei. Des Grafen meist in französischer Sprache erschienenen Schriften sind: „Essai sur les avantages que retireraient les femmes en cultivant les sciences et beaux-arts par un amateur“ (Prag 1775, 8°.); – „Lettres sur la France, l’Angleterre et l’Italie“ (Geneve 1785, 8°.); es sind dieß die schon oben erwähnten Brieffragmente über seine Reise, worin sich seine Vorliebe für Alles was Wissenschaft, schöne Künste und Literatur betrifft, offenbart. Cubières sagte anläßlich derselben, daß er im Gefolge der Weisheit gereiset und mit allen Reizen der Dichtkunst geschrieben habe. Von diesen Briefen erschien auch eine schlechte deutsche Uebersetzung (Eisenach 1786) [vergl.: Allgem. Literatur-Zeitung 1787, I, 302; Allgem. deutsche Bibliothek, Bd. 82, S. 526]. – „Mélanges de vers et de prose“ (Paris 1788, 8°.) [vergl.: Allgem. deutsche Bibliothek, Bd. 96, S. 106; Goth. gel. Zeitung 1788, Ausländ. Literatur, S. 275]. Durch dieses Werk behauptet der deutsche Graf Hartig eine ehrenvolle Stelle auf dem französischen Parnaß; Dorat, Cubières und Andere schreiben von ihm mit vielem Lobe, und die Akademie der Wissenschaften und schönen Künste in Marseille, das akademische Museum in Paris und die Gesellschaft zur Aufmunterung der Wissenschaften und Literatur in Lüttich ernannten H. zu ihrem Mitgliede. – „Historische Betrachtungen über die Aufnahme und den Verfall der Feldwirthschaft bei verschiedenen Völkern“ (Prag und Wien 1786) [vergl.: Allgem. Literatur-Zeitung 1787, I, 260; Allgem. deutsche Bibliothek, Bd. 82, S. 311; Goth. gel. Zeitung 1787, S. 170; Gött. gel. Anz. 1787, 336]; von diesem Werke, dessen jede Seite den denkenden Landwirth und den warmen Freund des guten Landmannes beurkundet, veranstaltete Leroy de Lozembrune eine französische Uebersetzung, die unter dem Titel: „Observations historiques sur le perfectionnement et la decadence de l’agriculture chez les différents peuples“ (Vienne 1790, 8°.) erschien; anläßlich desselben ernannten ihn die ökonomische Gesellschaft in Leipzig, und die patriotische Gesellschaft der Wissenschaften und Agricultur in Bretagne zu ihrem Mitgliede; – „Variétés“ (Impr. à Cythère, 18°.). In den Abhandlungen der kön. böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften erschienen von ihm: „Ueber die Güte der Luft in höheren Regionen“ (1787, Bd. 3, S. 272) und „Schreiben über die Pyrmonter Gegend“ (neue Abhandl. 1795, Bd. II, S. 71). Ferner war Graf Franz Anton nicht nur ein großer Freund und Förderer der Künste, sondern componirte selbst Lieder, zeichnete mit großer Gewandtheit und sammelte mit Geist und Kenntniß vortreffliche Kunstwerke. Der Graf starb im schönsten Mannesalter, im noch nicht vollendeten 39. Jahre. Seit 10. September 1783 [396] mit Marie Elenora Gräfin Colloredo (geb. 19. Februar 1764, gest. 6. Februar 1818) vermält, hinterließ er aus dieser Ehe 2 Söhne und 2 Töchter, Erstere: Franz, das gegenwärtige Haupt der Familie [s. d. S. 399], Friedrich August (geb. 22. August 1791, gest. 13. September 1815); Letztere: Marie Theresia (geb. 10. August 1785), vermält (seit 24. Juni 1804) mit Clemens August Grafen von Ledebur zu Wicheln, und Marie Antonia (geb. 22. November 1786, gest. 11. October 1790).

Biographie des Grafen F. von Hartig (Wien 1799, Ig. Alberti’s Witwe, 8°.). – Schlichtegroll’s Nekrolog auf das Jahr 1797, Bd. II, S. 75–114. – Abhandlungen der kön. böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften (Prag). Bd. III: „Biographie“, von Cornova [nur in sehr wenigen Exemplaren vorhanden, da die Biographie nach der Hand confiscirt wurde]. – Interessante Lebensgemälde und Charakterzüge der denkwürdigsten Personen aller Zeiten (Wien 1808, Mausberger, kl. 8°.) Bd. III, S. 232. – Dlabacz (Gottfr. Joh.), Allgemeines historisches Künstler-Lexikon für Böhmen u. s. w., Bd. I, Sp. 566. – Wißgrill (Franz Karl), Schauplatz des landsässigen Nieder-Oesterreichischen Adels (Wien 1800, 4°.) Bd. IV, S. 187. – Ersch und Gruber, Allgemeine Encyklopädie der Wissenschaften und Künste, II. Section, 3. Bd. S. 19. – Meusel (Joh. Georg), Lexikon der vom Jahre 1750 bis 1800 verstorbenen teutschen Schriftsteller (Leipzig 1805, Gerh. Fleischer). Bd. V. S. 183. – Poggendorff (J. C.), Biographisch-literarisches Handwörterbuch zur Geschichte der exacten Wissenschaften (Leipzig 1829, J. A. Barth, gr. 8°.) Bd. I, Sp. 1021. – Gerber (Ernst Ludwig), Neues historisch-biographisches Lexikon der Tonkünstler (Leipzig 1812, A. Kühnel, gr. 8°.) Bd. II, Sp. 509. – Jahrbuch der Tonkunst in Wien und Prag vom Jahre 1796. – Oesterreich. National-Encyklopädie von Gräffer und Czikann (Wien 1835, 8°.) Bd. II, S. 515. – Nouvelle Biographie générale ... publiée sous la direction de M. le Dr. Hoefer (Paris 1850, Didot). Tom. XXIII, Sp. 465 [nach dieser geb. 22. August 1758]. – Oesterreich und seine Staatsmänner (Leipzig 1844, Reclam jun., 8°.) Bd. II, S. 64. – Quérard (J. M.), La France litteraire (Paris 1830, F. Didot, 8°.) Tome IV, p. 34. [Bei dieser Gelegenheit muß ein grober Irrthum des letztgenannten sonst so ausgezeichneten Werkes berichtigt werden. Gleich auf Franz de Paula Grafen Hartig folgt ein Georg L. Graf Hartig, der als des vorbenannten Sohn bezeichnet wird und dem einige Schriften aus dem Gebiete der Forstcultur zugeschrieben werden. Dieser Hartig ist aber kein Graf und kein Sohn des Vorigen, sondern der preußische Ober-Landesforstmeister Georg Ludwig Hartig, der auch die dem vermeintlichen Grafen zugeschriebenen Werke verfaßt hat.] – Porträt. Von J. Kleinhart gezeichnet und von L. F. Gaucher gestochen [dasselbe auch vor Hartig’s Mélanges de vers et de prose]. Darunter stehen die von Cubières an Hartig gerichteten Verse:

Scavez vous, qu’el est son partage?
Les qualités du coeur, les talens de l’esprit.
Il a voyagé comme un sage;
C’est en poëte, qu’il écrit
. –

Grabdenkmal. Der Graf hatte sich im Parke zu Niemes in Böhmen ein Grabdenkmal errichtet, welches folgende Stelle seines Lieblingsdichters Horaz (lib. II, Oda 14) zur Aufschrift hat:

„Linquenda tellus et domus et placens
Uxor; neque harum quas colis arborum
Te praeter invisas cupressos
Ulla brevem dominum sequetur“
.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. sollte heißen: Abgang nach Wien. Lazansky lebte bis 1804.