BLKÖ:Gaßmann, Florian Leopold

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Gasser, Vincenz
Band: 5 (1859), ab Seite: 96. (Quelle)
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Gaßmann, Florian Leopold (Componist, geb. zu Brüx in Böhmen, nach Dlabacz 4. Mai 1729 u. nach dem Wiener Diarium 1723, gest. zu Wien 22. Jänner 1774). Sohn eines Krämers aus Brüx. Im Seminar zu Komotau erhielt er seine erste wissenschaftliche und musikalische Ausbildung, später zu Brüx von dem Chordirector Joh. Woboržil. G. zeigte großes Talent. Nach des Vaters Willen sollte er dessen Geschäft übernehmen, aber der Sohn verließ heimlich seinen Geburtsort, ging nach Karlsbad, trat dort öffentlich als Harfenspieler auf, Beifall und Geld gewinnend. Nun faßte G. den Entschluß, nach Italien u. z. nach Venedig zu reisen und führte ihn auch aus. Dort gerieth er, als seine Geldquelle versiegt war, in schlimme Noth. Ein glücklicher Zufall führte ihn mit dem berühmten Pater G. B. Martini zusammen, der sich des Jünglings annahm, für seine fernere musikalische Ausbildung sorgte und so den Grund zu G.’s späterem Ruhm legte. Nach Verlauf zweier Jahre wurde G. Organist in einem Nonnenkloster; daselbst lernte ihn der reiche Graf Lionardi Veneri kennen, der, entzückt von G.’s Kunst, ihm gastfrei sein Haus öffnete und ihn mit Wohlthaten überschüttete. 1762 folgte G. einem Rufe nach Wien als Ballet-Componist am kais. Hoftheater. G. wurde alsbald kaiserl. Kammercomponist und 1771 – nach Reutters Tode – kais. Hofcapellmeister mit 800 Stück Dukaten Gehalt. In der Zwischenzeit, Anfang 1766, machte G. wieder eine Reise nach Venedig, wo sein früherer Mäcen Graf Veneri ihm die alte Liebe bewahrt hatte. Von dieser Reise kehrte er im Juni mit Anton Salieri, seinem Schüler und einstigen Nachfolger, nach Wien zurück. 1769 folgte er einer Einladung nach Rom, ging von da nach Mailand, und brachte an beiden Orten seine Opern zur Darstellung. Auch begleitete G. den Kaiser Joseph nach Mährisch-Neustadt zur Zusammenkunft dieses Monarchen mit Friedrich II., an dem G. einen großen Gönner und Bewunderer fand. Seit einem Unfalle, den er auf seiner letzten Reise nach Italien durch einen Sturz aus dem Wagen erlitten, konnte er sich nicht mehr erholen. Dazu gesellte sich ein gefährliches organisches Leiden, dem er nach Einigen im 45., nach den Angaben seiner Frau im Wiener Diarium im 51. Jahre seines Lebens erlag. Obwohl G. kein hohes Alter erreicht, ist doch die Zahl seiner Compositionen groß. Im Gebiete der Kirchenmusik: 1 Motette für das Fest der h. Cäcilie; – 1 Veni creator spiritus und 1 Domine ad adjuvandum me festina, die Autographe beider Tonstücke in der kais. Hofbibliothek; – 1 vierstimmiges Stabat mater, 1 Agnus Dei und Dona nobis, beide im III. Bde. von Rochlitz „Sammlung vorzügl. Gesangstücke“, 1 Requiem für 4 Singstimmen, 2 Violinen, 2 Oboen, 2 Trompeten, eine Viola und Orgel; dieses Werkes Vollendung unterbrach sein Tod – und 1 aus 11 Tonsätzen bestehende doppelchörige Vesper. –Für Kammermusik: VI Quintetten für 2 Violinen, 2 Violen und Basse; – VI Quartetten für 2 Violinen, Viola und ein oblig. Violoncell; – VI Quatuors für 2 Violinen, Viola und Violoncell; – VI Quartetten für Flöte, Viola, Alto und Basso; – III Divertimenti für 2 Violinen und Basso in A, E und D; – IV Divertimenti für 2 Violinen und Violoncello in E, H, Es und C; – VI Divertimenti für Flöte, Violin und Basso in C, G, D, A, B, E – und XV Symphonien, welche noch in Handschrift [97] sich befinden. Im Gebiete der dramatischen Musik die Opern für Italien: „Merope“ (1762); – „Issipile“; – „Catone in Utica“; – „Ezio“; – „Achille in Sciro“ (1766); – „Il triomfo dell’ amore“ (1765 in Schönbrunn, 1767 in Venedig aufgeführt); – „Gli uccilatori“„Il filosofo in amorato“ (1768); – „Un pazzo ne fa cento“ (1769); – und „Il mondo della luna“; – für Wien: „Ezio“ (1770 das zweite Mal); – „L’Olimpiade“ (1764); – „Amore e Psiche“ (1767); – „I viaggiatori ridicoli“ (1769); – „L’amore artigiano“; – „La notte critica“ (1768); – „La Contessina“ (1776); – „Il filosofo in amorato“ (1771 zum zweiten Mal); – „La pescatrice“; – „I Rovinati“ (1772); – „La casa di campagna“ (1773); – „L’Amore e Venere“. Von diesen Werken wurden in deutscher Bearbeitung auf deutschen Bühnen viele Male gegeben: „Die junge Gräfin“, nach Hillers und „Die Liede unter Handwerksleuten“, nach Neefe’s Uebersetzung. Endlich schrieb G. eine Cantate: „L’Amor timido“ für eine Singstimme mit Orchester-Begleitung und das Oratorium: „La Betulia liberata“ nach Metastasio’s Dichtung. G. zählt zu den besten Contrapunctisten seiner Zeit, seine Compositionen sind correct und gefällig. Den Menschen lassen zwei Handlungen erkennen: den 16jährigen Salieri, den er 1766 bei Mocenigo in Venedig kennen gelernt, nahm er nach Wien mit, ließ ihn daselbst auf seine Kosten erziehen und für die Kunst ausbilden, in welch’ letzterer er ihn selbst auch unterwies; ferner begründete G. das Pensions-Institut für Witwen und Waisen der Tonkünstler Wiens, welches am 23. Febr. 1771 die allerhöchste Sanction erhielt, und noch gegenwärtig segensreiche Früchte trägt. Seit 1768 war G. mit einem Fräulein Damm vermält; aus dieser Ehe gingen zwei Töchter hervor: Maria Anna (kais. Hofschauspielerin und Sängerin, geb. 1771, gest. zu Wien 27. Aug. 1852). Ihre musikalische Erziehung erhielt sie von Salieri, Gaßmanns Zögling. Sie war eine vortreffliche Sängerin und erregte als Königin der Nacht großes Aufsehen. Später vermälte sie sich mit dem kaiserl. Kammermusikus Fux (s. d. V. Bd. S. 41), zog sich aber nach ihres Gatten Tode in’s Privatleben zurück, mit der Ausbildung musikalischer Talente sich beschäftigend. Auch war sie eine tüchtige Künstlerin auf dem Piano und Schülerin des Hofcapellmeisters Weigl. Sie starb an Altersschwäche im Alter von 81 Jahren. – Ihre nachgeborne Schwester Therese (Hofsängerin, geb. 1774, gest. ?) kam drei Monate nach des Vaters Tod zur Welt, erhielt gleich ihrer Schwester die Ausbildung von Salieri, vermälte sich nachmals mit Herrn Rosenbaum. 1812 trat sie, da ihre Stimme bereits stark abgenommen hatte, in den Ruhestand und lebte seither mit ihrer Schwester auf ihrer Villa in der Nähe der Favoritenlinie Wiens, auf welcher sich die vornehme Wett und die ersten Kunstnotabilitäten Wiens zu versammeln pflegten.

Die Todtenliste des „Wiener Diariums“ vom J. 1774 gibt den 22. Jänner als den Tag an, an welchem G. im 51. Jahre seines Lebens gestorben, sonach wäre G. im J. 1723 geboren, was wohl die richtige Zahl sein dürfte. – 'Gerber (Ernst Ludwig), Histor.-biograph. Lexikon der Tonkünstler (Leipzig 1790, Breitkopf, gr. 8°.) I. Thl. Sp. 476. – Desselben Neues histor.-biogr. Lexikon (Ebenda 1812, gr. 8°.) II. Thl. Sp. 257. – Pelzel (Franz Martin), Abbildungen böhmischer und mährischer Gelehrten und Künstler (Prag 1775, gr. 8°.) II. Thl. S. 181. – Effigies virorum erudit. Bohemiae et Moraviae (Prag 1773–1775, gr. 8°.) II. Bd. S. 60. – Wiener Theater-Kalender für das J. 1795. S. 31. – Dlabacz (Gottfried Joh.), Allgem. histor. Künstler-Lexikon für Böhmen … (Prag 1815, 4°.) I. Bd. Sp. 444 [nach diesem geb. zu Brüx in Böhmen 4. Mai 1729 8. – Oestr. [98] National-Encyklopädie (von Gräffer und Czikann), (Wien 1835) II. Bd. S. 278. – Ersch (J. S.) u. Gruber (J. G.), Allg. Encyklopädie der Wissensch. u. Künste (Leipzig 1822, Gleditsch, 4°.) I. Sect. 54. Thl. S. 212. – Rieggers Statistik von Böhmen XII. Hft. S. 227–229. – Neuigkeiten (Brünner polit. Blatt, Fol.) 1859, Nr. 18 [nach diesen gest. 22. Jänner 1774]. – Neues Universal-Lexikon der Tonkunst (begonnen von Dr. J. Schladebach, fortgesetzt) von Ed. Bernsdorf (Dresden 1857, Schäfer, gr. 8°.) II. Bd. S. 109.[BN 1] – Ueber die Töchter Anna und Theresia: Zum Theil dieselben Quellen, welche über den Vater Nachricht geben und die Neue Wiener Musikzeitung, herausgeg. von Glöggl 1852, in einer der letzten Nummern des Monats August. – Porträte. 1) Aufschrift im Bande ober dem Medaillon, welches sich um dasselbe schlängelt: Floria Leopoldus Gassmann. Unterhalb am Bildesrande: Antonius Hikel del. Joan. Balzer sc. Pragae 8°. Auch in Pelzels „Abbildungen böhm. u. mähr. Gelehrten.“ – 2) H. E. v. Wintter lith. 1815. Fol.

Berichtigungen und Nachträge

  1. E Gaßmann, Florian Leopold [Bd. V, S. 96].
    Handschriftliche biogr. Notizen im Archiv u. s. w., wie bei Campi [nach Mittheilungen der Witwe Gaßmann’s und Salieri’s]. [Band 26, S. 383]