Album der Schlösser und Rittergüter im Königreiche Sachsen IV. Section/H15
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Dorfchemnitz, vulgo Kämnitz genannt, liegt 2½ Meile südlich von Freiberg, an der Saidaischen und unweit der (auf dem hohen Kamme hinführenden) Rechenberger Strasse im anmuthigen Thale der Chemnitz, welche noch über dem Dorfe aus zwei fast gleich starken Bächen, dem Voigtsdorf’schen und dem Friedebach zusammenläuft und weit unterhalb des Dorfes und der Schaafbrücke links das Bächlein aus Wolfsgrund, rechts den Eppenfluss an der Grüne oder Gruna empfängt.
Die Chemnitz ist sehr forellenreich und ihre Benutzung zur Wiesenwässerung eine vorzügliche zu nennen.
Die Entstehung von Dorfchemnitz ist nicht zu ermitteln.
Als die ersten Besitzer des Gutes und Schlosses werden uns die Herren von Erdmannsdorf genannt. Schon im 12. Jahrhundert sind diese hier ansässig gewesen, was aus einem Gemälde in dem Erbbegräbnisse zu Dorfchemnitz sich entziffern lässt. Nach diesem Gemälde ist im Jahre 1133 ein von Erdmannsdorf, welcher gewöhnlich seine Morgenandacht vor einem Crucifix zwischen Dorfchemnitz und Voigtsdorf, ohnweit der Voigtsbrücke, verrichtete, betend von Räubern erstochen worden. Die von Erdmannsdorf oder Erdmarsdorf haben auch Dorfchemnitz bis zum 14. Jahrhundert noch besessen. Erst im Jahre 1364 oder 1365 ist das Gut durch Verheirathung mit einer gebornen von Erdmarsdorf oder Erdmannsdorf an Nicol von Hartitzsch, den Freiberger Bürgermeister gekommen. Letzterer ist vom Burggrafen Meinher VI. damit beliehen worden und ist solches in dieser Zeit als ein Zubehör der Herrschaft Frauenstein zu betrachten. Die Abstammung und die Geschichte der Hartitzschischen Familie haben wir schon bei Colmnitz näher erwähnt, weshalb wir zur bessern Belehrung darüber dahin verwiesen haben wollen.
Dorfchemnitz hat in der spätern Zeit zwei Rittergüter und jedes seinen besondern Besitzer gehabt, weshalb es auch in Ober- und Nieder-Dorfchemnitz eingetheilt wird.
Die Familie von Hartitzsch haben diese beiden Güter dann bald getheilt, bald wieder vereint besessen.
Im Jahre 1625 haben 3 von Hartitzsch in Dorfchemnitz gelebt, nämlich Hans Wolf von Hartitzsch auf Nieder-Dorfchemnitz, Melchior von Hartitzsch auf Ober-Dorfchemnitz und noch ein George Adolf von Hartitzsch auf dem Hammer allhier.
Im Jahre 1662 gehörte Nieder-Dorfchemnitz einem Wolf Siegmund von Hartitzsch, Kammerjunker und Amtshauptmann zum Frauenstein, so wie 1671 einer Anna Elisabeth von Hartitzsch. Christian Melchior von Hartitzsch war im Jahre 1668 mit Ober-Dorfchemnitz beliehen, welcher 100 Jahre geworden. Von diesem stammt George Adolph von Hartitzsch auf Dorfchemnitz, welcher mit einem Fräulein Anna Christiane von Schönberg vermählt war. Derselbe starb im Jahre 1726. Sein Nachfolger war Ferdinand Wilhelm von Hartitzsch auf Ober- und Nieder-Dorfchemnitz. Er hatte ein Fräulein von Meusebach zur Gemahlin. Sein Sohn Johann Adolph von Hartitzsch ist vor ihm gestorben. Daher wurde Julius Alexander von Hartitzsch auf Ober- und Nieder-Staucha, zugleich auch beliehener Besitzer von Ober- und Nieder-Dorfchemnitz. Derselbe ist zweimal verheirathet gewesen, das erste Mal mit einem Fräulein von Schönberg, das zweite Mal mit Fräulein Magdalena Elisabeth von Zehmen auf Stauchitz. Dieser starb im Jahre 1764 und seine Wittwe im Jahre 1785. Letzteren beiden sind deren Söhne als Gerichtsherren von Ober- und Nieder-Dorfchemnitz gefolgt, welche noch Ober- und Nieder-Voigtsdorf erbten.
Diese beiden Brüder, welche zwei Schwestern, Fräuleins von Gersdorf, aus dem Hause Pulsnitz, zu Gemahlinnen hatten, theilten sich später in die Güter; nämlich der jüngste George Adolph von Hartitzsch, Domprobst und Amtshauptmann bekam Ober- und Nieder-Staucha, welcher noch Heida und Knathewitz bei Wurzen sich kaufte. Der älteste aber, Hans Dietrich Alexander von Hartitzsch erhielt Ober- und Nieder-Dorfchemnitz [114] mit Ober- und Nieder-Voigtsdorf und kaufte sich noch dazu Röhrsdorf bei Königsbrück; dieser starb in Röhrsdorf 1820 und wurde nach Dorfchemnitz begraben; der jüngste, Georg Adolph hatte, drei Söhne, wovon der älteste, George Heinrich von Hartitzsch, Kammerherr und Hof- und Justizrath, Staucha bekam, welcher mit einer Gräfin von Holzendorf verehelicht war und in dieser Ehe drei Töchter erzeugt hat, Maria Louise, Pauline Agnes und Anna erzeugt hat. Der jüngste Sohn Julius Lieutenant, besass Haide und ist im Jahre 1816 gestorben; der zweite Sohn, Hans Adolph von Hartitzsch, vermählt mit der einzigen Tochter des Hans Dietrich Alexander von Hartitzsch‚ seines Oheims, Erdmuthe Friederike Elisabeth, ist nun seit 1814 Gerichtsherr von Dorfchemnitz und Voigtsdorf und besitzt auch Heide und Knathewitz. Alle 5 Kinder haben dieselben durch den Tod verloren und besitzen nur noch eine Pflegetochter, eine geborene Bose. Mögen sie noch lange zum Wohle ihrer Untergebenen leben und wirken. Dorfchemnitz hat gerade ihnen sehr viel zu verdanken. Von dieser Herrschaft werden Sonntags Arme gespeist; für arme Schulkinder ist das Schulgeld bezahlt, Zinsen und Abgaben sind stets in bedeutendem Maasse erlassen, zum Kirchen-, Orgel-, Pfarr- und Schulbau Beiträge geschenkt worden, so dass die ganze Umgegend dieser Familie ihre Liebe und Achtung im hohen Grade auf jegliche Weise erkennen zu geben sich bemüht.
Die Wirthschafts- und Stall-Gebäude des Rittergutes, mit welchen das früher von beiden Besitzern bewohnte Herrnhaus in eins gebaut ist, sind bedeutend gross und schliessen eine nach der neuesten Erfindung im Jahre 1836 angelegte Branntweinbrennerei in sich. Das eigentliche Schloss, so wie die übrigen Gebäude sind von dem jetzigen Herrn Besitzer sehr verbessert worden.
Ausserdem zeichnet sich das Rittergut durch seine vortrefflichen Waldungen aus, deren Holzschlag auf 80 Jahre angenommen ist. Herr Rittmeister von Hartitzsch, der derzeitige Besitzer und sein Vorbesitzer haben hierauf ihre ganze Aufmerksamkeit verwendet und keine Kosten gescheut. Man kann keck behaupten, das diesem Rittergute in dieser Hinsicht wohl wenige in Sachsen gleichkommen.
Zum Rittergute gehört auch ein grosser Obstgarten, welcher eine Masse veredelter Sorten Obst enthält, die vom Herrn Rittmeister von Hartitzsch entstammen.
Auf den früheren Landtagen sass der Rittmeister von Hartitzsch vom Jahre 1818 an als Besitzer des Ritterguts Voigtsdorf in der allgemeinen Ritterschaft und dann auf das Gut Knathewitz mit Haida im weiten Ausschuss. Nach früherer Landtagsverfassung bis zum Jahre 1831 war er, als Rittergutsbesitzer von Dorfchemnitz, zwar auch Landtagsfähig, erhielt aber, wie jene zu Weissenborn und Colmnitz‚ keine Auslösung, weil Dorfchemnitz halb amt- und nur halb schriftsässig war. Das Gut leistete ein Ritterpferd.
Die Zahl der Hufen betrug 29¾ wobei die beiden Pfarrämter zu 1 Hufe berechnet wurden; 2 Hufen sind dismembrirt worden. Ausserdem giebt es hier 24 Gartennahrungsbesitzer, 38 Hausbesitzer, 35 Häusler, 33 sogenannte Häusler auf dem Rittergutsboden, die früher Lehnhäusler waren. Ausserdem hat der Gerichtsherr 2 Lehnhäuser gekauft, wovon das eine zur Revierförsterwohnung eingerichtet worden ist, und das andere dem herrschaftlichen Bretmühlen-Pachter als Wohnung dient.
Die Schicksale des Ortes anbetreffend, so hat derselbe viele Kriegsdrangsale, Pest und Theurung zu ertragen gehabt. Im Jahre 1604 haben die Kaiserlichen geplündert. Im Jahre 1762 musste Dorfchemnitz in einem Tage an Lieferungen für 1200 Thlr. beschaffen. Im Jahre 1772 sind durch Theurung und Hungersnoth viele Menschen gestorben und am 23. August 1813 bivouakirten 11000 Mann Soldaten auf dem Marsche nach Dresden grösstentheils auf dem Pfarrgute. Die Soldaten hatten im Gottesackerhäuschen und in der Rittergutsscheune Feuer gemacht, ohne zu schaden. Dabei war ein schreckliches Regenwetter; alle Wohnungen, die nicht zu entfernt lagen, waren voll Soldaten und Pferde.
Auch mehrmals hat Dorfchemnitz durch starke Fröste mit grossem Misswachs auf den Fluren zu kämpfen gehabt und in den Jahren 1727 bis 1737 grosse Reparaturen und Bauten an Kirche, Pfarre und Schule unternehmen müssen. – Collator über Pfarre und Schule ist der jedes malige Besitzer des Ritterguts von Dorfchemnitz.
Wie die meisten alten Kirchen ist auch die von Dorfchemnitz in der Nähe des Schlosses gelegen, um sie vom Schlossherrn mit vertheidigen zu lassen. Die hiesige Kirche wurde im Jahre 1737 reparirt und von 1802–1804 durch gänzliche Umgestaltung in ein einfach-schönes Gotteshaus verwandelt. Die äussere Länge der Kirche beträgt 70 Ellen, die Breite 24 Ellen; doch ist das Innere ungleich kürzer, der Raum [115] desselben aber sehr wohl benutzt und die beiden Emporkirchen nebst 6 Betstübchen sind geräumig. Zu beiden Seiten der Kanzel, welche über dem Altare ist, sind die herschaftlichen Kapellen, links darunter der Beichtstuhl und die Kirchenstände für die Pfarrfamilie und rechts am Altare die Kirchenstände für die Kirchenvorsteher. Eine neue, sehr schöne Orgel ist der Kirche seit 1834 gegeben.
Der Kirchthurm ist gut und trefflich gebaut und einer der höchsten auf dem Lande. Der Kirchhof ist mit einer Mauer umgeben.
Auf den Kirchhof werden Wenige beerdigt, fast Alle auf den Gottesacker, der auf dem einen Pfarrgute liegt. Auf dem grössern Pfarrgute ist ein wüster viereckiger Fleck, der Pest-Gottesacker genannt. Mithin hat der Ort eigentlich 3 Begräbnissplätze.
An der nördlichen Seite der Kirche befinden sich 17 steinerne von Hartitzische Denkmäler, darunter das von Melchior von Hartitzsch, welcher 100 Jahre alt geworden ist.
Das Vermögen der Kirche besteht aus mehr als 2000 Thlr. Der grüne Ornat der Kirche ist ein Geschenk der Anna Christiana von Hartitzsch vom Jahre 1745. Der blaue Ornat ein Vermächtniss der Frau Magdalena Elisabeth von Hartitzsch vom Jahre 1731. Der jetzt verbundene blaue ist ein Geschenk des Herrn Rittmeister von Hartitzsch.
Die Pfarrwohnung ist im Jahre 1727 nach beendigten Prozess zwischen Pfarrer und Gemeinde in einem erhabenen Styl erbaut worden, die Gebäude mit ihren Umgebungen gehören zu den schönsten unter den geistlichen Wohnungen in Sachsen.
Die Schulwohnungen sind im Jahre 1716 und 1734, wo ein zweiter Lehrer hier angestellt wurde, verbessert und neu hergestellt. Die Zahl der Schulkinder beträgt jetzt an die 250 bis 260. Ausser diesen Gebäuden sind noch nennenswerth das sogenannte Jagdhaus mit seinem terrassenförmigen Blumen- und Gemüse- und schönen Obstgarten, zum Theil mit einem Fichtenzaun umgeben.
Ferner das vom Holzhändler Schmidt im Jahre 1838 erkaufte mit Gasthofs-Gerechtigkeit verbundene Erbgericht, wobei eine Oelmühle und eine neue Branntweinbrennerei angelegt ist; ausserdem befinden sich hier 2 Mahlmühlen und 1 Eisenhammer. Letztrer mag durch den früher hier auf Eisenstein betriebenen Bergbau entstanden sein. Im Orte wohnt auch ein Wundarzt, welcher zugleich Geburtshelfer ist, 2 Krämer, 2 Schmiede, 2 Fleischer, Tischler und andere Handwerker. Bemerkenswerth ist noch, dass hier sehr gute Spinnräder gefertigt werden, die durch einen gewissen Hedrich aus der Lausitz zuerst hier bekannt wurden.
Eingepfarrt und eingeschult ist ausserdem als Dorfantheil zu Dorfchemnitz gehörenden Neudorf, noch
Der Name rührt von dem Thale, worinnen in früheren Zeiten Wölfe sich aufgehalten und 2 Hütten am Ende nach Dorfchemnitz und nach Zethau zugestanden haben, zum Aufbewahren von Waffen, die beim Durchwandern des Waldes Jeder mitgenommen hat, um sich gegen die Wölfe zu vertheidigen. Wolfsgrund ist jetzt ein angenehmes Dorf und hat viel Obstbaumzucht.
Im hiesigen, an der Strasse von Sayda nach Mulda und Bobritzsch gelegenen Lehngerichte wurde bis jetzt alle 30 Jahre ein Rügengericht gehalten, woran auch der Pfarrer Theil nahm, und auf welches ein Schmauss folgte.
Dorfchemnitz grenzt östlich an Dittersbach, Nassau, wo die böhmische Mulde scheidet und an Clausnitz; südlich an Neudörfchen und über dieses hinaus an Friedebach; südwestlich an Voigtsdorf und Wolfsgrund, westlich an Zethau, nördlich an Mulda.
Dorfchemniz hat 144 mit Neudörfel 194 bewohnte Gebäude, 291 Familienhaushaltungen und 1340 Einwohner und gehört jetzt zum Gerichtsamt Sayda, zum Bezirksgericht Freiberg, zur Amtshauptmannschaft Freiberg, zum Regierungsbezirk Dresden.
Früher soll der Ort zwei Gemeinden gebildet haben, nach der Eintheilung in zwei Rittergüter, eine Annahme, die wohl nicht richtig ist. Noch viel weniger kann die Benennung Ober- und Niederdorf einen Grund für diese Eintheilung abgeben. Es giebt gar viele andere Orte in Sachsen, die in Ober- und Niederdorf eingetheilt sind, ohne deshalb in mehre Orte oder Gemeinden zu zerfallen. Dorfchemnitz ist seit undenklichen Zeiten mit Neudorf nur eine Gemeinde mit 1 Richter, 1 Kasse, und vor Aufhebung der Patrimonialgerichtsbarkeit, mit einer Gerichtsstätte gewesen.
Bemerkenswerth ist noch, das man hier Schörl und Turmalin im Gneiss, und in eben demselben oft sehr grosse Feldspathkrystalle, kalkigen Glimmer im Kalksteine des grossen Leithsberges und auf den Eisensteinlagern, [116] Hornblende und Hornblendeschiefer findet. Auf einigen Gütern wird auch Torf gestochen und ein kleines Torfmoor, worauf häufig die Wallblume wächst, befindet sich ¼ Stunde südwestlich von der Kirche.
Die vorzüglichsten Berge im Dorfe sind: im Nordwest der steile schönbewaldete hohe Buch oder Puchleithe, von wo aus man eine reizende Aussicht geniesst. Im Südwest die Viertelhüfner-höhe mit einer weiten Aussicht. An deren Abhange stehen die Ziegel und Kalköfen des Lehngerichts. Endlich in Nordost der Kamm, auf dessen Rücken die Strasse von Freiberg über Rechenberg nach Böhmen führt und deren höchste Koppe, Bellmannshübel genannt, die Schlösser Frauenstein, Lichtenwaldstein, selbst Freiberg erblicken lässt.
Gelenau, ein ¾ Meilen langer Flecken, reicht vom linken Wilzschufer bis zur Annaberg-Leipziger-Strasse hinauf und ist von Thum 1½ Stunde nördlich gelegen. Ein Theil dieses Dorfes sammt dem sonst amtssässigen Rittergute stand ehedem unter dem Amte Wolkenstein; ein weit stärkerer von 5 Bauern, 12 Halbhüfnern, 10 Gärtnern, 43 Häuslern und einer Mühle mit 2 Gängen gehörte unmittelbar unter das frühere Amt Augustusburg, wiewohl es von demselben sehr entfernt liegt. Erst am 31. Oct. 1796, wo das Rittergut zu Gelenau die Schriftsässigkeit erlangte, kam es an das Amt Wolkenstein. Das Bergstädtchen Thum gehörte vor der neuen Gerichtsorganisation unter die Gelenauer Obergerichte, ingleichen auch das Dorf Jahnsbach.
Jetzt gehört Gelenau mit Thum und Jahnsbach zum Gerichtsamt Ehrenfriedersdorf, zum Bezirksgericht Annaberg, zur Amtshauptmannschaft Niederforchheim, zum Regierungsbezirk Zwickau. Gelenau hat 331 bewohnte Gebäude, 969 Familienhaushaltungen und 4682 Einwohner.
Fast alle Einwohner des Dorfes nähren sich von Klöppeln weisser Spitzen. Die zahlreichen Maurer und Zimmerleute gehen im Frühjahre meist in die Ferne, besonders nach Berlin, im Winter kehren sie heim und helfen klöppeln. Ausserdem wird hier viel Flachs erbaut und bedeutend ist hier der Korn-, Bretter- und Butterhandel.
Unter den bewohnten Gebäuden befindet sich hier ein Lehn-Gut, 2 Gasthöfe, viele Schenken, 5 Mühlen, mehre Sägen, Zeuch-, Garn- und Zwirnbleichen, 1 Unterförsterei.
Das gethürmte hiesige Schloss ist, wie dies auch die Abbildung näher besagt, von alter Bauart und die Entstehung desselben in die graue Vorzeit zu versetzen.
Der Erbauer desselben soll nach dem Schlosse benannt worden sein.
Dieses Schloss gehörte schon in den frühesten Zeiten zu der Herrschaft Wolkenstein, daher es auch, als diese an die Herzoge zu Sachsen fiel, bei dem Amte Wolkenstein verblieben ist. Herzog Albrecht der Beherzte verkaufte es 1499 mit allen Rechten nebst Thum an seinen Rath Heinrich von Schönberg, dem Aelteren zu Stollberg, dessen Nachkommen bis auf die neuesten Zeiten im Besitze derselben geblieben sind. Der jetzige Besitzer ist Herr Aug. Casp. Ferd. von Schönberg auf Thammenhain, Gelenauer und Purschensteiner Linie, und bei der Beschreibung des letztern Schlosses finden sich schon die nähern Familiennachrichten über die Herren von Schönberg, so dass wir, um Wiederholungen zu vermeiden, auf diesen Artikel füglich verweisen können.
Der jetzige Besitzer ist der 17, in dieser berühmten Familie. Derselbe ist auch Collator über die dasige Kirche und Schule.
Als Parochie bestand Gelenau vor und über 100 Jahre nach der Reformation aus dem Kirchdorfe selbst, dem Filial Weissbach mit dem oberen Theile von Dittersbach. Im Jahre 1673 ward aber Weissbach eine besondere Parochie und erhielt 1680 das Filial Dittersdorf, welches früher zu Einsiedel gehörte.
Die Kirche, deren Erbauungszeit nicht zu ermitteln ist, wurde 1580 verlängert und verschönert, wozu der damalige Collator und Gerichtsherr Joachim von Schönberg das Seinige in reichem Maasse beitrug. Der Thurm ist angebaut. Im Jahre 1666 wurde derselbe vom Blitz getroffen, wodurch eine Reparatur sich nöthig machte. Im Jahre 1765 musste man statt der verfaulten Säulen an der Nordseite neue einsetzen, und bei diesem Baue mag der Thurm seine jetzige schiefe nach der Pfarrwohnung sich neigende Richtung erhalten haben.
Im Innern der Kirche befindet sich ein schönes steinernes Epitaphium [117] das dem gedachten Joachim von Schönberg von seinen Söhnen errichtet worden ist und stellt ihn und seine Gemahlin, ihre 2 Söhne und 1 Tochter in Lebensgrösse, knieend vor. Hans Dietrich von Schönberg beschenkte im 18. Jahrhundert die Kirche mit einer neuen Orgel, einem Altar und Beichtstuhl in prächtiger Bildhauerarbeit. Das Altargemälde, die Kreuzigung Christi vorstellend, soll eine Copie des Lucas Cranach’schen Gemäldes in Schneeberg sein. Derselbe Hans Dietrich von Schönberg legirte auch 700 Thlr. Capital zu einer Priesterwittwen- und Waisenkasse und 40 Thlr. Capital für die Armen, an welche die Zinsen jährlich zu Johannis ausgetheilt werden. Seine Frau Gemahlin, Anna Dorothea von Schönberg legirte 200 Mfl., von deren Zinsen Bibeln unter arme Schulkinder vertheilt werden.
Die Schülerzahl der Gesammtparochie ist 370 Knaben und an die 600 Mädchen.
Die Schicksale Gelenaus betreffend, hat der Ort im 30jährigen Kriege viele Drangsale aushalten müssen, so wie die Nothjahre von 1816 und 1817 ihre Opfer forderten. Gelenau ist überhaupt ein sehr armer Ort und nur die erzgebirgische Gnügsamkeit ist vermögend, gegen solche Noth mit Ausdauer anzukämpfen.
Rühmend muss es aber auch anerkannt werden, dass die Gerichtsherren von Schönberg zu jeder Zeit darauf bedacht waren, Noth und Elend zu mildern und Hülfe zu schaffen, wo die Hülfesuchenden sich an dieselben wendeten.
In Trübsal und Aengsten waren sie als treue Helfer ihren Gerichtsuntergebenen stets zur Seite, weshalb auch ihre Namen, ihr Gedächtniss der dankbaren Mit- und Nachwelt aufbewahrt bleiben werden.
liegt lang ausgestreckt und zum Theil in rauher Gegend an der früheren Augustusburger Grenze und der Zöblitz-Oederaner Strasse.
Lippersdorf wurde sonst Löppersdorf geschrieben und soll so viel heissen als Liebhardtsdorf. Die Entstehung des Ortes ist nicht genau zu bestimmen.
Ein Rittersitz war schon im 11. Jahrhundert hier und als die ersten Besitzer werden die Herren von Berbisdorf genannt. Es ist – heisst es in alten Schriften[WS 1] – das Geschlecht von Berbisdorf uralt und führt ein Wappen „gekrönte Arme mit dem leuchtenden Stern.“
Eine alte Urkunde besagt unter andern folgendes: „Anno 1440 hat der Grossmeister Weinrich von Kniproda mit Kunisduda, Fürstin zu Littaw, so eine Hewdin gewesen, eine Schlacht[WS 2] vor Khaen in Littaw gehalten, in welcher Schlacht Andreas von Berbisdorf ein Fendrich gewesen und sein fähnlein, ob ihm gleich beide Arme ab- und zerhauen gewesen, im Maule darvon bracht, um welches Ritterlichen Wohlverhaltens willen, er nicht allein zum Ritter geschlagen, sondern ihm auch sein Wappen mit den abgehawenen gekrönten schwarz und rothen Armen (welches ohne Zweifel Blut undt Leiden oder schmertzen bedeutet) mit den darüber leuchtenden Stern verbessert und zu führen gegeben worden.“
Dieses Geschlecht von Berbisdorf stammt eigentlich aus Preussen, wie eine alte Nachricht besagt: „Caspar von Berbisdorf ist wegen Kriegsgefahr aussn Land in Preussen mit einem Graffen von Leisnek (Leisnig) in diese Länder kommen u. s. w. Seine Nachkommen besassen die Güter Wegfahrt, Duttendorf und den Hals neben den Pfandshilling aufn Lauterstein. Später brachten sie den Lauterstein erblich an sich und erst 1559 fiel Lauterstein an Churfürst August zurück.
Das Rittergut Lippersdorf blieb im Besitze der Familie von Berbisdorf bis Georg Heinrich von Berbisdorf, welcher 1761 ein neues Schloss hier erbaute, am 5. Sept. 1767 ohne Descendenten starb. Das Rittergut kam an seine Gemahlin Charlotte Wilhelmine geborene von Peistel. Im Jahre 1769 vermählte sie sich wieder, und zwar mit dem Major Carl Erdmann von Globig und überliess ihm das Gut. Nach dem Tode des Königl. Sächs. Conferenz-Ministers, Hans Ernst von Globig, welcher im Jahre 1826 erfolgte, übernahm das Gut der jetzige Besitzer, der Kammerherr, Herr Gustav Alfred von Globig. Ihm und seinem Vorbesitzer haben Lippersdorfs Bewohner viele Wohlthaten zu verdanken.
Der Ort Lippersdorf stand vor der neuen Gerichtsorganisation unter 3 Gerichtsbarkeiten. Die Begüterten gehörten zu den 3 Rittergütern Lippersdorf, Ober-Forchheim und Nieder-Forchheim; die Häusler aber [118] insgesammt nur zu den Rittergütern Lippersdorf und Ober-Forchheim. Der Niederforchheimer Antheil bestand nur aus Begüterten. Solches hat Christoph von Berbisdorf auf Ober- und Niederforchheim in seinem Testamente vom 28. Mai 1649 bestimmt.
Daselbst heisst es: „Das Dorf Lippersdorf soll an Bauergütern neben dem Lehngerichte, wie solches vor der Zeit zu dem Obertheil gebraucht worden, mit allen zubehörigen Bauern und dessen Dienstleistungen verbleiben, die Häusler sollen sämmtlich, wie sie zu allen beiden Theilen gewesen, allzusammt benebst den befindlichen Hausgenossen, bei dem Ober-Theil (d. i. Oberforchheim und Lippersdorf) verbleiben, zu Diensten gebraucht werden, wenn auch noch mehr Häuser in Lippersdorf gebaut werden, sollen sie gleichfalls bei diesem Obertheile verbleiben.“
Das Schloss von Lippersdorf ist geräumig und weit, wie dies schon aus der Abbildung zu entnehmen ist. Von den oberen Zimmern des Schlosses geniesst man eine herrliche Aussicht, welche auf der Höhe von Lippersdorf besonders beim sogenannten Dörr- oder Brechhause noch vermehrt wird.
Die Schicksale Lippersdorf anlangend, so ist nicht unerwähnt zu lassen, dass die Pest im 30jährigen Kriege viele Opfer gefordert hat. Auf den Reifländler Fluren befindet sich noch ein Denkstein zur Bezeichnung des Orts, wo zur Pestzeit die beiden Geistlichen von Lengefeld und Lippersdorf einander das heilige Abendmahl gereicht haben. Hostie und Kelch sind noch zu sehen, obschon der Stein sehr verwittert ist.
Das Dorf Lippersdorf soll zu dieser Zeit ganz öde und leer gestanden haben. Nach der Zeit haben arme Leute, welche der Religion wegen aus Böhmen vertrieben worden waren, sich hier niedergelassen und die durch Krieg und Pest verwüsteten Güter und Häuser angenommen.
Lippersdorf als Rittergut gehörte früher unter das Amt Lauterstein. Die Pfarre und Schule, worüber dem jedesmaligen Besitzer die Collatur zu steht, gehört jetzt noch wie früher zur Inspection Freiberg.
Die Kirche hat schon lange vor der Reformation gestanden. Ums Jahr 1670 ist auf Antrieb des damaligen Collators Christoph von Berbisdorf eine Hauptreparatur damit vorgenommen worden. Das Innere ist dadurch geräumiger und lichtvoller geworden, dass im Jahre 1834 2 neue Fenster angebracht worden sind.
Am Altar ist in der Mitte desselben die Kreuzigung Christi, auf der einen Seite die Geburt Jesu, auf der andern die Taufe Jesu abgebildet.
Unter demselben ist zum Andenken eines von Berbisdorf folgende Aufschrift zu lesen: „Anno 1556 ist der edele, gestrenge undt ehrenveste Casparis von Berbisdorf uff Lipperseorf undt Niederseide, Churf. S. Hauptmann der Empter Wolken-, Lauter- und Welogstein geboren in seinem anbüchlein ampt ufn Schlotz Wolkenstein – den 23. Mai 1613 frue zwischen 8 und 9 Uhr G. a 57 Jh.“
Die Orgel ist sehr alt aber noch gut. Im Jahre 1834 hat der derzeitige Besitzer die Kirche mit einem neuen Altare, Kanzel- und Taufsteinbekleidung von schönem blauen Tuche und 2 neuen schönen Altarleuchtern beschenkt.
Der Thurm musste in früherer Zeit wegen seiner Baufälligkeit kleiner gebaut werden. Zu einem neuen Thurmbau ist bereits ein Legat von August Gottlob Frank mit der Bestimmung hinterlassen, dass später seiner dabei gedacht werden soll.
Das übrige Kirchenvermögen besteht in circa 1800 Thlr.
Ortschaften sind weiter keine in die Kirche eingepfarrt. Rechts von der Kirche steht die Pfarrwohnung, ein altes Gebäude und links das Schulhaus, welches im Jahre 1830 von der Gemeinde sehr schön aufgebaut worden ist. Nennenswerthe Gebäude von Lippersdorf sind noch das Erb- und Lehngericht, sowie die Mühle im Niederdorfe.
Die Ortsbewohner treiben besonders Ackerbau. In früheren Zeiten gab das Kohlenfahren in die Schmelzhütten bei Freiberg für den hiesigen Bauer noch einen Nahrungszweig ab. Die Häusler und Hausgenossen bestehen meistentheils in Leinwebern, Tagelöhnern und Handwerkern.
Bemerkenswerth ist von Lippersdorf, dass hier im Jahre 1772 Gottlieb Fuchs der Sohn eines hiesigen Bauers geboren wurde, der durch Hagendorn zum Naturdichter erhoben wurde und als Pastor in Taubenheim gestorben ist.
Lippersdorf zählt jetzt 153 bewohnte Gebäude mit 210 Familienhaushaltungen und 1821 Einwohner. Der Ort bildet eine Gemeinde und gehört zum Gerichtsamt Lengefeld, zum Bezirksgericht Augustusburg, zur Amtshauptmannschaft Niederforchheim, zum Regierungsbezirk Zwickau.
[119]
an den Dresden-Annaberger und Zöblitz-Oederaner Strassen, am rechten Ufer des Haselbaches gelegen, welcher hier, wie fast überall, ein schönes, geöffnetes Thal bildet und die gleichsam einen einzigen, 2½ Stunden langen Ort bildenden Dörfer Dörnthal, Ober- und Niederhaselbach, Ober- und Niederforchheim durchfliesst.
Die Häuserreihen ziehen sich von der Anhöhe, auf welcher die Kirche liegt, zu beiden Seiten des Bachs in das Thal hinunter und steigen wieder auf der entgegengesetzten Anhöhe den Berg hinauf, auf welchem das Rittergut Oberforchheim liegt, dessen Gebäude man weithin sieht und von wo aus man die schönste Aussicht über das ganze Thal und die nähere und entferntere Umgegend geniesst.
Die Gebäude des Gutes sind durchgängig neu und zwar in Folge eines Hauptbrandes. Sie sind eine Zierde für die ganze Gegend.
Die Erbauung des Ortes kann nicht mit Bestimmtheit angegeben werden und eben so wenig die Erbauung des früheren Rittersitzes von Ober-Forchheim. Zuerst waren wohl die Ritter von Forchheim damit beliehen. Dann kamen Ober- und Niederforchheim, Ober- und Nieder- und Neuhaselbach, Ober-, Mittel- und Nieder-Sayda, Lippersdorf, Görsdorf, Zöblitz, Sorgau zur Herrschaft Lauterstein, welche die Ritterfamilie von Berbisdorf innen hatte.
Andreas von Berbisdorf, welcher den obern Lauterstein hatte und mit seinem Gerichtshalter im Lehngericht zu Obersayda stets zu Gerichte sass, verkaufte zu Ende des 15. oder Anfang des 16. Jahrhunderts Ober- und Nieder-Lauterstein, Görsdorf und Sorgau an den Landesherrn und theilte die übrigen Besitzungen unter seine Söhne auf eine merkwürdige Weise, dass man glauben könnte: „Es sei darum gewürfelt worden.“
Christoph von Berbisdorf erhielt Oberforchheim, und da dieser Ort wenig Bauern hatte, gab ihm sein Vater dazu noch das Erb-Lehngericht, 8 Bauern, auch Erbgärtner und Häusler von dem 1 Stunde entfernten Mittelseyda, 3 Bauern, 1 Gärtner und Häusler von Niederseyda, mehre Bauern, Gärtner und Häusler von Lippersdorf und das jus patronatus von Forchheim antheilig und von Mittelseyda ganz.
Dieser Christoph von Berbisdorf verkaufte im Jahre 1615 das jus. patronatus von Mittelseyda an seinen Vetter Siegismund von Berbisdorf auf Mittelseyda, Königl. Kammerrath für 100 Mfl., worüber letzterer sich so freute Kirchenpatron geworden zu sein, dass das bisher dem Pfarrer gebührende Osterlamm in einem fetten Schöps zur Kirchweihe verwandelt wurde, mit der Bedingung‚ dem Schulmeister alljährlich und zwar wechselsweise einmal ein Vorder-, einmal ein Hintertheil zu geben, und dem Pfarrherrn allemal zu Weihnachten 1 Tonne Bier unentgeldlich zu verabreichen.
Dem Christoph von Berbisdorf folgte sein Sohn Hans Hildebrand von Berbisdorf, welcher 1675 mit Tode abgegangen ist. Dann wurde dessen Wittwe Frau Eva Dorothea von Berbisdorf damit beliehen und so blieb das Gut Oberforchheim noch bis ins 18. Jahrhundert bei der Familie von Berbisdorf, wo es dann an Chr. Andreas Woydt kam, der es auf seinen Sohn Christian Heinrich Woydt, welcher im Jahre 1805 in den Adelstand erhoben wurde, vererbte.
Später entstand zu Herrn von Woydt ein Schuldenwesen und aus der von Woydtischen Schuldenmasse erstand es der Freiberger Rath im Namen des St. Johannishospitals (einer sehr reichen Stiftung) jedoch mit dem Vorsatze, es unter günstigen Bedingungen wieder zu verkaufen, welcher Vorsatz auch zur Ausführung kam. Der derzeitige Besitzer ist Herr Hauptmann von Trebra.
Oberforchheim hat mit Niederforchheim gleiches Schicksal im 30jährigen Kriege gehabt. Mord, Brand und Raub war an der Tagesordnung in jener Zeit und diese hatten im Gefolge die Pest, welche im Jahre 1681 fast alle Einwohner hinwegraffte. In den Nothjahren des 19. Jahrhunderts hat Ober-Forchheim und der ganze Ort ebenfalls viel dulden müssen, obschon das Elend von den mildthäthigen Gerichtsherrschaften auf jede mögliche Weise von Zeit zu Zeit zu mildern gesucht wurde. Namentlich bot sich stets für den fleissigen Arbeiter wenigstens Gelegenheit dar, den nothwendigen Unterhalt zu finden, da der bedeutende Torfstich in Nieder-Forchheim viele Hände beschäftigt. Der Hauptnahrungszweig von Forchheim ist zwar die Leinweberei, welche aber bei dem Mangel an günstigem Absatze und wegen der ungünstigen Flachsernten nicht mehr so lohnend ist, wie früher.
Das Collaturrecht über Kirche und Schule steht dem Rittergute Ober-Forchheim antheilig zu.
Die Kirche, welche eigentlich zum Oberdorfe gerechnet wird, ist ein ansehnliches Gebäude und zeichnet sich besonders durch ihre Silbermannsche Orgel aus, welche man unter die Meisterwerke ihres Erbauers rechnet.
Von der Kirche und Pfarre hat man eine herrliche Aussicht auf das ganze Thal und das Rittergut Oberforcheim liegt vor unsern Augen, [120] wogegen man in der Ferne eine ganze Bergreihe gewahrt, unter welcher sich dem Beobachter namentlich das Schloss Augustusburg ganz deutlich darstellt.
Der Bau der Kirche wurde im Jahre 1719, wo man die alte einriss, angefangen.
Am Sonntage Jubilate 1719 ist zum letzten Male in der alten Kirche Gottesdienst gehalten und mit Rührung von ihr Abschied genommen worden. Darauf hat man aus dem Holze der alten Kirche ausserhalb des Kirchhofs einen grossen Schuppen zur Abhaltung des Gottesdienstes und der übrigen kirchlichen Amtsverrichtungen erbaut und Montags nach Pfingsten ist der Grundstein zum Baue des neuen Gotteshauses feierlich gelegt worden, welche man in 2 Jahren zu vollbringen hoffte.
Leider hat derselbe bis ins Jahr 1726 sich hingezogen, weil Gott eine grosse Theurung ins Land geschickt hatte, so dass man im Jahre 1720 bei den erschöpften Kräften der Gemeinde blos 2 Maurer an dem verhältnissmässig grossartig unternommenen Baue hat arbeiten lassen können, worüber die Forchheimer vielen Spott von ihren Nachbarn haben vernehmen müssen, bis endlich die Schwierigkeiten so weit überwunden waren, dass man im Jahre 1723 am Kirchweihfeste, als den Montag nach Gallus den Gottesdienst aus dem Schuppen wieder in das Gotteshaus hat verlegen können, obwohl der innere Ausbau noch völlig gefehlt hat. In dieser Noth hat sich auf Verwendung des damaligen Pfarrer ein grosser Kaufmann Gotthardt Schubert zu Leipzig, aus Haselbach gebürtig, der hart bedrängten Gemeinde angenommen und 1500 Thlr. derselben zur Ausbauung der Kirche und namentlich zur Beschaffung einer Orgel, eines Altars, einer Kanzel und eines Taufsteins legirt, wozu nach dessen Tode seine Wittwe, die sich später an den Kaufmann Matthäus Dasdorf in Leipzig wieder verehelicht hat, für Altar, Kanzel und Taufstein eine kostbare Bekleidung und die heiligen Gefässe hinzugefügt hat, so dass endlich im Jahre 1726 am dritten heiligen Osterfeiertage die feierliche Einweihung dieses Gotteshauses durch den damaligen Superintendent Dr. Wilisch in Freiberg hat vollzogen werden können.
Zum Andenken an jenen Gotthardt Schubert befindet sich nicht blos an der Rückseite des Altars ein Denkstein mit nöthiger Inschrift eingemauert, sondern der Familie Schubert ist auch in der Kirche selbst ein eigenes Betstübchen auf immer zugeschrieben.
An dem Sonntage, welcher nach „Gotthardt“ fällt, werden auf Anordnung jenes Kaufmanns Schubert in der Kirche die Lieder: „Was Gott thut, das ist wohlgethan“ und „Wer weiss, wie nahe mir mein Ende“ von der Gemeinde mit dankbaren Herzen gesungen.
Viele Glieder der Familie von Berbisdorf liegen in dieser Kirche begraben und die Kirche besitzt auch ein Legat von 100 Thlrn., welches im Jahre 1688 den 30. Sept. Frau Eva Dorothea von Berbisdorf auf Ober- und Nieder-Forchheim, Lippersdorf u. s. w. zum Andenken ihres ältesten, auf dem Rückmarsch nach der Eroberung von Ofen, zu Brünn in Mähren als Lieutenant verstorbenen Sohnes, Hans Georg von Berbisdorf mit der ausdrücklichen Bestimmung legirt hat, dass von den Interessen 2 Thlr. 9 gGr. der Kirche, 1 Thlr. 18 gGr. dem Pfarrer, 1 Thlr. 6 gGr. dem Schulmeister, 12 gGr. den beiden Kirchvätern und desgleichen 12 gGr. den beiden Richtern von Ober- und Nieder-Forchheim alljährlich verabreicht werden sollen, doch so, dass, wenn das Kapital nicht höher, als zu 5% anzubringen, die letzteren, Kirchväter und Richter, ihren Thaler gänzlich missen sollen.
Unter den Pfarrern von Forchheim verdient vorzüglich Gottfried Devel einer besondern Erwähnung, den Hans von Berbisdorf auf der Universität unterhalten hatte. Derselbe hat im Schwedenkriege viel Ungemach ertragen. Er hielt, nachdem er seine Frau und Kinder der Sicherheit wegen nach Freiberg gebracht, mit einer alten Frau Haus. Dieser hatte er es zu verdanken, dass er einer längeren Marter der Feinde entging.
Nach der Flucht des Pastors in die Sacristei waren die Schweden ihm gefolgt und hatten letztere gewaltsam erbrochen. Hier ängstigten sie den Pfarrer auf das Schrecklichste, forderten das Kirchenvermögen und gingen eben damit um, ihm den sogenannten Schwedentrank einzugiessen, als auf ein Mal über dem Sacristeifenster herein des Pastors alte Frau rief: Herr seid getrost; jetzt kommt das ganze Dorf Bauern mit Heugabeln und Spiessen euch zu Hilfe. Darauf ist der Feind erschrocken abgezogen und sie hat ihn von seinen Banden wieder befreit.
Er liess sich noch bei Lebzeiten in der Sacristei, wo er gemartert worden war, sein Grab machen und einen Leichenstein setzen, welcher folgende Inschrift führt:
Hic, ubi latro mihi gladii sua spicula strinxit
Tutus in his adytis liber abense cubo
Quis sim, fama refer, Godefried Develius iste.
Praeco, Deo et templo fida columna suo.
Bei der neuen Grundgrabung der Kirche fand man seinen Leichnam noch ganz unverwest und legte ihn in ein neues Grab.
Zur hiesigen Parochie gehören noch die Orte: Görsdorf, Ober-, Nieder- und Neu-Haselbach mit Wernsdorf, und die einzelnen Häuser, Wirthschaften und Güter: Neusorge, Brand, Raschau und Drachenwald; dagegen haben Haselbach und Wernsdorf eigene Schulbezirke.
Haselbach, Nieder- und Neuhaselbach ist bei der von Andreas von Berbisdorf vorgenommenen Theilung schon zu Anfang des 16. Jahrhunderts von der Familie von Berbisdorf weg und an einen Privatmann als Rittergut verkauft, und dann mit dem Allodialgute Wernsdorf vereinigt worden.
Ober-Forchheim mit Nieder-Forchheim zählt 194 bewohnte Gebäude 300 Familienhaushaltungen und 1410 Einwohner und gehört zum Gerichtsamt Lengefeld, zum Bezirksgericht Augustusburg, zur Amtshauptmannschaft Nieder-Forchheim, zum Regierungsbezirk Zwickau.
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Anmerkungen (Wikisource)
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