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desselben aber sehr wohl benutzt und die beiden Emporkirchen nebst 6 Betstübchen sind geräumig. Zu beiden Seiten der Kanzel, welche über dem Altare ist, sind die herschaftlichen Kapellen, links darunter der Beichtstuhl und die Kirchenstände für die Pfarrfamilie und rechts am Altare die Kirchenstände für die Kirchenvorsteher. Eine neue, sehr schöne Orgel ist der Kirche seit 1834 gegeben.

Der Kirchthurm ist gut und trefflich gebaut und einer der höchsten auf dem Lande. Der Kirchhof ist mit einer Mauer umgeben.

Auf den Kirchhof werden Wenige beerdigt, fast Alle auf den Gottesacker, der auf dem einen Pfarrgute liegt. Auf dem grössern Pfarrgute ist ein wüster viereckiger Fleck, der Pest-Gottesacker genannt. Mithin hat der Ort eigentlich 3 Begräbnissplätze.

An der nördlichen Seite der Kirche befinden sich 17 steinerne von Hartitzische Denkmäler, darunter das von Melchior von Hartitzsch, welcher 100 Jahre alt geworden ist.

Das Vermögen der Kirche besteht aus mehr als 2000 Thlr. Der grüne Ornat der Kirche ist ein Geschenk der Anna Christiana von Hartitzsch vom Jahre 1745. Der blaue Ornat ein Vermächtniss der Frau Magdalena Elisabeth von Hartitzsch vom Jahre 1731. Der jetzt verbundene blaue ist ein Geschenk des Herrn Rittmeister von Hartitzsch.

Die Pfarrwohnung ist im Jahre 1727 nach beendigten Prozess zwischen Pfarrer und Gemeinde in einem erhabenen Styl erbaut worden, die Gebäude mit ihren Umgebungen gehören zu den schönsten unter den geistlichen Wohnungen in Sachsen.

Die Schulwohnungen sind im Jahre 1716 und 1734, wo ein zweiter Lehrer hier angestellt wurde, verbessert und neu hergestellt. Die Zahl der Schulkinder beträgt jetzt an die 250 bis 260. Ausser diesen Gebäuden sind noch nennenswerth das sogenannte Jagdhaus mit seinem terrassenförmigen Blumen- und Gemüse- und schönen Obstgarten, zum Theil mit einem Fichtenzaun umgeben.

Ferner das vom Holzhändler Schmidt im Jahre 1838 erkaufte mit Gasthofs-Gerechtigkeit verbundene Erbgericht, wobei eine Oelmühle und eine neue Branntweinbrennerei angelegt ist; ausserdem befinden sich hier 2 Mahlmühlen und 1 Eisenhammer. Letztrer mag durch den früher hier auf Eisenstein betriebenen Bergbau entstanden sein. Im Orte wohnt auch ein Wundarzt, welcher zugleich Geburtshelfer ist, 2 Krämer, 2 Schmiede, 2 Fleischer, Tischler und andere Handwerker. Bemerkenswerth ist noch, dass hier sehr gute Spinnräder gefertigt werden, die durch einen gewissen Hedrich aus der Lausitz zuerst hier bekannt wurden.

Eingepfarrt und eingeschult ist ausserdem als Dorfantheil zu Dorfchemnitz gehörenden Neudorf, noch

Wolfsgrund.

Der Name rührt von dem Thale, worinnen in früheren Zeiten Wölfe sich aufgehalten und 2 Hütten am Ende nach Dorfchemnitz und nach Zethau zugestanden haben, zum Aufbewahren von Waffen, die beim Durchwandern des Waldes Jeder mitgenommen hat, um sich gegen die Wölfe zu vertheidigen. Wolfsgrund ist jetzt ein angenehmes Dorf und hat viel Obstbaumzucht.

Im hiesigen, an der Strasse von Sayda nach Mulda und Bobritzsch gelegenen Lehngerichte wurde bis jetzt alle 30 Jahre ein Rügengericht gehalten, woran auch der Pfarrer Theil nahm, und auf welches ein Schmauss folgte.

Dorfchemnitz grenzt östlich an Dittersbach, Nassau, wo die böhmische Mulde scheidet und an Clausnitz; südlich an Neudörfchen und über dieses hinaus an Friedebach; südwestlich an Voigtsdorf und Wolfsgrund, westlich an Zethau, nördlich an Mulda.

Dorfchemniz hat 144 mit Neudörfel 194 bewohnte Gebäude, 291 Familienhaushaltungen und 1340 Einwohner und gehört jetzt zum Gerichtsamt Sayda, zum Bezirksgericht Freiberg, zur Amtshauptmannschaft Freiberg, zum Regierungsbezirk Dresden.

Früher soll der Ort zwei Gemeinden gebildet haben, nach der Eintheilung in zwei Rittergüter, eine Annahme, die wohl nicht richtig ist. Noch viel weniger kann die Benennung Ober- und Niederdorf einen Grund für diese Eintheilung abgeben. Es giebt gar viele andere Orte in Sachsen, die in Ober- und Niederdorf eingetheilt sind, ohne deshalb in mehre Orte oder Gemeinden zu zerfallen. Dorfchemnitz ist seit undenklichen Zeiten mit Neudorf nur eine Gemeinde mit 1 Richter, 1 Kasse, und vor Aufhebung der Patrimonialgerichtsbarkeit, mit einer Gerichtsstätte gewesen.

Bemerkenswerth ist noch, das man hier Schörl und Turmalin im Gneiss, und in eben demselben oft sehr grosse Feldspathkrystalle, kalkigen Glimmer im Kalksteine des grossen Leithsberges und auf den Eisensteinlagern,

Empfohlene Zitierweise:
Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Schlösser und Rittergüter im Königreiche Sachsen IV. Section. Expedition des Ritterschaftlichen Album-Vereins, Leipzig 1856, Seite 115. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Schl%C3%B6sser_und_Ritterg%C3%BCter_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_IV.djvu/181&oldid=- (Version vom 3.6.2018)