Album der Schlösser und Rittergüter im Königreiche Sachsen IV. Section/H04

Heft 3 des Erzgebirgischer Kreis Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen von Gustav Adolf Poenicke
Heft 4 der Section Erzgebirgischer Kreis
Heft 5 des Erzgebirgischer Kreis
Die Beschreibungen sind auch als Einzeltexte verfügbar unter:
  1. Gersdorf
  2. Halsbach
  3. Hartenstein
  4. Sachsenburg


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Gersdorf
bei Rosswein.


Im Pfarrarchive zu Etzdorf befindet sich über Gersdorfs Entstehung eine uralte Nachricht, welche im sechszehnten Jahrhundert ein Bürger zu Oschitz, Peter Schneider, Caspar Arnolden, gewesenem Pachtmanne auf Gersdorf, aus einer alten zerrissenen und später verloren gegangenen Chronik – vermuthlich aus dem Kloster Altzelle herrührend – mittheilte. Die Schrift enthält wörtlich folgende freilich durchaus nicht historisch verbürgte Kunde:

„Als man geschrieben 733 Jahr nach Christi Geburd, den tagk Simonis Judä ist ein Münch, der „Kappenmünch“ genennet, aus der Appiszelle, der gehet aus spatziren uff das Slos mit Namen Wunderburgk, da soll ein Räuber gewesen sein mit Namen Martinus Krieche und seine Bulerin hat Gertraud heissen. Als sie vuneinander scheyden haben wollen sind sie ohngefähr uff eine halbe Meile zu begleitunge gegangen, alda haben sie ein Berckwerck angetroffen, darauf sie alsbalde zur Ehe gegriefen und der Reuberei und Müncherei nachgelassen, und eine statt dahingebaut uff welchem ortt jetzund Gerschdorf genennet noch stehet. Ist aber solche statt nach dem Weibe genennet worden Gertraud, als Gerschberg. Ist solch Bergwerck so reich gewesen, dass man solche statt darum erbauet hat. Als man nun geschrieben 734 Jahr hatt man angefangen die statt zu bauen und mit bergkarbeitern zu belegen, und darauf als man des Silber Erztes eine Anzahl gefunden, hat man Hütten uffgerichdet darinnen man dasselbe Erzt hat gesondert. Und weil man des Wassers nicht vollkommen gehatt, hatt man derentwegen desto mehr Hütten gebawet.

Als man ferner geschrieben 887 Jahr so hat sich eine Reuberei in diesen Landen entspunnen, welche denn gewähret bis in das 89 Jahr, darauf ist solch Bergkwerk verblieben und verstöred worden das hab ich oft gelesen. Nunmehr ist ein Bergkwergk auf der Goppisch genennet gewesen, wo aber diese Goppisch liege kann ich Niemand zeigen, da soll solchs Erzt verstorzed worden sein, da man solchs Erzt wegen der Reuberei hatt behalten wollen. Nun hat es abermals drei Jahre stille gelegenn, da hat man wiederumb einzelne Heuser zu bawen anfangen. Zu Ertzbergk neben dem Schaffhofe uff solchen Gutte hat das Bergk Amt gelegen, darauf hatt ein jeder Bawersmann dem Herrn müssen zween arbeiter zuschicken in mangelunge des wenigen Volks.“

Für die ebenerwähnte Nachricht, Gersdorf sei in grauer Vorzeit eine Stadt gewesen, spricht der Umstand, dass ein westlich von der Schäferei gelegenes Stück Holz noch jetzt der Kramerbusch heisst, und eine alte Tradition den Hopfengarten als den einstmaligen Marktplatz bezeichnet. Jetzt ist Gersdorf ein stattliches Dorf, dessen Fluren mit Rosswein, Etzdorf und Marbach rainen. Es liegt etwa tausend Schritte entfernt von der mit schönen Waldungen umgebenen Mulde, deren Ufer hier überhaupt von einer reizenden Gegend eingefasst sind. Der einsame, östlich gelegene Waldgrund enthält zwei zum Rittergute Gersdorf gehörige Teiche. Von den Einwohnern, gegen dreihundert Köpfe stark, beschäftigt sich ein grosser Theil mit Bergbau.

Ueber den Gersdorfer Bergbau sind ausser obiger Sage auch authentische Nachrichten vorhanden. Im Jahre 1593 wurde nämlich das alte Bergwerk – von welchem man nicht wusste, wodurch es liegen geblieben oder erbauet worden – von Caspar Arnold, dem Pachter des Rittergutes Gersdorf, und dessen Bruder, Matthias Arnold, durch den Steiger Pfensterstein wieder aufgenommen, und die Fundgrube, nahe am Vorwerk beim Krebsbach gelegen, „das himmliche Heer“ genannt. Der Rittergutspachter Christoph Heinrich Köhler nahm 1679 das durch den dreissigjährigen Krieg gänzlich in Verfall gekommene Bergwerk wiederum auf, und nannte die Grube zum himmlischen Heer „Segen Gottes“, liess auch den Adamsstollen, welcher in der Nähe des Muldenstromes mündet, anlegen. Jetzt gewann der Bergbau an Bedeutung, doch schon im Jahre 1703 war er wieder ins Stocken gerathen. Im Jahre 1743 stellten sich die Gruben, Kunstgezeuge, Wäschen und Erzfuhren so trefflich dar, dass man ernstlich hoffte, nach der bedeutenden Zubusse reichliche Ausbeute zu erlangen. Dieser Wunsch ist theilweise in Erfüllung gegangen, indem bis zum Anfange dieses Jahrhunderts die Gruben reichen Ertrag gewährten; nach dieser Zeit aber wurden die inneren Wasser so mächtig, dass der Bau jahrelang eingestellt werden musste. Jetzt sind wieder gegen hundertdreissig Bergleute unter Aufsicht eines Obersteigers in der Grube beschäftigt, und da noch mehrere edle Gänge zu überfahren sind, kann man auf gute, neue Anbrüche hoffen. Die Erzlieferung des Jahres 1840 betrug gegen 5550 Centner Erz mit 2208 Mark Silber, und die Bezahlung dafür 18200 Thaler. Bei dieser Grube wurde im Jahre 1833 eine grosse Wassersäulenmaschine, und 1840 vom Kunst- und Treibeschacht bis zum Pochhause bei der Wäsche auf 378 Lachter Länge eine Eisenbahn erbaut, worauf die Gangmasse von den Bauen auf obige Länge gefördert wird. Die zum Bergwerk gehörigen Taggebäude sind: ein Huthaus, eine Schmiede, ein Pferdegöpel mit Treibehaus, ein Zimmerhaus, eine Poch- und Stossheerdwäsche, eine Scheidebank und eine Ausschlagescheuer. Ausserdem hat Gersdorf eine Schenke, drei sogenannte Berghäuser, welche der Herrschaft gehören und zwei Privathäuser.

Das Rittergut Gersdorf war in frühester Zeit Eigenthum des nahen, 1162 gegründeten Klosters Zelle, und nach Conrad Knauths Altzellischer Chronik soll Gersdorf „weiland das vornehmste und wichtigste, nächst dem Klostergute Zelle, aller Zellischer Forberge, dessen sich weiland die Herren Aebte zu einer plaisirlichen Diversion bedienet“ gewesen sein. Seit dem Anfange [26] des sechszehnten Jahrhunderts war Gersdorf meistens verpachtet und es ist noch ein Recess vorhanden, nach dem 1524 Paulus, Abt zur Zellen, das Gut auf zehn Jahre an Laurus Fischern aus Rosswein verpachtete. Nach der Säkularisirung des Klosters Zelle schenkte Herzog Moritz Gersdorf dem Junker Hans von Kommerstedt, seines Rathes Georg von Kommerstedt Bruder – weshalb das Gut auch 1547 von Churfürst Johann Friedrichs Kriegsleuten geplündert wurde – tauschte es jedoch gegen Zschauitz wieder ein und verkaufte es am 21. August 1556 an den edlen und gestrengen Bartholomäus Lauterbach, Churfürstlichen Landrentmeister. Dieser empfing 1560 Obergerichte, Lehen und Erbzinsen über die Stadtgüter zu Rosswein diesseits der Mulde, Kundiger, Forberg, Hohenlauft und den ganzen langen Strich zwischen der Mulde und Striegnitz bis zu deren Einfluss. Desshalb, und namentlich wegen der Rossweiner Stadtgüter, entstand in der Folge zwischen dem Besitzer Gersdorfs, dem Obersten Ceuturio Pflugk und der Stadt Rosswein ein langer und kostspieliger Prozess, der über 2400 Gulden kostete. Dass Gersdorf die Obergerichte ausübte, beweist die am 29. Juni 1627 auf dem Hartenberge vollzogene Hinrichtung der Kindesmörderin Maria Hübel. Die Unglückliche sollte eigentlich gesäckt oder in Ermangelung des Wassers mit dem Rade zerstossen werden; auf Junker Christian Pflugks auf Gersdorf unterthänige Supplik aber wurde sie zum Schwerte begnadigt. Am 16. Februar 1697 starb eine Diebin, Rosina Seidendörfer, am Galgen, worauf eine neue landesherrliche Bestätigung der Obergerichte erfolgte.

Bartholomäus Lauterbach starb am 11. October 1578 und von seinen Söhnen administrirte der älteste, Dr. Albertus Lauterbach, für die sämmtlichen Erben das Gut Gersdorf bis 1587, wo es durch Kauf an Centurius Pflugk, laut der Inschrift seines Epitaphiums in der Sophienkirche zu Dresden Churfürstlichen wohlbestallten Kriegsobersten über alle deroselben Vestungen, Zeug- und Provianthäuser, auch Hauptmann des Amtes Nossen gelangte. Etzdorf, Hohenlauft, Naundorf und Leutethal waren ebenfalls Eigenthum des Landrentmeisters Lauterbach gewesen, und Churfürst Christian II. liess die drei ersteren Güter für 29066 Gulden an das Amt zurückkaufen. Der Oberste Centurius Pflugk starb am 29. März 1619 und Junker Christian Pflugk, sein Sohn, wurde Herr auf Gersdorf, wo er auch am 11. März 1649 mit Tode abging. Ehe Christian Pflugk die Huldigung empfing, war das Gut dem Junker Moritz Starschädel auf sechs Jahre in Pacht gegeben worden. Von 1649 bis 1653 gehörte Gersdorf Christian Pflugks Wittwe, Sibylla, einer geborenen von Starschädel, die im Kirchenbuche eine gottesfürchtige matrona und mater pauperum wie auch Ehrengeneigte Priesterfreundin genannt wird. Nach Sibylla Pflugks Tode besass das Gut ihr Schwager, Dam Pflugk auf Strehla und Lössnig, welcher das Erb- und Lehnbuch auf dem Hause Gersdorf renoviren und aufs Neue confirmiren liess. Er starb am 23. August 1662, überliess aber schon Gersdorf 1661 seinem Schwager Adam Heinrich von Starschädel auf Borna, der es bis 1695 besass. Dessen Sohn, Haubold Otto von Starschädel, verkaufte das Gut 1696 für 50000 Thaler an den Churfürstlichen Oberhofmarschall Friedrich Adolf von Haugwitz, von dem es 1697 durch Erbkauf für 63000 Thaler an den Premierminister Karl von Rumohr und 1698 an den Geheimrath und Oberhofmeister Johann Haubold von Einsiedel gelangte. Dieser starb am 1. October 1700. Seine Wittwe blieb im Besitze Gersdorfs bis an ihren 1720 erfolgten Tod, wo es an Johann Georg Reichsgraf von Einsiedel kam, welcher 1760 als Churfürstlicher Oberhofmarschall beerdigt wurde. Nach ihm besass Gersdorf, bis 1793, der geheime Kabinetsminister und Erbherr der freien Standesherrschaft Seidenberg, Johann Georg Friedrich Reichsgraf von Einsiedel, und von da an bis 1842 dessen zweiter Sohn, Graf Heinrich, Königlich Sächsischer Oberschenk. Der jetzige Besitzer von Gersdorf ist Herr Georg Alexander Graf von Einsiedel.

Das Rittergut Gersdorf zeichnet sich durch seine musterhafte Bewirthschaftung aus, welche namentlich unter dem Grafen Johann Georg von Einsiedel ungemein verbessert wurde. Die hiesige Brauerei ist durch das weit und breit bekannte Gersdorfer Bier berühmt, das allerdings in neuerer Zeit durch die billigen Bairischen Biere aus den grösseren Städten verdrängt worden ist. Zum Gute gehören zwei herrschaftliche Wohnhäuser, die Wirthschaftsgebäude, eine Kunstgärtnerei mit schönem Garten, das Jägerhaus mit dem Schullokale und der Wohnung des Lehrers, eine Schäferei, Teichmühle und ein Böttcherhaus. Die Schule gründete 1780 der Kabinetsminister von Einsiedel.

Gersdorf wurde im Hussitenkriege zweimal von den wilden Böhmen heimgesucht und durch Feuer und Plünderung geängstigt. Kurz vor der blutigen Schlacht bei Mühlberg, die Churfürst Johann Friedrich dem Grossmüthigen Freiheit und Thron kostete, hausten die Völker des Churfürsten hier sehr übel, denn der Besitzer von Gersdorf war ein Herr von Kommerstedt, der es mit Herzog Moritz hielt. Im dreissigjährigen Kriege litt es 1642 viel durch die vorüberziehenden Schweden, und 1645 rückten 10000 Mann Sachsen hier ein, die vier Tage raubten, plünderten und verwüsteten, dass kein Hauswirth sein Haus mehr bewohnen konnte. Auch im siebenjährigen Kriege trieb das vorüberziehende Kriegsvolk in Gersdorf viel Unfug und während der Kriegsperiode von 1806 bis 1814 hörten Durchmärsche, Einquartierungen, Contributionen und Plünderungen gar nicht auf, so dass die Kriegschäden aus dieser Zeit in einer Beschwerdeschrift der Einwohnerschaft Etzdorfs gegen den Etappencommissar in Nossen, Baron von Odeleben, zu 84745 Thalern veranschlagt sind. Vom October 1813 bis April 1814 herrschte hier ein epidemisches Faul- und Nervenfieber, welches unter den Einwohnern und Soldaten furchtbar aufräumte. Die Pest hatte in den Jahren 1577, 1613, 1632, 1633 und 1680 hier sowie in den umliegenden Ortschaften, namentlich in Etzdorf, gehaust.

Gersdorf ist nebst Etzdorf und Böhrigen in die Kirche zu Etzdorf eingepfarrt. Dieselbe steht mitten im Dorfe und war bis zur Reformation eine incorporirte Kirche des Klosters Altzelle, denn die noch vorhandenen Kirchrechnungen wurden von den Aebten dieses Klosters geprüft. In einer alten Nachricht von 1703, die man im Thurmknopfe fand, wird gesagt: „Wer anfänglich diese Kirche fundiret kann man nirgends finden, dieses wird observiret dass solche zu zween Malen erweitert und Ao 1518 S. Maria genannt worden.“ Diese Jahreszahl befindet sich nebst dem Namen an dem steinernen Thürgewände eingehauen. Auf dem Thurme hängt eine kleine, als Seigerschelle benutzte Glocke, die Churfürst August 1557 aus dem Kloster Zelle hierherschenkte. Die Orgel ist ein Werk Silbermanns und wurde 1745 hier aufgestellt, der Altar aber stand einst in der Klosterkirche zu Zelle und war bis zum Anfange dieses Jahrhunderts mit vielem Schnitzwerke verziert. Bemerkenswerth ist das Monument des 1578 verstorbenen Besitzers von Gersdorf [27] und Etzdorf, Amthauptmanns und Landrentmeisters Bartholomäus Lauterbach, das mit sehr feiner Holzmalerei und einem Bilde geschmückt ist, welches die hiesige Kirche, das Rittergut und das Kloster Zelle in damaliger Gestalt zeigt.

Zu den Gerechtsamen der sehr gut dotirten Pfarre gehörte einst die Schankgerechtigkeit. Es heisst darüber: „Der Pfarrer magk durch das ganze Jhar in seiner Behausungk Freiberger Bier zum Zappen haben und auch verkauffen, einen Mann oder zween magk er setzen.“ Dieses Schankrecht, welches der Pfarrer M. Wille zu Anfang des vorigen Jahrhunderts „eine herrliche Freiheit“ nennt, übte schon vor der Reformation der Pleban Matthes Schremler aus, von dem gesagt wird: „Herzog Hanns, Georgens Sohn von Dresden, häts ihm erlaubet, und in eigener Person mit alle seinem Hofgesinde in der Pfarre gezecht und erlaubet zu schenken, trotz dass ihms die Rossweiner haben dörffen weren, noch der Richter auch nicht.“ – Zu den öffentlichen Gebäuden Etzdorfs gehört auch ein Hospital, mit zwei Stuben und einigen Kammern, worin vier arme gebrechliche Weibspersonen freie Wohnung haben. Dasselbe ist eine Stiftung Christoph Lauterbachs und seiner Schwester, Catharina Breuherin, welche vierhundert Gulden von ihrem Erbe hergaben, um „Armen und Dürftigen, so ihrer frömmigkeit von der geistlichkeit undt gemeyne gutt Zeugniss haben, Almusen zu verabreichen“. Das Stiftungscapital hat jetzt eine Höhe von 900 Thalern erreicht und übertrifft das Vermögen der Kirche, welches nur gegen 600 Thaler beträgt. Eine zu Gersdorf bestehende Töchterbewahranstalt wurde im Jahre 1840 von der Frau Gräfin Ernestine von Einsiedel gegründet, worin ausser den gesetzlichen Schulstunden Mädchen vom vierten Lebensjahre bis zu ihrem Austritte aus der Schule in weiblichen Arbeiten unentgeldlich unterrichtet werden.

Otto Moser, Red.     




Halsbach.


An der Strasse die von Freiberg nach Dresden führt, nahe am Muldenstrome, liegt das Rittergut Halsbach. Dasselbe besitzt vortreffliche Gebäude, eine Ziegelei, Schmiede, Mühle, Teiche, Steinbrüche, Brennerei, bedeutende Waldungen und über 1000 Dresdner Scheffel Land mit sehr reichhaltigen Thonlagern. Zu ihm gehören das Dörfchen Halsbach, mit einer Anzahl weithin zerstreuter Häuser, die zum Theil wie Schwalbennester an der steilen Höhe des Hammerwerkes über dem Wasserspiegel der Mulde schweben, und die auf der Kreuzer Mark erbauten Wohnungen. Nicht weit davon befindet sich ein zu Halsbach gehöriger Achat- oder Korallenbruch, welcher früher den sehr beliebten Korallenachat lieferte, in neuerer Zeit aber nicht mehr betrieben wurde. Der Bruch ist einen Lachter mächtig und die Gangart besteht aus sehr schönem gestreiften Achat. Die Streifen liegen lagenweise und werden von Amethyst, Carneol, Jaspis, Calcedon, durchsichtigem und undurchsichtigem Quarz umgränzt. In den Drusen finden sich Quarz- und Amethystkugeln, und springt beim Zerschlagen ein Stück nach der Lage der rothen Jaspisstreifen ab, so hat man auf der einen Fläche eine Menge erhabener rother Halbkugeln, welche zu dem seltsamen Namen Korallenachat Gelegenheit gegeben haben. – Die Gebäude des Rittergutes sind fast durchgängig in neuerer Zeit erbaut, auch mit Blitzableitern versehen, und das sehr hübsche, obschon blos sieben Fenster breite Herrenhaus lehnt an einer Senkung, die einen Teich enthält und einen kleinen Bach nach der Mulde hinableitet. Die Fluren von Halsbach sind durch den nahen Strom begränzt, und rainen mit Conradsdorf, Naundorf und Hilbersdorf.

Bereits im Jahre 1294 wird Halsbach in einer Urkunde und zwar unter dem Namen „Halichsbach“ erwähnt. Damals gehörte das Gut den Rittern von Honsberg, welche es in genanntem Jahre dem Rathe der Stadt Freiberg verkauften, wozu Markgraf Friedrich mit der gebissenen Wange am Tage Viti der Stadt die Lehn ertheilte. Zu Anfang des fünfzehnten Jahrhundert kam dasselbe in Besitz der alten Freibergischen Familie Buchführer, welche es um das Jahr 1434 den Hilligern, gleichfalls einer Patrizierfamilie, überliessen. 1438 gehörte Halsbach dem Bürgermeister der Stadt Freiberg, Caspar von Sayde, welcher kurz vorher auch das nahe Rittergut Conradsdorf erkauft hatte. Er starb 1443 und das Gut kam an einen seiner Söhne, der sich noch 1464 in dessen Besitze befand. Von ihm gelangten die Güter Conradsdorf und Halsbach an Nikol Hausmann, Rathsherrn und fürstlichen Münzmeister zu Freiberg, der im Juli 1499 in der Domkirche daselbst begraben wurde. Sein Sohn, Johann Hausmann, war ebenfalls Münzmeister und seit 1515 Bürgermeister, ein sehr gelehrter und verdienter Mann, welcher am Dienstage nach Valentini 1521 mit Tode abging und ebenfalls sein Grab in der Domkirche fand. In der Hausmann’schen Familie blieb Halsbach bis gegen die Mitte des siebzehnten Jahrhunderts, wo es an die Schönleben, später aber an Hans Seyfried verkauft wurde, dessen Sohn, der Bürgermeister Seyfried zu Freiberg, es bis gegen die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts besass. Endlich gelangte das Gut an die Familie Kleeberg, aus der Christian Andreas Kleeberg, welcher sich um die Oekonomie grosse Verdienste erwarb, im Jahre 1836 mit Tode abging. Seine Erben verkauften Halsbach an den jetzigen Besitzer, Herrn G. F. Käferstein in Glauchau.

[28] Die Stürme des dreissigjährigen Krieges trafen wegen der Nähe Freibergs den Ort und das Rittergut Halsbach vielfach und veranlassten sogar seine Zerstörung, woran namentlich der Umstand Schuld trug, dass Halsbach zur Zeit der berühmten Belagerung Torstensons Eigenthum Gabriel Schönlebens, Bruders des kühnen Bürgermeisters Jonas Schönlebens zu Freiberg war, dem die Schweden sammt dem tapferen Obersten von Schweinitz wegen ihrer hartnäckigen Vertheidigung der Stadt den Tod geschworen hatten. Diese ewig denkwürdige Belagerung der alten treuen Bergstadt begann am 27. Dezember 1642. Die ganze schwedische Armee mit einhundert und acht Karthaunen und Feuermörsern lagerte sich um Freibergs Wälle, und forderte die Besatzung, welche ausser der Bürgerschaft aus einer Compagnie Dragonern und drei Compagnieen Fussknechten, zusammen dreihundert Mann stark, und etwa sechshundert Bürgern und Bergleuten bestand, zur Ergebung auf. Der Commandant, Georg Hermann von Schweinitz, liess dem Schwedischen Feldmarschall erwiedern, dass er von seinem Laudesherrn die Ordre habe, Freiberg zu vertheidigen und mit den Seinigen bis auf den letzten Blutstropfen Widerstand leisten würde. Alsbald begann das Schwedische Geschütz Kugeln und Feuerballen auszuspeien, so dass in drei Stunden dreizehnhundert und siebenzehn Schüsse auf die Stadt abgefeuert wurden. Dabei warfen die Mörser Steine von mehreren Centnern und Bomben von mehr als hundert Pfunden Gewicht in die Stadt, welche indessen nur wenig Schaden anrichteten, da sie glücklicher Weise grösstentheils auf freien Plätzen niederfielen. Mit besserem Erfolge dagegen schlugen die schweren Karthaunenkugeln gegen die Wälle und Mauerthürme, so dass bald eine Bresche entstand, die jedoch durch die Bergleute und Bürger mit unglaublicher Todesverachtung durch Erdsäcke und Dünger wieder ausgefüllt wurde. Durch kühne Ausfälle, Abgrabung der feindlichen Minen, und wohlgerichtete Schüsse erlitten die Schweden ungeheuere Verluste, und schwuren, bei Erstürmung der Stadt die Einwohnerschaft bis zum Säugling zu tödten und den Ort der Erde gleich zu machen, aber die tapfern Vertheidiger lachten der Drohung und verdoppelten ihren Eifer gegen den wuthschäumenden Feind. Dabei kämpften die Rathsherrn in Mitten ihrer Bürgerschaft, und namentlich Jonas Schönleben, der Bürgermeister, zeigte sich unaufhörlich an den gefährlichsten Stellen und munterte die wackeren Freiberger zum tapfersten Widerstande auf. Während des Krachens der Geschütze und dem wilden Geschrei der Kämpfer knieten deren Weiber und Kinder in den Kirchen und flehten um Gottes Beistand bei der nahen schrecklichen Gefahr.

Tag für Tag verging, ohne dass der erwartete kaiserliche Succurs erschien, und die Lage Freibergs wurde immer bedenklicher, da die Mauer bereits an mehreren Stellen niedergeschossen und die Vertheidigung der Stadt dadurch höchst schwierig geworden war. Am 16. Februar, des Abends um acht Uhr, zündeten die Schweden eine Mine, welche in einem Augenblick die Mauer in einer Länge von zwanzig Ellen zusammenwarf und den dabei stehenden Feuerthurm dergestalt beschädigte, dass er dem Einsturz nahe war. Die Gefahr wurde dadurch aufs höchste gesteigert, aber trotz der Aufforderung Torstensons, die Stadt unter günstigen Bedingungen zu übergeben, reichten sich die Belagerten fröhlich die Hand und schwuren, eher mit ihrer Stadt unterzugehen, als dem Feinde die Thore zu öffnen. Und ihr Muth hielt aus bis zum letzten Augenblick – ihr Hohngelächter und Jubelgeschrei verfolgte bald darauf die abziehenden Schweden, welche das treue Freiberg von jener Zeit an nicht mehr anders als die „Hexenstadt“ nannten.

Es war am 17. Februar 1643 als Nachts gegen 11 Uhr von Lichtenberg zwei dumpfe Karthaunenschüsse herüberdröhnten und bald darauf zwei Raketen emporstiegen. Es waren die Losungszeichen der Kaiserlichen, die zur Rettung der Stadt heraneilten. Die Bürger und Soldaten stürzten einander in die Arme und jubelten über die zerschossenen Wälle und Thurmzinnen hinaus; aber auch im Schwedischen Lager ging es lärmend her, denn die Belagerer rüsteten sich zum Abzuge. Am frühen Morgen des 18. Februar zog die kaiserliche Avantgarde unter Anführung des Grafen Broy in die halbzertrümmerte Stadt, von deren Thürmen der Doppeladler und das Banner mit dem Sachsenwappen sie fröhlich begrüsste. Bald darauf folgte auch der kaiserliche Generalfeldmarschall Piccolomini mit mehreren hohen Offizieren und das Erstaunen Aller erreichte den höchsten Grad, als sie den Zustand der Befestigungen und die geringe Anzahl der Vertheidiger erblickten.

Einen unsterblichen Namen hat sich Freiberg durch diese heldenmüthige Vertheidigung erworben. Acht Wochen lang konnte sich eine Landstadt mit einfacher Fortification gegen eine zahlreiche und vorzüglich bewaffnete Armee halten. Mehr als fünftausend Schüsse wurden gegen Freibergs Mauern abgefeuert und vierzehn Minen gesprengt. Der Kaiser Ferdinand liess bei der Nachricht von dem Entsatze Freibergs in der Hofkirche das Te Deum singen und sogleich ein Schreiben an den Generalfeldmarschall Piccolomini abgehen, worin er ihn beauftragte, der Garnison und Bürgerschaft Freibergs in kaiserlicher Majestät Namen zu danken und dem Obersten von Schweinitz nebst dem Bürgermeister Schönleben mitzutheilen, dass binnen zwei Tagen der Graf von Bois in Freiberg eintreffen und ihnen kaiserliche Gnadenketten, im Werthe von tausend Thalern für den Obersten und fünfhundert Thalern für den Bürgermeister, einhändigen würde. Dazu erhielt Jonas Schönleben ein Adelsdiplom, Schweinitz aber die Erhebung in den Reichsfreiherrnstand.

Nach seiner Zerstörung durch die Schweden erhob sich Halsbach bald wieder aus der Asche und ist seit jener Zeit von keinem bedeutenden Unfalle betroffen worden. Durch eine Abänderung und Erweiterung des Schulbezirks wurde es nöthig, ein neues Schulhaus zu erbauen, in welchem gegen hundert Kinder Unterricht erhalten. Die Einwohnerschaft, gegen dreihundert Köpfe stark, besitzt nur sehr wenig Feld und nährt sich hauptsächlich vom Bergbau.

Halsbach ist in die Kirche des nahen Dorfes Conradsdorf eingepfarrt. Dieselbe war ursprünglich eine Kapelle, die zum Gebrauche der Pilger diente, welche nach dem Gnadenbilde im Cisterzienserkloster Altenzelle bei Nossen wallfahrteten. Bis zur Reformation hatte dieses Kloster in Conradsdorf einen Caplan, der daselbst den Gottesdienst besorgte; nach Herzog Georgs des Bärtigen Tode aber wurde die Kirche unter die Superintendentur Freiberg gestellt. Einer der ersten hiesigen evangelischen Geistlichen war M. Johann Götze aus Themar, Luthers einstmaliger Famulus, der als hochbejahrter Greis erst 1601 nach siebenundvierzigjähriger Amtsführung zu Conradsdorf starb. – Die Kirche liegt auf einer Anhöhe und ihr gefälliges Aeussere entspricht keineswegs dem düsteren und feuchten Innern. Die alte vortreffliche Orgel ist ein Werk des berühmten Silbermann. – 1632 drangen die Croaten in [29] Conradsdorf ein, und wütheten hier so entsetzlich, dass sie unter anderem in die Kirche einbrachen – wohin sich nebst dem Pfarrer und Schulmeister eine Anzahl Einwohner geflüchtet hatten – und die unglücklichen Landleute sämmtlich ermordeten. Noch lange Jahre nachher sah man an den Kirchenthüren die Spuren der bestialischen Wuth des Kriegsvolkes, das ausser einem silbernen Kelche der Kirche auch eine beträchtliche Geldsumme raubte. – Ausser Halsbach und Conradsdorf sind in die hiesige Kirche noch eingepfarrt das Dorf Falkenberg und einige entfernter gelegene, nach einer vormals berühmten Grube „St. Lorenz Gegendrom“ genannte Häusser.

* * *      




Hartenstein.


Hartenstein, seit Jahrhunderten das Residenzschloss der Grafschaft und Standesherrschaft Hartenstein liegt auf einem hohen steilen Berge, umgeben von herrlichen Waldungen und romantischen Thälern, in deren einem das Städtchen Hartenstein sich längs der Anhöhe hinauf erstreckt. Das Schloss gewährt mit seinem prachtvollen Thurme einen herrlichen Anblick und bildet in seinem Haupttheile ein Corps de Logis mit zwei Flügeln, welche wieder durch einen offenen, von Säulen getragenen Corridor verbunden sind, wie denn überhaupt die alte Burg in neuerer Zeit vielfache Reparaturen und Verschönerungen erfahren hat. Hinter dem aus mehreren Etagen bestehenden Haupttheile des Schlosses befindet sich ein grösserer Hof mit Nebengebäuden, zu dem ein Vorhof mit einem Zwinger nebst einer Brücke und zwei festen Thoren führt. Oestlich von der Burg, von dieser durch eine Senkung getrennt, steht das Vorwerk und nicht weit davon eine Schäferei. In alter Zeit galt der Hartenstein für eine bedeutende Festung und hatte besondere Schlossvoigte, wie z. B. 1413 einen Ritter von Trebitz, 1503 einen Junker von Ulstädt, 1524 einen von Etzdorf und ausserdem mehrere Trützschler von Eichelberg von dem nahen Schlosse Stein, welche wegen dieses Dienstes wahrscheinlich Stein von den Schönburgen zur Lehn trugen. Aus dieser Zeit werden in der Vorhalle des Schlosses noch mehrere eiserne Rüstungen und Waffenstücke aufbewahrt. Die Rüstkammer der Burg liess Graf Hugo II. von Schönburg 1584 in eine Kapelle verwandeln und Graf Otto Ludwig 1696 restauriren, auch nannte sie Letzterer aus Liebe zu seiner Gemahlin „die Sophienkirche.“ Am 25. Mai des genannten Jahres wurde die Kapelle durch den Waldenburger Superintendenten Stolze neuerdings eingeweiht. Durch seine Verpflichtung, den Gottesdienst in der Schlosskirche zu verrichten, führt der Pfarrer des Städtchens Hartenstein den Titel eines Hofpredigers. Im Jahr 1672 besuchte Churfürst Johann Georg II. das Schloss Hartenstein mit 172 Mann Gefolge und 143 Pferden, und hielt sich hier mehrere Tage auf.

Denkwürdig ist das Schloss Hartenstein in der Geschichte Sachsens auch dadurch geworden, dass einer der aus dem Schlosse zu Altenburg geraubten Sächsischen Prinzen nach seiner Befreiung hier das erste Nachtlager hielt. Während Kunz von Kaufungen mit dem Prinzen Albrecht durch die Leine und den Rabensteiner Forst nach Böhmen zuritt, führten die Ritter von Mosen und von Schönfels den Prinzen Ernst der Abrede gemäss nach dem Frankenlande hin, aber erschreckt durch das Sturmläuten und die Nachricht, dass Kauffungen gefangen sei, suchten sie Zuflucht bei einem Prediger zu Hartenstein. Da dieser nicht zu Hause war, verbargen sie sich in einer nicht weitentlegenen Höhle, damals die Teufelskluft genannt, wo sie nebst dem Prinzen drei Tage lang blos von Wasser und Heidelbeeren lebten. Durch ihre kritische Lage zur Verzweiflung getrieben, schickten sie einen ihrer Knechte an den Amtshauptmann Veit von Schönburg zu Zwickau mit folgendem noch vorhandenen Briefe:

 Edler Herr Haubtman, Er tzu Schönburg
„Uns gehet die Rewe an, daz wir Cordt Kauffungen zu willen gewest gen unsern lyben Herrn vnd sine Sune Fehde zu thun. Weyl aber Hertzogk Friedrich ein sanfmüttiger Korfürst iss, so hoffen wir Gnade vnd fügen euch hiemitte zu wyssen, wie wir den jungen Fürsten Herrn Ernsten vnversehrt, lebendig vnd gesunt um vnser gewarsame bey vnns haben. Wannen ihr vnns nun bei dem Korförsten Gnade vnd Sicherung Leibes, Ehr vnd Gutts zu wege bryngen vnndt schriftlichen daför haften werdet, wollen wir den jungen förstlichen Sun vnnverletzet widerbringen. Wennen man edder uf vnns anziehen wirdet vnns zu fangen, so wollen wir den Korförstlichen Sun erstechen vnd vnns weren dyweil wir mügen, dannen vnns selbst tödten vndt nicht ahn gross Blutverguss yn uiyre Hände fallen, des wollt vnns uiyre schriftliche Andtwort nit perge.“ [30] Der Amtshauptmann von Schönburg ertheilte den Prinzenräubern sofort im Namen des Churfürsten die verlangte Sicherheit und diese brachten das geraubte Kind nach dem Schlosse Hartenstein, wo dasselbe am 11. Juli (1455) frisch und gesund anlangte. Der Herr von Schönburg gab hierauf den reumüthigen Edelleuten einen derben Verweis und gebot ihnen, unverzüglich Sachsen zu verlassen. Beim Abschiede beschenkte Prinz Ernst den Ritter von Schönfels, dessen Pferd lahm geworden war, noch mit einem schönen Rosse, indem er zu ihm sagte: „nun reitet hin und kommet in meines Vaters Land nimmer wieder!“ Ueber Mosens und Schönfels fernere Schicksale ist nichts bekannt geworden, vermuthlich gingen sie in das benachbarte Böhmen. Die noch jetzt vorhandene Höhle, in welcher die Edelleute mit dem geraubten Prinzen Ernst Zuflucht suchten, heisst seit jener Zeit „die Prinzenhöhle“ und war vermuthlich einst ein Stollen, wo man Eisenstein suchte, später aber ein Schlupfwinkel raublustiger Gesellen, um die Waarenzüge, welche damals noch aus dem südlichen Deutschland durch das naheliegende Thal gingen, zu erspähen. Sie ist sechsunddreissig Ellen lang und einige Ellen breit, nach oben zu schmal und nur sehr mühsam zu durchklimmen. Am Eingange hängt eine Tafel mit Inschrift, welche bezeugt, dass Friedrich Albrecht Graf von Schönburg im August 1779 bei Gelegenheit der Vermählung seiner einzigen Tochter mit einem Grafen von Hochburg die Höhle habe reinigen und gangbarer machen lassen. In neuerer Zeit ist noch so Manches zur Verschönerung des wildromantischen Thales gethan worden. Vor einigen Jahren besuchte die Prinzenhöhle Se. Königl. Hoheit der Kronprinz Albert und nahm auf dem Plateau über der Höhle ein heiteres Mahl ein. Die ganze bis Hartenstein ziehende Bergkette, auf der sich die Höhle befindet, heisst der Mehltheuer. Uebrigens lässt der Umstand, dass die nicht weit von hier in Ruinen liegende Eisenburg dem Ritter Kunz von Kaufungen gehörte, der Vermuthung Raum dass die geraubten jungen Fürsten nicht nach Eisenburg oder Riesenburg in Böhmen, sondern hierher in Sicherheit gebracht werden sollten.

Im zwölften und dreizehnten Jahrhundert war Hartenstein Eigenthum der Burggrafen von Meissen, welche die Grafschaft als Reichslehn inne hatten seit 1336 sich auch Grafen von Hartenstein nannten und auf der Burg ihren Wohnsitz nahmen. Von ihnen kennt man Hermann I., einen gebornen Grafen von Wolfeswarth um 1143, Meinhard I. um 1190, Meinhard II. seit 1232. Meinhard III. seit 1278. Hermann III. seit 1308 zugleich Herr von Frauenstein, kommt noch 1336 urkundlich als Graf von Hartenstein vor; die Brüder Meinhard IV., Berthold und Albert seit 1337; die Brüder Meinhardt V. und Berthold I. seit 1355; von 1355 bis 1388 Meinhard VI. mit seinem Bruder Berthold II. und einen Vetter Berthold, von denen Berthold II. Böhmischer Oberhofrichter in den Jahren 1388 bis 1399 allein regierte, jedoch seit 1390 seinen Neffen Heinrich I. und seit 1399 dessen Bruder Meinhard zu Mitregenten annahm. Heinrich, der letzte Burggraf aus dem Stamme Wolfeswarth, verpfändete 1406 die Herrschaft auf acht Jahre an Veit von Schönburg, da aber nach dieser Zeit die Wiedereinlösung nicht erfolgte, so wurde die Grafschaft, nach völliger Abtretung, von dem Kaiser Sigismund bei Gelegenheit der Kostnitzer Kirchenversammlung Veit von Schönburg zur Lehn gereicht. Heinrich fand seinen Tod 1426 in der Hussitenschlacht bei Aussig und der folgende Burggraf Heinrich Reuss von Plauen wollte gegen seines Vorgängers Heinrich Abtretung der Herrschaft protestiren, da aber Veit von Schönburg seine Tochter heirathete, beruhigte er sich, und überliess ihm seine Ansprüche als einen Theil der Aussteuer.

Seit dieser Zeit befindet sich Hartenstein im Besitze der Familie Schönburg. Nach dem Tode Ernst des Jüngeren von Schönburg, gestorben 1534, kam die Herrschaft unter Vormundschaft und später in Besitz der Brüder Georg, Hugo und Wolf von Schönburg. Bei der stattfindenden Erbtheilung blieb Hartenstein so weit gemeinschaftliches Eigenthum der Brüder, als die Vormünder es nicht an den Churfürsten verkauft hatten, wesshalb auch in dem Familienvertrage vom 2. Februar 1566 gesagt wird: „Wir haben unsere Grafschaft Hartenstein, wiewohl nicht mit unserm guten Willen, sondern aus wissentlichen Ursachen erblich verkauft.“ Churfürst August erkaufte den sogenannten obern Theil der Herrschaft für 146,000 Meissnische Gülden (?) und zwang, wie der Kaufbrief zeigt, die Besitzer zu dieser Abtretung, weil der Theil des Landes ausser vielen Oertern und Waldungen auch siebzehn Hammerwerke enthielt und ihm wegen des Bergbaues sehr erwünscht war. Zwar bemühten sich die Schönburge den Churfürsten drei Jahre lang mit Vorstellungen hinzuhalten, aber endlich mussten sie doch nachgeben.

Die sogenannte niedere Grafschaft übernahm 1556 Hugo Ernst; später erlangte er auch Lichtenstein und Waldenburg. Von seinen drei Söhnen empfing 1582 Hugo ausschliessend Hartenstein und starb 1604 zu Gera. Er hinterliess fünf Söhne, deren einer, Otto Albrecht, ausser Hartenstein auch Grässlitz in Böhmen und Oelsnitz besass. Sein Tod erfolgte 1680; Otto Ludwig aber erbte vom Vater ausser Hartenstein auch Lichtenstein und Waldenburg und starb 1701 als erster Graf von Schönburg oberer Linie. Graf Otto Albert, sein Nachfolger regierte nur bis zum Jahre 1716 und hinterliess die Herrschaft seinem einzigen Sohne Friedrich Albert, welcher 1786 kinderlos starb. Dessen Besitzungen kamen hierauf an den nächsten Lehnsvetter, Grafen Otto Carl Friedrich, der schon Lichtenstein und Waldenburg von seinem Vater geerbt hatte, 1790 zum Fürsten erhoben wurde und 1800 mit Tode abging. Hierauf übernahm die Regierung, als Vormünderin ihrer vier Prinzen, die fürstliche Wittwe Henriette Eleonore Elisabeth, eine geborne Reuss von Plauen zu Köstritz, bis der zweite Prinz, Fürst Friedrich Alfred, kaiserlich Oesterreichischer Kämmerer und Geheimerath, auch Herr auf Stein, in den Besitz von Hartenstein trat. Der jetzige Herr auf Hartenstein ist des vorigen Besitzers Bruder, Sr. Durchlaucht Fürst Otto Viktor von Schönburg-Waldenburg.

Das Städtchen Hartenstein mit zweihundert Häusern und etwa zweitausend Einwohnern liegt am rechten Ufer des Thierfelder Baches und einem aus Nordwesten kommenden Nebenbächlein an flachem Bergeshange, übrigens auch mit einzelnen Häusern am Fusse anderer Höhen und namentlich des steilen Schlossberges, dessen zunächst stehende Häuser als die zuerst erbauten noch einige Vorrechte geniessen. Hier wurde auch im Jahre 1609 der berühmte Verfasser frommer Lieder, Paul Flemming geboren, dessen Vater Schulmeister und später Diakonus war. Die Stadt litt viel durch den dreissigjährigen Krieg und 1613 durch eine heftige Epidemie. Die hauptsächlichste Beschäftigung der Einwohnerschaft besteht ausser Ackerbau und Viehzucht in Leinweberei und Strumpfwirkerei.

[31] Die Stadtkirche zu Hartenstein ist ein alterthümliches vielfach restaurirtes Gebäude, welches vor der Reformation die Frauenkirche hiess. In derselben ruhen eine Anzahl Personen aus dem Stamme der Schönburge, unter anderen auch Graf Hugo II., welchem die Kirche viele Wohlthaten zu danken hat. An der Stadtkirche lehrt ein Pastor, (welcher den Titel eines Hofpredigers führt,) der zugleich geistlicher Kirchen- und Schulinspector der Herrschaft ist, sowie ein Diakonus, der gleichfalls wegen seiner Amtsverrichtungen in der Schlosskapelle das Prädikat eines Hofdiakonus, wie auch der Cantor das eines Hofcantors führt. Der Cantor ist zugleich Gerichtsschreiber. – Das Amt befindet sich auf dem Schlosse, und unter ihm stehen ausser der Stadt Hartenstein die Dörfer Brutha, Mülsen St. Niklas, Mülsen St. Jakob, Oberaffalter, Niederaffalter, Pfannenstiel, Grüna, Oberhaselau, Raum und Thierfeld, sowie Antheile von den Dörfern Alberoda, Härtensdorf, Lenkersdorf, Niederlössnitz, Oelsnitz und Zschocken.

M.     




Sachsenburg.


Die Sage erzählt: „Im Kriege Carls des Grossen mit den heidnischen Slaven habe das Fränkische und das mit ihm verbündete Sächsiche Heer in hiesiger Gegend ein Lager aufgeschlagen und dadurch Veranlassung zur Entstehung der Ortschaften Frankenberg und Sachsenburg gegeben. Eine alte Chemnitzer Chronik versichert, Kaiser Karl habe befohlen, auf einem Berge die Sachsenburg zu erbauen; es ist jedoch wahrscheinlicher, dass dieses Schloss erst unter Heinrich dem Vogelsteller entstand und unter dem Befehle eines kaiserlichen Vogtes eine Besatzung beherbergte, welche die umliegende Gegend vor den Einfällen der bezwungenen Sorben zu schützen hatte. Eine uralte Tradition behauptet, ein Deutscher Kaiser habe Kolonisten aus den im Lande Hessen gelegenen Städtchen Frankenberg und Sachsenberg hierher verpflanzt und auf dem Schlosse Sachsenberg eine Zeitlang selbst residirt“ – aber alle diese Angaben entbehren der historischen Beweise.

Urkundlich erscheint die Sachsenburg zuerst im Anfange des dreizehnten Jahrhunderts, wo sie von den Rittern von Mildenstein bewohnt war, die indessen vielleicht blos als Burgmannen darauf sassen. Bald nachher, 1254, hauste auf der Sachsenburg ein Ritter Heinrich von Schönberg, wahrscheinlich in gleicher Eigenschaft; durch alte Lehnsbriefe und Schenkungsurkunden ist aber nachzuweisen, dass bereits 1369 die Güter Schönberg und Sachsenburg erbliches Eigenthum der Herren von Schönberg waren. Kaspar von Schönberg, welcher durch die bedeutende Ausbeute, die er von dem Schneeberger Bergbau zog, grosse Reichthümer erlangte, liess das alte Schloss niederreissen und erbaute das noch jetzt stehende, welcher Bau im Jahre 1488 zu Ende geführt wurde. In der Schlosskapelle befindet sich darüber eine in Stein gehauene Inschrift folgenden Inhalts: „Dies Clos und Capelle hat der gestr. und ehrenveste Ritter Er Caspar von Schönberg bauen und machen lassen, der eine aus dem Geschlechte Maltitz, Barbara genandt zum Ehelichen Weibe gehabt und ist vollbracht nach Christi geburth 1488. Hannss Reinhardt sein Werkmeister.“

Die Familie von Schönberg blieb im Besitze von Sachsenburg bis zum Jahre 1609, wo Churfürst Johann Georg I. die Güter Sachsenburg und Frankenberg, ersteres von Heinrich und letzteres von Hans von Schönberg an sich kaufte. Aus beiden Besitzungen entstand nunmehr das Amt Sachsenburg, wozu die Dörfer Altenhain, Dittersbach, Gunersdorf, Hausdorf, Kokisch, Lauenhain, Mühlbach, Neudörfchen, Rösschen, Sachsenburg und Seifersbach gehören. Ueberdiess hat das Amt noch die Obergerichtsbarkeit über die Stadt Mittweida und die Gerichtsherrschaft Neusorge. – Nach Churfürst Johann Georg I. Tode hielt sich bisweilen dessen Wittwe, Magdalene Sibylle, auf dem Sachsenburger Schlosse auf, und da sie eine sehr wohlthätige und liebreiche Dame war, so tauften die umwohnenden Landleute ihre Töchter grösstentheils „Sibylle“, ein Name, den man noch jetzt sehr häufig bei alten Frauen der Umgegend antrifft.

Das Schloss Sachsenburg liegt einige tausend Schritte vom Dorfe gleichen Namens auf einem steilen Berge an dem Zschopauflusse. Man geniesst von hier auf das Zschopauthal hinab und über die Stadt Frankenberg, das Schloss Lichtewalde und Augustusburg hin eine entzückende Aussicht. Rechts im Thale zeigt sich das Fischerhaus, eine sehr besuchte Restauration, und eine grosse Mühle; links aber erheben sich dunkle Waldungen, begrenzt von fruchtbaren Wiesen. Vor Zeiten war das Schloss mit starken Mauern und Gräben eingefasst, die jedoch verschwunden sind, und von den drei Abtheilungen, aus welchen die Veste einst bestand, wurden eine Anzahl Gebäude [32] durch plündernde Soldaten im Jahre 1632 niedergebrannt. Von den beiden noch vorhandenen Theilen bildet der hintere das eigentliche Schloss, und dient dem Justizamtmann, dem Rentamtsverwalter und dem Sporteleinnehmer zur Wohnung. Ausser der Amtstube enthält das Schloss eine Kapelle mit Kanzel und Altar, in welcher jedoch seit vielen Jahren kein Gottesdienst stattfindet. Das Schloss besitzt ausserdem einen hohen, starken Thurm mit einer Uhr und zwei Glocken, der nebst einem daranstossenden Gebäude als Amtsgefängniss benutzt wird. Zum Kammergute gehören gegen 450 Acker Wiesen und Feld. Die aus dem Thale zum Schlosse führenden, mit Geländer versehenen 302 steinernen Stufen liess auf eigene Kosten Gabriel Gau, welcher 1729 hier Amtmann war, anlegen.

Aus einigen Urkunden und Traditionen geht hervor, dass einst in dieser Gegend eine alte Burgwarte mit Namen „Gozne“ stand, wer sie aber erbaute und wann sie zerstört wurde, ist nicht zu ermitteln. Man glaubt, Gozne habe auf dem sogenannten Treppenhauer, einem westlich vom Schlosse liegenden Berge gestanden, welcher die Höhe des Schlossberges zwiefach überragt, und wirklich sind hier noch Spuren von Gräben und wallartigen Aufwürfen wahrzunehmen, die indessen auch Verschanzungen aus späterer Zeit angehört haben können. Der Treppenhauer ist zum Theil mit herrlichen Eichen und Buchen bewachsen und eine grosse Anzahl Bingen sind als Zeugen des ergiebigen Bergbaues zurückgeblieben, welcher hier bis zur Zeit des 30jährigen Krieges stattfand. Die Schlossschenke oberhalb des Schlosses wird aus der Umgegend fleissig besucht, auch ist der Gasthof zum Fischerhause mit trefflichen Zimmern und einem schönen Saale ein sehr besuchter Vergnügungsort der benachbarten Stadtbewohner, denn er hat eine herrliche Lage und ist durch einen trefflichen Sandweg mit dem Städtchen Frankenberg verbunden. Mit der an der Zschopau gelegenen Schlossmühle ist eine Baumwollenspinnerei vereinigt, welche in den Jahren 1836 und 1837 entstand. Das Zschopauwehr unter der Sachsenburg darf in Folge eines Vertrags vom Jahre 1533 von den Besitzern zum Nachtheile der Flossherren nicht erhöht werden, dagegen müssen aber auch diese, wenn sie mit einem Floss daran hängen bleiben, ersteren eine beträchtliche Strafe zahlen.

Das Dorf Sachsenburg liegt an der Strasse, die von Frankenberg nach Mittweida führt, zum Theil in einem sehr angenehmen Thale, und besteht aus elf Bauergütern, zwölf Gärtnerhäusern, vierunddreissig Häusern, einer Schenke, Schmiede und einem Gemeindehause. Die Zahl der Einwohner beträgt 450 Personen und das zum Dorfe gehörige Areal 646 Acker 108 Ruthen. Zum Gemeindeverband ist in neuerer Zeit das Schloss Sachsenburg mit der Schlossmühle, der Fabrik, dem Gasthofe zur Schlossschenke und dem Fischerhause gezogen worden. Für die Bewohner Sachsenburgs und Frankenbergs besteht ein Legat der Wittwe Christophs von Schönburg, Margarethe, einer geborenen Pflugk, welche 1575 auf Sachsenburg starb. Sie bestimmte nämlich die Zinsen von 2409 Gulden zu Stipendien für Studirende aus Sachsenburg und Frankenberg auf drei Jahre. Im Laufe der Zeit ist nun das Capital der Stipendiatenkasse auf 15839 Thaler angewachsen, so dass die Studenten 30 Thaler Stipendium empfangen; ausserdem werden aber von den Zinsen noch eine Anzahl armer Kinder der Stadt und der Amtsdörfer mit Schulgeld, Büchern und Kleidungsstücken beschenkt und den Schullehrern Gehaltszulagen verabreicht.

Die Kirche zu Sachsenburg ist unbedingt eine der ältesten in hiesiger Gegend und entstand aller Wahrscheinlichkeit nach bald nach Erbauung des Schlosses. Sie führt jetzt den Namen einer Tochterkirche von Frankenberg, ist jedoch eigentlich deren Schwesterkirche, indem der Archidiakonus in Frankenberg nicht als solcher, sondern als Sachsenburger Pfarrer in dieser Kirche das geistliche Amt zu verrichten hat. Alte Nachrichten behaupten, dass die Sachsenburger Kirche weit eher vorhanden gewesen sei als die zu Frankenberg, aus welchem Grunde erstere als Mutterkirche betrachtet werden müsse. Uebrigens ist erwiesen, dass die Kirche zu Sachsenburg einige Jahrhunderte vor der Reformation eine den heiligen drei Königen gewidmete Wallfahrtskapelle war. Sie ist ein massives, starkes Gebäude, an dem verschiedene Reparaturen und Veränderungen bemerkbar sind, überragt von einem starken, spitzen, mit Schiefer gedeckten Thurme.

Das Innere der Kirche ist durch neuere Reparaturen hell und freundlich geworden, durch dieselben hat man aber auch alle alterthümlichen Gegenstände vernichtet, mit Ausnahme des reich geschnitzten und stark mit Golde überzogenen Flügelaltars, auf welchem hübsch gearbeitete biblische Personen dargestellt sind. Von den alten Leichensteinen, welche einst in der Kirche über den Grüften der Ritter und Edelfrauen standen, hat sich blos einer erhalten, welcher dem Andenken Magdalenens von Schönberg, geborenen von Ende, der Gemahlin Heinrichs von Schönberg, gilt, die am 18. Januar 1605 auf dem Schlosse Sachsenburg starb.

Nach Sachsenburg sind eingepfarrt die beiden Dörfer Irbersdorf und Schönborn, von denen letzteres eine eigene Schule mit etwa 60 Schulkindern hat. Das schöne grosse Schulhaus in Sachsenburg wurde 1736 neu erbaut und 1830 mit Schiefer gedeckt; die Zahl der dahin gehörigen Schulkinder beträgt etwa 110. Der Gottesacker ist mit einer uralten Steinmauer umgeben, die wohl zugleich mit der ersten Kirche entstanden sein mag.

Otto Moser, Redact.     



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