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Gersdorf
bei Rosswein.


Im Pfarrarchive zu Etzdorf befindet sich über Gersdorfs Entstehung eine uralte Nachricht, welche im sechszehnten Jahrhundert ein Bürger zu Oschitz, Peter Schneider, Caspar Arnolden, gewesenem Pachtmanne auf Gersdorf, aus einer alten zerrissenen und später verloren gegangenen Chronik – vermuthlich aus dem Kloster Altzelle herrührend – mittheilte. Die Schrift enthält wörtlich folgende freilich durchaus nicht historisch verbürgte Kunde:

„Als man geschrieben 733 Jahr nach Christi Geburd, den tagk Simonis Judä ist ein Münch, der „Kappenmünch“ genennet, aus der Appiszelle, der gehet aus spatziren uff das Slos mit Namen Wunderburgk, da soll ein Räuber gewesen sein mit Namen Martinus Krieche und seine Bulerin hat Gertraud heissen. Als sie vuneinander scheyden haben wollen sind sie ohngefähr uff eine halbe Meile zu begleitunge gegangen, alda haben sie ein Berckwerck angetroffen, darauf sie alsbalde zur Ehe gegriefen und der Reuberei und Müncherei nachgelassen, und eine statt dahingebaut uff welchem ortt jetzund Gerschdorf genennet noch stehet. Ist aber solche statt nach dem Weibe genennet worden Gertraud, als Gerschberg. Ist solch Bergwerck so reich gewesen, dass man solche statt darum erbauet hat. Als man nun geschrieben 734 Jahr hatt man angefangen die statt zu bauen und mit bergkarbeitern zu belegen, und darauf als man des Silber Erztes eine Anzahl gefunden, hat man Hütten uffgerichdet darinnen man dasselbe Erzt hat gesondert. Und weil man des Wassers nicht vollkommen gehatt, hatt man derentwegen desto mehr Hütten gebawet.

Als man ferner geschrieben 887 Jahr so hat sich eine Reuberei in diesen Landen entspunnen, welche denn gewähret bis in das 89 Jahr, darauf ist solch Bergkwerk verblieben und verstöred worden das hab ich oft gelesen. Nunmehr ist ein Bergkwergk auf der Goppisch genennet gewesen, wo aber diese Goppisch liege kann ich Niemand zeigen, da soll solchs Erzt verstorzed worden sein, da man solchs Erzt wegen der Reuberei hatt behalten wollen. Nun hat es abermals drei Jahre stille gelegenn, da hat man wiederumb einzelne Heuser zu bawen anfangen. Zu Ertzbergk neben dem Schaffhofe uff solchen Gutte hat das Bergk Amt gelegen, darauf hatt ein jeder Bawersmann dem Herrn müssen zween arbeiter zuschicken in mangelunge des wenigen Volks.“

Für die ebenerwähnte Nachricht, Gersdorf sei in grauer Vorzeit eine Stadt gewesen, spricht der Umstand, dass ein westlich von der Schäferei gelegenes Stück Holz noch jetzt der Kramerbusch heisst, und eine alte Tradition den Hopfengarten als den einstmaligen Marktplatz bezeichnet. Jetzt ist Gersdorf ein stattliches Dorf, dessen Fluren mit Rosswein, Etzdorf und Marbach rainen. Es liegt etwa tausend Schritte entfernt von der mit schönen Waldungen umgebenen Mulde, deren Ufer hier überhaupt von einer reizenden Gegend eingefasst sind. Der einsame, östlich gelegene Waldgrund enthält zwei zum Rittergute Gersdorf gehörige Teiche. Von den Einwohnern, gegen dreihundert Köpfe stark, beschäftigt sich ein grosser Theil mit Bergbau.

Ueber den Gersdorfer Bergbau sind ausser obiger Sage auch authentische Nachrichten vorhanden. Im Jahre 1593 wurde nämlich das alte Bergwerk – von welchem man nicht wusste, wodurch es liegen geblieben oder erbauet worden – von Caspar Arnold, dem Pachter des Rittergutes Gersdorf, und dessen Bruder, Matthias Arnold, durch den Steiger Pfensterstein wieder aufgenommen, und die Fundgrube, nahe am Vorwerk beim Krebsbach gelegen, „das himmliche Heer“ genannt. Der Rittergutspachter Christoph Heinrich Köhler nahm 1679 das durch den dreissigjährigen Krieg gänzlich in Verfall gekommene Bergwerk wiederum auf, und nannte die Grube zum himmlischen Heer „Segen Gottes“, liess auch den Adamsstollen, welcher in der Nähe des Muldenstromes mündet, anlegen. Jetzt gewann der Bergbau an Bedeutung, doch schon im Jahre 1703 war er wieder ins Stocken gerathen. Im Jahre 1743 stellten sich die Gruben, Kunstgezeuge, Wäschen und Erzfuhren so trefflich dar, dass man ernstlich hoffte, nach der bedeutenden Zubusse reichliche Ausbeute zu erlangen. Dieser Wunsch ist theilweise in Erfüllung gegangen, indem bis zum Anfange dieses Jahrhunderts die Gruben reichen Ertrag gewährten; nach dieser Zeit aber wurden die inneren Wasser so mächtig, dass der Bau jahrelang eingestellt werden musste. Jetzt sind wieder gegen hundertdreissig Bergleute unter Aufsicht eines Obersteigers in der Grube beschäftigt, und da noch mehrere edle Gänge zu überfahren sind, kann man auf gute, neue Anbrüche hoffen. Die Erzlieferung des Jahres 1840 betrug gegen 5550 Centner Erz mit 2208 Mark Silber, und die Bezahlung dafür 18200 Thaler. Bei dieser Grube wurde im Jahre 1833 eine grosse Wassersäulenmaschine, und 1840 vom Kunst- und Treibeschacht bis zum Pochhause bei der Wäsche auf 378 Lachter Länge eine Eisenbahn erbaut, worauf die Gangmasse von den Bauen auf obige Länge gefördert wird. Die zum Bergwerk gehörigen Taggebäude sind: ein Huthaus, eine Schmiede, ein Pferdegöpel mit Treibehaus, ein Zimmerhaus, eine Poch- und Stossheerdwäsche, eine Scheidebank und eine Ausschlagescheuer. Ausserdem hat Gersdorf eine Schenke, drei sogenannte Berghäuser, welche der Herrschaft gehören und zwei Privathäuser.

Das Rittergut Gersdorf war in frühester Zeit Eigenthum des nahen, 1162 gegründeten Klosters Zelle, und nach Conrad Knauths Altzellischer Chronik soll Gersdorf „weiland das vornehmste und wichtigste, nächst dem Klostergute Zelle, aller Zellischer Forberge, dessen sich weiland die Herren Aebte zu einer plaisirlichen Diversion bedienet“ gewesen sein. Seit dem Anfange

     Erzgebirgischer Kreis, 4tes Heft, oder 19tes der ganzen Folge.

Empfohlene Zitierweise:
Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Schlösser und Rittergüter im Königreiche Sachsen IV. Section. Expedition des Ritterschaftlichen Album-Vereins, Leipzig 1856, Seite 25. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Schl%C3%B6sser_und_Ritterg%C3%BCter_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_IV.djvu/047&oldid=- (Version vom 9.4.2017)